nextroom.at

Profil

Studium der Betriebswirtschaft (mag.rer.soz.oec.) und der Architektur in Graz. Architekturvermittlerin, Journalistin, Architekturpublizistin, Autorin, Reisende. Lebt in Vorarlberg und Wien.

2017 – 2021 Redakteurin bei nextroom. Interviewreihe »nextroom fragt« mit 33 Interviews zur Architektur, 27 Statements zur Architektur, 10 Statements zur Landschaftsarchitektur, 15 Reportagen; Bauwerksdokumentation, Buchbesprechungen.

2008 – 2015 Architekturvermittlungsprojekte für das vai Vorarlberger Architektur Institut:
Projektleitung nextroom Architekturdatenbank, Sammlungspartner Vorarlberg
Projektleitung „Architektur vor Ort“, monatliche Architekturführungen
Konzept „architekturJetzt – Kulturvermittlung an junge Menschen“
Projektleitung „Unit Architektur – Baukultur im Unterricht“
2014 Kuratorin der Ausstellung „Unit Architektur | Architektur begreifen“ im vai Dornbirn
2015 Ausstellung „Unit Architektur | Architektur begreifen“ im Spittel, Fachhochschule Kärnten 

2010 Konzept „Impulswoche technik bewegt“ für bink - Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen
2013 Konzept „Baukulturkompass“ für bink – Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen

2011 – 2016 Redaktionsleitung „vorum – Zeitschrift der Raumplanung Land Vorarlberg“, insgesamt 9 Ausgaben

Monatliche Kolumne auf kultur-online.net – PS: Architektur; Artikel in Fachzeitschriften: hochparterree, zuschnitt, materialegno, modus
Häusergeschichten in Der Standard, VN Leben Wohnen, Neue Vorarlberger Tageszeitung

Publikationen

„Franz E. Kneissl | Der Praterstern ist kein Himmelskörper | Gesammelte Texte“, Martina Pfeifer Steiner (Hrsg.) mit Beiträgen von Otto Kapfinger und Gottfried Pirhofer, Verlag Sonderzahl, 2017 

„rastlos - Architekt Werner Pfeifer 1919–1972“ Martina Pfeifer Steiner (Autorin und Herausgeberin) mit Beiträgen von Robert Fabach und Marina Hämmerle, Park Books, Zürich, Sept. 2018

„33 Interviews zur Architektur“ herausgegeben von nextroom, Müry Salzmann, 2019

„Monografie Rudolf Wäger 1941–2019“ mit Marina Hämmerle, Herausgeber vai Vorarlberger Architektur Institut, Az W Architekturzentrum Wien, Birkhäuser, Jänner 2021

Veranstaltungen

Kuratorin Ausstellung „Unit Architektur – Architektur begreifen“ für das vai Vorarlberger Architektur Institut, 2014 und 2016 in der Fachhoschschule Kärnten

Kuratorin mit Marina Hämmerle „Rudolf Wäger. Baukünstler. 1941–2019“ für das vai Vorarlberger Architektur Institut, Februar 2021

Auszeichnungen

2014 Bank Austria Kunstpreis für Unit Architektur vai

Karte

Artikel

10. Juni 2025 newroom

Virtuelle Exkursion zu den neuen Bauten in Amsterdam

Amsterdam ist eine Reise wert – nicht nur wegen der Altstadt-Idylle mit Grachten und ihrer Häuserzeilen, es ist auch die bevölkerungsreichste Stadt der Niederlande und hat diese Herausforderungen in beachtenswerter Weise angenommen. Transformation und Umwidmung sind seit jeher ein großes Thema, gleichzeitig wurden durch gezielte Stadtentwicklung stets neue Wohnviertel erschlossen. Dies zu erkunden, ermöglicht in höchst spannender und kompakter Weise das Buch von Anneke Bokern und Sandra Hofmeister: Amsterdam – Urbane Architektur und Lebensräume.

Die beiden Herausgeberinnen nehmen Interessierte mit auf eine architektonische Tour zu dreißig zeitgenössischen Bauwerken mit Leuchtturmcharakter. Übersichtlich verortet auf Karten, gegliedert in fünf Kapitel – Wohnen, Mixed Use, Bildung und Kultur, Transformation, Öffentliche Räume – und bildreich sowie lesefreundlich (Projektbeschreibungen konzentriert bzw. inhaltsschwer nur eine Seite lang) vermittelt, fühlt man sich als Teilnehmerin einer Architektur-Exkursion, nur viel komfortabler und unangestrengt. Gerade bei (großen) Wohnbauten ist es kaum möglich vor Ort das Gesamtkonzept und vor allem die Grundrisse zu erfassen. Diese Publikation bietet jedoch genau das: Grundrisse mit detaillierten Funktionen, Schnitte, Außenansichten im Kontext und Innenräume, die auch bei einer bestens organisierten Führung nicht betretbar sind.

Reizvolle Überschriften machen neugierig, die erzählten Geschichten zufrieden. „Klar Schiff“ verweist auf das Projekt „Schoonschip“ und eine Flotte aus 46 schwimmenden Häusern auf einem Kanal im Norden Amsterdams. An ein „Haifischmaul“ erinnert der Wohnbau von Barcode Architekten und BIG auf einer der sieben künstlichen Inseln, die den Archipelstadtteil IJburg bilden. „Im Bauch des Wals“ assoziieren Erschließung und Form eines gemischt genutzten Bauwerks auf Haveneiland. „Harte Schale, weicher Kern“ ist der Titel für das „Valley“ von MVRDV mit 198 Wohnungen, Gewerbe und Kultur. „Ins Schwarze getroffen“: Der Booking Campus (booking.com) wird wohl der letzte Neubau diesen Ausmaßes in der Amsterdamer Innenstadt sein. Bei „Freundlicher Riese“ wird die spannende Geschichte erzählt, was aus dem letzten Teil (das 400 Meter lange Kleiburg) der Siedlung Bijlmermeer aus 1968 nach minimaler Sanierung und der anschließenden Verwertung als Heimwerkerwohnungen entstand. „Die Stadt als Hotel“ machen Space&Matter aus übrig gebliebenen, unter Denkmalschutz stehenden Bahnwärterhäuschen …

Eingestreut und passend zu den Kapiteln thematisieren gut geschriebene Essays und Interviews neue Wohnformen, adaptive Architekturkonzepte, die Wiederentdeckung der ehemaligen Hafen- und Gewerbegebiete am Ufer des IJ, den Übertourismus und die Fahrradhauptstadt Amsterdam. Die Beiträge vervollständigen das Bild einer lebhaften, in die Zukunft gerichteten Baukultur und einer jungen Architekturszene mit unkonventionellen, pragmatischen, einfallsreichen Ansätzen. Dieses Buch wird erst aus der Hand gelegt, wenn man überall gewesen ist … freilich nur virtuell und ohne sich vom Sofa erheben zu müssen.

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- Amsterdam

8. April 2025 newroom

H wie Holz

Dieses Buch ist anders. Schönheit und Qualitäten der Materie werden auf unerwartete Weise ins Bild gesetzt. Es geht um Holz. Was Marina Hämmerle und Florian Aicher mit diesem wertigen Kompendium gelungen ist, bringt die Essenz, die Seele des Holzbaus zum Vorschein, zum Klingen – und zwar jenseits einer Architekturschau, weder die Protagonist:innen im Fokus, noch auf eine Region begrenzt. Beauftragt und ermöglicht wurde das Buchprojekt durch die Holzbau-Offensive Baden-Württemberg, die mit gezielten Förderprogrammen die Umsetzung qualitativ hochwertiger, zeitgenössischer Architektur in Holz beflügelt.

Querformat, lebhaftes Leinen, haptisch und elastisch das Buchcover, pures Material – beim Aufschlagen folgen auf die ersten Seiten des ausnehmend feinsinnigen, atmosphärischen Fotoessays nicht etwa Titel und Vorworte, sondern „ein unverschämt subjektiver Spaziergang entlang der Lebensthemen Gehen, Wohnen, Lieben, Schreiben, Musizieren“ der Architektin und Romanautorin Zora del Buono. Sie nimmt die Lesenden mit auf eine poetische Spurensuche nach den sinnlichen Qualitäten von Holz: mit Staunen über die kleinen Samen des Mammutbaums des Sequoia Nationalparks; zur Hütte unter einer riesigen Eiche; in den Souvenirshop auf dem abgeholzten Färöer Archipel im Nordatlantik; bis zu Gramscis Bleistift – „Bleistifte können Geschichte schreiben. Auch wenn sie nicht mehr vorhanden sind“ – und Haydns Flügel: „So möchte man als Baum enden, wenn man denn schon enden muss“.

Ineinander schwingen

Text und Bild sollten sich die Waage halten. Die insgesamt sechs Essays der Fotografin Petra Steiner rücken die besondere Qualität des Holzes und seiner technischen Möglichkeiten mit einer eigens angelegten, durchgängigen Fotosprache in den Fokus. „Es ist ein Herantasten an eine Materie, an einen Stoff, der etwas mit uns macht. Der Stoff sickert in unsere Wahrnehmung ein, den Erinnerungen auf den Fersen, ihnen vorauslaufend. Er bekommt Form, ist Volumen, hat Oberfläche, ist Struktur, Textur. In ihm sind Natur und Kultur eins“, schreibt Marina Hämmerle in ihrer Betrachtung zur Fotografie von Petra Steiner.

Diese Fotografien erzählen eine eigene Geschichte, sie stehen für sich. Keine Ablenkung durch Bildunterschriften, unwichtig wer geplant hat, wo der Ort ist, anstelle dessen, sich einlassen auf das Sehen, auf die Stimmung. Die Fotoauswahl und Bildkomposition der Doppelseiten erfolgte in Co-Creation von Fotografin, Herausgeber:in und Grafiker über Tage in Rotis und unzähligen Stunden im digitalen Raum: „Hand, Herz und Hirn gruppieren, verknüpfen Motive, suchen gemeinsam nach Verbündeten für ausgewählte Schlüsselbilder. Unter den Hunderten Fotografien tun sich etliche hervor und signalisieren: Wir sind verwandt, wir schwingen im gleichen Ton. Die losen Enden zwischen den Fotografien spinnen sich zu mehreren Fäden. Die weben sich durch die 144 bebilderten Seiten, Kette und Schuss.“ Da wird also nicht in Projekten gedacht, sondern in Verwandtschaften. Vielfach treten historische und zeitgenössische Architektur in Dialog oder sind es Natur, Farbe, Licht, Form, die gekonnt durchchoreografiert wurden.

Auch die Dramaturgie im Gesamten ist ein Schwingen in großen Linien – von einem Themenblock in den nächsten, fließend verbunden über die Bildessays. Namhafte Autor:innen und fachlich versierte Gesprächspartner:innen eröffnen die vielschichtigen Zugänge zur Materie Holz. Klare Anhaltspunkte geben dabei jeweils Begriffspaare, die anzeigen, worauf man sich einlassen darf: beispielsweise auf den „verwurzelten Baustoff“ unter Theorie und Bedeutung; Gestalt und Ornament in „Holzbau jenseits des Nützlichen“; die Schönheit des Alltäglichen; Bauwirtschaft und Klima „Auf zu einer neuen Bauphilosophie“; Forst und Forschung; das Spektrum der Holzbautechnologie; aber auch auf die Möglichkeiten des hybriden Bauens mit Lehm, Stroh und Kalk; den Wissenstransfer in Architektur und Handwerk, bis hin zu Wohnungsbau und Urbanität.

Komposition

Zu guter Letzt lüftet sich doch noch alles Wissenswerte zu den Abbildungen: Im Anhang ermöglichen fortlaufende Miniaturen der sechs Fotoessays Überblick und Identifizierung, sind Angaben zu Motiv, Standort sowie, im Fall von Bauten, Baujahr und Architekt zu finden, desgleichen sind auf einer Doppelseite die interessanten Biografien aller Beitragenden alphabetisch gelistet. Womit wir bei der Grafik wären: Da gibt es nichts Modisches, keine Experimente mit Zeilenabstand und springenden Schriftgrößen oder Überschriften, die am Blattrand kleben … Stefan Gassner ist bekannt für ausgezeichnete, elegant durchkomponierte Buchgestaltungen. Man hält ein schön gemachtes Werk in Händen: Leinengebunden, mit rundem Buchrücken, je nachdem ob Bild- oder Textstrecke ist die Grammatur des Papiers zwar gleich, doch Qualität und Tönung unterschiedlich.

Ein weiterer Blick auf die Typografie zeigt: frisches Grün akzentuiert Titel und Überschriften, Fußnoten und Bildunterschriften, verhilft als Schmuckfarbe zu lässiger Beiläufigkeit. Die große Kunst, gehaltvolle Texte leicht und gut lesbar zu vermitteln, wird hier offensichtlich beherrscht, die Spannung gehalten, gekonnt die Textblöcke variiert, im kurzweiligen Rhythmus. Ein besonderes Lesevergnügen.

Schlussendlich sei noch aus dem Vorwort von Florian Aicher zitiert: „Es bedarf einer Holzkultur, um die physischen Potenziale des Stoffs zu heben. Die gelingt, weil Holz Menschen anspricht. Holz kann viel mehr, aber nicht alles; Holz ist reichlich da, aber nicht unbegrenzt. Gerade den Dingen aus Holz ist zu wünschen, dass sie „von der Fron frei sind, nützlich zu sein“ (Walter Benjamin) – weil sie uns weit mehr von der Welt zeigen können. Davon handelt dieses Buch.“

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- H wie Holz

14. Januar 2025 newroom

Fünfundzwanzig Mal Herzog & de Meuron

Gewichtig und wesentlich präsentiert das Buch fünfundzwanzig Werke der Pritzker-Preisträger Herzog & de Meuron. Kunsthistoriker Stanislaus von Moos und Architekt Arthur Rüegg haben aus dem annähernd sechshundert Bauten und Projekte umfassenden Gesamtwerk der Schweizer Architekten in über 35 Ländern selektiert: „Die Absicht war, anhand einer Auswahl von Werken die signifikantesten entwurfstheoretischen Leitlinien herauszuarbeiten und zugleich dem künstlerischen Anspruch oder dem, was wir darunter zu verstehen meinten, mit einer gezielten Selektion des umfangreichen Bildmaterials gerecht zu werden.“

An sich wäre die über vierzig Jahre kontinuierlich nachgeführte Projektdokumentation – insbesondere mit der bislang sechsbändigen Monografie – komplett, doch die zwei Autoren reizte „so etwas wie eine kritisch wertende Zwischenbilanz des bisherigen Œuvres“. Für ihre zwei ausführlichen Essays über die Entwurfsmethode der Architekten dienten die mannigfachen, weitverstreuten veröffentlichten Texte und Interviews der Architekten, und von einer erneuten Befragung von Jaques Herzog und Pierre de Meuron wurde abgesehen. Umso wertvoller und wichtiger war der uneingeschränkte Archiv-Zugang mit dem riesigen Fundus an Plänen, Bildern, Texten, Modellen, Skizzen, Skizzenbüchern, Zeichnungen und Schemata, der inzwischen in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht wurde und in einem eigenen Gebäude auf dem Basler Dreispitz-Areal großzügige Räumlichkeiten gefunden hat.

Eine Besonderheit sind zwei separate, auf schwarzem Papier gedruckte Bildteile, die noch nie zugänglich waren: Als Opener, Einblicke in das Fotoarchiv von Pierre de Meuron, die zum Teil mit eventuellen Bauplätzen zu tun haben, aber auch bekannte und weniger bekannte Architekturdenkmäler, Kathedralgewölbe oder Erkundungen auf Reisen zeigen; und als Finale die Postkartensammlung von Jacques Herzog.

Die fünfundzwanzig ausgewählten Bauten aus allen Schaffensperioden sollen die zentralen Aspekte des Gesamtwerks dieser bedeutenden Architekten abdecken und werden in sorgfältig orchestrieten Bildstrecken bekannter Architekturfotografinnen und Fotografen, mit aufschlussreichen Texten von abwechselnd einem der Autoren, technischen Daten, Plänen und Literaturhinweisen vermittelt. Erwartbar, dass bei dieser persönlichen Auswahl die Elbphilharmonie, das VitraHaus, das Vitra Schaudepot und das Ricola Lagerhaus nicht fehlen kann. Ein Ausschnitt Wolfgang Tillmans Fotografie in der Erweiterung der Tate Modern gibt das Titelbild am Schutzumschlag des leinengebundenen prächtigen Bands. Bleibt noch über die Haptik und das Spiel von Papierqualitäten zu berichten: Auch die hundert Seiten mit den Essays und der Anhang sind – wie die Inlays mit den privaten Fotoarchiven von Herzog und de Meuron auf schwarz – etwas rauer und im Ton weißer als im Hauptteil mit den Projekten, wo vor allem die Bilder brillant zur Geltung kommen. Da wurden offensichtlich in die Buchgestaltung ebenso viel Sorgfalt und feinsinnige Gedanken eingebracht.

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- Twentyfive x Herzog & de Meuron

2. Dezember 2024 newroom

Portrait einer regionalen Baukultur

Diese Publikation war längst überfällig, denn Otto Kapfingers „Baukunst in Vorarlberg seit 1980“ ist vor 25 Jahren herausgekommen! Doch wie haben sich Baukultur und Architekturlandschaft seither entwickelt? Die vai-Direktorin Verena Konrad wusste über ihre verantwortungsvolle Aufgabe und suchte sich als Co-Herausgeberin die Architekturpublizistin und Chefredakteurin vom Detail Verlag, Sandra Hofmeister.

Ein langer Zeitraum, den dieses Buch abdecken sollte. Es galt, aus der umfangreichen Objektrecherche fünfzig Projekte herauszufiltern, die im Hinblick auf Typologie und Bauweise, auf Schwerpunkte oder Spezialisierungen interessant sind, gemessen auch an Exkursionsnachfragen, der internationalen Rezeption oder einfach an den Klicks im Netz bei Detail. Die Qual der Wahl – denn es gibt in Vorarlberg unzählige qualitätsvolle Bauten, die in dieses Buch passen würden. „Schließlich hat ihre regionale und überregionale Bedeutung für aktuelle Diskurse den Ausschlag für unsere Auswahl gegeben: ihr ökologisches Profil, ihr kultureller Anspruch, ihr Beitrag zu technologischer und prozessualer Innovation und zu gesellschaftlichen Themen“, erklären die Herausgeberinnen in ihrer Einführung, die auch für das Verständnis von Landschaft, Ressourcen und Baukunst wohltuend ausholt und den geschichtlichen Vorspann beisteuert.

