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TEC21 2018|35
Museum für Gestaltung Zürich
TEC21 2018|35
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Von Verlusten und Entdeckungen

Durch die kontinuierliche Nutzung konnten Zeugnisse der ursprünglichen Ausstattung bewahrt und bei der aktuellen Instandsetzung des Museums für Gestaltung wieder eingesetzt werden.

31. August 2018 - Nina Hüppi, Lukas Knörr
Das stolze Alter von fast 90 Jahren sieht man dem vermeintlich schmucklos und funktional gehaltenen Bau, der heute das Museum für Gestaltung sowie die Allgemeine Berufsschule Zürich (ABZ) beheimatet, auf den ersten Blick nicht an. Die klare Form und die stellenweise fast aufgelöste Fassade wirken zeitlos. Erst bei genauerer Betrachtung verraten kleine Details wie Geländer oder feingliedrige Holzfenster mit maschinengezogenen Scheiben, dass es sich hierbei um einen sehr gut erhaltenen und gepflegten Bau aus den 1930er-Jahren handelt.

Der gute Erhaltungszustand ist einerseits auf die Nutzungskontinuität zurückzuführen, die aufgrund des funktional ausgerichteten Entwurfs möglich war und zudem den Nutzern selbst zu verdanken ist, die in all den Jahren einen umsichtigen und wertschätzenden Umgang mit dem Gebäude pflegten. Es muss andererseits von Glück gesprochen werden, dass die beiden Bauten immer im Verbund bestanden und primär als Schule mit angehängtem Museum verstanden wurden.

So kamen auch von Seiten der Eigentümerschaft (früher Stadt, seit 2004 der Kanton Zürich) nie Gelüste auf, das Museum mit dem nötigen Geld und den damit verbundenen Eingriffen zu verändern.

Gerade vor diesem Hintergrund genoss die Weiterführung der bestehenden Nutzungen bei der anstehenden Instandsetzung nicht nur hohe Priorität, sondern war für die Denkmalpflege auch unbestritten – nicht zuletzt auch, da auf diese Weise der Erhalt des Gebäudes in seiner jetzigen Form garan­tiert werden konnte. So bedingt die Nutzungskontinui­tät in der Regel bedeutend weniger bauliche Inter­ven­tionen, als dies bei einer Umnutzung der Fall ist. Da sich aber die Anforderungen an einen Museumsbetrieb seit der Bauzeit massgeblich verändert haben – beispiels­weise das Einhalten von Klimabändern oder verän­derte Anforde­rungen an Lichtverhältnisse – brauch­te es teil­weise doch umfassende technische Eingriffe, um das Mu­seum ins 21. Jahrhundert zu überführen.

Neues geht, Altes kommt

Mit der Entfernung der im Museumstrakt eingezogenen Zwischendecke war eine der wichtigsten denkmalpflegerischen Forderungen erfüllt. Die Wiederherstellung der Halle bedingte aber eine Kompensation der verloren gegangenen Ausstellungsfläche. Hierfür musste ein Teil der Werkstätten sowie ein Unterrichtsraum mit bauzeitlichen Einbauten im Keller weichen. Und auch die neue Technik, insbesondere die Klima­anlage, beansprucht viel Raum – ein Wermutstropfen, der jedoch zukünftig die Nutzungskontinuität garantiert.

Nebst Verlusten konnten aber auch Entdeckungen gemacht und erhalten werden. So hat ein Teil des originalen Geländers auf der Galerie in einer Kiste versteckt die Zeit überdauert. Beim jüngsten Umbau konnte es wieder leicht versetzt montiert werden und ist heute Teil des «Museums im Museum». Auch im einstigen Bücherlager der Bibliothek befindet sich eine Art «archäologisches Befundfenster». Der Nebenraum hatte über all die Jahre seine Funktion als Lager beibehalten können. Der fehlende Druck zur Erneuerung und die kontinuierliche Nutzung ermöglichten ein Überdauern von jahrzehntealten Oberflächen. Unter den Bücherregalen kam so bei der jüngsten Sanierung bauzeitliches Linoleum zum Vorschein, das noch die ur­sprüngliche Farbe aufwies, da es nie dem Licht und Verschmutzung ausgesetzt war. Zudem fand sich an den Stützen und Wänden noch die originale Punkte­tapete – eine Seltenheit im Museumstrakt.

