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db deutsche bauzeitung 2020|03
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db deutsche bauzeitung 2020|03

Kulinarik mitten im Grünen

Restaurant »noma 2.0« in Kopenhagen (DK)

Das Kopenhagener Sterne-Restaurant Noma hat einen neuen Standort in einem alten Lagergebäude am Rande der Alternativ-Kommune Christiania bezogen. Das nach Plänen von BIG umgesetzte Projekt ergänzt den Bestand durch ein offenes Geflecht aus Einzelvolumen, die fließend in den Außenraum übergehen und durch ihr zurückhaltend skandinavisches Interieur überzeugen.

3. März 2020 - Robert Uhde
Seit seiner Eröffnung 2003 hat sich das von Spitzenkoch René Redzepi geführte Kopenhagener Restaurant Noma zu einem regelrechten Mekka für Feinschmecker entwickelt. Vier Mal wurde das lange Zeit in einem ehemaligen Hafenlager aus dem 16. Jahrhundert ansässige und momentan mit zwei Michelin-Sternen bedachte Haus sogar als bestes Restaurant der Welt ausgezeichnet. Für kulinarische Begeisterung sorgen v. a. die puristische Neuinterpretation der nordischen Küche, die Beschränkung auf regionale und saisonale Produkte sowie die entspannt-legere Art der Bewirtung.

Trotz oder gerade wegen seines großen Erfolgs wurde das Restaurant Anfang 2017 geschlossen, um dann, nach längerer Pause, an einem anderen Standort wieder zu eröffnen. Als neue Adresse für das Noma 2.0 hatten sich die Betreiber ein ehemals durch die Königlich Dänische Marine genutztes, aber seit Längerem leer stehendes Minenlager aus dem Jahr 1917 ausgesucht; innenstadtnahen Ort inmitten von ganz viel Grün, gelegen auf einer schmalen Landzunge zwischen zwei Seen und direkt angedockt an die legendäre Kopenhagener Hippie-Kommune Christiania, die sich hier seit den frühen 70er Jahren auf einem 34 ha großen ehemaligen Kasernengelände angesiedelt hat.

Verbindung von Alt und Neu

Mit der architektonischen Planung zur Umnutzung und Erweiterung des schmalen, rund 80 m langen und rückseitig nach Westen in einen Wall eingebetteten Altbaus wurde im Sommer 2015 die vor Ort ansässige Bjarke Ingels Group beauftragt. Ganz zu Beginn war dabei zunächst eine Aufstockung des Bestands vorgesehen: »Aufgrund des bestehenden Denkmalschutzes konnten wir diese Idee aber nicht umsetzen«, blickt Projektarchitekt Frederik Lyng auf den langwierigen Planungsprozess zurück. »Stattdessen haben wir das Gebäude lediglich behutsam saniert und hier auf einer Fläche von 700 m² die Backend-Bereiche Lager, Anlieferung, Labor sowie Mitarbeiter- und Spülküche angesiedelt.« Die klare Strukturierung mit rückseitig perlenschnurartig aneinander gereihten Räumen und fassadenseitig durchgehender Erschließung sorgt dabei für einen optimierten Workflow des 80-köpfigen Noma-Teams.

Die für den Restaurantbetrieb zusätzlich nötigen Anbauten durften andererseits die Höhe des Bestands von 5,50 m nicht überschreiten und außerdem nur dort ergänzt werden, wo die historische Bausubstanz ohnehin beschädigt war. Ausgehend von den strengen Auflagen der Stadt und in enger Kooperation mit den Noma-Betreibern entstand schließlich die Idee, den Riegel an ­seinem südöstlichen Kopfende an verschiedenen Stellen durch sieben eigenständig ausgebildete, über gläserne Fugen aber fließend miteinander verbundene Baukörper zu ergänzen. Die großflächig verglasten und zusätzlich durch Oberlichter geöffneten Volumen schaffen eine luftige Erweiterung des Bestands um rund 500 m² und führen dabei ganz bewusst die additive Bauweise der Häuser in Christiania fort. Im Zusammenspiel ist ein vielschichtiges, bewusst dorfähnliches Geflecht von kleineren und größeren Volumen mit kontrastreich gestalteten Fassaden und Dächern aus Holz, Klinker, Glas und Messing entstanden, das in sämtlichen Bereichen fließend in den grünen Außenraum übergeht.