Die vier Kapitel werden nicht durch trockene Regionen-Bezeichnungen definiert, sondern lassen Landschaftsbilder mit Tälern, Bergen, Wäldern und Seen mit den entsprechenden Emotionen entstehen: Im Rheintal, Berge und Täler, Im Bregenzerwald, Am Bodensee. Ebenso gelungen ist die Dramaturgie der Bauwerke und deren Illustration – eine gekonnte Choreografie von hochkarätiger Architekturfotografie, die auf vorhandene Projektdokumentationen zurückgreift.

Einladend zum Lesen

Sehr schön gemacht und lesefreundlich mit kompakten Bauwerksbeschreibungen, die aus dem reichen vai-Archiv (monatliche Führungen „Architektur vor Ort“, Architekturdatenbank „nextroom“) stammen und redaktionell bearbeitet wurden, schürt schon die erste Doppelseite der einzelnen Gebäude Erwartungen, die im Folgenden gänzlich erfüllt werden. Bauwerksbezeichnung, Baujahr, Architekt:innen geben Orientierung, die wichtigsten Beteiligten – allen voran die Bauherrschaft, weiters Statik, gegebenenfalls Bauphysik, Licht-, Haus-, Geotechnik, Landschaftsplanung, Farbkonzept, mitunter Bauleitung – eine Ahnung über das Zusammenspiel der Akteur:innen und das notwendige, interdisziplinäre Fachwissen.

Räumliche Verortung in den Kapiteln ist eine gute Strategie für Abwechslung und Kurzweiligkeit bei den vielfältigen Bauaufgaben. Dass die Kommunen eine wesentliche Rolle als aktive qualitätsfördernde öffentliche Auftraggeberinnen spielen, gibt die Anzahl der dokumentierten Objekte im Buch wieder. Durch ihre Initiative konnten Schulen und Kindergärten, Gemeindesäle und Musikschulen mit Pioniercharakter entstehen. Beteiligt waren Kommunen überdies bei aufsehenerregenden Brückenbauten und dem Islamischen Friedhof. Außergewöhnlich sind aber auch die vielen herausragenden Einzelinitiativen von gewerblichen und privaten Bauherr:innen, die in technologischer, gestalterischer und funktionaler Hinsicht wegweisend sind.

Das einzige Einfamilienhaus ist eine Nachverdichtung auf einem Privatgrundstück. Zum Bauen im und mit Bestand findet man im Buch ebenfalls faszinierende Projekte. Eines davon sei hier hervorgehoben, weil auf den Einblick in die Sanierung des „Stadt-Stadls“ in Dornbirn ein Interview mit der Architektin Julia Kick folgt, die ihr eigenes Wohn- und Atelierhaus in das frühere Wirtschaftsgebäude implementiert hat. „Jenseits der Normen“ ist dieses übertitelt und wie zwei weitere Interviews eingewoben in die rhythmische Abfolge von Bauten: Folgend auf das zu seiner Zeit in Mitteleuropa größte Bürogebäude in modularer Holzbautechnik im Montafon, kommen sechs Protagonisten der Holzbaudynastie im Bregenzerwald zu Wort, die alle den Nachnamen Kaufmann tragen. Sie teilen die Leidenschaft für das Bauen mit Holz und die Überzeugung, dass es für die ökologische Transformation im Bauen sowohl die Architektur, das Handwerk als auch ein starkes Unternehmertum braucht. Auf die spektakuläre Erden Werkhalle in Schlins folgt ein aufschlussreiches Interview mit dem Lehmbaupionier Martin Rauch und der international renommierten Protagonistin des zirkulären Bauens, Anna Heringer.

Eingesprenkelt sind noch vier Essays, welche die Hintergründe der Vorarlberger Baukultur beleuchten und aktuelle Schwerpunkte hervorheben, wie Aspekte des ökologischen Bauens, der regionalen Handwerkskultur sowie der Gemeinschaftsbauten und der Urbanisierung in der Vierländerregion. Auch bei diesen Textteilen gelingt durch grafische Auflockerung und interessanter Bebilderung (komfortabel mit Bildunterschriften) wieder das Kunststück, dass die Spannung gehalten wird und die Lesenden unangestrengt ihrer geweckten Neugierde folgen können. Das ist (weihnachtliche) Freude bereitende Baukulturvermittlung.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Dez 24/Jan 25, http://www.kulturzeitschrift.at ]

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- Architektur in Vorarlberg

24. November 2024 newroom

Roquebrune Cap Martin – auf den Spuren von Le Corbusier

An der Cote d´Azur fand Le Corbusier einen Ort „zum Sterben schön“ und errichtete eine Hütte nach den Prinzipien seines Modulors: Le Cabanon. Doch das Orakel erfüllte sich, er fand eben dort, im August 1965, den Tod durch Ertrinken nach einem Herzversagen. Der Cimetière du Roquebrune Cap Martin war also mein erstes Ziel. Hier ruht er in Frieden, mit einer unsagbar schönen Aussicht übers Meer und auf Monaco, wo seine Frau aufwuchs. Für sie hat er die Ferienhütte gebaut, für sie hat er aber auch das Grabmal gestaltet.

Die Villa E 1027, von Eileen Gray geplant und Jean Badovici überlassen, interessierte Le Corbusier immer schon, und er war nur zu erfreut, als Badovici ihn 1938 einlud die Wände zu bemalen (siehe PS: Architektur). Eileen Gray erfuhr davon erst, als der Architekt diese Wandmalereien publizierte – und war entsetzt. Das veranlasste Badovici wiederum, sein schlechtes Gewissen erleichtern und diese entfernen lassen zu wollen, was jedoch nie geschah. Am 1.1.1950 schrieb Le Corbusier einen Brief: „Mein lieber Bado. … Wenn ich Sie richtig verstehe, werden Sie meine Malereien entfernen, um Ihrem Haus „den tieferen Sinn einer Geisteshaltung“ zurückzugeben, „die jede Malerei ausdrücklich verbietet“. Ich bitte Sie ebenso ausdrücklich, meine Malereien fotografieren zu lassen, bevor Sie sie auslöschen. Vielleicht entgeht mir ja der tiefere Sinn Ihres Denkens, denn obwohl Sie seit 30 Jahren in Paris leben, gelingt es Ihnen immer noch nicht, anderen verständlich zu machen, was Sie schreiben. …“ Das war dann auch das Ende der Freundschaft.

Dabei fragte Le Corbusier noch im Sommer davor an, ob er die Villa einen Monat lang nützen könne, um an einem Projekt zu arbeiten. Dass sich am oberen Nachbargrundstück ein Fischer angesiedelt und soeben ein kleines Restaurant eröffnet hatte, erhöhte den Komfort wesentlich, denn die Wege zum Einkaufen waren lang. Er freundete sich mit Thomas Rebutato an, bereits im Sommer 1950 schmückte Le Corbusier die Wände von L´Étoile de Mer mit seinen Gemälden, und zwei Jahre später war das direkt an das Schlafzimmer von Rebutato angebaute Cabanon bezugsfertig. „Für meinen persönlichen Gebrauch habe ich ein Chateau an der Cote d´Azur, das 3,66 x 3,66 Meter misst. Es war für meine Frau gedacht … im Inneren ist es verschwenderisch bequem und schön“, sagte er 1962 in einem Interview.

Le Corbusier brauchte nicht mehr als 45 Minuten, um den Plan für die rustikale Blockhütte auf einer Serviette zu skizzieren. Sein Modulor lieferte alle Proportionen für den spartanisch eingerichteten, höchst funktionellen Raum. In Korsika wurde das Holzbauwerk komplett von der Zimmerei Charles Barbéris vorgefertigt und direkt an der Zugstrecke vor dem Bahnhof in Roquebrune ausgeladen. Sperrholzwände, das Pultdach als Stauraum genutzt, Möbel aus Eichen- und Kastanienholz, nur ein Waschbecken, keine Küche, geduscht wird draußen, jedoch eine mit rotem Vorhang abgetrennte Nische für das WC, die sich in den Gang hinaus stülpt. Das Wandgemälde in dieser Eingangszone hat andererseits in Rebutatos Zimmer das Pendant inklusive einer Tapetentür. Le Corbusier merkte bald, dass für seine Zeichnungen und Pläne zu wenig Platz war und kaufte eine vorgefertigte Bauhütte (1,90 x 3,90 m), die er innen mit Fiberglas und Sperrholz zum Arbeiten adaptieren und dreizehn Meter entfernt aufstellen ließ.

Am steilen Hanggrundstück oberhalb der Villa E 1027 plante Le Corbusier für Thomas Rebutato einige Ferienhausprojekte: ROQ, ROB und CAP, welche die Idee der vorgefertigten Minimalhäuser aufnahmen. Die einzigen greifbaren Resultate sind fünf Camping-Einheiten aus Holzplatten zum Vermieten. Charles Barbéris hätte sie laut dem Architekten patentieren lassen können, im Endeffekt blieb der Zimmerer jedoch auf den Kosten sitzen.

Am Plage du Buse ging ich an jedem Sonnentag Schwimmen, eingedenk des Schicksals, das sich genau hier erfüllte. Präsent die strahlende weiße Villa von Eileen Gray, ganz knapp darüber sitzen die bunt gerasterten Camping-Units am Hang, Le Cabanon ist nicht zu sehen, aber die Terrasse von L´Étoile de Mer und die in (zu) kräftigen Farben renovierte Werkstatt von Le Corbusier.

[ Diese Fortsetzung der Geschichte zur Villa 1027 erschien auf kultur online, 16. Oktober 2024, https://kultur-online.net/ps-architektur ]

24. November 2024 newroom

Auf den Spuren von Eileen Gray in Roquebrune Cap Martin

Große Aufmerksamkeit erlangt Eileen Grays Villa am Meeresufer aktuell wieder mit dem Kinofilm. Auf Kultur Online in der Kolumne PS: Architektur erschienen, hier noch einmal die ausführlich recherchierte Geschichte zur Villa E 1027.

Vielleicht hatte sich Eileen Gray 1926 tatsächlich direkt in meiner Nachbarschaft – dort, wo ich mein beschauliches Apartment unter der Burg für zwei Wochen fand – eingemietet, als sie ihr „Haus am Meeresufer“ Realität werden ließ: die Villa E 1027, eine Ikone der Moderne. 1929 war das Werk der in Paris sehr erfolgreichen irischen Designerin vollendet und blieb ein Geschenk an den rumänischen Architekten Jean Badovici.

Inspiriert von Le Corbusiers fünf Elementen seiner neuen Architektur – Beton- oder Stahlpfeiler übernehmen die statische Funktion der Mauer, Dachterrasse bzw. Flachdach, lange Fensterbänder, freie Grundriss- sowie Fassadengestaltung – studierte sie die Pläne der für seine Eltern erbauten Villa Le Lac (siehe kultur online) sehr genau. Dennoch äußerte sie sich kritisch und selbstbewusst: „Ein Haus ist keine Maschine, es ist das Gehäuse, die Schale des Menschen, seine Erweiterung, seine Befreiung, seine spirituelle Ausstrahlung.“

E 1027 (eine codierte Liebeserklärung als Akronym der beiden Namen) ankert gleich einem Luxusliner im terrassierten Gelände (der Hein mit Zitronenbäumen war Bestand), nahe dem Wasser; das Hauptgeschoß (90 m²) teilweise auf Piloten gesetzt sowie auf den Gäste- und Dienstmädchenbereich (30 m²). Eine wohlgeformte Wendeltreppe sticht durch bis auf das Dach und findet mit einem Glaszylinder den Abschluss. Luft und Licht könnten hier strömen, doch nur wenn die vielen Türen, die diese Skulptur hermetisch abriegeln, offenstehen. Verspielt im Großen und bis ins kleinste Detail: die Reling entlang des Balkons aus Stahlrohren, bespannt mit blauem Segeltuch, wie auch die Markisen; weiße Stahltreppe auf das untere Deck, sprich Garten und Solarium (eine verflieste in den Rasen eingelassene Liegefläche); der Rettungsring und ein Dekorsegelmast … schon etwas zu viel der Zitate.

„Entrez lentement” steht auf der Wand, und der langsam Eintretende an dieser an. Zur Linken leitet die gerundete Fläche, auf der ein Postkästchen aus Leder angebracht ist, in die spartanisch eingerichtete, außenliegende Küche. Im überdeckten Nischenbereich gehen drei Türen weg: eine ins WC, eine zur Wendeltreppe, eine zum Bad des Master-Bedroom (oder Madames?). Auf der anderen Seite ist die Eingangstüre. Wieder steht man an, doch diffiziler: Ein Spiel mit gerundeten Wandscheiben, etwas versetzt, auch in der Höhe und farblich, ein Spalt, „Defense de rire” (Lachen verboten) steht unter der Lampe auf der Stirnseite, „Chapeaux“ bei der Hutablage, vertikale Spiegelstreifen verwirren. Und erst dann wird der Blick frei gegeben, in die lichte Großzügigkeit des Raumes.

Ein Manifest der Dinge. Eileen Gray hat jedem kleinsten Detail größte Aufmerksamkeit gewidmet. Sie entwarf elegante, funktionelle, äußerst raffinierte Möbel, Lampen, bis hin zu transparenten Lichtschaltern und Steckdosen, die Kabelführung über dem Fensterband als grafische Dekoration. Von den Polstersesseln wie „Bibendum“ oder „Nonconformist“, mit einseitiger Armlehne, dem Occasioal Table und dem höhenverstellbaren Glasbeistelltisch E 1027, den Teppichen … gar nicht anzufangen, wir bleiben bei der Architektur.

Über die gesamte Länge des Balkons falten sich metallgerahmte Glaslamellen, der hinausfließende Blick auf das Meer ist jedoch unten wie oben – zwar verschiebbar, je nach Sonneneinstrahlung – mit den blauen Stoffbahnen eingeschränkt. Diese neuentwickelten Fensterdetails dürfte wohl Badovici beigetragen haben, wie auch die konstruktive und bautechnische Ausführungsplanung. Dass der Entwurf ganzheitlich Eileen Gray zuzuschreiben ist, hat die heutige Forschung eindeutig klargestellt. Die räumliche Sequenz ist unkonventionell: einzig fixiertes Möbel ist eine große Liegefläche (Bett) in der hintersten Ecke; dort wieder eine gerundete Paravent-Wand in Türstockhöhe, dahinter verbirgt sich ein offenes Dusch-Badezimmer; gegenüber noch eine Schlafnische mit Divan; eine Schiebetüre führt ins Freie und die Stahltreppe hinunter in den Garten. Eingangsseitig befindet sich der Essplatz, dann geht es über eine sehr verspielte Barnische ins Schlafzimmer mit Arbeitsbereich, unendlich vielen Details bei Waschbecken und Ankleide, weiter in das Bad. Genauere Schilderungen würden sich lohnen, sprengen jedoch hier den Rahmen.

1932 trennten sich Eileen Gray und Jean Badovici, sie hat die Villa nie wieder betreten. Schon ein paar Jahre zuvor kaufte sie auf den Hügeln um Menton, in Castellar (also unmittelbare Nachbarschaft), ein Grundstück und baute für sich ihr zweites Haus: „Tempe a Pailla“. Nun kommt Le Corbusier ins Spiel: Badovici verehrte den großen Architekten ungemein, veröffentlichte eifrig Artikel über ihn in seiner Zeitschrift „L´Architecture Vivante“ und Le Corbusier war gerngesehener Gast in „seiner“ Villa E 1027. Auch wenn Le Corbusier immer postulierte, dass Wandmalereien in Wohnhäusern nichts zu suchen hätten, reizte ihn Grays Architektur offensichtlich: „Ich brenne darauf, die Wände schmutzig zu machen: Zehn Kompositionen sind fertig, genug, um alles zu beschmieren.“ Vier sind erhalten geblieben und restauriert: ein Nischenfüllendes beim Eingang, eines gegenüber dem Essplatz, das Wandbild im Gästezimmer. Das erste und grob störende an der Paravent-Wand beim Bett im Hauptraum wurde mit einer weißen Platte verdeckt – gut so!

Und doch sind es die unter Denkmalschutz gestellten Gemälde Le Corbusiers, die den Abbruch der Villa verhinderten. Nach dem frühen Tod Badovicis (1893–1956, Gray überlebte ihn um 20 Jahre, obwohl sie 15 Jahre älter war, 1878–1976) wurde die Villa von Marie-Louise Schelbert (eine in Zürich lebende, Le Corbusier bewundernde, reiche Amerikanerin) gekauft. Sie vermachte E 1027 ihrem Arzt, und bis die Erbstreitigkeiten mit ihren Nachkommen ausgefochten waren, verblieb das Haus in desolatem Zustand. Peter Kaegi hatte kein Geld (das Casino in Monte Carlo war auch verführerisch), er verkaufte sämtliche Möbel und wurde schlussendlich in der Villa ermordet! 1974 kam „die weiße Villa“ auf die Liste der Historischen Denkmäler und wurde in zwei Phasen bis 2017 aufwändigst renoviert. Heute ist sie am Cap Moderne mit Le Corbusiers „Le Cabanon“ und den „Unités de Camping“ zu besichtigen. Fortsetzung folgt.

[ Der Text erschien in der Kolumne von Martina Pfeifer Steiner auf kultur-online, 3. Oktober 2024, https://kultur-online.net/ps-architektur ]

29. Oktober 2024 newroom

Energie und Macht

„POWER“ – Ausstellung im vai Vorarlberger Architektur Institut

Geballte Ladung im vai. Auf dem roten Teppichfeld sind Montagegestelle mit großformatigen Fotografien gruppiert; vier Themeninseln an jeder Ecke, ausgebreitet auf Tischen; im Hintergrund eine wandfüllende Landkarte. Die Ausstellung kommt aus Brüssel, vom CIVA – Zentrum für Information, Dokumentation und Ausstellungen zu Stadt, Architektur, Landschaft und Stadtplanung, vai-Direktorin Verena Konrad hat daraus eine konzentrierte und höchst spannende Fassung für die Räumlichkeiten in Dornbirn kuratiert.

