Publikation

Schwanzer – Architekt aus Leidenschaft
Drei Jahrzehnte Architektur- und Zeitgeschichte
Schwanzer – Architekt aus Leidenschaft
Sprache: Deutsch
Publikationsdatum: 2018
Umfang: 96 Seiten,
Format: 21,6 x 28,4 cm

Karl Schwanzer. Architekt aus Leidenschaft als Graphic Novel

2. April 2019 - Martina Pfeifer Steiner
„Wenn man sich entschlossen hat, Architekt zu sein, muss man den Mut aufbringen, Visionen erfüllen zu wollen“, so wird Karl Schwanzer auf schwarz-weißen Intermezzi-Seiten zitiert. Unkonventionell und rasant erzählt das bunte Comics über ein radikales Leben des bedeutenden Architekten. Die Idee dazu hatte einer seiner beiden Söhne, Martin Schwanzer. Der Titel ‚Architekt aus Leidenschaft’ ist dem des Buchs ähnlich, das Karl Schwanzer 1973 im eigens gegründeten modul-Verlag herausbrachte, der lautete nämlich ‚Architektur aus Leidenschaft’. Und diesen Anknüpfungspunkt nimmt auch der Plot der Geschichte: Der ‚Herr wegen des Buchs’ taucht auf. Ihm erzählt der Architekt in der Graphic Novel alles Relevante.

Wir erfahren, dass er 1937 an der Technischen Hochschule in Wien mit seinem Architekturstudium begann, wohin er 1959 als Professor berufen wurde. Entgegen der akademischen Praxis ließ er dort Gruppenarbeiten zu, was nicht alle gut fanden, ‚weil halt immer einer dabei ist, der nur Kaffee kocht ...’. Die Methode hatte jedoch Erfolg, denn in diesem Klima sind einige sehr interessante Architektengruppen entstanden: Haus-Rucker-Co, gegr. 1967, Coop Himmelb(l)au, gegr. 1968, ZÜND-UP, gegr. 1969, Missing Link, gegr. 1970. Auch eine Studienreise in die USA organisierte der Professor Schwanzer. Damals eine Sensation! Finanziert wurde das teure Unterfangen, indem er den Studenten Forschungsaufträge aus der Bauwirtschaft verschaffte. In Amerika wurden dann einige bedeutende Architekten besucht, wie der aus Österreich emigrierte Friedrich Kiesler oder Größen wie Louis Kahn und Philip Johnson. An der TH sorgte er für mehr Internationalität mit Vortragenden, auch aus anderen Disziplinen. Mit Hans Hass entwarfen die StudentInnen Unterwasserhäuser, die der Zeitschrift ‚Spiegel’ eine Schlagzeile wert war: ‚Tiefes Blödeln Die Architektur-Klasse der TH Wien entwarf die ersten Unterwasser-Bauten mit zivilem Komfort. Sie gleichen Blüten, Regenschirmen und Lampions.’

„Begeisterung, Leidenschaft, die mitunter zur Besessenheit ausartet, macht nicht immer viele Freunde.“ So berichtet der Architekt von seinen berühmten Projekten. Den Wettbewerb für den Österreich-Pavillon für die Weltausstellung in Montreal gewann er mit der Idee, im Inneren des Pavillons keine Exponate zu zeigen, sondern eine extra entwickelte Multimedia-Show, die ‚Austrovision’. Für die komplexe Show wurden spezielle Projektoren gebaut und Otto Schenk führte Regie. Allerdings habe das Projekt im Wettbewerb noch ganz anders ausgeschaut und es gab viel Kritik. Vor allem von Friedrich Achleitner: ‚Ein Gruselkabinett prostituierter Werte!’, ‚Ein bauliches Ringelspiel’, ‚Ein Alptraum!’. Insofern war die Kritik für Schwanzer berechtigt, weil er immer noch etwas verbessern konnte. Der Pavillon durchlief eine lange Phase der Formfindung, mit vielen Studienmodellen. Der Rest wanderte in den Papierkorb. Wegen seiner Gewohnheit auch bereits fertige Pläne wieder komplett zu verwerfen, sprach man in seinem Atelier von den ‚goldenen Papierkörben’.

Karl Schwanzer erzählt weiters, wie er zum BMW-Auftrag gekommen ist: Keinen Sieger gab es beim Wettbewerb zur BMW-Firmenzentrale in München, nur zwei 2. Preise. Es war klar, den Auftrag MUSSTE er haben! Jeden einzelnen der BMW-Aufsichtsräte besuchte er zuhause um seinen Entwurf zu bewerben. Nachdem diese sich runde Büros nicht vorstellen konnten, ging er kurzerhand ins Bavaria Filmstudio und ließ ein 1:1 Model einer Viertel-Etage bauen, bis ins kleinste Detail ausgestattet, samt Ausblick auf München vor den Fenstern und Statisten, um die Büroatmosphäre perfekt zu simulieren. Ein teurer Spaß! Aber erfolgreich. Die Projektbeschreibung: ‚Das 100 m hohe Verwaltungsgebäude ist ein sogenanntes Hängehaus. Über vier Arme eines Trägerkreuzes wurden die einzelnen runden Geschosse nach oben gezogen.’ Und wir erfahren, dass der Architekt in seinen Plänen immer schon als optisches Gegengewicht ein Gebäude eingezeichnet hatte, das nie Teil der Ausschreibung war. Doch auch hier ging seine Idee auf und er bekam den zusätzlichen Auftrag für das BMW-Museum, damals das erste durchinszenierte Werksmuseum eines Automobilherstellers.

„Das Hinabtauchen in die eigene Tiefe, der Wahrheit auf den Grund gehen, kann man nur selbst.“ Das Buch endet mit der Todesanzeige auf einem Frühstückstisch. Karl Schwanzer ist am 20. August 1975 gestorben. Doch zum 100. Geburtstag am 21. Mai 2018 feiert das Wien Museum, dass der Nachlass des Architekten von seinen Söhnen – vorbildlich geordnet – zur wissenschaftlichen Aufarbeitung und museologischen Erschließung übergeben wurde. Die „Karl Schwanzer Anthologie“ mit Fotos und Dokumenten aus 28 Jahren Architektur- und Zeitgeschichte aus dem Nachlassarchiv erscheint im Mai 2019, ebenfalls im Verlag Birkhäuser.

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