Hochwertig gestalteter Innenraum

Ähnlich vielschichtig präsentiert sich die Innenraumgestaltung des für insgesamt etwa 40 Gäste konzipierten Restaurants. Analog zu der ungewöhnlichen Baukörperanordnung und in enger Kooperation mit dem zusätzlich hinzugezogenen Studio David Thulstrup entstand eine offene Grundrissanordnung mit den bewusst voneinander getrennten Funktionen Empfang, Küche, Lounge, Grillen, Speisesaal und privater Gesellschaftsraum, die alle ein besonderes Raumerlebnis mit individuell angepasster Materialsprache bieten: »Anders als in herkömmlichen Restaurants haben wir die verschiedenen Funktionen hier ganz bewusst getrennt und dann wieder neu miteinander verbunden, um den Gästen ein besonderes Erlebnis mit wechselnden Raumeindrücken zu bieten«, erklärt Frederik Lyng das Konzept.

In sämtlichen Räumen findet sich eine einfache und materialbetont-ehrliche Innenraumgestaltung mit skandinavisch warmer Ausstrahlung und mit Sinn für überraschende Akzente und Kontraste. So wirkt z. B. die luftige Lounge wie ein gemütliches Wohnzimmer, umgesetzt mit hellen Feldbrandklinkern als Material für Wand und Boden sowie mit einer plastisch abgetreppten ­Decke aus hellen Eichenholzbrettern. Der direkt angrenzende, weitgehend geschlossene Empfangsbereich wurde mit dunklen Feldbrandklinkern und mit schweren Eichenholz-Einbauten gestaltet. Ein schönes Detail ist hier der Kamin, der linkerhand mit dunklen Klinkern und im Übergang zur Lounge abweichend mit hellen Klinkern gestaltet wurde.

Der große Speisesaal erhält demgegenüber durch seine freiliegenden Deckenbalken, die helle Holzdecke sowie durch den wertigen Eichenholzdielenboden einen angenehm entspannten Charakter mit räumlicher Weite. Betont der Eindruck durch Flächen aus vorpatiniertem Messing im vorgelagerten Service-Bereich sowie durch Innenwände aus übereinandergestapelten Holzbrettern mit einer Länge von jeweils 60 cm, die auf den ersten Blick die Anmutung von fein säuberlich aufgeschichteten Holzscheiten ausstrahlen sollen. Der kleinere Gesellschaftsraum lebt wiederum von seinem intimen-sakralen Raumeindruck und den kontrastvoll umgesetzten Außenfassaden aus gebranntem Holz, der Grill schließlich wurde als begehbare Blockhütte gestaltet.

Die Küche im Zentrum

Im Zentrum sämtlicher Aktivitäten steht ganz bewusst die offene, mit hellen Holzmöbeln sowie mit strapazierfähigen und leicht zu reinigenden Terrazzo-Böden aus Flusskieseln umgesetzte Küche: »Von dieser zentralen Position aus haben die Köche einen perfekten Überblick über jeden Winkel des Restaurants und können so alle Abläufe bestens koordinieren«, erklärt Frederik Lyng. »Ebenso können die Gäste hautnah miterleben, was sonst eher hinter den Kulissen passiert. Hinzu kommt, dass es durch die Grundrissanordnung auch möglich ist, dass die Abluftanlage der Küche gleichzeitig die Belüftung sämtlicher Räume übernimmt.«

In allen Restaurant-Bereichen sorgen die großen, teilweise öffenbaren Fensterfronten und Oberlichter im Verbund mit den gläsernen Fugen für einen fließenden Übergang von Innen und Außen und für freie Ausblicke auf den Garten und die angrenzende Wasserfläche. Die Gäste haben so durchgehend das Gefühl, regelrecht im Freien zu dinieren und dabei in sämtlichen Bereichen einen direkten Bezug zur Landschaft, zum Wetter und zu den Jahreszeiten erleben zu können. Komplettiert wird die Innenraumgestaltung durch eine speziell für das Noma 2.0 vom Studio David Thulstrup entwickelte Möblierung. Darunter finden sich auch Tische und Tafeln aus dunklem Eichenholz sowie helle Eichenholz-Stühle mit handgewebten Sitzflächen, die zeitgemäßes dänisches Design mit 60er-Jahre Retro-Look verbinden.

Ein wichtiger Baustein des neuen Noma-Konzepts sind die drei weiter nördlich in Richtung der Straße dem Altbau vorgelagerten, dabei jeweils auf vorhandenen Betonfundamenten errichteten Gewächshäuser. Die drei Bauten stehen dem Restaurant als interaktive Testküche, zum Anbau von Kräutern sowie als betriebseigene Bäckerei zur Verfügung. Direkt neben den drei ­Gewächshäusern erwartet die Besucher dann noch die freie Aussicht über den See und auf die Silhouette des ebenfalls von BIG geplanten Heizkraftwerks Amager Bakke, auf dessen steil abfallendem Dach die Kopenhagener seit einem Jahr Skifahren können. Was für ein schöner architektonischer Nachschlag! Und ein Grund mehr wohl, warum die Tische im Noma für rund ein Jahr im Voraus restlos ausgebucht sind.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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