Im Jahr der EU-Wahl, der Deklaration zum europäischen Green Deal und des 100-Jahre-Jubiläums der Illwerke VKW wird wieder ein brisantes Thema aufgespannt – in anderer Flughöhe, nämlich als historischer Rückblick, der das Handeln in der Ideengeschichte verankert. Beeindruckend! Ausgangspunkt ist die Entstehung des europäischen Projekts mit der EGKS – Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, also eine Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Baumaterialien. Im Wiederaufbau spielte Stahl als Wirtschaftsressource und Baumaterial eine große Rolle, damit auch in Architektur und Wohnbau, einige Beispiele der architektonischen Avantgarde aus den 1950er Jahren liegen auf.

Am Tisch zur Weltausstellung 1958 in Brüssel ist der Optimismus der frühen nuklearen Ära nachzuvollziehen. Das „Atomium“ ­– eine begehbare Skulptur als 165-milliardenfache Vergrößerung der kristallinen Elementarzelle von Eisen – wurde zum Symbol des Fortschritts, der Innovation und für ein Atomzeitalter mit friedlicher Nutzung der Kernenergie. Auch im Sektor der Kolonien widmete man den kongolesischen Pavillon der dort reichlich vorkommenden und an Bedeutung gewonnenen Ressource Uran. Die Expo-Kuration hatte sogar den Bau des ersten kommerziellen Kernreaktors Europas auf dem Ausstellungsgelände projektiert, der dem Publikum die Möglichkeit und Funktionsweise der Stromerzeugung aus Kernenergie demonstrieren sollte. Dies kam jedoch aufgrund des Widerstands von Anrainern und des Königspalastes nicht zustande.

Zeugnis der damaligen Euphorie geben auch die an der Wand hängenden Entwürfe von Claude Parent für das französische Atomprogramm. Als Reaktion auf die Ölkrise Anfang der 1970er Jahre wurde dieser von der EDF, der weltweit zweitgrößten Elektrizitätsgesellschaft, mit der Planung von zwölf Kernkraftwerken beauftragt, zwei wurden gebaut. Für den Architekten hatte der neue Bautypus großes ästhetisches Potenzial, er sprach von einer „landschaftlichen Architektur“, mit der das „Kraftwerk auf dem Lande“ auch zu einem Ort für Entspannung und Erholung werden könne.

Künstlerische Aufladung

Der Fotograf und Filmemacher Armin Linke ist mit dem Film „Alpi“ in der Ausstellung 2013 im vai noch in Erinnerung, wo er die kulturellen, sozialen, ökonomischen, landschaftlichen und klimatischen Veränderungsprozesse der Alpenregion thematisierte. „Fom A to B, 1998 – 2023“ ist der Titel seiner Installation zu einer 25 Jahre umspannenden Erforschung des Anthropozäns. Es ist das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde wurde. Die Fotografien zeigen eindrücklich Öl- und Gasfelder in Russland, Aserbaidschan und dem Nahen Osten, Flussdämme in China und Uranminen in Niger. Für die Ausstellung neu erstellte Fotos thematisieren die wachsende Rolle der belgischen Nordsee als Drehscheibe für eine diversifizierte Energieerzeugung, die sich die starken See-Winde und die nukleare Energieinfrastruktur effektiv zunutze macht.

Die Notwendigkeit, erneuerbare Energiequellen in großem Umfang zu erschließen beschäftigt auch das niederländische Landschaftsarchitekturbüro Feddes-Olthof. Das Projekt Energy Island schafft innovative Landschaften für eine nachhaltige Energieversorgung: Eine künstliche, ringförmige Insel mit einem Durchmesser von fünf Kilometern kombiniert Offshore-Windparks, schwimmende Solarpaneele und Meerwasserbatterien zur Energiespeicherung. Die künstlichen Dünen, Watte und Salzwiesen wandeln sich zu neuen Ökosystemen, die Inseln könnten überdies zum attraktiven Ziel für nachhaltigen Tourismus werden. Dazu passend, die 2023 verfasste Erklärung von Ostende: Neun europäische Länder beschließen, die Nordsee in das größte Energiekraftwerk der Welt verwandeln zu wollen.

Das Grüne Gold

An der vierten Tischinsel begegnen wir Paul Duvigneaud, einem Visionär und Pragmatiker. Der ausgebildete Botaniker und Chemiker hat sich bereits in den 1960er Jahren mit den großen Umweltgefahren auseinandergesetzt, den CO2 Anstieg in der Atmosphäre analysiert und den Klimawandel vorhergesagt. Er warnte vor der Kernenergie und schlug Szenarien für einen schrittweisen Übergang zu dezentralen alternativen Energiequellen vor: Windkraft, Solarenergie und vor allem Biomasse, als „Grünes Gold“ bezeichnet, bei der die modernisierte Landwirtschaft eine wesentliche Rolle spielen sollte.

Die wandfüllende Landkarte ist ein Konzept des renommierten Architekturbüros OMA (Rem Koolhaas), und zeigt wie Europa durch die vollständige Integration und Synchronisierung der EU-Energie-Infrastruktur den größtmöglichen Nutzen aus seiner geografischen Vielfalt ziehen kann. „Eneropa“ ist eine spekulative Karte, die sich Europa als eine Reihe von Regionen vorstellt, die nach der Art der erneuerbaren Energie benannt sind. Sein Masterplan „Roadmap 2050“ zeigt einen praktischen Leitfaden für ein wohlhabendes, kohlenstoffarmes Europa auf.

Bleibt noch auf den Film „The Great Endeavor“ zu verweisen, in dem der Architekt und Filmemacher Liam Young die Frage stellt, ob für die Erreichung der Klimaziele allein die Senkung der künftigen Emissionen ausreicht, oder ob es Anstrengungen braucht, bereits vorhandenes Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen und in Gigatonnen unterirdisch zu speichern. Ein dystopisches Szenario, nicht von Menschen, sondern von Maschinen gedacht.

Und auch der „Red carpet“ ist inhaltsschwer: Architekt Philippe Rahm plädiert angesichts der dringenden Notwendigkeit, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu reduzieren, den thermischen Wert des Dekorativen neu zu überdenken und die Inneneinrichtung zu nutzen, um das Raumklima in Häusern zu optimieren – die rote Farbe wirkt wärmend auf den Menschen.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, November 2024, http://www.kulturzeitschrift.at ]

26. Juni 2024 newroom

Heilende Architektur

Zum Krankenhausbau in Vorarlberg gibt es eigentlich lauter gute Beispiele: das Krankenhaus Dornbirn mit der subtilen Farbgebung in den einzelnen Stationen; das Landeskrankenhaus Feldkirch mit ganz neuer Eingangsgestaltung, abgesehen von den Neubauten und dem erschließungsraumgreifenden Lehmbaukunstwerk; neugierig dürfen wir auf den Neubau des Landeskrankenhauses Rankweil sein … man könnte hier freilich noch einige gelungene Adaptierungen anführen. Auch wenn das Individuum lieber nichts in bzw. mit Krankenhäusern zu tun haben will und vielleicht deshalb räumliche Befindlichkeiten gar nicht wahrnimmt oder reflektiert, ist es umso spannender, diese Thematik fundiert und inspirierend aufbereitet zu servieren. Aktuelle Entwicklungen zu zeigen, die auf Herausforderungen der heutigen Zeit antworten, ist auch das große Anliegen des Vorarlberger Architektur Instituts. Darum bringt das vai die aufsehenerregende Ausstellung „Das Kranke(n)haus. Wie Architektur heilen hilft“ des Architekturmuseums der Technischen Universität München nach Dornbirn.

Gesundheitswirksame Architektur

In einer breit angelegten Forschungsarbeit von Naturwissenschaftlerin Tanja C. Vollmer – sie ist seit 2019 Gastprofessorin für Architekturpsychologie und Gesundheitsbau an der TUM – in Kooperation mit der niederländischen Architektin Gemma Koppen wurde die Theorie zum neuen Raummaß einer heilenden Architektur und der Begriff Raumanthropodysmorphie entwickelt: „Er fasst die komplexen Zusammenhänge in einer simplen Formel zusammen: Wenn der Körper schwer erkrankt, erkrankt der Raum mit ihm. Zu diesen „Raumerkrankungen“ zählen die messbaren Veränderungen der Wahrnehmung Kranker, wie beispielsweise die Herabsetzung der Aufmerksamkeit und Orientierungsfähigkeit, gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber Umweltreizen, der Verlust der Verarbeitung von Sinnesreizen und die Fehleinschätzung von räumlichen und zeitlichen Maßen. Sie treten krankheits- oder therapiebedingt auf sowie infolge der existenziellen psychischen Belastungen“. Im Zentrum der Betrachtung stehen eine psychologisch unterstützende Gestaltung (Evidence Based Design) von Krankenhäusern und sieben Umgebungsvariable, die beeinflussen wie schädigender Stress im Krankenhaus erlebt wird.

Diese „heilenden Sieben“ – Orientierung, Geruchs-, Geräuschkulisse, Privatheit, Stimulationsaspekte, Aus- und Weitsicht, Menschliches Maß – werden in der Ausstellung mit beispielgebenden Projekten sehr gut vermittelt. In einem Lehrforschungsprojekt an der TUM beschäftigten sich Masterstudierende mit herausragenden Krankenhausbauten und analysierten sowie ordneten sie nach diesen Aspekten. Narrative Isometrien, einem 3-D-Comics gleich, bringen die Ergebnisse auf den Punkt. Zum Beispiel die Zeichnung der Schnittstelle aus Verkehrskorridor, Behandlungs- und Warteraumkette in der Ambulanz des Bürgerspitals Solothurn mit den vielschichtigen Sichtbeziehungen. Offenkundig weiß auch die Ausstellungsarchitektur die Variablen zu akzentuieren, wie hier mit einem großen runden Ausschnitt oder an anderer Stelle mit Rückzug und Privatheit. Durch die räumliche Gliederung der farblich abgestimmten freistehenden Tafeln in kleinere Kabinette und Nischen kann man die kurzen Texte gut erfassen und die aussagekräftigen Fotos in Ruhe betrachten.

Atmosphäre schaffen

Im Bereich der Therapie- und Nachsorgeeinrichtungen, die nicht so stark reglementiert, technisiert und nicht so komplex sind wie Krankenhäuser, lassen sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Einfluss von Architektur auf die Gesundheit etwas leichter umsetzen. Diese Kliniken stellen seit Langem erfolgreiche Experimentierfelder heilender Architektur dar. Im diesem Thema gewidmeten zweiten Teil der Ausstellung wird das Neurorehabilitationszentrum Basel von Herzog & de Meuron ausführlicher betrachtet: Licht, offen, mit viel Holz vermitteln Innenhöfe, Plätze und Wege einen stadtähnlichen Charakter, in dem sich die Menschen trotz eingeschränkter Mobilität intuitiv bewegen können. Die Zimmer im Obergeschoß bieten großzügige Ausblicke in die Umgebung und kugelförmige „Sky Lights“ an der Decke sogar zum Himmel, deren Wirkung auf Wachkomapatienten untersucht wurde.

Oft zitiertes Beispiel sind die Maggie´s Centres: Die Initiatorin Maggie Keswick Jencks wollte aufgrund ihrer eigenen schweren Erkrankung einen Gegenentwurf zu den sterilen Umgebungen universitärer Krebskliniken finden, nämlich psychoonkologische Behandlungs- und Begegnungszentren. Inzwischen haben bekannte Architekturbüros aus aller Welt Maggie´s gebaut – die Visionärin erlebte leider die Eröffnungen nicht – und das auf einem „Briefing der Sinne“ beruhende Raumprogramm in vielfältige, hochwertige Architektur übersetzt. Drei Beispiele sind im vai zu sehen: Maggie´s Fife von Zaha Hadid (2006), Maggie´s Gartnavel von OMA (2011) und Maggie´s Manchester von Foster + Partners (2015), das durch Holzfachwerkträger und großflächige Verglasungen eine besondere Atmosphäre schafft. Es gehört zur onkologischen Abteilung des Krankenhauses und bietet mit Gewächshaus, begrünten Höfen, Küche, gemütlichen Sitzgruppen höchst angenehme Aufenthaltsqualitäten.

Ziemlich ambitioniert war wohl die Anfrage des vai-Kurators Clemens Quirin diese wichtige Ausstellung des Architekturmuseums der TUM nach Dornbirn zu bringen. Das Münchner Museum hat in der Pinakothek der Moderne nämlich 600 Quadratmeter zur Verfügung und in den vai-Räumlichkeiten sind es 150. Und wie gut das gelungen ist! Ein ausgeklügeltes Arrangieren der Tafelelemente lässt den inspirierenden Weg durch die thematischen Gruppierungen ohne inhaltliche Schmälerung finden, nur die Modelle mussten für die Adaptierung weggelassen werden.

Wie brisant die Anregungen über innovative Ansätze im Gesundheitsbau nachzudenken sind, zeigen die vielen Anmeldungen von Gruppen aus Kommunen und Institutionen, berichtet Direktorin Verena Konrad. Empfehlenswert ist auch das Begleitprogramm mit Ausstellungsführungen des vai-Kurators, Exkursionen in Vorarlberger Krankenhäuser, Vorträge und die sehr schön gemachte begleitende gleichnamige Publikation.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Juli/August 2024, http://www.kulturzeitschrift.at ]

8. März 2024 newroom

Innovativer Ideenpool

Präsentation des Europan17 Wettbewerbs „Living Cities“ im vai

Mit einem speziellen Auftakt, nämlich der Preisverleihung des Ideenwettbewerbs Europan 17, startet die kommende Ausstellung im vai Vorarlberger Architektur Institut in Dornbirn. Europan ist ein europaweit offener Wettbewerb zum Thema Architektur, Städtebau und Landschaftsarchitektur mit der Besonderheit, dass einzige Einschränkung zur Teilnahme die Altersgrenze von vierzig Jahren ist. Die junge Generation ist also gefragt, ohne irgendwelche Kammer-Befugnisse, Konzessionen, was auch immer, sondern mit guten, innovativen, zukunftsfähigen Ideen und interdisziplinären Ansätzen. Seit dem Start 1989 hat sich das europäische Kooperationsprojekt zu einem der weltweit größten Think-Tanks entwickelt, 25 Länder und mehr als 600 Städte bzw. Gemeinden haben sich bis jetzt an einem der Wettbewerbsverfahren mit anschließendem Umsetzungsprozess beteiligt.

Die weitere Besonderheit ist nämlich, dass es vorerst keinen Realisierungsdruck gibt, wie bei üblichen Wettbewerben, wo die Ausschreibung schon vieles vorwegnimmt und determiniert. Bei Europan geht es darum, die Perspektiven zu erweitern, frei zu denken, Potenziale aufzuspüren um die Lebensräume zu verbessern, positive soziale, ökologische, kulturelle Veränderungen voranzutreiben sowie die Brücke zwischen Ideen und Umsetzungsprozessen zu schlagen. Europan17 steht diesmal unter dem Motto „Living Cities“: Wie können wir die Regenerationsfähigkeit von Lebensräumen stärken, wie Sorgetragen und eine gute Grundlage für jedes Leben auf unserem Planeten schaffen? „Care“ ist das Schlagwort. Ein neues Verständnis der Koexistenz muss anstelle von „weiter wie bisher“ treten!

Wien Graz Lochau Celje

An dieser Runde nehmen insgesamt 52 Städte aus elf verschiedenen europäischen Ländern teil, in Österreich gibt es eine Kooperation mit Slowenien. Es wurden vier Standorte mit spezifischen lokalen Herausforderungen als Wettbewerbsgebiet ausgewählt: In Wien ist ein visionärer Masterplan mit urbanem Paradigmenwechsel bezüglich Stadtklima und gerechter Teilhabe im Quartier entlang der U2-Linie im 22. Bezirk gefragt. In Graz gibt es Potenzial zur Entwicklung der Infrastruktur in Gösting, um als neue Mobilitätsdrehscheibe auch das soziale Umfeld zu stärken. Das Gelände der ehemaligen Zinkhütte wird in Celje zur Chance den jahrhundertealten Konflikt zwischen Industrie und Ökologie zu überwinden. Und für die Gemeinde Lochau wurden ebenfalls von den besten Teams junger Planerinnen Strategien für ressourcenschonende und innovative Architektur entwickelt.

Die ausgewählten Kommunen müssen zwar einen nicht unerheblichen finanziellen Beitrag leisten, sie sind damit jedoch – in einem von der Vorbereitung bis zur Umsetzung professionell und engagiert abgewickelten Gesamtprozess – Teil des Kompetenznetzwerks europäischer Planungskultur, die nach ganzheitlichen und fürsorglichen Lösungen sucht. Eindrucksvoll liest sich die umfangreiche Auslobung für Lochau, die den Ort im städtebaulichen, geografischen, ökologischen und geschichtlichen Kontext betrachtet. In monatelanger Recherchearbeit und einigen Workshops vor Ort wurden vom Europan-Team Planungsperimeter festgelegt: nämlich der eigentliche Projektstandort und dazu das größere Reflexionsgebiet, in dem dieser verankert ist.

Wo Wildnis noch gedeiht

Die Menschen in Lochau empfinden das Ufer am Bodensee – in diesem Abschnitt unverbaut und öffentlich zugänglich! – als ihren wertvollsten und schönsten Ort. Hier befinden sich der Yachthafen, ein Hafengebäude und die alte, identitätsstiftende Fähre, die als Restaurant bzw. Kiosk gestrandet ist, doch nun durch Korrosion so fortgeschritten verfallen, dass eine Renovierung wohl zu teuer wäre. Die Aufgabenstellung lautete: Wie können die Qualitäten dieses ausnehmend schönen Standorts gestärkt sowie mit Nutzungsmöglichkeiten als gastfreundliches Umfeld für alle Menschen – ob alt oder jung, einheimisch oder Gast, Schwimmer, Segler, Spazierende – angereichert werden. Im großen Zusammenhang sollten zudem der Rhythmus der Küstenlinie und die Verbindung zum Dorf Lochau strategisch untersucht werden. Wie könnte der trennende Mobilitätskorridor – Bahnlinie und Straße – aufgeweicht und integraler Bestandteil des urbanen Gefüges werden?

