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db deutsche bauzeitung 2020|03
Essen und Trinken
db deutsche bauzeitung 2020|03

Schwarzwaldfeeling

Rothaus-Gaststätte in Stuttgart

Dunkle Tannen und helle Lichtungen, Tannenzapfen und verwitterte Holzschindel-Fassaden – typische Schwarzwald-Motive, die das Gestaltungskonzept von blocher partners für die Gaststätte der Badischen Staatsbrauerei Rothaus in der Stuttgarter Mall »Gerber« aufgreift. Doch kein Zitat, keine Anlehnung an die Heimatregion der Brauerei kommt plump und anbiedernd daher; subtil wurden die einzelnen Motive in eine ansprechende, moderne und originelle Gestaltungssprache übersetzt.

3. März 2020 - Ulrike Kunkel
Seit Mai 2019 hat der Schwarzwald im sogenannten Gerber im Stuttgarter ­Süden Einzug gehalten. Einer ambitioniert gestarteten und im Innenausbau nach einem Entwurf von ippolito fleitz gestalteten Mall, die dennoch von Anfang an ihre Probleme hatte und nach wie vor nur bedingt frequentiert wird. V. a. die Gastronomieangebote im EG wollten bisher nicht recht funktionieren, sodass es seit der Eröffnung des Einkaufszentrums 2014 bereits zu zahlreichen Wechseln kam. Nun versucht sich hier – und allem Anschein nach mit wachsendem Zuspruch und Erfolg – die landeseigene Brauerei Rothaus aus dem gleichnamigen Ort im Hochschwarzwald auf 760 m² Fläche mit ihrem ersten eigenen Gastronomiebetrieb. Von einer klassischen Brauereigaststätte kann man allerdings nicht sprechen. Die Speisen sind wohlgewählt. Hochwertige, regionale Produkte verbinden sich mit Bierspezialitäten zu ­einer modernen, aber nicht überkandidelten Küche. Die Speisekarte, weitere Druckerzeugnisse sowie Logo, Naming und die Adaption für die Werbeanlagen an der Fassade sind von typenraum, der Kommunikationsagentur der Innenarchitekten, für die Gaststätte entwickelt worden.

Wer ist eigentlich Biergit?

Mindestens das Tannenzäpfle-Bier mit seinem prägnanten Etikett ist inzwischen bis weit über die Grenzen des Schwarzwalds hinaus bekannt. Das blonde Schwarzwaldmädel in typischer Tracht, das in jeder Hand ein Glas Bier hält, ist längst Kult geworden. Rothaus-Trinker haben ihr den fiktiven Namen Biergit Kraft gegeben; entstanden aus der alemannischen Aussprache der Phrase »Bier git (= gibt) Kraft«. Das Etikett zeigt außerdem sieben Tannenzapfen – die ungewöhnlicherweise hängend dargestellt sind.

Zunächst etwas überrumpelt von dem plötzlichen Kultstatus ihres traditionell in 0,33-l-Flaschen gereichten Biers, spielt die Brauerei längst recht professionell damit. Kein Wunder also, dass die Wand hinter der zentral im Raum angeordneten Bar ausschließlich mit »Tannenzäpfle-Flaschen« bestückt und ­gestaltet ist. Exakt ausgerichtet in einer beleuchteten Vitrine ergeben die Farben der unterschiedlichen Etiketten – Gold = Pils, Weiß = Pils alkoholfrei, Orange = Weizen, Blau = Weizen alkoholfrei, Hellgrün = Radler, Silber = Eis-Zäpfle, Rot = Märzen und wieder Gold – einen dezenten Farbverlauf mit eindrucksvoller Wirkung. Davor: die Kupferrohre der Zapfanlage und der langgestreckte, ebenfalls kupferne Tresen.

Doch das ist bei Weitem nicht das einzige, was den Barbereich besonders macht: Eine Deckeninstallation aus über 9.500 herabhängenden, schwarz geräucherten Holzschindeln, zwischen denen an einigen Stellen gebündeltes Licht wie Sonnenstrahlen in einem dichten Wald auf den Boden fällt, inszeniert hier die dunkle, unheimliche Seite des Schwarzwalds. Diese Deckengestaltung zieht sich bis in den seitlich, entlang der Fensterfront zur Straße gelegenen Loungebereich hinein. Hier umschließt sie einen großen, fast raumhohen dunkelgrünen Kachelofen mit umlaufender Bank, auf der es sich an kalten Tagen wohlig warm sitzen lässt, wie in der guten Stube. Eine Kachelreihe ist als Schmuckfries ausgebildet. Mit ihrem Tannenzapfen-Motiv verweist sie wiederum auf den Rothaus-Verkaufsschlager.

Dunkle Tannen, weite Lichtungen

Diese dunkel gehaltenen Bereiche, in denen mit präzise ausgerichtetem Licht und einigen wenigen Farben der Polstermöbel und Kissen gezielt Akzente gesetzt werden, sind von hellen, offen gestalteten Restaurant-Flächen umgeben. Es hat den Anschein, als würde man aus dem dunklen Wald hinaus auf eine weite, lichtdurchflutete Lichtung treten. Ein geweißter und geölter Dielen­boden aus Tannenholz und die mit Fichtenholz-Schindeln bekleideten Wände – teilweise werden in abstrahierter Form Tannenzapfen dargestellt, die in ­ihrer Art an die Grafik der Tannenzäpfle-Etiketten erinnern –, bestimmen die Atmosphäre. In diesem Teil findet sich auch das wohl typischste Schwarzwald-Symbol: die Kuckucksuhr. Hier in einer reich verzierten, mannshohen Version, die der traditionellen Uhrmacher- und Handwerkskunst huldigt. Ein unter der Decke geführtes System aus dünnen Kupferrohren mit integrierten Leuchten erhellt diese Bereiche des Restaurants. Es stellt einen gelungenen Bezug zu den Kupferkesseln und -rohren, die beim Bierbrauen bzw. -zapfen verwendet werden, her.

Das helle, schlichte Holzmobiliar wurde nach Entwürfen der Architekten von der Schweizer Möbel-Manufaktur horgenglarus gefertigt. Mittendrin fällt plötzlich ein Tisch-Stuhl-Ensemble auf und aus der Reihe: ein alter Holztisch mit zehn Stühlen drumherum – übernommen aus einem Schwarzwaldgasthaus. Ein gelungener »Störer« innerhalb der ansonsten so edlen Innenraumgestaltung und Ausstattung.

Das Schwarzwald-Motiv wird übrigens sogar bis in die Sanitärbereiche hinein gespielt. Der Offenburger Künstler Stefan Strumbel hat für die WC-Trennwände ein kaleidoskopartiges Ornament aus Schinken, Brot, Schwarzwälderkirschtorte und weiteren Schwarzwald-typischen Lebensmitteln entwickelt – skurril. Buchstäblich überall im Lokal kann man den Schwarzwald förmlich spüren, aber stets auf eine unterschwellige Art und Weise und ganz ohne Folklore-Tümelei. Mit der Rothaus-Gaststätte sollte nun eine reelle Chance bestehen, im »Gerber« eine attraktive Gastronomie zu etablieren.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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