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db deutsche bauzeitung 2019|03
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db deutsche bauzeitung 2019|03

Grüngelbe Zickzackform

Wohnbebauung »Stadtpark Lehen« in Salzburg

Viel Licht, effektiver Lärmschutz, große Grünflächen vorm Haus: Die Wohnanlage »Stadtpark Lehen«, errichtet an einer viel befahrenen Straße zwischen der Innenstadt und der Peripherie Salzburgs, bietet viele Vorzüge. Identität stiftet sie durch ihr farbenfrohes Erscheinungsbild.

5. März 2019 - Klaus Meyer
Die Altstadt beginnt gleich hinter der Flussbiegung, doch auf der Lehener Brücke ist vom Salzburg Mozarts, Karajans und Hoffmansthals nichts zu sehen. Das »Heizkraftwerk Mitte« am Ostufer der Salzach und ein schmuddeliger Wohn- und Geschäftskomplex versperren die Sicht. Statt barocker Pracht bestimmt Betonbrutalismus das Bild im rauen Norden der Festspielstadt, und statt Geigenschmelz dringt Autolärm ans Ohr. Die Lehner Brücke ist Teil der Verkehrsader, die Salzburg in ost-westlicher Richtung durchtrennt. Östlich der Brücke heißt sie Saint-Julien-Straße und führt zum Hauptbahnhof, westwärts erstreckt sich die Ignaz-Harrer-Straße bis zum Autobahnzubringer im Nordwesten der Stadt. Auf den ersten zwei, drei Kilometern säumen teils ansehnliche Wohn- und Geschäftshäuser den lauten Boulevard, aber viele Fassaden bröckeln und etliche Läden stehen leer. Allein Sportwettbüros und Dönerbuden finden sich noch reichlich. Doch es gibt auch einen Lichtblick: Am Ende der Straßenschlucht ragt ein siebengeschossiger Neubau mit farbenfroher Fassade auf – die Wohnanlage »Stadtpark Lehen«.

Die grüngelbe Farbigkeit des Baukörpers, seine Höhenversprünge und seine Zickzackform: Das sind die Merkmale, die einem sofort ins Auge springen. Doch auch die besondere stadträumliche Position der Anlage erschließt sich beinahe auf den ersten Blick. Sie steht an der Schnittstelle von urbanem Zentrum und Peripherie: Hüben dominieren geschlossene Häuserblocks, drüben löst sich die strenge Ordnung in eine von Grünflächen durchzogene Mixtur aus Gebäuden unterschiedlichen Formats auf. Die neue Wohnanlage bildet ein Scharnier zwischen den beiden Zonen.

Ihr hoch aufragender Kopfbau nimmt etwa die Höhenlinie der innerstädtischen Bebauung auf, während die Gesamtform der vor- und zurückspringenden Baukörper einen Bezug zur durchgrünten Vorstadt herstellt. Wie direkt dieser Bezug ist, erkennt man beim Blick durch den hohen, torartigen Durchgang im vorderen Baukörper: Der Gebäudekomplex öffnet sich nach Süden auf das Areal, das dem Projekt den Namen gab, den »Stadtpark Lehen«.

Bevor der Park und die Wohnanlage entstanden war an der Stelle v.a. Brachland, aber auch eine Spielhalle, eine Tankstelle, ein Tennisplatz sowie das Gebäude des Art-Forums Salzburg, das noch immer an seinem Platz steht und um das die Anlage gleichsam einen Bogen macht. 105 Wohneinheiten auf insgesamt 7.700 m² Wohnfläche hat die Gemeinnützigen Salzburger Wohnbaugesellschaft (gswb) hier errichtet. Insgesamt sind es rund 1.000 Wohnungen, die das Unternehmen in den letzten Jahren im dicht besiedelten Stadtteil Lehen geschaffen hat. Doch das »grüngelbe Chamäleon«, so Dr. Bernhard Kopf, Technischer Direktor der gswb, sticht heraus und die Reaktionen auf den Bau seien durchweg positiv ausgefallen. Nur wenige der insgesamt 34 Eigentumswohnungen stünden noch leer, ansonsten sei das in zwei Bauabschnitten von 2016 bis 2018 errichtete Gebäude bereits komplett bezogen, berichtet er.