Das Gewinnerprojekt arbeitete laut Jury am besten die Gesamtstruktur heraus, insbesondere im Hinblick auf die Naturlandschaft mit den vielen Bächen und Wasserläufen. „Die Idee eines Bandes um Lochau mit einem Garten im Inneren ist äußerst überzeugend“, und die Wiesen als Grünkorridore zu erhalten sei ein wesentlicher Aspekt, der von der Gemeinde unmittelbar umgesetzt werden könne. Dass die alte Fähre im gemeinschaftlichen Event fragmentiert wird – Erinnerungsstücke davon wandeln sich zu Pflanzentrögen – sei ebenfalls identitätsstiftend.

Im Kerngebiet selbst wird die Position der Fähre durch einen biophilen Neubau übernommen, bei dem die Vegetation den wesentlichen Teil der Fassadengestaltung darstellt. Auf dem im Erdgeschoß zum großen Teil transparenten Gebäude sitzt ein überhöhter Dachaufbau mit Dachterrasse und überdimensionalen Lichtschächten, die viel Sonne ins Restaurant schicken. Die umfassende Fassadenschicht ist üppig bepflanzt um ganz im Sinne der Artenvielfalt Vögel und Insekten anzulocken. Ein ausgeklügeltes Bewässerungs- sowie Belüftungssystem und die großzügige Sitzstufenanlage Richtung Westen und Lindauer Skyline sind ebenfalls Pluspunkte. So würde in Zukunft mit der „Lochauer Laube“ ein neuer Treffpunkt für alle im Küstengarten entstehen.

Das Ergebnis des Europan-Wettbewerbs dient nun als Machbarkeitsstudie und bildet die Grundlage für die Realisierung des Gebäudes, das in einem anschließenden Wettbewerbsverfahren ausgeschrieben wird. Das Gewinner-Team um Christopher Gruber und Christina Ehrmann wird selbstverständlich in die mittel- bis langfristige Entwicklung des Hafengebiets einbezogen.

Zur Vernissage im vai gibt es also die feierliche Preisverleihung, als Keynote-Speaker konnte der bekannte Architekturtheoretiker Bart Lootsma gewonnen werden. Sämtliche ausgezeichnete Projekte – Gewinner, Nachrücker, die besonderen Erwähnungen, die auf der Shortlist – aller vier Standorte von Europan17 Austria werden präsentiert, die Preisträger mit kurzem Video. Damit so eine Ausstellung von Wettbewerbsergebnissen auch für das breite Publikum interessant und leicht zugänglich vermittelt wird, bietet das vai wieder die bewährten Führungen mit dem Kurator Clemens Quirin an. Die Schau wird dann weiter wandern, nächste Station ist Lochau.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, März 2024, http://www.kulturzeitschrift.at ]

5. März 2024 newroom

Unkonventionelle Bestandsaufnahme

Überraschendes Pocket-Format, sehr modern, im besten Sinne. Vielleicht wollte sich Heinz Wäger auch selbst überraschen lassen, was daraus wird, wenn er einen Spalt aufmacht, zum Einblick in 60 Jahre Gestaltung, und wie weit seine initiative Tochter und der Grafiker diesen öffnen werden, wo der Lichtkegel hinfällt, was beleuchtet wird. Die Vorarbeit hat er geleistet. Heinz Wäger fasste den Entschluss Ordnung zu schaffen, aufzuarbeiten was ein Lebenswerk ist, und mit Umsicht und Freude lud er in das „Exil“, sein Atelier, gab vier Monate lang Einschau (siehe Kultur Nov. 22). Dass das Vorarlberg Museum dann am Vorlass Interesse zeigte, und man zudem feststellte, dass dieses Werk genügend Stoff und Themen für eine Publikation hergibt, war die Folge.

Uta Belina Waeger kann ihren Vater für das konsequente Durchziehen dieses Vorhabens nur bewundern, wie sie im Vorwort schreibt, und zieht den Hut vor „seinen Anfängen in den Neunzehnfünfzigern, als ihm sein Malermeistertum nicht ausreichte und er – ohne Matura – ein Designstudium an der Hochschule für Gestaltung in Ulm draufsetzte“. Im Interview der Mitherausgeberin für das Vorarlberg Museum, Ute Denkenberger, erzählt Heinz Wäger ausführlich über seinen Werdegang, seine Ideen, seine Anliegen, aber auch bemerkenswert Originelles aus seinen jungen Jahren: wie er nach der Gesellenprüfung in die Schweiz zum Arbeiten ging und sich mit dem ersten verdienten Geld „im März 1957 von Götzis aus mit dem Fahrrad auf eine fünfmonatige Reise“ begab, die ihn und seinen Malerkollegen Werner bis nach Marokko führte! Dieser Freund habe ihm auch zugeredet, die Aufnahmeprüfung in Ulm zu machen.

Design und Architektur

Neben der Galerie QuadrArt von Schwiegersohn Erhard Witzel ist Verena Konrad für das vai Vorarlberger Architektur Institut die dritte im Bunde der Herausgeberschaft. In ihrem Essay „Gestaltung als Haltung“ widmet sie sich tiefgründig den Lehren aus Ulm und den Anfängen der Hochschule für Gestaltung (HfG) rund um die Geschwister Scholl und Otl Aicher. Man kann ein Gefühl dafür bekommen, was der Student aus dieser Lebensstation mitgenommen hat: „Die in Ulm erlernte Arbeitsweise, Aufgaben als Probleme zu behandeln, interdisziplinär zu betrachten und Lösungen zu suchen, hat Heinz Wäger nie aufgegeben. Ein Erbe aus Ulm ist zudem die strenge Methodik und Exaktheit der Sprache und schließlich das Entwickeln oder Anwenden systemischer Verfahren“.

Diese Publikation will keine Monografie sein und es auch nicht mit dem Buch über seinen berühmten Bruder Rudolf Wäger, einem der Pioniere der Vorarlberger Baukünstler, aufnehmen. Doch jede Erzählung über die Wäger Brüder beginnt eigentlich mit Heinz, dem ältesten, der durch viel Anregung und Material aus Ulm die jüngeren beeindruckte. Da wollten die drei – Heinz gerade das erste Studienjahr, Siegfried die Maurer- und Rudolf die Zimmermannslehre absolviert – schon einmal zeigen, was sie unter Architektur verstehen und errichteten eigenhändig auf Vaters Grundstück ein radikal-modernes Haus mit Flachdach in Götzis. Wie es mit der Architektur dann bei Heinz weiterging, berichtet Architekturhistoriker Robert Fabach sehr fundiert und ordnet dessen Œuvre in den „gebauten Diskurs“ der Vorarlberger Baukultur ein.

Zur außergewöhnlichen Buchgestaltung von Wolfgang Ortner – Grafiker in Linz und als Partner der Enkelin verwandtschaftlich verbunden – gibt es ebenfalls noch einiges anzumerken: Er wollte ein Gebrauchsbuch machen, ein handliches, zum Einstecken, das auch für junge Architekten und Designer interessant ist, inspiriert von den radikalen Ansätzen des Protagonisten, genauso gut durchdacht und sparsam im Umgang mit den Ressourcen, ohne Premiumanspruch, nicht luxuriös, aber innovativ. Es sind im Endeffekt zwei Softcover-Büchlein geworden, das Papier leicht in der Grammatur, doch nicht zu dünn. Der Standardkarton der beiden Umschläge ergibt vollflächig zusammengeklebt eine feste Registerkarte, die den Textteil von jenem mit den Bildern markant trennt. Eine Bestandsaufnahme, die von der Recherche über 60 Jahre Gestaltung in Architektur, Design, Objekt berichtet und über einen, der sich nie ins Rampenlicht stellen wollte, sondern
konsequent seine Visionen verfolgt hat.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, März 2024, http://www.kulturzeitschrift.at ]

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- Heinz Wäger

16. Januar 2024 newroom

Illustres Begleitbuch zur Neuentdeckung des Wien Museum

So schön gemacht, die Dokumentation zur Erweiterung des wiedererweckten Museums am Karlsplatz. Die haptischen Qualitäten zeigen sich unmittelbar beim Buchdeckel aus dickem Karton mit reliefartiger Schraffur, die offensichtlich auf die Betonfertigteilfassade des schwebenden Aufbaus des „Wien Museum Neu“ verweist. Und schon beim Durchblättern ist man gebannt von der „Sichtweise“ im ersten Teil mit der fotografischen Annäherung, versteht was die Architekten mit städtebaulicher Akzentuierung und dem Dialog des Wien Museums mit der Karlskirche meinen könnten. Der Autor und für die Buchkonzeption zuständige Journalist Wojciech Czaja ist ein versierter Architekturvermittler. Es gelingt ihm, dass sich auf den ersten Blick – obwohl man mit dem Lesen noch gar nicht begonnen hat – so viele spannende Geschichten erschließen: Ein genialer Kunstgriff, die vielen unterzubringenden Statements von Museumsdirektoren, Kuratorinnen, Bürgermeister, Stadträtin, Nachbarinstitutionen, Bauleitern etc. einer Reportage gleich, passend und bunt zu illustrieren.

Der zweite Buchteil widmet sich der „Bauweise“: von der „Chronik einer konstruktiven Utopie“ zum „Haus im Trialog mit der Stadt und sich selbst“ bis zum geschichtlichen Blick 2000 Jahre zurück; das dritte Buch der „Denkweise“: Was haben die Architekten darüber zu sagen, was die verantwortliche Bauherrschaftsvertretung … Besonders spannend wird es bei der historischen Betrachtung zur Standortfrage: Zuerst sollte nämlich das Städtische Museum Wien in unmittelbarer Nähe des Naschmarkts platziert werden, doch der Bau der Secession drängte sich vor; mit Riesenengagement ließ Otto Wagner ein Mock-up am Karlsplatz aufbauen, die Stadt Wien beschloss jedoch, dass es der Standort der heutigen Stadthalle sein solle, und die Baugrube war bereits teilweise ausgehoben, als der Erste Weltkrieg ausbrach … Genauso interessant ist über die Diskussion zur neuzeitlichen Standortfrage nachzulesen und den Wettbewerb, inklusive der weiteren Vorschläge die mit Preisen und Anerkennungen ausgezeichnet wurden.

Dass in weiteren Essays noch auf die „Sprache des Betons“ als „Einladung zuzuhören“, also den Brutalismus, eingegangen wird, mit den wunderbaren Beispielen, die inzwischen zu Ikonen geworden sind; oder über das „Weiterschreiben der Chronologie“, das uns in die Kathedrale Santa Maria delle Colonne in Syrakus und die Mezquita-Catedral nach Cordoba, bis zum Denkerhaus am Schedelberg von Architekt Peter Haimerl führt, ist eine große Bereicherung.

Man möchte immer weiter- und weiterberichten, doch so wie das – nun für alle geöffnete – „Wien Museum Neu“ Raum für Raum durchschritten und entdeckt werden kann, darf es auch diese Publikation Seite für Seite sein.

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- Wien Museum Neu

30. Oktober 2023 newroom

Bauen oder nicht Bauen

Wir reden vom zivilisationsbedingten Treibhauseffekt. Die gebaute Umwelt ist einer der größten CO2-Emittenten, denn mit Herstellung und Betrieb gehen rund vierzig Prozent der klimaschädlichen Treibhausgase auf dieses Konto. Und da ist das Phänomen des Klimawandels – also die Abkühlung oder Erwärmung des Erdklimas über einen langen Zeitraum – kein Argument zur Beschwichtigung, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. In der Ausstellung im Vorarlberger Architektur Institut über Strategien für die Material- und Bauwende werden fünf Ansätze zum klimafreundlichen Bauen vorgestellt und tiefgründig Wechselwirkungen, Herausforderungen sowie Grenzen diskutiert.

Schon die Ausstellungsarchitektur ist ein Statement. Aufgeräumt, auskomponiert, in strenger Ordnung bilden rote und blaue Fenster, unterschiedlichen Formats, die wandfüllenden Rahmen für ganz viel Information. Dem Kurator Clemens Quirin ist es gelungen, die fünf Themen sehr gut – und unangestrengt aufzufassen – in die Tiefe zu strukturieren. Ein Fokusprojekt wird jeweils illustriert herausgezoomt, weitere könnte man sich sogar über die QR-Code Icons mit nach Hause nehmen. Dass in dieser Causa den Leuten erklärende Texte nicht erspart werden können, ist klar. Spannend und Nachdenkens wert sind sie, und als zusätzliches Feature hat der vai-Kurator für eine künstlerische Intervention den Schweizer Beni Bischof eingeladen. Pointiert-ironisch gezeichnete Kommentare hat dieser auf die Wand gekritzelt –überrascht, lächelnd, zustimmend nickend bleibt man daran hängen.

Ein Exempel für Re-use

Witzig ist auch die Installation im Entree der Ausstellung: Vor den hochformatigen Fensterelementen mit den grafisch-elegant gestalteten titelgebenden Begriffen „Refuse, Reduce, Re-use, Recycle, Rot“ stehen Skulpturen, die unschwer als liegende Heizkörper identifizierbar sind. Man darf sich draufsetzen, denn die Rippenradiatoren sind mit Kabelbindern auf den Untergestellen der üblichen vai-Bestuhlung fixiert, ganz einfach! Das ist wieder typisch Daniel Büchel, der die Ausstellung gestaltete. Dokumentiert ist in diesem Bereich obendrein der Ausbau der wiederverwendeten Fenster aus dem partiellen Abbruch der Textilschule Dornbirn. Sauber und makellos bilden sie die rot-blau gerasterte Kulisse der Ausstellung.

Da lohnt es sich doch nachzufragen, warum diese Fensterelemente bei der groß angelegten Sanierung nicht mehr brauchbar gewesen wären: Die Cukrowicz Nachbaur Architekten haben den Wettbewerb gewonnen und diese Themen ausführlich – unter Mitwirkung des Denkmalschutzes – behandelt. Um hier nicht ins Detail zu gehen: im Endeffekt wird alles, was nicht total kaputt ist (teilweise sogar morsch) sorgfältig ausgebaut und zur Abholung bereitgestellt. Und bei diesem Exempel werden die Hürden für ein sinnvolles Re-use sehr deutlich. Auch wenn einerseits die aufwändige Demontage engagiert übernommen wird, wer kann das gerade dann brauchen, einplanen, abholen, mitunter lagern? Die Transportwege sollten ökologisch wie ökonomisch vertretbar sein und es sind eigentlich von vornherein neue Entwurfsmethoden erforderlich.

In der Ausstellung wird dazu als Fokusprojekt das „Impact Hub at Crclr-House“ auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei in Berlin, der LXSY Architekten angeführt, die übrigens auch das im vai aufliegende Brettspiel „Trivial Circuit“ kreierten. Vom großen Revitalisierungsprojekt in den Hallen der Campus Väre hinter der Fachhochschule dürfen wir jedoch ebenso Außergewöhnliches erwarten. Die Weichen sind gestellt und die Beteiligten prüfen die Wiederverwendung von Bauteilen im großen Stil aus der Textilschule (siehe Artikel in der Kultur 10/23).

Recyling ist Downcycling

Zur farblichen Ausgewogenheit in der Ausstellung brauchte es zu Rot und Blau noch Gelb. Ausrangierte Garderobenspinde, ungewohnt konfiguriert, verwandeln sich in Pulte oder öffnen sich zur Präsentation von Modellen wiederverwendbarer Bauteilinventarien, die bei einem Forschungsprojekt entstanden sind: Die Gebäude der Universität Liechtenstein wurden hypothetisch zerlegt und stufenweise die Recycling- bzw. Re-Use-Potentiale untersucht.

Inzwischen werden nach den geltenden Abfallverordnungen knapp neunzig Prozent der Bauabfälle rezykliert. Zu beachten ist allerdings: Recycling bedeutet zumeist ein Downcycling und die Herstellung von solchen Baustoffen ist durchwegs genauso energieintensiv wie die Neuproduktion, für Betonrecycling benötigt man sogar mehr Zement. Zudem ist diese hohe Recyclingquote etwas verzerrt: Gerechnet wird nach Gewicht, nicht in Volumen, und die großen Mengen an leichten Dämm- und Verbundstoffen werden zumeist nur thermisch oder energetisch verwertet. Nicht berücksichtigt sind dagegen Aushübe, die mit fast sechzig Prozent den größten Anteil am Abfall in Österreich ausmachen. Man denke an Tiefgaragen, Straßen- und Tunnelbauten, das landet alles auf der Deponie!

An dieser Stelle switchen wir zum Kapitel „Rot“. Massen an Aushüben ließen sich für Stampflehmmischungen verwenden. Lehm ist ein krisensicherer Rohstoff, lokal verfügbar, CO2- sowie (vom Material her) kostensparend, und kann ohne Qualitätsverlust wiederverwendet oder der Natur zurückgegeben werden. Leuchtturmprojekte gibt es bekanntlich in Schlins. Es wurden aber auch schon Häuser mit Wänden aus Strohquaderballen errichtet, und die Vorzüge des nachwachsenden Baustoffs Holz sind mittlerweile breitenwirksam anerkannt.

Wir könnten noch den schönen Begriff der „Frugalität“ in die Betrachtung aufnehmen. Darunter wird eine befruchtende Genügsamkeit verstanden, freudvoll und kreativ, eine ganzheitliche Bescheidenheit auf allen Ebenen der Bauwirtschaft: Sei es in der Herstellung (fünfzig Prozent der CO2 Emissionen von Gebäuden passieren vor Inbetriebnahme), der Energieeffizienz bei Nutzung, im maßvollen und angepassten Einsatz von Technik, in der Verwendung ökologischer, lokal verfügbarer Baustoffe und im sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Reduce!

„To build or not to build“ ist also nicht die Frage, sondern WIE? Der schlagartig einsetzende, umfassende Bewusstseins-Wandel ist unabdingbar. Jetzt.

25. Juli 2023 newroom

Armando Ruinelli. Weiterbauen im schweizerischen Bergell

Zurückhaltend grau, mit in Leinenoptik eingeschlagenem Softcover, gibt sich die erste große Werkschau von Armando Ruinelli. Man muss den Katalog schon aufschlagen und im wunderbaren Bildessay der Künstlerin Katalin Deér zu blättern beginnen, um fasziniert unbedingt weiter entdecken und sich einlassen zu wollen. In einem 100 Einwohner-Dorf – Solio, im schweizerischen Bergell – wohnt und wirkt der Architekt. „Hier wird der gelernte Bauzeichner zuerst autodidaktisch zum Architekten und dann zur Autorität, wenn es um das Weiterbauen eines Ortes geht, eines Ortes in den Bergen. Er lehrt an Architekturhochschulen, hält Vorträge, sitzt in Jurys und Gestaltungskommissionen. Und er baut. Nicht viel, aber fein“, stellt der Herausgeber und bekannte Architekturpublizist Axel Simon markant fest.

