Akteur

Georg W. Reinberg
Wien (A)

Öko-Konzepte ziehen in Büros ein

Ökologische Konzepte beginnen sich langsam nach dem Wohnbau auch bei gewerblichen Immobilien durchzusetzen. Der Öko-Marketingansatz funktioniert jedenfalls immer besser. Warum die spezialisierten Öko-Architekten langsam, aber sicher aus der Hungerleider-Ecke hervorkommen, erläutert „Solarpapst“ Georg W. Reinberg im Gespräch mit Gerhard Rodler.

10. Dezember 2005 - Gerhard Rodler
STANDARD: Im letzten Jahrzehnt reichte das Etikett „Öko“ für einen Verkaufserfolg im Wohnimmobilienbereich. Mittlerweile scheint auch dieser Begriff marketingtechnisch schon abgenutzt. Bricht jetzt die Zeit nach dem Öko-Boom an?

Reinberg: Die Periode des ökologischen Bauens hat eben erst begonnen. Ökologisches Bauen ist definitiv keine vorübergehende Zeiterscheinung. Wenn jetzt sogar der US-Präsident Bush die Notwendigkeit des Energiesparens betont, dann sind aus meiner Sicht die letzten Bastionen erobert. Der Öko-Boom ist eben dabei, auch alle anderen Bereiche, wie z. B. den Bürobau, die Bauten des Tourismus oder den öffentlichen Bereich usw. zu erfassen.

STANDARD: Aber ökologisches Bauen ist streng genommen auch keine Architektur, sondern an sich eine Technik. Dennoch schmücken sich einige Architekten, wie Sie ja auch, mit der Bezeichnung „Öko- Architekt“.

Reinberg: Ökologisches Bauen ist eine Technik, kann aber auch mehr sein: Es hat sich daraus eine architektonische Richtung entwickelt ...

STANDARD: ... weil man sich damit als Architekt besser verkaufen kann?

Reinberg: Nein, sondern weil ökologisches Bauen neben dem Einsatz der entsprechenden Technologie eben auch auf einer besonderen Philosophie gründet. Und diese kann sich in eigenständiger Architektur darstellen. Ich meine, dass die traditionelle Architektur am Ende ihrer Entwicklung angelangt ist und jetzt eben Schritt um Schritt von ökologischer Architektur abgelöst werden wird. Alle Anzeichen wie Umweltbelastung, Energieknappheit und vieles mehr zeigen ja ganz klar in diese Richtung. Und „gute Architektur“, die nicht oberflächlich bleibt, hat immer auch auf neue Techniken, neue Sichtweisen und kulturelle Veränderungen reagiert.

STANDARD:Da klingt jetzt aber doch auch ein bisschen Zweckoptimismus durch. Immerhin waren die so genannten Öko-Architekten bis dato die weniger gut verdienenden und die grundsätzlich im Vergleich kleineren Büros.

Reinberg: Das ist natürlich alles eine Entwicklungssache aber mein Büro zählt schon lange nicht mehr zu den ganz kleinen. Andererseits hat es diese Revolutionen in der Architektur ja schon immer gegeben. In der Gründerzeit ist beispielsweise Stahl als Baustoff aufgekommen. Die traditionellen Architekten haben zwar den neuen Baustoff „hinter den Kulissen“ verwendet, aber ihren architektonischen Stil nicht angepasst, und irgendwann einmal ist aus Stahl und Glas durch innovative Architekten ein eigener Baustil entstanden, den die tradtionellen Architekten damals zwar bekämpft haben, aber nicht verhindern konnten.

STANDARD: Und Sie meinen, so wird es jetzt auch bei der Öko- Architektur sein?

Reinberg: Ja, sicherlich. Traditionelle Architekten nutzen ja heute da und dort auch ökologische Bautechnik, wie beispielsweise Solarkollektoren. Aber die traditionellen Architekten lassen diese Technologie optisch verschwinden. Bei der suncity in Wien beispielsweise wurden die Dachränder extra höher gemacht, um die Solarkollektoren dahinter verschwinden zu lassen. Das Resultat aus dieser Haltung waren insgesamt höhere Kosten und eine deutlich geringere Effizienz der Kollektoren. So etwas funktioniert eben nicht. Ein Ökoarchitekt würde dagegen nicht im Traum daran denken, Sonnenkollektoren verschwinden zu lassen, denn sie sind ja sogar Symbol für seine architektonische Linie.