Über die positive Resonanz freuen sich insbesondere auch die Architekten Marion Gruber und Christoph Leitner vom Wiener Büro PLOV Architekten sowie Martin Oberascher vom Salzburger Büro MOA (vormals Soma). Die beiden Büros, die als Sieger aus dem 2012 durchgeführten Architekturwettbewerb hervorgingen, bildeten für das Bauvorhaben eine Arbeitsgemeinschaft. Das Interessante dabei: PLOV und MOA unterscheiden sich in Temperament und Designansatz deutlich voneinander. Martin Oberascher (geb. 1975), der einige Jahre bei Coop Himmelblau gearbeitet hat, favorisiert das baukünstlerische Experiment, während Gruber und Leitner (beide Jahrgang 1977) sich für eine »ehrliche, funktionale und selbstbewusste« Architektur aussprechen, die städtebauliche Grundforderungen berücksichtigt.

Auf letztere reagiert der Entwurf allein schon durch den Kontrast der straßen- und parkseitig ausgebildeten Fassaden. Entlang der verkehrsreichen Ignaz-Harrer-Straße im Norden präsentiert sich die Anlage mit Laubengangfronten, während die Südfassaden sich mit gezackten und gewellten Balkonen zum Park hin öffnen. Durch die mäandrierende Anordnung der Baukörper entstehen entlang der Straße drei Plätze, die den Verkehr auf Distanz halten und die Aufenthaltsqualität vorm Wohnquartier erhöhen. Gezielt verortete Durchgänge verzahnen Straßen- und Parkfront miteinander.

Straßenseitig fügen sich verputzte Wandelemente, Glasscheiben und Metallgitter zu einer bildmächtigen Fassade zusammen, die freilich auch nutzungsbedingte Gliederungen erkennen lässt. Im Bereich der Treppenhäuser dominieren Glas und Metall, die Laubengänge kennzeichnet der Wechsel von Wandscheiben und Glasflächen, die bis an die Gebäudekanten reichenden Eckwohnungen zeigen sich schließlich bis auf schmale Fensterschlitze geschlossen. Die horizontale Schichtung des Baukörpers betonen die Architekten durch den Wechsel von markanten Sichtbetonstreifen und geschosshohen Farbfeldern.

Das Spektrum der fünf eingesetzten Farbtöne reicht von Gelb über Gelbgrün, Mittelgrün und Grasgrün bis hin zu Dunkelgrün. Dieses bildet im Gebäudeinnern auch den Hintergrund für die vier leuchtenden Fassadenfarben. Dass für die Fronten keine dunkleren Töne zum Einsatz kamen, hat v. a. technische Gründe: Der Hellbezugswert von 25 durfte bei den als Wärmedämmverbundsystem ausgebildeten Fassadenelementen nicht unterschritten werden. In erster Linie folgte die Farbwahl jedoch gestalterischen Kriterien. »Das Ganze hat etwas Fröhliches«, sagt Bernhard Kopf. Außerdem sei die Farbigkeit ein Signal, das auf die grüne Wiese hinterm Wohnquartier verweise. Zu beachten sei ferner der städtebauliche Kontext: »An diesem Knotenpunkt ist Farbe kein Fehler.«

Auf der Parkseite bilden die Farbfelder lediglich die Kulisse für die vorgeblendeten Balkonbrüstungen aus gelochtem Aluminiumblech. Neben vielen gelungenen Details im Innern sind es diese weißgrauen Bänder, die auf besonders prägnante Weise zeigen, dass die Farbe keineswegs das einzig bemerkenswerte Charakteristikum dieser Wohnanlage ist. Doch als identitäts­stiftendes Merkmal kommt ihr eine herausragende Bedeutung zu, was schon der Name »gelbgrünes Chamäleon« andeutet, der sich offenbar sowohl bei Bewohnern als auch bei Anliegern zu etablieren beginnt. Zu wünschen wäre, dass das Chamäleon auch dann noch zu beeindrucken vermag, wenn die Leuchtkraft seiner Farben schwindet. Oder braucht das Gebäude die Patina geradezu? Wer die frischen Farben, mit denen es sich als Neubau präsentiert, liebt, wird ihren Glanz natürlich unter allen Umständen bewahren wollen. Wer sich aber an den hellen Farben stört, etwa weil sie die umgebende Natur durch ihre grelle Künstlichkeit übertönen, der wird das Gebäude erst lieben können, wenn sein Lack ab ist. Tatsächlich ist es der innere Streit über diese Geschmacksfrage, der den Betrachter auf seinem Rückweg in die Altstadt beschäftigt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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