Armando Ruinelli ist eine Ausnahmeerscheinung. „Leggere il tempo“ ist nicht nur der Untertitel der Monografie, sondern auch die Überschrift für das Gespräch, das der Architekt mit Anna Innocenti über sein Vorgehen beim Entwerfen, das Altern von Materialien und über „slow architecture“ führt. Die Zeit lesen. Weitere Dialoge gliedern eine spannend und klug gemachte Bauwerksdokumentation: einer mit Gion A. Caminada über Dorferneuerung, Ortsbildschutz und den Architekten als politischen Akteur, „Zwischen Erhalten und Gestalten“; und das Gespräch mit Florian Aicher „Der Bauer, der Wirt, der Architekt.“ Dabei erfährt man über die Anfänge des Architekten, die Entwicklung seiner Themen und seine Rolle im Dorf: Nach seiner Bauzeichner-Lehre sei Ruinelli einfach geblieben, hat sich dann „auch ausgiebig reisend, selbst weitergebildet“, bis einmal der Bürgermeister vorbei kam, mit dem Auftrag, ein Stück Mauer im Dorf zu planen. Das zweite Projekt war dann ein Geräteschuppen neben der Kläranlage, und da gab es schon Bedingungen: „Ich mach das, sehr günstig, aber ich mach´s, wie ich es will.“

Bilderreich ist jedes einzelne der 18 Projekte illustriert, dokumentiert mit einen Schwarzplan, der auf einem Blick die ortsbauliche Lage vermittelt; Plänen, die von Interesse sein könnten und wesentlichen, sehr gut lesbaren Bauwerksbeschreibungen. Es beginnt mit dem eigenen Atelier Ruinellis in Soglio aus dem Jahre 1988, baulich unmittelbar anschließend die Casa 65, sein Wohnhaus, das als Ersatzneubau mit den gleichen Abmessungen die alte Struktur wieder aufnimmt.

Raymond Meier, ein in New York lebender Fotograf, hat sich auch in Solio eine Dependance geschaffen, mit Ferienhaus und Atelier sowie der Umnutzung eines Stalls zum Zweitwohnsitz. In diesem Zusammenhang ist zu lesen: „Immer wieder kritisierte Ruinelli die Vorgabe der Denkmalpflege, Ställe müssten nach ihrem Umbau zum Ferienhaus immer noch nach Stall aussehen. Für den Architekten droht so die Musealisierung der Dörfer. Häuser sollten das ausdrücken, was sie sind, nicht was sie waren!“ Und auch Raymond Meier äußert sich über den Planungsprozess in einem Aufsatz: „Ich war ein unmöglicher Bauherr“.

Am liebsten würde man auf alle Bauten in diesem Buch verweisen, wie auf die Schreinerei Spino, wo der junge Schreiner seine Werkhalle selbst bauen wollte; den Umbau der Zimmer im Hotel Waldhaus in Sils Maria oder auf das Atelier für die international bekannte Künstlerin Miriam Cahn in Stampa: ein Betonquader auf einem schmalen Gewerbestreifen zwischen Kantonstraße und Fluss, der auf seinem schwarzen, zurückversetzten Sockel zu schweben scheint. Auch Miriam Kahn schreibt für das Buch einen Text – „Nordlicht in einem Atelier ist ein Klischee“: „Meine einzigen Vorgaben waren: Ich brauche eine Laderampe und 300 m² Fläche, aufgeteilt in drei Zonen – eine Zone zum Arbeiten, eine zum Wohnen und eine zum Lagern ...“

Ein komplettes Werkverzeichnis – etwas ausführlicher die Bauten, die nicht im Hauptteil vorkommen – und ein Blick auf laufende Projekte runden diese Monografie Armando Ruinellis ab. Wer sich darin vertieft und Zeit nimmt, erfährt Substanzielles über das Weiterbauen in der alpinen Lebenswelt.

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- Armando Ruinelli Architekten

15. Mai 2023 newroom

Die Strahlkraft der Villa Rosenthal

Das Literaturhaus Vorarlberg wird in der Villa Rosenthal in Hohenems seinen Platz finden.

Seit Jahrzehnten verfällt die Villa Franziska und Iwan Rosenthal augenscheinlich zunehmend in ihrem Dornröschenschlaf. Jetzt wird sie jedoch einer großen Vision und Initiative folgend nicht nur denkmalschützerisch-akribisch renoviert und der umgebende Park zum Geschenk an die Öffentlichkeit, es entsteht dort mit dem Rathaus-Neubau und Wohn- bzw. Geschäftshäusern auch ein attraktives Quartier am Eingang zur historischen Innenstadt. Dass in diesem städtebaulichen Megaprojekt das Literaturhaus Vorarlberg als wesentlicher Teil gedacht wird, ist ein erfreuliches Bekenntnis zur Kultur. Seit einigen Jahren spannt das Team von „literatur.ist“ (anfänglich literatur:vorarlberg netzwerk) mit großem Engagement ein virtuelles Dach über der Literaturlandschaft Vorarlbergs, bespielt mit Literaturveranstaltungen und Vermittlungsprojekten alle erdenklichen Räume im Ländle, ist deutlich sicht- sowie hörbar geworden, und hat ein fundiertes Konzept erarbeitet um nächstes Jahr eine wirklich-materielle, sehr weitreichende Überdachung zu bekommen.

Revitalisierung

1823 als Bürgerhaus errichtet, ließen Iwan und Franziska Rosenthal dieses 1890 zu einer herrschaftlichen Fabrikanten-Villa erweitern. Für den romantisch-historistischen Bau gewannen sie die zu ihrer Zeit recht berühmten Architekten Alfred Chiodera und Theophil Tschudy, die wenige Jahre zuvor die Synagoge in St. Gallen entworfen hatten und die Villa Patumbah in Zürich, wo nachweislich dieselben Handwerker wie in Hohenems gearbeitet haben. 1938 musste das Anwesen – bestehend aus Herrschaftsvilla, Kutscherhaus, Angestelltentrakt, Wirtschaftsgebäude, dazwischen eine Kegelbahn, und der prächtigen Parkanlage – von der Nichte und Erbin nach ihrer Emigration an den Zahntechniker Hans Schebesta verkauft werden. 1988 wurde der inzwischen teilweise stark verfallene Gebäudekomplex unter Denkmalschutz gestellt.

Als die Villa 2020 wieder zum Verkauf stand startete ein anspruchsvoller Entwicklungsprozess. Die Stadt Hohenems brachte ihre Auflagen bezüglich Nutzung, Durchwegung, Bebauungsplan mit großem Verantwortungsbewusstsein ein. Es benötigte aber auch initiative, begeisterte Kräfte wie Markus Schadenbauer, der schon in großen Teilen Hohenems – wie im vor kurzem fertiggestellten Quartier Schillerallee und bei mehreren Revitalisierungen von Stadthäusern in der Marktstraße etc. – als Projektentwickler hervorgetreten ist, um Investoren zu finden, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und so das Großprojekt erfolgreich zu realisieren. Dass das Literaturhaus Vorarlberg seinen Platz (es werden 360 m² sein!) in der Villa bekommt, wurde von der Stadtvertretung beschlossen und auch vom Land Vorarlberg gefördert.

Um das städtebauliche Konzept für das gesamte Areal zu entwickeln, bewarben sich namhafte Architekturbüros für einen Intensivworkshop. Die Erkenntnisse daraus wurden dann mit dem Gestaltungsbeirat sowie der Stadt abgestimmt und die Bauprojekte aufgeteilt. Für den Rathaus-Neubau lobte man einen Wettbewerb aus. Die Restaurierung der Villa Rosenthal übernahm Ernst Waibel von Nägele Waibel Architekten, der sich in Hohenems schon bei zahlreichen solchen Projekten bewährt hat. Für Markus Schadenbauer ist aber auch die Verankerung im Bewusstsein der Bevölkerung sehr wichtig. So versucht er die Leute bei derart großen Veränderungen ihrer Stadt von Anfang an miteinzubeziehen. Eine Woche lang gab es täglich Führungen in Kleingruppen durch die Villa um die Herausforderung und Herangehensweise zu vermitteln. Das ist identitätsstiftend und soll auch eine gewisse Vorfreude wecken.

Restaurierung

Architekt Ernst Waibel erläutert, dass der Renaissancebau mit dem steilen Walmdach und der regelmäßigen Fassade, wo sich im Erdgeschoß früher die Zahnpraxis befand, behutsam rückgebaut wird. Der anschließende prächtige Zwischentrakt ist der repräsentative Teil der Villa, das zeigt sich schon im imposanten Treppenhaus mit der sich verzweigenden Stiege, die sich an einer kanzelartigen, üppig barockisiert-geschnitzten Ausbuchtung wieder zusammenfindet, gegenüber ein riesiges Segmentbogenfenster mit rankenden Ornamenten um eine weibliche Figur in aufwändiger bleigefasster Verglasung. Gemalte Putten schmücken die Seitenwände.

Oben angelangt eröffnet sich das prunkvoll geschnitzte Esszimmer mit einem Erkerrundbau zum Park. Dort ist neben dem schweren Luster auch eine sehr seltene reliefartig geprägte Ledertapete zu bewundern. Diese ist offensichtlich beständig und muss nur vorsichtig mit ganz wenig Seifenlaugenwasser gereinigt und an den losen Stellen mit kleinen Nägeln befestigt werden. Solch interessante Details sind vom Südtiroler Markus Pescoller zu erfahren. Er ist der Spezialist in Restaurierung von Putz, Malereien, Tapeten, seine Referenzliste ist endlos lang, auch die Fassade des kürzlich fertiggestellten Parlaments in Wien scheint darin auf. Dies sei eine sehr reich ausgestattete Villa gewesen. Es gibt Räume, in denen die Tapeten repariert und retuschiert werden können, in einem musste man sie komplett abnehmen, weil darunter ein Brandschutzanstrich notwendig ist, in einem anderen Raum traten einige Schichten aus unterschiedlichen Zeiten zutage, wobei die letzte Fassung am wenigsten bietet. Da sind ständig Entscheidungen zu treffen, wie wertvoll oder gut erhalten die älteren Schichten sind, die Farbstimmungen, und wie viel Erzählkraft oder Atmosphäre sie noch haben.

Der Architekt berichtet überdies von vier perfekt erhaltenen Fenstern aus dem Jahr 1923, die innen zutapeziert und außen mit Rollladen verschlossen ihrer Entdeckung harrten. Diese wurden sorgfältig restauriert und für das gesamte Haupthaus nachgebaut. Die Befundung und Aufarbeitung auch von den kunstvoll ausgeführten Holzverkleidungen, Türstöcken, Deckenkassetten, Tafelböden wird einem weiteren Spezialisten überlassen: der Holzrestaurierung Bartsch aus Immenstadt. Seniorchef Helge Bartsch scheut keine Mühe, bis bei jedem Detail die stimmige Lösung gefunden ist. So ist die prächtige straßenseitige Eingangstür schon fertig, die glücklicherweise – achtlos irgendwo abgestellt – gefunden werden konnte. Der darüber auskragende Balkon mit barockisiertem Schmiedeeisengitter bereitet jedoch noch Kopfzerbrechen.

Die große Frage ist auch: Soll man außen den verfallenen Charakter belassen? Markus Pescoller ist grundsätzlich der Idee des „minimo intervento“ näher. Da der Vorbesitzer wesentliche Teile in der Fassade abgeschlagen hat, geht es zuerst einmal um die Teilrekonstruktion und um die Angleichung des Verputzes. Es sollte haptisch möglichst im Original bleiben und wird wohl nicht mit Farbe gestrichen werden. Für den Restaurator ist so eine spannendere Informationsdichte über das Werden und Vergehen zu vermitteln.

Die Kutscheneinfahrt bleibt als großes Durchgangtor zum öffentlichen Park bestehen, von hier aus betritt man dann auch das neue Literaturhaus. Die lange, schmale Verbindung zum ehemaligen Angestellten- bzw. Wirtschaftstrakt – heute wohnt dort noch der Vorbesitzer – war eine Kegelbahn und wird zukünftig als Café das Stadtleben bereichern. Sie wurde in japanischem Stil mit zarten Wandmalereien – asiatische Pflanzen etc., der Künstler signierte mit japanischen Hieroglyphen – gestaltet, die kunsthandwerklich bedeutsame Holzdecke teilweise in Laubsägetechnik gefertigt. Weitere Nutzungen wie ein Buchladen und passende Co-Working-Spaces sind in der revitalisierten Villa Rosenthal angedacht.

Modernisierung

Die Geschäftsführerin des zukünftigen Literaturhaus Vorarlberg, Frauke Kühn, rechnet gar nicht mit einer plötzlich, bei Fertigstellung einsetzenden „Schockverliebtheit“. „Gute Beziehungen wachsen, wir wollen von Beginn an von unseren Vorhaben erzählen, und die Menschen sollen sich eingeladen fühlen, die Villa als Wohnzimmer zu nutzen.“ Abgesehen von literarischen wie fotografischen Hausgeschichten, die den Bauprozess begleiten, wurde vor dem Start bei Lesungen im Gartensalon (Verena Roßbacher im Live-Lektorat) und im Park das zauberhafte Ambiente der Villa schon erlebt.

Als Frauke Kühn am Konzept geschrieben hatte, war sie von der opulenten, monumental wirkmächtigen Villa förmlich erschlagen, muss sie zugeben. Da wäre plötzlich kein Quadratzentimeter mehr frei gewesen, die Idee des Literaturhauses zu denken. Erst als sie von jeglichen Hausmauern im Kopf befreit herumreiste und sich allerorts Anregung und Input geholt hat, fand sie einen neuen Blick auf die vorgefundenen, nicht veränderbaren Räume. Was bedeuten, wie funktionieren Gartensalon, Esszimmer, Spielzimmer, Wintergarten in einem Haus? Auf Basis dieses Verständnisses war plötzlich alles vorstellbar und fügte sich wie von selbst. Dieses Haus mit unendlich viel Patina, das eine überwältigende Geschichte erzählt, ist kein Museum. Es darf würdevoll, mit modernen Ansprüchen in die heutige Zeit transformiert werden, und es wird so möglich sein, auf inspirierende Weise mit der Vergangenheit zu kommunizieren, aber auch die eigenen Geschichten zu finden und die Räume mit neuem Leben zu erfüllen.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Mai 2023, http://www.kulturzeitschrift.at ]

16. April 2023 newroom

Heiße Diskussion in kühlen Speichern

Die neu aufgesetzte Dauerausstellung zur Schausammlung im Architekturzentrum Wien ist brisant und sehenswert, der begleitende, umfassende Katalog (den es auch auf Englisch gibt) wesentlich. Bereits in den ersten Jahren nach der Gründung 1993 begann das Az W seine umfassende Sammlung zur österreichischen Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts aufzubauen. Inzwischen umfasst sie über hundert Vor- und Nachlässe. Das einzige Architekturmuseum Österreichs ist sich seiner Doppelrolle bewusst: auf der einen Seite das objektive „kühle“ Sammeln, auf der anderen die Vielfalt von Ideen und Architekturauffassungen erlebbar machen und diskutieren.

Das gigantische Archiv wird nun in eine lebendige Ausstellung übersetzt, die sich den zentralen Fragen der Gegenwart stellt: „Es ist eine Schausammlung, die beides macht, sie zeigt faszinierende Objekte aus der österreichischen Architekturgeschichte und sie stellt die grundsätzliche Frage nach der Rolle von Architektur in unserer Gesellschaft. Sie weckt die Schaulust und sie regt zu politischer Diskussion an. Sie lädt zum entspannten Flanieren und zum Vertiefen ein und sie übernimmt eine internationale Vorreiterrolle“, stellen die Direktorinnen Angelika Fitz und Karin Lux in ihrem Vorwort fest. Und die Az W-Sammlungsleiterin Monika Platzer ergänzt: „Im Fokus der ‚Cold Storage’ Installation steht die Sammlung, nicht als räumlicher Ort der Ablagerung von Vergangenheit, sondern als Zukunftsszenario für ein ständiges Denken mit und über Architektur, sie präsentiert sich nicht linear, enzyklopädisch, sondern fragmentarisch mit Lücken und Brüchen.“

Genauso wie man in der Ausstellung hängen bleibt an plakativen – im besten Sinne des Wortes – Fragen, an Spots auf Modelle und Objekte, an prägnanten Texten, passiert das auch beim Durchblättern des Katalogs. Es bleibt unangestrengt, man kann sich trotzdem vertiefen oder weiterschauen, der Erlebniswert ist immer hoch. Die ‚Hot Questions’ reichen vom grundsätzlichen „wie wollen wir leben?“ über die Auswirkungen des Finanzkapitalismus auf unsere Dörfer und Städte, bis zum Beitrag, den Architektur zum Überleben auf unserem Planeten leisten kann.

„Wie entsteht Architektur?“ heißt es im ersten Kapitel und gibt Einblicke in Denkwerkzeuge – angefangen von Schablonen, Reißzeug etc. bis zu den Arbeiten der Pionier:innen des Digitalen wie Ottokar Uhl, doch gleichermaßen die der herausragenden Zeichner:innen wie Bogdan Bogdanovic und Heinz Tesar; oder in die Denkorte, wie die Ateliers von Rob Krier, Hans Hollein und Margarete Schütte-Lihotzky in Wien, Raimund Abraham in New York oder John Lautner in Los Angeles.

Wer spielt mit? Hier wird unter vielem anderen über das Fotoarchiv von Margherita Spiluttini berichtet und über die wichtigste Sammlung zur Wahrnehmung österreichischer Architektur von Friedrich Achleitner. Aber auch zum Gemeinwohl: Wer sorgt für uns? von der Wiege bis zur Bahre, über Gesundheits- und Bildungsbauten. Und schließlich: Wer sind wir? Die Selbstschau von Ost nach West, über konfessionelle Vielfalt und die Symbole der Macht. Pointiert wird das Baugeschehen Österreichs mit all seinen kulturellen, sozialen, ökonomischen und technischen Aspekten sichtbar gemacht.