STANDARD: Wenn Sie schon selbst die Kosten ansprechen: Tatsache ist und bleibt, dass Ökoarchitektur definitiv teurer ist als klassische Architektur und in Wahrheit nicht einmal mit den Betriebskosteneinsparungen die Mehrkosten jemals wieder hereingespielt werden können.

Reinberg: .Das gilt nur für schlechte Planung, das hat für die Anfänge dieser Technologie gestimmt, trifft aber heute nicht mehr zu. Einerseits ist die „Hardware“ billiger geworden, andererseits lernen wir immer mehr dazu, sodass Öko durchgerechnet nicht mehr wirklich teurer ist. Wir haben beispielsweise in Salzburg 530 Quadratmeter Sonnenkollektoren einfach direkt auf das Dach montiert, und zwar anstatt der Ziegel. Das hat ein Viertel der Kosten eingespart und sogar die Funktionstüchtigkeit gesteigert. Mit solchen und ähnlichen Maßnahmen drücken Sie die Kosten dann schon auf ein durchaus vergleichbares Niveau bzw. ergeben sich insgesamt – wenn man die vorhandenen Förderungen nutzt – sogar Kostenvorteile. Gesamtgesellschaftlich gesehen ist ökologisches Bauen natürlich sehr viel kostengünstiger.

STANDARD: Also hat Ökoarchitektur Ihrer Meinung nach den Durchbruch geschafft?

Reinberg: Ich denke schon. Ich hab z. B. eine recht gute Auftragslage; technisch ist der Energiepass für Häuser, der jetzt verpflichtend kommt, sicherlich auch ein Durchbruch. Der Energiepass wird ein Maßstab für den Wert einer Immobilie werden.

STANDARD: Dies hat allerdings dann wahrscheinlich den Nachteil, dass dann optische Einbußen in Kauf genommen werden müssen – und wer will das schon?

Reinberg: Aber das stimmt doch nicht! Ganz im Gegenteil: Gute Architekten machen aus Ökologie die schönere Architektur …

STANDARD: Es hat aber nach wie vor vielfach dieses Image ...

Reinberg: Oder auch nicht. Das teilweise schlechte Image mag vielleicht daher kommen, dass manchmal nur Techniker am Werk waren, aber zwischenzeitlich beweisen gute Architekten, dass es auch viel besser geht: Ökologische Überlegungen werden in der Hand von schlauen Architekten zum Schwungrad für eine interessantere Architektur. Die Ökoarchitektur wird künftig auf das lokale Klima bezogene vielfältigere Stile hervorbringen und es werden auch ganz neue Details entstehen. Zum Beispiel werden Fensterleibungen tiefer und die Fensterrahmen werden aufgrund von Wärmeisolierungsnotwendigkeiten mit der Fassade überzogen. Daraus lässt sich dann auch eine neue Oberflächenstruktur entwickeln: Insgesamt ist für mich das Spannende die Architektur, die sich daraus entwickeln lässt, eine Architektur, die über eine positive Zukunft berichtet.

STANDARD: Dafür aber treten die ersten Bedenken auf, dass die beim ökologischen Bauen verwendeten Baustoffe zum Teil die Lebensdauer des Gebäudes drastisch verringern können, beispielsweise der Einsatz von Dampfsperren aus Kunststoff oder andere derartige Materialien.

Reinberg: Das stimmt nicht. Ganz im Gegenteil: Die ökomoderne Architektur ist viel langlebiger. Es gibt ja Alternativen zum Plastiksack, beispielsweise ein Lehmfließ. Tatsache ist natürlich, dass sich die Materialien ständig weiterentwickeln und gute Öko-Technik der alten Technik weit überlegen ist (Stichwort: Raumklima). Ökomodernes Bauen ist also die fortschrittlichere Technik mit der progressiveren Architektur.

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Georg W. Reinberg, Foto: Martha Carolina Enriquez-Reinberg