Akteur

Renzo Piano
Renzo Piano Building Workshop - Genua (I)

Sinn für das gebaute Erbe

Genua feiert den Architekten Renzo Piano

10. September 2004 - Roman Hollenstein
Wenn der alte Kontinent am Wochenende den Tag des Baudenkmals begeht, kann Genua als diesjährige Kulturhauptstadt Europas stolz auf die Wiederbelebung seines reichen architektonischen Erbes blicken. Glanz verströmen die vor einer Dekade von Aldo Rossi transformierte Kriegsruine des klassizistischen Opernhauses von Carlo Barabino, der sorgsam restaurierte Palazzo Ducale oder die von Ignazio Gardella in das San- Silvestro-Kloster integrierte Architekturfakultät ebenso wie - als neustes Werk - das jüngst mit einer suggestiven Ausstellung über Ozeandampfer eröffnete Museo del Mare in der vom Spanier Guillermo Vasquez Consuegra umgebauten historischen Werfthalle auf dem Ponte Parodi. Die folgenreichste Intervention aber bleibt der im Hinblick auf die Kolumbus-Feiern von 1992 nach Renzo Pianos Plänen revitalisierte Alte Hafen. Mit ihm hat die wirtschaftlich angeschlagene Stadt eine Touristenattraktion erhalten und zugleich ihren seit Menschengedenken unzugänglichen Mittelpunkt zurückgewonnen.

Ausstellung im Alten Hafen

Renzo Piano, der heute 67-jährige Architekt aus Genua, musste lange warten, bis ihm seine Geburtsstadt - nach Ausstellungen in Bonn, Riehen, Paris und Berlin - die erste grosse Werkschau in Italien ausrichtete. Nun feiert er im Alten Hafen vor der geschichtsträchtigen Kulisse der «Superba» ein triumphales Heimspiel. Austragungsort ist die Porta Siberia, das prachtvolle, zum Ausstellungsgebäude umgewidmete Renaissance-Stadttor, das einst vom Meer her Einlass ins Hafenviertel bot. Diese Toranlage wurde von Piano ebenso restauriert wie die barocken Depots und der reich bemalte Palazzo San Giorgio, der schon im 15. Jahrhundert als Bankhaus diente. Pianos Eingriffe umfassten aber auch die Umgestaltung der riesigen Baumwollspeicher in ein Kongress- und Ausstellungszentrum, den Bau des Bigo genannten Aussichtskrans und des an ein Containerschiff erinnernden Aquariums. Als grösstes seiner Art am Mittelmeer lockt es jährlich über eine Million Besucher an und zählt heute zu den Hauptsehenswürdigkeiten Italiens.

Aber auch in die Piano-Ausstellung strömen zurzeit die Besucher, darunter viele Einheimische. Sie sind stolz auf ihren Landsmann, denn zurzeit ist kein Architekt aus dem italienischen Kulturkreis - der Tessiner Mario Botta ausgenommen - weltweit so erfolgreich wie Piano und sein Building Workshop. Das zeigt die Ausstellung, für welche die einst in Bonn entwickelte Präsentation in Form eines Ateliers erweitert wurde, eindrücklich. Im Zentrum der Haupthalle steht ein riesiger Tisch, an dem man sich fast wie in Pianos hoch über der Steilküste der Punta Nave gelegenem Genueser Studio fühlt. Faksimilierte Skizzenbücher, Entwürfe, Fotos und Modelle in jeder Grösse lassen Pianos gesamtes Schaffen Revue passieren: von der genialen Hightech-Ausstellungsmaschine des Centre Pompidou, die er zwischen 1971 und 1977 zusammen mit Richard Rogers realisierte, über das De-Menil-Museum in Houston, den bei Osaka im Meer schwimmenden Kansai-Flughafen, das Kulturzentrum von Nouméa auf Neukaledonien und den Parco della Musica in Rom bis hin zu den Projekten des New York Times Building, des London Bridge Tower oder des in Bern allmählich der Vollendung entgegengehenden Klee-Museums.

Immer wieder wird dabei deutlich, dass Piano aller Technikbegeisterung zum Trotz ein klassischer Baumeister ist, der für jede Aufgabe eine neue Lösung sucht und findet. Als solcher nähert er sich mit viel Sensibilität dem architektonischen und städtebaulichen Kontext, sei es in Umbauten wie dem Paganini-Auditorium in Parma oder dem Lingotto in Turin, sei es bei der Integration des Beyeler-Museums in die Parklandschaft von Riehen oder eines Wolkenkratzers in die Skyline von Sydney. Neben meisterhaften Museumsbauten oder dem eleganten San-Nicolao-Fussballstadion von Bari schufen Piano und seine Büros in Genua und Paris aber auch weniger überzeugende Arbeiten. Zu nennen wären einige der Häuser am Potsdamer Platz in Berlin, das Wissenschaftsmuseum in Amsterdam oder die vor wenigen Wochen eingeweihte Pater-Pio-Wallfahrtskirche im apulischen San Giovanni Rotondo.

Neue Visionen für Genua

Zu den Höhepunkten aus genuesischer Sicht aber zählt ein grosses, durch eine separate Publikation dokumentiertes Restrukturierungsprojekt für den gesamten Küstenbereich der ligurischen Metropole. Piano, der Architektur und Städtebau als eine Kunst zwischen Ökologie, Soziologie und Formgebung versteht, schlägt darin den Abriss der hässlichen Hafenhochstrasse und den Bau neuer S-Bahn-Verbindungen ebenso vor wie schattige Promenaden, Parks und die Schaffung einer Flughafeninsel. Gleichzeitig visioniert er mit dem auf dem Erzelli-Plateau hoch über Sampierdarena zu errichtenden Stadtteil Leonardo ein formal zwischen Flugzeugträger und Raumstation oszillierendes, in eine mediterrane Parklandschaft eingebettetes Technologiezentrum, das zu Genuas neustem architektonischem Aufbruchssignal werden könnte.

Bis 31. Oktober in den Ausstellungsräumen der Porta Siberia im Alten Hafen von Genua.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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Kontakt

Renzo Piano Building Workshop

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16158 Genua
Italien

Tel +39 10 61711
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