Das begleitende Druckwerk ist ein vollständiger Ausstellungskatalog, der sich im Farbenverlauf vom heißen Gelb bis zum kalten Blau ebenfalls an die Schauregale in der Ausstellung hält. Man wird aber auch gestaltungsmäßig immer das präzise Entstehungsjahr des Buchs ablesen können. Gut so, das ist eben moderne Architekturvermittlung, und die funktioniert bestens!

verknüpfte Publikationen
- Hot Questions – Cold Storage

6. April 2023 newroom

Das Modell als Entwurfswerkzeug

Die Ausstellung im Werkraum Bregenzerwald zeigt Architekturmodelle aus dem Atelier Peter Zumthor

Zumthor Modelle in einem Zumthor Haus – diese Ausstellung wird bestimmt wieder zahlreiches internationales Publikum in den Bregenzerwald locken, noch dazu wenn sie bis Mitte September im Werkraumhaus zu erleben ist. Vor zehn Jahren feierte man die Eröffnung dieses Bauwerks von besonderer Strahlkraft. „Es war für mich spannend, mit dem Werkraumhaus ein ländliches Gegenstück zum Kunsthaus Bregenz zu bauen, das ebenso stolz ist und selbstbewusst. Das nicht nur vom eigenen Dorf und vom eigenen Ort spricht, sondern auch ein wenig von der Welt“, sagte Peter Zumthor damals bei einem Interview (mit M PS, vorum, 2/2013).
Für diese Schau werden nun die siebenhundert Quadratmeter komplett leergeräumt und vierzig Architekturmodelle aus dem Atelier Peter Zumthor im Innen- sowie Außenraum inszeniert. Die spektakulär-umfassende Präsentation im Sammlungsschaufenster des Kunsthaus Bregenz (2012–2014) ist gewiss noch in Erinnerung, machen die angekauften Zumthor-Modelle doch einen der größten Teile der KUB-Sammlung aus. Nach Andelsbuch werden aber auch die allerneuesten, noch nie öffentlich gezeigten Modelle geliefert, wie zum Beispiel das Konzept-Model des LACMA - Los Angeles County Museum of Art aus Beton, im Maßstab 1:15 (L250 x B260 x H50 cm). Dafür brauchte es wieder das von Zumthor so hochgeschätzte Geschick und Knowhow des Bregenzerwälder Handwerks: die Andelsbucher Baufirma Oberhauser & Schedler vermochte dieses zu fertigen. Vom Museumsprojekt, das nach zehn Jahren Entwicklungs- und Planungsarbeit nächstes Jahr eröffnet wird, gibt es noch zu sehen: ein Standortmodell 1:500, ein Ausstellungskonzept-Modell 1:33 mit über sechs Meter Länge und ein Ensemble von 26 Betonmodellen 1:20 der „Chapel Gallery Houses“ in Beton.

Die Modelle im Modell

Faszinierend ist auch das aktuelle Ausstellungsmodell des Werkraumhauses im Maßstab 1:20, das aus fünf Bodenplatten, zwei Dachteilen und 16 Stützen besteht, aus keramischem Gips, Holz und Pappe; im Inneren alle in akribischer Feinarbeit gefertigten Modelle genau platziert. Betrachtet man Fotos davon, könnte man diese für ein perfektes Rendering halten. Doch genau das macht den großen Mehrwert einer analogen Veranschaulichung aus. Die Abstraktion im Modell erleichtert das räumliche Vorstellungsvermögen wesentlich, vermittelt ein Gefühl für Konstruktion, Material, Dimensionen, Proportionen und Atmosphäre.

Für Peter Zumthor sind das Arbeitsmodelle, an denen experimentell und künstlerisch ausprobiert werden kann, eigentlich eine Antwort auf den Einzug des computergestützten Entwerfens, mit dem der Bezug zur Materialität von Architektur verloren zu gehen droht. Die Modellbauabteilung im Atelier in Haldenstein (bei Chur) ist bei jedem Projekt hochbeschäftigt. Es beginnt bei genauen Landschafts- und Umgebungsmodellen und spielt alle Maßstäbe und für notwendig gehaltenen Detailbereiche durch.

In reale Dimensionen geht es mitunter auf der Baustelle, wie in Andelsbuch beim Werkraumhaus. Das sogenannte Mock-up bildete vor Ort die südöstliche Gebäudeecke eins-zu-eins ab und erlaubte Experimente zu Ausführungsvarianten und die Bemusterung von Farben, Oberflächen, Formen und Materialien. Das war ein wichtiges Hilfsmittel im Bauprozess um Fertigungstechniken mit den Handwerkern durchgehen, zu überprüfen und sich Proportionen vorstellen sowie erleben zu können. So wurde auch deutlich, wie die Gebäudehöhe, gemessen an der Umgebung wirkt, denn die Andelsbucher hatten am Anfang Bedenken, das Haus wäre zu lang, zu breit, zu hoch.

Disziplinübergreifendes Rahmenprogramm

Über die faktische Beschreibung der einzelnen Modelle hinaus, braucht es in der Ausstellung eigentlich keine weiteren Kommentare oder Erklärungen mehr. Wohlkomponiert – die finnische Architektin Hannele Grönlund übernahm die Kuration – stehen die beeindruckenden großmaßstäblichen Modelle im Raum, das Publikum darf sich auf architektonische Atmosphären ganz und gar einlassen. Für das wirklich spannende Rahmenprogramm zeichnet Renate Breuß – bis 2016 Leiterin Werkraum Bregenzerwald – verantwortlich, bei dem es um einen disziplin- und länderübergreifenden Wissensaustausch geht und über nachhaltige Planungs- und Bauprozesse diskutiert wird.

Peter Zumthor nimmt sich dafür reichlich Zeit und steht sieben Mal (!) zur Verfügung. Beispielsweise zum Ausstellungsrundgang mit Handwerkern und Lehrlingen, bei dem er verdeutlicht, was im Prozess des Modellbauens passiert, wie Können und Erfahrung des Handwerks, das Wissen einer Region in seine Entwürfe einfließen. Als Brücke zur Ausstellung im Werkraumhaus sind in den Institutionen zweier Kooperationspartner weitere Modelle – sozusagen als Satelliten – platziert und damit kontextuell verankert.

Zum einen ist dies das Barockbaumeister Museum in Au, wo man sich in der Kuratiekirche Rehmen ins Gespräch über „Das Architektur-Modell zur Zeit der Barockbaumeister“
 vertieft. Auch diese wussten nämlich anhand von Modellen – die im Vorfeld sogar dezidiert eingefordert wurden, wie schriftliche Zeugnisse überliefern – ihre kirchlichen Auftraggeber zu überzeugen. Und zum anderen in der Juppenwerkstatt in Riefensberg, wo es um den „Wert von Oberflächen“ geht, denn auch im Prozess der Herstellung dieser Bregenzerwälder Frauentracht findet das Material Leinen über spezielle Verarbeitungstechniken zur Stabilität der Falten, zu seinem eleganten Glanz, zu seinem tiefen Schwarz – und zur gewünschten Form.


Eine großzügige Einladung geht an die Jugendlichen der Werkraum Schule – das ist ein Kooperationsprojekt des Werkraum Bregenzerwald und der Bezauer Wirtschaftsschulen. Sie haben die besondere Gelegenheit zu einer Exkursion nach Haldenstein, in die Modellbauwerkstatt des Atelier Peter Zumthor und können dort eindrücklich das Arbeiten mit Modellen kennenlernen. Gewiss gewinnen sie dabei ein größeres Verständnis für das analoge Entwerfen und wie dies mit einer Vielfalt an Materialien handwerklich umgesetzt wird.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, März 2023, http://www.kulturzeitschrift.at ]

12. Februar 2023 newroom

Der Wohnbau war immer ein großes Anliegen

Die Monografie über Gunter Wratzfeld zeigt eine ausführliche Werkschau über fünf Jahrzehnte

Wie viele Zufälle braucht es, damit ein Buch über einen Architekten entsteht? Bei Gunter Wratzfeld nur einen sehr fokussierten! Genau genommen, eine Person, die auf eigener Spurensuche in ihrer Volksschulklasse in Dornbirn landet und neugierig anknüpft an Recherchearbeiten aus längst vergangenen Epochen. Karin Mack ist Fotografin, sie ist die erste Ehefrau des großen Architekturpublizisten Friedrich Achleitner, der in Vorarlberg über die Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert zu schreiben begann. Besichtigt wurden damals auch die Frühwerke des Studienabgängers der Klasse Roland Rainer (Akademie der bildenden Künste Wien), Gunter Wratzfeld. Diese zufällige Wiederbegegnung und das erwachte Interesse an einem Werkverzeichnis des Architekten veranlasste Karin Mack ein solches zu erstellen und die Bauwerke mit ihrer Kamera im Gepäck zu besichtigen. Herausgekommen ist eine sehr schön gemachte Publikation, in welcher die Herausgeberin fünfzig Bauwerke von Gunter Wratzfeld (geb. 1939) genauer betrachtet sowie kommentiert und mit über 150 Farbfotografien dokumentiert.

Mit seinem Erstlingswerk, dem Wohnhaus für seinen Bruder am Familiengrundstück in Dornbirn-Watzenegg, landete Gunter Wratzfeld gleich einen Coup: „Vier Stahlbetonwinkel heben eine quadratische, eingeschoßige Holzschachtel eindrucksvoll über den Hang, mit Aussicht über Rheintal und Bodensee.“ Dass diese stringente Architektur originalgetreu erhalten blieb, ist der Generalsanierung vor zwanzig Jahren durch raumhochrosen Heike Schlauch und Robert Fabach zu verdanken, wobei zweitgenannter mit seinem Text im Buch für eine aufschlussreiche Einordnung des Wratzfeld´schen Œuvres in den baukulturellen Kontext sorgt. Interessant nachzulesen ist auch, wenn Architekt Andreas Cukrowicz berichtet, wie er vor fast dreißig Jahren sein erstes Praktikum „in diesem schönen Atelierraum“ in der Bregenzer Oberstadt absolvierte, den er viel später sogar käuflich erwerben konnte und heute dort wohnt. Disziplin und Strenge, Raster und Struktur seien die Prämissen gewesen, und dass als Basis bei den meisten Gebäuden Wratzfelds das Rastermaß von 1,80 Metern in Grundriss wie Höhe gilt, ist offiziell: „Alles ist Wiederholung von diesem Rastermaß, addiert, geteilt oder multipliziert. Eine Ableitung von Schulze-Fielitz´System des Raumstadtmodells.“

Anliegen Wohnbau

Ein gutes Stichwort. Mit Eckhard Schulze-Fielitz und Jakob Albrecht ist eigentlich der große Dreh- und Angelpunkt in Wratzfelds Schaffen verbunden. Anfang der 1970er-Jahre wurde das bis heute größte Wohnbauvorhaben in Vorarlberg, nämlich die Siedlung an der Ach in Bregenz ausgeschrieben, und diesen zweistufigen Wettbewerb für gemeinnützigen Wohnbau konnten die drei Architekten mit einer noch nie dagewesenen hochgradigen Verdichtung gewinnen: Eine Struktur von drei- bis vierstöckigen Wohnbauten – insgesamt 850 Einheiten (!) –, die sich mit bepflanzten Höfen im Schachbrettmuster abwechseln, zusammenhängend über eine Länge von siebenhundert Metern (so lang wie die Kärntner Straße!), damals um zwanzig Prozent kostengünstiger als die vergleichbaren Projekte der VOGEWOSI.

Über die große Bedeutung und Besonderheiten der Siedlung an der Ach erfährt man im Buch dann auch etwas ausführlicher, wenn sich Gunter Wratzfeld ins Gespräch mit Bettina Götz und Richard Manahl (ARTEC Architekten) begibt. Sehr befremdlich, dass nirgends ein Verweis zu finden ist, in welchem Zusammenhang dieses Interview vor Ort entstanden ist (so etwas darf in einer Publikation eigentlich nicht passieren!) Es stammt nämlich aus der Ausstellung „Vorarlberg – Ein Generationendialog“, die auch im vai gezeigt wurde (siehe Kultur 03/20). Dabei setzt das Architekturzentrum Wien die vier Architekten (Purin, Wäger, Wratzfeld, C4), deren Vor- bzw. Nachlass sich in der Az W Sammlung befindet, der jüngeren Generation der Vorarlberger Architekturschaffenden gegenüber.

Zusammenfassend noch einmal Robert Fabach, der pointiert feststellt: „Der Anspruch an städte- und raumplanerisches Denken, an regionale Umsetzung internationaler Architekturvisionen fand im Œuvre von Gunter Wratzfeld eine eindrucksvolle Umsetzung ...“.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Februar 2023, http://www.kulturzeitschrift.at ]

verknüpfte Publikationen
- Architektur als soziales Handeln

20. Dezember 2022 newroom

Buchner Bründler. Einblick in die editoriale Werkstatt

Wollte man das beste Architekturbuch des Jahres küren, gehörte die neue Monografie von Buchner Bründler Architekten definitiv zu den Nominierten. Attraktives Blau, schönes Format, gutes Gewicht, Halbleinen, samtiges Cover in gekonnter Grafik, wertvoll anmutend. Was äußerlich versprochen, wird vielschichtig im Inneren gehalten.

Daniel Buchner und Andreas Bründler holten sich für diesen zweiten Band über ihre Bauten (seit 2007) wieder den vielfach ausgezeichneten Buchgestalter Ludovic Balland ins Team. Ihnen geht es nicht nur um eine rückblickende Dokumentation, sondern um die Reflexion des eigenen Werks, der Prozesse, um einen redaktionellen Dialog. Ludovic Balland versteht diese Monografie als editoriale Werkstatt, die über die existierenden Dokumentationen der Bauten hinausgehend mit fotografischen und textlichen Formen experimentiert und damit in tiefere Schichten vordringt. Es lohnt, seinen vorangestellten Text „Vertigo“ zu lesen, in dem Balland die Werkzeuge erläutert und aufschlussreiche Hinweise zu den vierzehn ausführlicher behandelten Projekten gibt.

Als assoziationsreicher Vorspann dient je ein Foto und die dezente Verlinkung, zu welchem Gebäude, wo weiteres zu finden sein wird. Neugierig lässt man sich auf das erste Kapitel „Werkstatt“ ein. Nehmen wir als Beispiel die „Casa Mosogno“, ein baufälliges Ensemble aus Steinhäusern im Tessiner Onsermonetal, das in besonderer Weise revitalisiert wurde. Eine Fotostrecke inszeniert die vorgefundenen Alltagsgegenstände der ursprünglichen Bewohner:innen als Spurensuche, einzeln hingestellt, auf die Natursteinmauer im Hof.

Das folgende Kapitel widmet sich umfassend den ausgewählten Bauten: Ein Schwarzplan zur Lage, immer gleich strukturiert markante Texte über die Ausgangslage, das Konzept und die Umsetzung. Den kommentierten, klassischen Architekturfotos und den wesentlichen Plänen vorgeschaltet wird die historische Betrachtung des Ortes durch vier „Lese-Linsen“: Politik, Wirtschaft, Kultur, Religion. Und dies kann, wie bei der „Casa Mosogno“ auch bis ins Mittelalter zurückreichen. „Das Interesse, eine solche Betrachtung zu leisten, war davon geleitet, eine neue Kontextualisierung zu schaffen, die versucht zu verstehen, wie ein Ort geworden ist, was er heute ist – und sich zu erlauben, rückwärts auf der Spirale der Zeit zu laufen“, schreibt Balland.

Im dritten Teil folgen weitere fünfzig schön dokumentierte Projekte und einige atmosphärische Einblicke ins Büro in Basel mit den agierenden Protagonist:innen dieser geschaffenen, exzeptionellen Architektur. Ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen will, um darin alles zu entdecken und auch zu LESEN!

verknüpfte Publikationen
- Buchner Bründler – Bauten II

17. Dezember 2022 newroom

Günther Domenig. Eine Annäherung

In Kärnten wurde der zehnte Todestag von Günther Domenig (geb. 6. Juli 1934 in Klagenfurt; gest. 15. Juni 2012 in Graz) als würdiges Gedenkjahr zelebriert. Zwei Publikationen begleiten eine umfassende Ausstellung, die an vier Orten – Museum Moderner Kunst Kärnten, Architektur Haus Kärnten, Steinhaus, Heft in Hüttenberg – stattgefunden hat.

Mit dem ersten Band „In Resonanz“ ist etwas sehr Besonderes gelungen. Es ist ein Bilderbuch geworden, mit unkommentierten (aber natürlich verorteten) Fotografien von Gerhard Maurer, der 32 Domenig-Bauten besucht hat und seine Ansicht dieser Gebäude zeigt, so wie sie heute dastehen. Den Anfang bildet ein kurzer essayistischer Text (15 Seiten, plus Übersetzung in Englisch und Slowenisch) der Schriftstellerin Anna Baar. Haben es sich die Herausgeberinnen mit diesem Pragmatismus zu einfach gemacht? Keineswegs.

Anna Baar muss man hierzulande nicht weiter vorstellen – obwohl eine Biografie von Autorin und Fotograf im Buch nicht gestört hätten. Sie macht das geschickt, wenn sie für die Reflexion mit sich selbst über den großen, ihr unbekannten Architekten ein „Du“ verwendet, und irgendwie sympathisch, unvoreingenommen teilt, wie sie sich nach stundenlangen Videos der Person Günther Domenig annähert, wie sie zu Schulzeiten die Schiffswerft am Klagenfurter Wörtherseeufer als Zeltwurm empfunden hat, oder über die peinlichen Erlebnisse in den Betontrümmerzellen (Garderoben) der Boutique Rikki Reiner (die leider abgebrochen wurden) erzählt.

Nach anfänglichem Argwohn gegenüber der Literatin, die jetzt über Architektur schreiben will, lässt man sich Seite für Seite intensiver ein in ihre verbildlichte Sprachwelt. Und ist beim Steinhaus angelangt: „Als du in einer Pause durch das Traumraumschiff gingst, fandst du dich ausgesetzt, schutzlos und angerempelt, deiner angeborenen chronischen Unbehaustheit frisch ans Messer geliefert. Alles schien Zwischenraum, zweifelhaft, labyrinthisch, als wärst du dem Architekten ins Schädeldach gekrochen, während das eigene Denken in den Fugen verschwand, zwischen den Geschossen, die all die Gänge und Brücken miteinander verbinden.“ Wie emotional, eindrucksvoll und wortgewaltig!

