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db deutsche bauzeitung 10|2012
Arbeitswelten
db deutsche bauzeitung 10|2012

Differenziertes Raumangebot

Büroetagen für Carl Zeiss Meditec in Berlin

Für ein Unternehmen der Medizintechnologie entwarfen WeberWürschinger Architekten Büros, die Seriosität und Modernität zugleich ausstrahlen. In einem Bestandsgebäude konnte ein differenziertes Rauman- gebot realisiert werden, das den Bedürfnissen der Belegschaft entspricht.

1. Oktober 2012 - Mathias Remmele
Der Graue Star, in der Fachsprache Katarakt genannt, ist eine vorwiegend altersbedingte Eintrübung der natürlichen Augenlinse, die zu einem Verlust der Sehschärfe, zu eingeschränkter räumlicher Wahrnehmung und zu einer deutlichen Reduktion der Farbwahrnehmung führt. Behandelt wird diese verbrei- tete Erkrankung heute mithilfe der sogenannten Intraokularlinsen – künstliche Linsen, die operativ ins Auge implantiert werden. Ein renommierter Hersteller dieser medizintechnischen Hightech-Produkte ist die Carl Zeiss Meditec. Das expandierende Unternehmen, bisher im brandenburgischen Henningsdorf ansässig, bezog im Januar dieses Jahres einen neuen Standort im Berlinbiotechpark. Dieser, auf Firmen aus dem Bereich Life Science spezialisierte, nicht weit vom Charlottenburger Schlosspark gelegene Gewerbepark, einst ein Betriebsgelände des Berliner Pharma-Konzerns Schering, bot dem Unternehmen die Möglichkeit, seine bis dato in getrennten Gebäuden untergebrachten Abteilungen unter einem Dach zu vereinen. Produktion (unter Reinraumbedingungen), Forschung und Verwaltung fanden hier, in einem nach den Bedürfnissen des neuen Nutzers umgebauten Bestandsgebäude Platz.

Das Büro als Visitenkarte

Mit der Gestaltung der beiden aus logistischen Gründen (direkte Verbindung zum Produktionstrakt) über zwei Stockwerke voneinander getrennten Büroetagen für rund 80 Mitarbeiter wurde das in Berlin ansässige Büro WeberWürschinger Architekten beauftragt. Gefordert war ein Arbeitsumfeld, das sich durch Offenheit und Transparenz auszeichnen und die interne Kommunikation befördern sollte. Dabei galt es, strenge Konzernvorgaben hinsichtlich Flächeneffizienz und Möblierungskosten einzuhalten. Im Verständnis von WeberWürschinger Architekten, die im Bereich Bürogestaltung einschlägige Erfahrungen vorweisen können, hängt die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens und seiner Produkte entscheidend von einem Einklang zwischen den kommunizierten Werten und den vielfältigen Erscheinungsweisen einer Firma ab. Der (Innen-)Architektur kommt dabei eine bedeutende Rolle zu, denn in der Gestaltungsqualität der Arbeitsplätze spiegelt sich – nach außen ebenso wie nach innen – die Wertschätzung des Unternehmens für seine Belegschaft unmittelbar wider. Von dieser Überzeugung ausgehend und auf der Basis intensiver Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei denen es um das Verständnis der internen Arbeitsabläufe und um die Abklärung von Bedürfnissen hinsichtlich des konkreten Arbeitsplatzes ging, entwickelten die Architekten einen Lösungsansatz, der mit einem deutlich differenzierten räumlichen und atmosphärischen Angebot aufwartet. Dabei gelang es, zentrale Themen der Gestaltung, wie etwa der Umgang mit Licht und Farbe, aus dem Tätigkeitsfeld des Unternehmens zu generieren.

