Zeitschrift

steeldoc 01/13
Kunstvoll überbrückt
steeldoc 01/13
zur Zeitschrift: Steeldoc
Herausgeber:in: Stahlbau Zentrum Schweiz

Schulweg mit Ausblick

Fussgängerverbindung, Chur CH

Die neue Fussgängerverbindung in Chur überbrückt nicht nur den Höhenunterschied zwischen Plessur und Halde, sondern inszeniert ihn als ereignisreichen Weg mit einer dichten Abfolge von Ausblicken auf die Kathedrale, die Altstadt, die Berge und das Plessur- und Rheintal.

Nach der Zusammenführung zweier ehemals autonomen Schulstandorte mussten Schüler und Lehrer manchmal mehrmals täglich den Weg zwischen der Kantonsschule Halde hoch oben neben der Churer Kathedrale und dem Schulhaus im 35 Meter tiefer gelegenen Plessur-Aue zurücklegen. Die einzige Verbindung stellte die steile, kurvige Verkehrsstrasse nach Arosa dar. Die neue Fussgängerverbindung führt zwar unter der Strasse hindurch, passt sich aber so weit wie möglich oberirdisch an den Hang geschmiegt der Topographie an und vermittelt so das Gefühl «in der Landschaft zu sein».

Damit die Verbindung auch für gehbehinderte Personen zugänglich ist, umfasst sie neben der Treppe einen seilgezogenen Schräglift. Dieser verbindet, weitgehend in den Hang eingelassen, auf direkter Linie das untere und obere Niveau. Da diese Achse für die Fussgänger viel zu steil wäre, verläuft die Wegstrecke nur teilweise parallel. Die Treppenstruktur setzt früher ein, begleitet die Lifttrasse ein Stück, biegt dann rechtwinklig ab, kehrt um 180 Grad und folgt ihr schliesslich, um oben gemeinsam mit dem Lift anzukommen.

Die rostrote Überdachung schützt die Benutzer vor Sonne und Regen und verwandelt den Infrastrukturbau kunstvoll in einen Hybrid aus Haus und Weg, ähnlich den in Oberitalien gebräuchlichen Arkadengängen, die den Berg hoch zu den Wallfahrtskirchen führen.

Spannender Materialkontrast

Der grösste Teil des Bauwerks berührt den Fels, ist aus dem Fels gehauen oder dem Felsen «angegossen». Hier kam roher Beton zur Anwendung. Die Dächer über diesem massiven Sockel sind aus wetterfestem Stahl gefertigt. Die dünne Stahlkonstruktion erlaubt die zeitgemässe Übersetzung des Bildes der Bogengänge und passt sich mit Leichtigkeit den topografischen Vorgaben und der urtümlichen Landschaft an. Die Sequenz der sechseckigen Öffnungen erinnert einerseits an Arkaden, andererseits an die Öffnungen von Wabenträgern, wie sie im Stahlbau zur Vergrösserung der statischen Höhe angewandt werden.

Leichte Hülle

Die dünnen Seitenwände aus nur 12 Millimeter starkem Stahl verleihen der Konstruktion eine beinahe papierhafte Anmutung. Unterstützt wird dieser leichte Eindruck durch die nicht sichtbare Befestigung der Stahlhülle an den massiven Teilen. 23 mit den Betonbauarbeiten eingebaute Stahlkonsolen und 50 Distanzstücke halten die Bleche auf Abstand. Das Dach ist, von unten nicht erkennbar, als astenkonstruktion ausgeführt und sorgt für die nötige Steifigkeit.

Dank der grossen Öffnungen in den bis zu 6,5 Meter hohen Wandblechen können die Schüler während des Auf- und Abstiegs unterschiedliche Ausblicke geniessen. Durch die riesige Toröffnung in der Stützmauer führt die Treppe ins Innere, um auf der anderen Seite der Strasse wieder an die Oberfläche zu stossen. Die seitlichen Wandelemente setzen sich aus je vier Stahlblechen zusammen und bilden so den Rahmen für die wabenförmige, sechseckige Öffnung. Die aneinander gereihten Elemente sind mit vertikalen Rippen als äussere Stützen verstärkt. Damit erhält die flache Konstruktion auch eine räumliche Dimension.

Sämtliche Blechstösse wurden von Hand voll verschweisst. Um eine flache, geradlinige Konstruktion zu erhalten, musste der Wärmeverzug wieder genau gerichtet werden. Das saubere Abschleifen aller Schweissnähte war Voraussetzung für eine einwandfreie Oberflächenbeschichtung im Inneren.
Für den luft- und wasserdichten, bis zu 5,1 Meter breiten Dachkasten wurden 8 und 10 Millimeter starke Bleche verwendet. Zwischen den beiden Dachblechen eingeschweisste Stahlrippen versteifen die Konstruktion. Die Entwässerung erfolgt über eine auf den Dachelementen integrierte Rinne mit seitlichem Ablauf. Diese wurde, aufgrund möglicher Wasseransammlungen, mit einem speziellen Oberflächenschutz behandelt.

Aussen rostig, innen hell

Um die Innenseiten der Stahlbleche hell und «sauber» zu gestalten, wurden sie bereits im Werk sandgestrahlt und mit einer zweifachen weissen Farbbeschichtung versehen. Ein abschliessender Deckanstrich in glänzend weisser Farbe, der nach Beendigung der Bauarbeiten über der gesamten Stahlfläche im Innern aufgebracht wurde, reflektiert das einfallende Tageslicht und verleiht der stählernen Hülle Leichtigkeit. Den Kontrast dazu bilden die matten, in Orange- und Brauntönen changierenden Aussenseiten, die dem zwischen Rebbergen und Steinmauern eingebetteten Bauwerk zu Schwere und Farbigkeit verhelfen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Steeldoc

Ansprechpartner:in für diese Seite: Evelyn C. Frischinfo[at]szs.ch

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