Ja, solche, ganz andere, Architekturbücher muss es auch geben. Vor allem wenn der zweite Teil schon als theoretisch-künstlerischer Band einer Reflexion angekündigt ist, die im Nachhinein die Ausstellung, die Vorträge, die künstlerischen Arbeiten dokumentiert und mit Texten von Architekturtheoretiker:innen aufbereitet.

verknüpfte Publikationen
- Günther Domenig: Dimensional

12. Dezember 2022 newroom

Der Freigeist

Architekt Willi F. Ramersdorfer würde heuer seinen 100. Geburtstag feiern. Ein Anlass, sein auf die Baukultur der Nachkriegszeit so einflussreiches Werk zu würdigen.

Liberal und weltoffen, warmherzig und großzügig sei ihr Vater gewesen, sagt Patricia Ramersdorfer, deren Initiative und Engagement eine umfassende Monografie mit den Bauten und Projekten von 1950 bis 2010 eines erfolgreichen Vorarlberger Architekten der Nachkriegszeit zu verdanken ist. Sie ist 1998 als Mitarbeiterin eingestiegen und führt das Büro seit 2010 in seinem Sinne, aber auch in den imposanten Räumlichkeiten der Residenz Ramersdorfer weiter. Diese feudale Ausdrucksweise ist durchaus angebracht, plante der Architekt sein Wohnhaus doch in wahrhaft großem Stil: 650 m² (inklusive 100 m² Büro) Nutzfläche, eingeschoßig, mittig ein Atrium, welches Atelier – mit der raumhohen Fensterfront zur Zufahrtsseite orientiert – und den Wohnbereich – ebenfalls großzügig verglast nach Süden und zum weitläufigen Garten – zoniert. Features sind ein Hallenbad und die Garage für den Maserati, deren Glasfassade einfach gleich wie die des Büros durchgezogen ist.

Die Erfolgsgeschichte begann fünfzehn Jahre vor diesem Hausbau, als der junge Tiroler – das Ende seiner Studienzeit in Nürnberg in Sicht – beim Wettbewerb für die Knabenhauptschule Dornbirn Markt mitmachen wollte und sich mit zwei ausgearbeiteten Vorschlägen auf die Suche nach einem Vorarlberger Büro machte, das teilnahmeberechtigt wäre. Er stieg am Bahnhof Feldkirch aus und klopfte unvermittelt beim naheliegendsten (Bahnhofstraße 12) Atelier von German Meusburger an. Die zwei Entwürfe von Willi Ramersdorfer erreichten den ersten sowie zweiten Platz, und die Ausführung der Schule begründete eine zwanzig Jahre andauernde Arbeitsgemeinschaft. Es folgte sogleich der Auftrag zur Planung der Messehalle, direkt daneben. Als Relikt dieser räumlich eindrucksvollen Stahlbetonkonstruktion steht nur noch das Eingangsgebäude, nämlich die alte Stadthalle im Zentrum von Dornbirn.

Aufgabenteilung

Zahlreiche gewonnene Wettbewerbe folgten, einer der bedeutendsten: die Bundestextilschule Dornbirn. Das in dieser Zeit neuartige Konzept von architektonischer Differenzierung der Trakte in gestaffelter Anordnung und der markante, skulpturale Vortragssaal beeindruckte. Heute als Fachhochschule Vorarlberg genutzt, steht das Ensemble seit 1999 unter Denkmalschutz. Ebenso als Baudenkmal für schutzbedürftig erachtet, wurde die Tankstelle Bertsch in Götzis, mit ihrer zu dieser Zeit in Österreich einzigartigen Flugdachkonstruktion. Die Liste bedeutsamer Bauten von Meusburger Ramersdorfer lässt sich fortsetzen: mit dem Um- und Zubau der Vorarlberger Naturschau, dem Vinomnasaal inklusive Verbauung Gasthof Schwarzer Adler in Rankweil und dem Schulzentrum in Feldkirch-Gisingen oder der neuen Kirche in Feldkirch-Tisis. Die SOS-Kinderdörfer in Hinterbrühl, Stübing, Dornbirn, Seekirchen und in Saigon würden zudem ein eigenes Kapitel aufschlagen.

Bei Bürogemeinschaften ist die Aufgabenteilung und vor allem die künstlerische Urheberschaft so eine Sache, bei diesen Partnern jedoch eine eindeutige. German Meußburger gehörte zur älteren und etablierten Architektenschaft, der um fast zwanzig Jahre jüngere Willi Ramersdorfer zu den selbstbewussten Newcomern. Architekt Jakob Albrecht, damaliger Mitarbeiter, später einer der Pioniere der Vorarlberger Baukünstlerszene, wird in der Monografie° zitiert: „German Meusburger war kaum im Büro. Er kam immer erst gegen Mittag ins Atelier und am Nachmittag ist er auf Baustellen gefahren. Ramersdorfer war ständig gegenwärtig, und die Entwürfe sind alle von ihm gekommen.“ Die beiden haben sich also wunderbar ergänzt: German, geschäftstüchtig, mit guten Kontakten zur Wirtschaft im Dreiländereck, und das baukünstlerische Talent von Willi.

Die zweite Epoche

Ab den 1970er Jahren entstand nach außen hin der Eindruck, dass es mit dem Tod von German Meusburger (1973) und der Gründung des eigenen Büros in Rankweil-Brederis einen großen Bruch im Schaffen Ramersdorfers gäbe. Es hatten sich aber nur die Auftraggeber verändert und damit auch die Bauaufgaben. Schon ab den 1950ern sammelte das Büro Erfahrungen mit Hotel- und Tourismusbauten, abgesehen davon beschäftigte sich Meusburger in seiner Dissertation (Akademie der bildenden Künste, bei C. Holzmeister) mit dem alpinen Großhotelbau. Den Auftrag für das Bergrestaurant am Schrunser Kapell gab es schon 1970. Das breitgelagerte Sockelgeschoß mit schräg auslaufenden Vorsprüngen, das mäßig geneigte Satteldach über die Längsseite, dunkle massive Holzbalken entsprachen durchaus der allgemein verbreiteten Vorstellung von alpiner Architektur. Mit der kompletten Verglasung des Giebelfelds und Sichtbarmachung der Dachkonstruktion finden sich hier jedoch definitiv räumliche Qualitäten wie Großzügigkeit und Atmosphäre.

Heiß diskutiert wurde dann das Löwen-Hotel, einer der ersten Großhotelbauten in Vorarlberg, noch dazu mitten in Schruns. Von der Kollegenschaft als „Lederhosenarchitektur“ abgetan, lohnt sich auch hier ein vertiefender Blick: Die Grundstruktur schlicht, der vorgesetzte, wohlproportionierte Konstruktionsraster für die durchgehenden Balkone ergibt eine klare Gliederung, der breite Kamin Atmosphäre. Das fünfstöckige 240-Betten-Hotel brachte mit großzügigem Hallenbad, der Tanzbar (die legendäre Löwen-Grube), Tiefgaragen, dem integrierten Supermarkt und dem anschließenden „Haus des Gastes“ spürbaren Mehrwert ins Zentrum der Gemeinde.

Für Ramersdorfer bedeutete dieses Bauwerk den Durchbruch als Experte für Hotelarchitektur in alpinen Regionen. Überzeugt entwickelte er seine Tourismus-Konzepte und damit seine wiedererkennbare Architektursprache konsequent weiter. Hotels in Zermatt, Zürs, Brand, Saas-Fee, Silz etc. – mit dem Aufzählen darf man hier nicht anfangen. Das Burg Hotel in Lech muss aber noch hervorgehoben werden, das durch die Erweiterung mit dem Burg Vital Hotel und in der Folge mit dem Untertunnelungsprojekt die touristische Entwicklung und das Erscheinungsbild des Ortsteils Oberlech wesentlich prägte. Bis heute wird dort weitergebaut und die Tochter und Architektin Patricia Ramersdorfer hat diese Agenden gerne übernommen. „Ich habe ja wirklich ganz viel Gutes gebaut!“, stellte ihr Vater erstaunt fest, damals, als sie mit ihm einen Vortrag zusammenstellte. Dies zu würdigen ist ihr zehn Jahre später mit dem Buch hervorragend gelungen.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, November 2022, http://www.kulturzeitschrift.at ]

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- Architekt Willi F. Ramersdorfer

20. November 2022 newroom

Das Exil ist mittendrin

Heinz Wäger lädt in Götzis zur Einschau und präsentiert sein vielschichtiges Werk

Geschichten über die Wäger-Brüder in der Vorarlberger Baukünstlerszene beginnen immer bei Heinz, dem ältesten, der die zwei jüngeren, Rudolf und Sigi, mit seinem Interesse für moderne Architektur angesteckt und inspiriert hat. Heinz Wäger ist nun 86 und kann auf ein vielfältiges gestalterisches Werk zurückblicken. Ausführlich hat er dieses im letzten Jahr aufgearbeitet, geordnet und lädt zu einer sehr persönlichen Schau in seinem Atelier ein.

Früh sei er schon als Volksschüler mit Zeichenbegabung aufgefallen, in der Hauptschule gewann Heinz den Wettbewerb für eine Brunnenskulptur. Die 25 Schilling Preisgeld gab er gleich für einen Kugelschreiber aus, der dann so gar nicht seinen Erwartungen entsprach. Mit diesen Anekdoten fangen die Erzählung sowie der Rundgang an. Heinz machte eine Lehre zum Maler und Anstreicher in Innsbruck, auch die damals beliebten Außenwandfresken bei Gasthäusern gehörten zu seinen Aufgabengebieten. Nebenbei versuchte er sich an kleineren Skulpturen und Schnitzereien. In der Schweiz fand er danach Arbeit, besuchte Modellierkurse, bastelte sich eine Staffelei und malte Landschaften, nicht nur Wände.

Inspiration

Die zeitgenössische Architektur dort interessierte ihn brennend, und mit Begeisterung verschlangen die jüngeren Brüder die mitgebrachten Fachzeitschriften über die Moderne in Skandinavien, der Schweiz, über die Werke von Alvar Aalto, Le Corbusier oder Frank Lloyd Wright. Da setzten sich die drei (Heinz 22, Rudolf 17, Sigi 16) auch schon mal in den Zug und besuchten die Möbelmesse in Mailand, was alle sehr beeindruckte. Sein bester Freund legte Heinz irgendwann nahe, er solle sich doch bei der berühmten Ulmer Hochschule für Gestaltung bewerben. Tatsächlich schaffte er die Aufnahme und studierte Produktgestaltung und Design.

Gleich im ersten Semester gewann er zwei Wettbewerbe: eine hochkarätige Jury in Mailand prämierte sein Sitzmöbel (das 1:10 Modell ist auf der Einladungskarte abgebildet) und eine große Schweizer Firma wählte sein Konzept für die komplette Ausstattung von Sanitärräumen, inklusive klug geführter Installationen, aus. Das motivierte freilich sehr und gab Selbstbewusstsein.

Da wollte man schon einmal in Vorarlberg zeigen, wie ein modernes Haus ausschauen kann! Heinz, im ersten Studienjahr, Rudolf die Zimmermanns- und Sigi die Maurerlehre fertig, auf Vaters Grundstück gab es noch Platz; die jungen Burschen wollten jetzt ein Statement abgeben! Freudig investierte Heinz die 500.000 Lire Gewinn vom Mailänder Sessel. Miteinander haben sie geplant und eigenhändig die Säulen betoniert, die Stahlträger aufgelegt, die Betondecke gefertigt. Sigi war für das Sichtmauerwerk im oberen Stock zuständig, Rudolf natürlich für die Dachkonstruktion aus Holz-Nagelbindern. Wie das Flachdach in der Gemeinde Götzis durchging, weiß heute keiner mehr! Jedenfalls erregte die schwebende Kiste mit großen Glasflächen und offenem Grundriss viel Aufsehen. Genauso wie die Diplomarbeit wenige Jahre später, bei der Heinz und vier Studienkollegen soziale Studien zur „Anpassbaren Wohnung“ vorlegten, konfigurierbar für jede Größe, mit losen Möbel als Abgrenzungen.

Das architektonische Werk von Heinz Wäger weist über vierzig Einfamilienhäuser und einige Mehrfamilienhäuser – auch unter „Coparts“ mit Siegfried Wäger – auf. Realisiert wurden zudem viele Produktgestaltungen für namhafte Firmen – wie Zumtobel oder Miller – und bemerkenswerte Projekte Visueller Kommunikation. Beim Krankenhaus Hohenems (1974) beispielsweise, stammen nicht nur der Innenausbau von Wäger, sondern vor allem das Leitsystem, das in der Folge – wissenschaftlich aufgearbeitet – bei weiteren Krankenhäusern verwendet wurde.

Die Kunst im Exil

Gestaltungsgrundsätze sind für Heinz Wäger – ob bei Bauwerk oder Produktdesign – immer in derselben Weise anwendbar. Auch in seiner Kunst, der er sich in den letzten zwanzig Jahren seit seiner Pensionierung noch intensiver widmet. „Für jede Skulptur fertige ich zuerst von allen Seiten rundherum Skizzen an. Ich möchte das Endergebnis kennen, eine räumliche Vorstellung davon haben, und nicht so lange runterkratzen, bis es mir gefällt!“ Beliebtes Ausgangsmaterial für seine Skulpturen sei Porenbeton. Die „Macroform der Venus von Willendorf“ hat ausnahmsweise Farbe bekommen, und sie wäre sehr anspruchsvoll im Zusammenfügen der perfekten Kugeln gewesen. Doch auch die Riesenscheibe einer Silberpappel mit über einem Meter Durchmesser findet ihre Form als „Sphärische Flächen“.

Möbeldesign – Tische, Sessel, Polstermöbel etc – stand naheliegender Weise bei Wäger immer im Mittelpunkt. Die Klappgarderobe ist ein schönes Beispiel für Platzsparen in kleinen Wohnungen: in Ruhestellung ein Bild an der Wand, entfaltet sich ihre Funktion nur im Gebrauch.

Damit wären wir beim Rundgang wieder unten im Besprechungsraum angelangt. Höchste Zeit zu erklären, was es mit dem „Exil“ auf sich hat, wo eben Interessierte zur Einschau geladen sind. Die künstlerische Aktivität sprengte mit der Zeit die Kapazität der Werkstatt im Wohnhaus. Ein Zubau war angedacht, doch dann erbte Ehefrau Marianne ein winziges, eigentlich für unbebaubar gehaltenes Grundstück (nur 125 m²) in unmittelbarer Nachbarschaft. Diese Herausforderung nahm Heinz gerne an und dachte sich einen kleinen Würfel (6x6x6 Meter) plus Keller aus, auf die Abstandsflächen dermaßen hingetüftelt, dass es tatsächlich genehmigt werden konnte.

Was andere vielleicht Ausgedinge nennen würden, ist für Heinz das EXIL. Wie ironisch das gemeint sein könnte, muss man nicht weiter interpretieren. Jedenfalls stehen die Türen offen, bei einem „Stillen“, dessen Lebenswerk sich zu entdecken lohnt. Doch bitte nur nach telefonischer Anmeldung, denn Heinz Wäger nimmt sich Zeit für Besuche.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, November 2022, http://www.kulturzeitschrift.at ]

arte variabile – Heinz Wäger gibt Einschau in 60 Jahre Gestaltung
im Exil, Götzis, Altacherstraße 32
von 5. November 2022 bis 31. Jänner 2023

16. August 2022 newroom

Vergessene Weltarchitektur. Jacobsen und Weitling

Dem Architekten und Designer Arne Jacobsen wird ausreichend und gebührende Ehre zuteil, dass jedoch zusammen mit Otto Weitling wichtige Bauwerke in Deutschland – wie das Rathaus Mainz, das Christianeum und die HEW-Zentrale in Hamburg – entstanden sind, findet in der Rezeption kaum Beachtung. Dieses Manko soll die Wanderausstellung „Gesamtkunstwerke. Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“ füllen, zu der ein gleichbetitelter, sehr interessanter Katalog erschienen ist.

Einst Mitarbeiter bei Arne Jacobsen (1902–1971), ab 1964 Büropartner, gründete Otto Weitling (geb. 1930) mit Hans Dissing 1971 das eigene Büro und führte nach dem Tod Jacobsens die Projekte fort. Eines davon ist das Seebad Burgtiefe in Fehmarn, das offensichtlich als geeigneter Aufhänger auch das Buchcover ziert. Neben den Essays über die Gestalter, das Entwerfen, die „Ideen eines Dänen in Beton und Kunststoff“ und zum organischen Formenuniversum des Großvaters aus Sicht des Enkels Tobias Jakobsen, ist die Ferienanlage an der Ostsee heute noch eine architektonische Landmarke, trotz Vernachlässigung und massiver Umbauten.

Bildreich und mit kurzen Textpassagen wird das weitläufige Seebad Burgtiefe dokumentiert und in der Folge die Geschichte erzählt: vom Meerwasserwellenbad, wie die Anlage städtebaulich gedacht wurde, der immensen Dichte, und wie sehr die Architekten gelitten haben, als sie gezwungen wurden die Stockwerke der drei Punkthäuser von vier auf 17, also die Bettenkapazität von 1.500 auf 4.500, zu erhöhen.

In derselben Ausführlichkeit werden insgesamt sieben Baukunstwerke behandelt. Vermutlich bleiben bezüglich grafischer Gestaltung die 2020er Jahre ablesbar, das Buch ist aber sehr gut gemacht: Es liegt als Nachschlagewerk angenehm in der Hand; die Überschriften sowie die Seitennummerierung stehen immer in der Mitte und trennen bei den Essays Deutsch von Englisch; die Dramaturgie der Fotos ist sehr gelungen. – Ein Katalog, der die zwar unter Denkmalschutz gestellte und trotzdem dem Vergessen ausgesetzte Architektur von Jacobsen / Weitling wieder ins Bewusstsein rückt und komfortabel-lesefreundlich vermittelt.

verknüpfte Publikationen
- Gesamtkunstwerke

3. April 2022 newroom

Lernen fürs Leben

Etwas sperrig der Titel. Was könnte interessant sein am Thema „Lernen, Politik und Architektur in den 1960er und 1970er Jahren“ und der dazugehörenden Assoziation „Bildungsschock“? Dass ein Ausgangspunkt beim Forschungs- und Ausstellungsprojekt der „Sputnikschock“ Ende der 1950er ist? Damals sah sich die westliche Welt angesichts des sowjetischen Satelliten plötzlich im wissenschaftlichen wie technologischen Hintertreffen. Zur gleichen Zeit eröffnete sich durch die ersten geburtenstarken Jahrgänge und der damit einhergehenden Expansion des Bildungswesens ein Experimentierfeld, nicht nur für neue Lernkonzepte, sondern auch für innovative architektonische Ansätze. Hat die Coronakrise heute die Bildungssysteme nicht ebenso in einen Schockzustand versetzt? Was einmal ein Konzept alternativer Pädagogik war, hat sich in der Pandemie mit Homeschooling als Belastungsprobe für alle entpuppt, und die abhanden gekommene Selbstverständlichkeit von Begegnung in den Architektur-Räumen der Bildungsinstitutionen ruft Mangelerscheinungen hervor.