Spaces, Spots und Rooms

Im Kern sieht ihr Entwurf für die langrechteckig geformten, durch eine zentrale Stützenreihe geteilten Büroetagen die Aufgliederung in drei sich entlang der Längsachse entfaltenden Raumzonen vor. Als »Spaces«, »Spots« und »Rooms« bezeichnet, setzen sich diese Zonen hinsichtlich ihrer binnenräumlichen Struktur und ihrer gestalterischen Ausformulierung klar voneinander ab. Die an der Nordseite der Etagen gelegenen Spaces sind als »öffentlicher« und entsprechend als betont offener und heller Bereich konzipiert. Zwischen den linear angeordneten Tischgruppen für jeweils sechs Mitarbeiter stehen halb- hohe Aktenschränke, die dieser Raumzone eine gleichmäßige, kojenartige Struktur verleihen. Die mit verschiedenfarbigen Textilpaneelen bespannten Schranktüren, die sich nach oben aufschieben lassen, verstärken die Segmentierung des Raums und brechen zugleich, da in der Regel nicht alle Türen gleichzeitig geöffnet sind, zumindest optisch die Gleichförmigkeit der sonst recht klassisch-rigiden Büro-Ordnung. Unterstützt wird dieser Effekt durch die sorgfältig ausgewählten Farben der Textilpaneele. Die hier verwendeten Blau- und Grüntöne entwickeln eine unaufgeregte Präsenz im Raum und sorgen für eine lebendige und dennoch sachlich-nüchterne Anmutung. Die mittlere Zone der Büroetage wird von den Spots eingenommen. Dabei handelt es sich um kreisrunde, raumbildende Möbelelemente, die sich hinsichtlich ihres Durchmessers, ihrer Höhe, ihres Öffnungsgrads, ihrer räumlichen Ausrichtung und ihrer Nutzung unterscheiden. Während die niedrigen Rauminseln etwa als Empfangstresen oder als Teeküche dienen, bieten sich die höheren Spots als quasi halböffentliche, temporär genutzte Rückzugsorte an: für die Arbeit allein oder in kleinen Gruppen, für Besprechungen und Präsentationen mit maximal acht Personen. Gemeinsam ist den Spots, ihre weiße, konkav geformte Außenhaut, die aus einer mittels LED-Bändern hinterleuchteten Kunststoffbespannung besteht. Sie verleiht den Inseln eine optische Leichtigkeit, die durch die Schattenfugen am Boden noch hervorgehoben wird. Wer mag, kann in der konkaven gewölbten Haut auch einen gestalterischen Bezug zum Produkt des Unternehmens erkennen. Die scheinbar spielerische Anordnung der Spots im Raum betont ihren eher informellen Charakter und bringt zugleich ein heiter-beschwingtes Moment in die Gestaltung ein.

Die Südseite der Büroetage wird von den Rooms eingenommen. Dabei handelt es sich um geschlossene Einzel- und Gruppenbüros, die hinter einer leicht gezackten, mit Nussbaumfurnier vertäfelten Wand liegen. Auf Wunsch der Belegschaft angelegt, repräsentieren diese nach Bedarf und auf Zeit vergebenen Räume den »privaten« Bereich innerhalb des Gesamtkonzepts. In markantem Gegensatz zu den Spaces herrschen in den Rooms gedämpftes Licht und dunklere, eher gedeckte Farben vor. Das erzeugt eine introvertierte, ruhige Atmosphäre, die einen idealen Rahmen für konzentrierte Arbeit bildet.

Auf der Grundlage eines klaren, mit großer Konsequenz umgesetzten Konzepts entstand hier eine offene, kommunikative Bürowelt, die sich durch atmosphärische Vielfalt und ein abwechslungsreiches Raumangebot auszeichnet. Die positive Reaktion sowohl der Bauherren als auch der Belegschaft bestätigen die Qualität des Ansatzes. Ästhetisch auf der Höhe der Zeit, gelang es den Architekten auf überzeugende Weise, den Eindruck von Seriosität und Modernität miteinander zu verbinden. Ohne auf Elemente einer klassischen CI zurückzugreifen, schufen sie einen Ort mit hohem Identifikationspotenzial und repräsentativer Ausstrahlung – im besten Sinn eine Visitenkarte des Unternehmens.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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