Original, Kopie, Kopie von Kopie

Bei der Punktetapete handelt es sich um eines der wenigen schmückenden Elemente in dem ansonsten industriell und sachlich geprägten Komplex. Die Ta­pete wurde bei den jüngsten Baumassnahmen im Schul­trakt bereits zum zweiten Mal rekonstruiert und wieder aufgebracht. Schon bei der Instandsetzung in den 1990er-Jahren war es nicht mehr möglich, sie in ihrer ursprünglichen Form herzustellen. Bei der bauzeitlichen Ausführung wurde ein Stramingewebe auf ein Ölpapier gespannt und mit einem mehrschichtigen Ölanstrich versehen. Bei der ersten Rekonstruktion[1] behalf man sich mit einer Papiertapete, die von zwei unterschiedlichen Druckwalzen bedruckt wurde, von denen eine die textile Gewebestruktur auf dem Papier imitierte und die andere die Tupfen aufbrachte, um so der optischen Wirkung des Originals möglichst nah zu kommen.

Heute, rund 20 Jahre später, fand sich bereits keine Firma mehr, die mit diesen Walzen die Tapete hätte herstellen können. Und so ist die Schule nun­mehr mit der dritten, modernisierten Generation der Punktetapete, also einer Re-Rekonstruktion, tapeziert.[2] Dabei handelt es sich um ein digital bedrucktes Stramingewebe, bei der die Verteilung der Punkte vom Original abgenommen wurde. Es fand also wieder eine Annäherung an die originale Oberfläche statt.

Die Tapete in ihrer rekonstruierten Version findet sich heute grossflächig nur noch in den Korri­doren der Schule. Im Museumstrakt wurde die Original­tapete relativ früh überstrichen, und so entstand wohl im Lauf der Jahre der Fehlschluss, dass die Wandober­flächen zwar mit einem Textil tapeziert, aber in einem Grauton gestrichen waren. Es ist davon auszugehen, dass auch die Oberflächen im Museumstrakt – mit Ausnahme der grossen Halle – «betupft» waren. Bei der aktuellen Sanierung wurden die textilen Wandober­flächen aus den vorhergehenden Instandsetzungen beibehalten, da Sondagen zeigten, dass die bauzeitlichen Tapeten bereits bei einer früheren Sanierung entfernt worden waren.[3]

Eine weitere Befundachse befindet sich im neu entstandenen Vorraum der Museumshalle. Der Einbau einer zweiten Glastrennwand aus Brandschutzgründen ermöglichte diese Rekonstruktion. Sie weist nun wieder die bauzeitliche Farbgebung auf.

Ursprünglich waren Halle und Vorraum in einem warmen Grauton gestrichen, der sich aber für die moderne Museums­nutzung als unpraktisch erwies. Heute ist die Halle weiss. Auch hier: ein denkmal­pflegerischer Kompromiss zugunsten einer zeitgemässen Nutzung.

Einst umstritten, jetzt etabliert

Der damals kontrovers diskutierte Bau – zwischenzeitliche als «Schulfabrik» betitelt[4] – hat schon lang seinen Platz in der Geschichte gefunden und seine Tauglichkeit und Funktionalität bewiesen. So muss auch nicht befürchtet werden, dass das Gebäude dereinst einem Platz oder Park weichen muss, wie es einem jüngeren Bau des Architekten Karl Egender – dem Globus-Provisorium – momentan droht.


Anmerkungen:
[01] 1998–1999 unter Tropeano Pfister Architekten, Zürich.
[02] Die Instandsetzung der Schule erfolgte 2016/17 durch Silvio Schmed und Arthur Rüegg (vgl. «Von der Kunst­gewerbe- zur Berufsschule», Panorama-Buchtipp, S. 17).
[03] Heinz Schwarz und Getrud Fehringer, Kriens, Kunstgewerbeschule der Stadt Zürich, Restauratorische Untersuchung der Innenräume, Typoskript 12. August 2015, Archiv kantonale Denkmalpflege Zürich.
[04] Vgl. «Unsere Kunstdenkmäler», Band 41, Heft 1, 1990, S. 64.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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