Akteur

Shigeru Ban Architects
Tokyo (J)

Die Leichtigkeit des Materiellen

Neue japanische Bauten von Shigeru Ban

1. Februar 2002 - Hubertus Adam
Der Tokioter Architekt Shigeru Ban hat Pappe als Werkstoff in die zeitgenössische Architektur eingeführt. Mit dem japanischen Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover sorgte er im vergangenen Jahr für Aufsehen. Obwohl Ban in Japan weniger bekannt ist als in Europa, entstanden dort weitere wichtige Werke, darunter ein Kindermuseum.

Innerhalb der japanischen Architektenszene gilt der 1957 geborene Shigeru Ban, der 1985 sein eigenes Büro in Tokio eröffnete und besonders durch die Rehabilitierung des Werkstoffs Pappe bekannt wurde, eher als Aussenseiter, und vielleicht wird ihm in Europa derzeit mehr Aufmerksamkeit zuteil als im ostasiatischen Inselstaat. Nach der Realisierung des japanischen Pavillons für die Expo in Hannover ist Ban derzeit in Frankreich tätig: Ein Bootshaus und ein Museum für das Centre Interpretation Canal de Bourgogne in Pouilly-en-Auxois sollen zu Beginn des kommenden Jahres fertig gestellt sein.

Von seinem Expo-Pavillon und einem in drei Varianten vorliegenden Entwurf für eine temporäre Guggenheim-Dépendance in Tokio abgesehen, ist Ban bislang vor allem als Meister der kleinen Form in Erscheinung getreten. Eine seiner schönsten und überdies öffentlich zugänglichen Bauten entstand im vergangenen Jahr in der Nähe von Kakegawa, einem Shinkansen-Halt auf halbem Weg zwischen Tokio und Osaka. Zwanzig Minuten benötigt das Taxi, dann hält es inmitten üppigster Vegetation vor dem Children's Art Museum von Nemunoki. Fern der städtischen Zivilisation befindet sich hier, umgeben von Teefeldern, dicht bewachsenen Hängen und Blumenwiesen, das Kinderdorf Nemunoki Gakuen. Das einsam auf dem Hügel gelegene Ausstellungsgebäude, in dem Zeichnungen der geistig und körperlich behinderten Dorfbewohner gezeigt werden, ist ein dreieckiger, ringsum verglaster Pavillon, der sich durch Stellwände flexibel unterteilen lässt. 15 runde Stützen tragen die aus einem Dreiecksraster bestehende Dachkonstruktion. Eine helle transluzente Plasticfolie dient als Wetterschutz, ermöglicht aber zugleich die Belichtung des Innenraums, bei dem auf elektrische Beleuchtung verzichtet wurde: Der Ausstellungsraum ist jeweils nur bis zum Anbruch der Dunkelheit geöffnet. Rot und gelb lackierte Metallboxen bergen die nötigen haustechnischen und sanitären Installationen; Eingang und Kassenzone mit einem Tresen aus Papprohren befinden sich an der einen Spitze des gleichseitigen Dreiecks.

Die Deckenkonstruktion wurde speziell für diesen Bau entwickelt, kurz danach aber in vertikaler Anordnung für die Stirnseiten des Japanischen Pavillons in Hannover adaptiert. Ban entwickelte einen Raster aus durch Wabenstrukturen versteiften Karton-Verbundplatten. Wie schon in seinen «Paper Tube Structures» sowie den experimentellen «Case Study Houses» verbinden sich innovative Konstruktion und eine reduktionistische Ästhetik auch beim Kindermuseum auf das Überzeugendste.

Leicht, hell und freundlich, wie für Shigeru Bans Bauten charakteristisch, wirkt auch «Ivy Structure 2» im Stadtviertel Minato-ku in Tokio. Das eigentliche Gebäude wird hier durch eine gerüstartige, efeuberankte Metallstruktur umgeben und ist mit dieser konstruktiv verbunden. Dass das Tragwerk sich nicht auf das Haus selbst beschränkt, sondern Inneres und Äusseres verzahnt, ist ein Gedanke, den Ban schon mehrfach in seinen Projekten thematisierte. Ein weiterer Neubau in der Innenstadt von Osaka knüpft an die Erfahrungen an, die Ban mit den «Ivy Structures» gewonnen hatte: Eine Kaskade von fünf holzbeplankten Plattformen dient dem orthogonalen Volumen als (seitliche) sekundäre Erschliessung, als Fluchttreppe und verschafft den Angestellten auf den verschiedenen Niveaus überdies Aussensitzbereiche, an denen es im dicht bebauten zentralen Bereich der zweitgrössten Stadt Japans sonst mangelt.

Das jüngste Material in Bans Palette ist Sperrholz. Gemeinhin für die Herstellung von Möbeln eingesetzt - erinnert sei hier an Charles Eames und Arne Jacobsen -, nutzt der Japaner den leichten und verformbaren Baustoff nun im grossen Massstab. So besteht die im Mai fertig gestellte Kindertagesstätte des Imai-Hospitals von Odate aus einer tunnelähnlichen, im Querschnitt kreisrunden Konstruktion von LVL (laminated veneer lumber) genannten, streifenförmigen Holzleimbindern. Eine Weiterentwicklung stellt die in diesen Tagen vollendete Sporthalle der gleichen Institution dar: Streifen von LVL wurden zu einem gitterförmigen Netzwerk zusammengefügt, das einen Raum von 20×28 Metern stützenfrei überspannt. Aufs Neue zeigt sich, wie preiswerte herkömmliche Baustoffe Eingang in innovative Konstruktionen finden. Wo andere Architekten mit elaborierten High-Tech-Materialien operieren, verwendet Ban - hierin ganz der japanischen Tradition verhaftet - das Naheliegende, um ihm eine eigene Poesie zu entlocken.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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