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werk, bauen + wohnen 07/08-19
Berlin im Boom
werk, bauen + wohnen 07/08-19
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Es war reizvoll damals, keine Frage. Das Velo frühmorgens durch die Säulenreihe des Brandenburger Tors zu steuern, versprach immer ein Hochgefühl: Mit der Aussicht auf drei Kilometer Prachtachse in Richtung Universität im Westteil der Stadt verband sich eine Fahrt durch die deutsche Geschichte – oder, salopp gesagt: durch den Bildhintergrund der deutschen Tagesschau. Daran ist heute kaum mehr zu denken. Die Stadt ist voller Touristen, die Achse ist Fanmeile und der Pariser Platz ist die «gute Stube» Berlins. Und wie jedes Wohnzimmer ist er vom Verkehr befreit. Nirgends in Berlin offenbart sich die Verwertung des Stadtraums für den Tourismus direkter als in der Umgestaltung seines Stadtzentrums. Mit der Fussball-WM kamen die Riesenposter an die Fassadengerüste, oft ohne überhaupt eine Baustelle zu tarnen – so wenig war 2006 baulich los. Die Billigfliegerei hat der verträumten Exklave Berlin die Billigmieten ausgetrieben. Und mit dem Bauboom kochte der heisse Immobilienmarkt vollends über. Kurzum: Berlin leidet wieder an ganz normalen Problemen einer hippen Metropole. Händeringend werden bezahlbare Wohnungen gesucht, sogar von Verstaatlichung privatisierter Wohnungsbestände ist heute die Rede (vgl. das Interview mit der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher).
Mit dem Boom einher ging auch eine neue symbolische Besetzung der Mitte der Hauptstadt, für viele die Mitte der Republik. Schon deshalb ist der Wiederaufbau des Stadtschlosses mit seiner Nutzung als Humboldt- Forum kein normales Bauwerk. Ohne die alten Debatten zu wiederholen, kann man den Bau nun als Konstruktion, als Architektur, ja als Stadtraum wahrnehmen. Schreitet man durch den neuen, von Franco Stella erdachten schmalen mittleren Hof, eröffnen sich neue Blicke in den Stadtraum, beispielsweise zum Alten Museum von Karl Friedrich Schinkel hinüber. Oder auf den Neubau der James-Simon-Galerie von David Chipperfield auf der Museumsinsel. Interessanterweise rüsten beide Bauten Berlin für die Phänomene der heutigen Grossstadt: War es im Alten Museum die grossartige Loggia, die den Bürger auf Augenhöhe mit dem König erhob, so ergötzen sich bald Touristen an der «Geschichte» und den Ausstellungen im Humboldt-Forum. Berlin ist definitiv in der globalisiert-grossstädtischen Normalität angekommen.

«Verstaatlichung ist eine Option»
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher im Gespräch
Regula Lüscher im Gespräch mit Daniel Kurz und Roland Züger

Die Redaktionsmaschine
Neubau für die TAZ von E2A Architekten
Doris Kleilein

Höchstnutzen statt Höchstgebot
Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengrossmarkt von ifau und Heide & von Beckerath
Florian Heilmeyer, Andrew Alberts (Bilder)

Schlossspaziergang
Franco Stellas Rekonstruktion des Berliner Schlosses als Humboldt-Forum
Jürgen Tietz, Luca Girardini (Bilder)

Glänzender Zukunftsentwurf
Futurium Berlin von Richter Musikowski
Christian Marquart, Schnepp Renou (Bilder)

Berlin: Aktuelle Bauten und Projekte
Roland Züger

Zudem:
werk-notiz: Redaktion und Verlag von werk, bauen +wohnen verabschieden sich von Benjamin Muschg – und begrüssen als neue Kollegin Jenny Keller.
Debatte: Minergie-Geschäftsführer Andreas Meyer Primavesi entgegnet in der Debatte um die kontrollierte Lüftung, dass das Label durchaus Spielraum lässt für innovative und technisch weniger aufwändige Lösungen. Und dass es Labels braucht.
Wettbewerb: Im Wettbewerb um den Ersatzneubau der Siedlung Stüdli im Zürcher Blockrandgebiet konzentrieren die Sieger die gemeinschaftlichen und öffentlichen Nutzungen in der Tiefe des Hofs.
Ausstellungen: Im Bauhaus-Jubiläumsjahr blickt das Jüdische Museum in Hohenems auf die «weisse Stadt» Tel Aviv. Wie an kaum einem anderen Ort wurden dort die Ideale der Moderne verwirklicht. Doch das Erbe ist trotz Anstrengungen zu seinem Schutz bedroht, schreibt Roman Hollenstein.
Bücher: Passend zum Berlin-Heft empfiehlt Albert Kirchengast Kurt W. Forsters Biografie von Karl Friedrich Schinkel. Und Britta Hentschel stellt in Perotti/Freys Band 2 über Städtebauerinnen fest, dass es in der Architektur noch immer zu wenig Gender-Gerechtigkeit gibt.
Die Schönheit des mässig Schönen: Am Gleisfeld in Berns Westen haben Holzhausen Zweifel mit minimalem Budget aus fast nichts sehr viel gemacht. Dass man das kaum sieht, wirft interessante Fragen auf zu Erhalt und Architektur.
Bildessay Schnee von gestern: Mit der grossen Kelle wurden sie vor fünfzig Jahren angerichtet: Ein Blick auf die Stations de Ski in den Savoyer Alpen lohnt sich ganz besonders im Sommer.
Essay Die verschwiegenen Krisen: Aufgrund neuer Forschungen korrigiert Philipp
Oswalt die sorgsam aufgebauten Clichés vom erfolgreichen Bauhausdirektor Walter Gropius und seinem ideologischen Nachfolger Hannes Meyer.
werk-material: Verwaltungszentrum Guisanplatz in Bern von Aebi & Vincent
werk-material: Hauptsitz Swissgrid in Aarau von Schneider & Schneider

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