Das vai bringt nun die Ausstellung des HKW Haus der Kulturen der Welt, Berlin, nach Dornbirn. Auch dies hat seinen Grund: Die österreichweite Aktion der Architekturtage wurde in ein Architekturjahr transformiert, das sich in erweiterter Form je einem Thema widmen soll. 2021/22 ist es Architektur und Bildung mit der Überschrift „Leben/Lernen/Raum“. Am vai-Programm standen und stehen eigens produzierte Filmen über beispielhafte Vorarlberger Schulprojekte, im regelmäßigen Vermittlungsformat „Architektur vor Ort“ zahlreiche Exkursionen zu den neuesten Bildungsbauten und zum Abschluss eben diese ausführliche Schau, bei der versucht wird, die Ansätze der 1960er und 1970er Jahre als Archiv und Ressource für aktuelle Debatten zu entdecken. Kurator Tom Holert: „Was erzählt eine Ausstellung, die sich einer mehr als fünfzig Jahre zurückliegenden Epoche widmet, den von der aktuellen Krise Betroffenen? Welche Schlüsse lassen sich für die heutige Bildungspolitik aus einer Zeit ziehen, in der wie nie zuvor in die Infrastrukturen und Architekturen der Bildung investiert wurde? Gibt es ein Fortwirken der „revolutionären“ Pädagogiken, die sich um 1970 in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen und geopolitischen Zusammenhängen dem kapitalistischen Bildungsmodell widersetzten?“

Er ist sich der Herausforderungen bezüglich Vermittlung sehr wohl bewusst: „Ausstellungen zu Bildung und zur Bildungsgeschichte sind schon deshalb schwierig, weil sie daran scheitern müssen, einen anderen Prozess des Lernens erlebbar zu machen als den, der – im besseren Fall – in einer Ausstellung selbst stattfindet. Die Immaterialität kognitiver und emotiver Vorgänge entzieht sich der Ausstellbarkeit. Was aber gezeigt werden kann, sind Modelle, Pläne, Lehrmittel, Publikationen und andere Archivalien aus den Geschichten von Architektur und Pädagogik.“ In Fallstudien verfolgen die Forscher:innen wie sich diese Materialien und die in sie eingegangenen Erfahrungen betrachten, analysieren und inszenieren lassen, um eine – vielleicht unerwartete – Perspektive auf die Bildungskrise der Gegenwart zu eröffnen.

Skalierung

Vor einer nicht minder großen Herausforderung stand der Kurator des vai, Clemens Quirin. Die Hallen des HKW in Berlin, wofür die Ausstellung ja konzipiert wurde, haben völlig andere räumliche Dimensionen und Voraussetzungen, noch dazu sei das Konzept nicht für ein Wandern angelegt worden. Da musste grundsätzlich neu gedacht werden, und man holte den Architekten und Designer Daniel Büchel ins Boot. Nicht von ungefähr, denn er ist bekannt für seine feine Klinge in Materialfindung, Einfühlen in die Qualitäten und architektonische Sprache vergangener Jahrzehnte, kluge Übersetzung und Skalierung, Sparsamkeit und seine Upcycling-Ideen. Büchel findet für die Fülle von 35 Case-Study-Projekten, die – farblich und mit einem Nummerierungssystem verlinkt – bestimmte Aspekte des globalen Bildungsgeschehens ausarbeiten, eine klare, pragmatische Lösung.

Ein Fahnenmeer rhythmisiert die Räumlichkeiten des vai, schafft Erweiterung und dann wieder ein immer dichter werdendes Entdeckungs-Labyrinth. „Ich wollte ein typisches Material dieser Jahrzehnte herausnehmen: die Jalousien. In der Ausstellung sind es einfache, textile Zupfrollos, die auch wirklich rauf- und runtergezogen werden können.“ Auf diesen transparenten Flächen sind die jeweiligen Key-Visuals gedruckt, sichtbar von beiden Seiten. Das funktioniert bei Fotos, Zeichnungen, Plänen, Lesen will man jedoch nicht so gerne seitenverkehrt. Also wird die Textebene auf den Boden gelegt. Die unzähligen Exponate wie Bücher, Zeitschriften, Repros und die Bildschirme für Videos füllen in Petersburger Hängung begleitend die Wandflächen. Dazu schaffen Möbel aus den 1960er Jahren Atmosphäre und Sitzgelegenheiten. Der Re-use Gedanke wird auch hier verfolgt: die Rollos haben ein Standardmaß von einem Meter und die wenigen Baulatten der quasi unter der Decke schwebenden Konstruktion kann kompakt gelagert und wiederverwendet werden.

Regionaler Bezug

Nicht moderiert wird ein Vorarlberg-Bezug. Ist auch nicht wichtig, denn diesen kann jede:r selbst herstellen. In nahezu allen Gemeinden gibt es doch hochwertige Schul- und Kindergarten Renovierungen, Neu-, Um- und Erweiterungsbauten. Die „Schulen am See“ in Hard zum Beispiel: „Die Schule der Zukunft sollte offene Ränder haben. Die möglichst vielfältigen Optionen entsprechen den Ideen von einem, im Fluss befindlichen Lehr- und Lernprogramm“, wie der Architekt Carlo Baumschlager feststellt. Hier wurde mit dem engagierten Lehrerkollegium und einem weitsichtigen Direktor ein die Volks- und Mittelschule übergreifendes Clusterkonzept realisiert. Bezüglich zeitlicher Zuordnung ist zudem noch die Sonderausstellung „Karl Sillaber und C4“ im Vorarlberg Museum in bester Erinnerung. Diese Architekten haben ab den 1960er Jahren Schlüsselwerke im modernen Schulbau mit ganz neuen Typologien in Vorarlberg geschaffen. So kann auch eine sehr umfangreiche, sehr wissenschaftliche Ausstellung Denkanstöße zur heutigen Lernsituation geben und auf die Wahrnehmung der räumlichen Konzepte unserer Bildungsbauten sensibilisieren.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, März 2022, http://www.kulturzeitschrift.at ]

3. April 2022 newroom

Findet die Fehler

Sagmeister & Walsh mit einem multimedialen Spektakel zur „Beauty“ im vorarlberg museum

Endlich kann sie doch noch gezeigt werden, die große „Beauty“-Schau von Sameister & Walsh, die für das MAK - Museum für angewandte Kunst in Wien konzipiert wurde. Im vorarlberg museum wird so großzügig wie möglich Platz geschaffen: Schon das Atrium eignet sich bestens für die aufwändige Konstruktion mit den rhythmisch, zum eigens komponierten Song atmenden Luftpolstern. Auch das Untergeschoß wird einbezogen. Man macht sich nämlich auf die Suche nach dem funktionellsten Raum im Museum – die Toiletten – mit der Fragestellung: ist dies auch der schönste? Jedenfalls wird dort schön bedrucktes Klopapier zur Verfügung stehen. Im Obergeschoß stimmen auf der Galerie in den großen Vitrinen besondere Fundstücke aus dem Museum auf das Thema ein. Das „Beauty Archiv“ ist der variable Teil der Ausstellung, die auch in Frankfurt und Hamburg gezeigt wurde. Und hier wählte Stefan Sagmeister achtzig Objekte, teils mit sehr persönlichen Kommentaren versehen, aus der Sammlung, die im vierten Stock ebenfalls einen wichtigen Teil des multimedialen Spektakels darstellen.

Manipulierte Interaktion

„Beauty“ ist keine so oberflächlich interaktive Ausstellung, wie sie vorgibt. Das Publikum ist vielmehr sehr herausgefordert Meinung, Blick, Empfinden und Standpunkt selbst zu finden. Die Abstimmkarten – schwarzweiß bedruckte Papp-Chips – die am Einlass verteilt werden, dürfen nämlich nur bei belanglosen Fragestellungen eingeworfen werden: Welche Landschaft, welcher Geruch, welche Farbe und welche Form gefällt am besten? In der Folge findet sich aber das manipulativ eingesetzte Ergebnis in Schnörkelschrift auf zwei großen Tafeln: „Die hässlichste Farbe ist Braun. Die hässlichste Form ist das Rechteck. Ist dies das hässlichste Ding, das es gibt?“ Und zur Illustration: „Was glaubt die Bauindustrie?“ Die willkürlichen Architekturbeispiele zeigen neben braunen Kästen auch eine klassisch hübsche Backsteinvilla oder Robert Venturis berühmte Feuerwache – die ja geradezu eine Absage an modernistische Gestaltungsprinzipien darstellte. Dies gebührend zu reflektieren bleibt freilich „dem Auge der Betrachterin“ (so der Titel des vierten Kapitels der Ausstellung) vorbehalten.

Es könnte ja sein, dass Sagmeister und Walsh durch die Einladung zu einem Beitrag im Österreichischen Pavillon bei der Architekturbiennale 2018 in Venedig Rückenwind und Selbstbewusstsein verspürten, einen „neuen ästhetischen Diskurs als kritische Praxis“, den es so sehr brauche, dermaßen plakativ an der Architektur anzuzetteln. Die Verformung der Begriffe „Beauty = Funktion“, visuell übersteigert in Materialien wie Sand und Slime, ist übrigens in Vorarlberg viel komfortabler – weil nicht an der Decke, sondern an der Wand – zu beobachten. Und überhaupt: dass die beiden primär in Markenbildung und Grafikdesign zu Hause sind, zeigt auch die Installation des „Color Room“, dessen Erlebniswert aufs Changieren von Weiß in rosa Karo beschränkt bleibt. Hier liegt der Reiz wohl darin, aus dem dreidimensionalen Raum ein zweidimensionales Bild zu machen, in dem Eintretende – dann auch gemustert – quasi aufkaschiert sind.

Achtung Falle

Recht anmaßend geht es weiter: „Ein Österreicher, ein Schweizer und ein Deutscher überzeugten die Welt, wie sie zu leben habe. Adolf Loos, Le Corbusier, Mies van der Rohe.“ Es folgen plakative Tafeln zum Blättern mit Beispielen für den von diesen Protagonisten der Architektur des 20. Jahrhunderts zu verantwortenden verwerflichen Internationalen Stil. Ein Iglu auf schneebedeckter Gebirgskuppe: „Früher sah so Alaska aus“ und daneben ein Hochhaus mit der Unterschrift „Heute sieht Anchorage so aus“ (wirklich? auf diesem Bauplatz?); ebenso eine traditionelle Strohdach bedeckte Hütte: „Früher sah Indonesien so aus“ und gegenübergestellt: „Heute sieht Jakarta so aus“; oder ein chinesischer Tempel und Beijing. – Durchschaubar und nicht sehr statthaft verkürzt, könnte man sagen.

Auf Le Corbusier haben es die Ausstellungsmacher besonders abgesehen. Zwei großformatige Projektionen konfrontieren seinen utopischen städtebaulichen Entwurf – den Plan Voisin für die „Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes“ in Paris, 1925 (diese Information wird nicht beigegeben) – mit dem gewachsenen Quartier nördlich der Seine, für das die sechzigstöckigen Hochhäuser mit kreuzförmigem Grundriss theoretisch gedacht worden sind. Auch das Plakat zu Adolf Loos Vortrag „Ornament und Verbrechen“ (veranstaltet 1913 vom Akad. Architekten Verein) eignet sich für eine Schrecksekunde, wird jedoch relativiert durch drei Porzellanhäuser-Modelle – Wiener Staatsoper, Rathaus, Parlament – die mit Wiener Zuckerl zur freien Entnahme gefüllt sind, in großen Lettern dazu immerhin die Anmerkung: „Der Architekt Adolf Loos begann seine Karriere in der Hochphase des architektonischen Historismus in Wien, in der man verschiedene historische Stile kopierte.“

Vielleicht wird die Spur zur hyper-diffizilen Provokation ja schon mit dem prächtigen Pfau gleich am Anfang der Schau im Entree gelegt: „Schönheit ist die Strategie vieler Tiere, um den besten Partner zu finden. Die Federn des Pfaus sollen die beste Pfauenhenne anziehen. Sie behindern auch deutlich seine Bewegungs- und Flugfähigkeit, was ihn zur leichten Beute für Räuber macht.“ Die klein geschriebene Anmerkung könnte nämlich leicht übersehen werden, wenn man in die Falle des plakativen Reizes tappt: „Aus evolutionärer Sicht ist die Paarung mit der besten Pfauenhenne für den Pfau von größerer Bedeutung, als das Risiko von einem Panda gefressen zu werden.“ He? Die aufmerksame Besucherin wird sofort auf Google fündig, dass Pandas Flexitarier sind, ihre Nahrung zu 99 Prozent aus Bambus besteht, dass sie daneben noch Kräuter wie Bocksdorn, Enzian und mitunter Raupen und kleine Wirbeltiere fressen. Reingefallen.

Allzu wörtlich zu nehmen sind die zahlreichen erklärenden Postulate also nicht. Vielmehr darf man sich lustvoll dem durchaus barock-sinnlichen Spektakel hingeben, die eigenen Assoziationen hemmungslos laufen lassen und jeden applizierten Satz als hinterfragbar lesen. Auch diese abschließende Anleitung zum Ausstellungsbesuch soll als Beispiel dafür dienen, dass weniger Kommentieren noch mehr Erlebniswert bringen würde.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, April 2022, http://www.kulturzeitschrift.at ]

18. Januar 2022 newroom

Unter der Hohen Brücke am Tiefen Graben

Schreiben als Architektur. Die junge Absolventin der Akademie der Bildenden Künste Wien bezeichnet sich als schreibende Architektin und hat ihre Masterarbeit am Institut für Kunst und Architektur nur einem Ort gewidmet. Wien 1., Hohe Brücke, Tiefer Graben. Diesen Ort hat Ella Felber monatelang nahezu täglich besucht und ihre Skizzen gemacht, mitzuverfolgen im dritten Kapitel ‚Unter der Hohen Brücke – a sketchbook’. Die einzelnen Seiten bekommen Überschriften (die unten stehen): spielen/durchgehen/zwischendurch-verweilen „Selbst die Wiener Linien meiden diesen Ort. Oben da huscht er schnell hinüber, der Bus. Davor und danach biegt er ab.“/was wir in Straßen öfter tun könnten/stehen/bleiben/wenn ich auf der Brücke stehe/fallen/lagern und erinnern „Erinnern ist mehr als nur an etwas zu denken“.

Aber beginnen wir mit dem ersten Kapitel – besser noch zuvor, mit dem Cover. Die Buchgestalterin Franziska Füchsl machte drei davon. Auch sie ging auf Spurensuche an diesem Ort und fertigte Frottagen an. „Die Frottage als Zeichentrick, einen Ort abzunehmen, ohne Überblick auf Ausschnitte bedacht, steht mit der Zeichnung gewordenen Unebenheiten anders da, als der plane Plan ...“ – eine passende Assoziation zum Buchwerk. Für Ella Felber gibt es einen Unterschied in gebauter und geschriebener Architektur, doch beides sind Ansätze zum Ortsbegriff. In ihrem Essay des ersten Kapitels stellt die Autorin klar, dass sie nicht über Architektur schreibt, auch nicht über Architektur in der Literatur, sondern als Architektin, die schreibt – als Architektur. „My search for a project became / my search for a place became / my search for a synthesis became / my synthesis of a search in a place.“

„Writing as Architecture – an imperfect inventory“ ist die Suche und Reflexion über Ortskonstruktionen durch das Wort, ohne den literaturwissenschaftlichen Anspruch Texte abzuhandeln. Nein, unperfekt, spielerisch, ein nicht abgeschlossenes Inventarium darf es sein. Mit dieser Palette ausgestattet geht Ella Felber ins zweite Kapitel: ‚Im Inneren der Stadt – a sequence of encounters’. Begegnungen sind für sie der Moment, in dem Orte entstehen, nämlich erst durch die Interaktion. In diesem Fall durch das immer wieder Hingehen zum ‚Tiefen Graben‘ ‚Unter der Hohen Brücke‘. Die Rolläden sind in der Wahrnehmung sehr präsent, denn viele sind geschlossen. Was könnte dahinter sein, wie wäre es hineinzugehen? Und wieder zurück auf der Straße, etwas anderes erregt die Aufmerksamkeit, es wird reflektiert, weitergegangen. So entstehen vielschichtige Orte im Geschriebenen, immer verankert am Tiefen Graben.

Auf dieses wertvolle poetische Büchlein dürfen sich die Leser:innen einfach einlassen, sie werden das Changieren in Englisch-Deutsch gar nicht merken, und mit neuem, inspiriertem Blick ihre eigenen Orte finden und erleben.

verknüpfte Publikationen
- Unter der Hohen Brücke

Publikationen

2021

Rudolf Wäger Baukünstler 1941–2019
Ein Pionier in Vorarlberg

Als gelernter Zimmermann war Rudolf Wäger (1941–2019) in der Architektur Autodidakt. Das 1965 eigenhändig errichtete „Würfelhaus“, ein emblematisches, auf das Wesentliche in Material und Gestalt reduziertes Kleinhaus, wurde zum viel beachteten Pionierwerk der „Vorarlberger Baukünstler“ – jener Gruppe,
Hrsg: vai Vorarlberger Architektur Institut, Architekturzentrum Wien
Autor: Martina Pfeifer Steiner, Marina Hämmerle
Verlag: Birkhäuser Verlag

2019

33 Interviews zur Architektur

Dieses Buch ist die Bestandsaufnahme einer Zunft, die unsere Lebensräume gestaltet. Was treibt sie an, was nervt, wie sieht ihre Arbeitswelt aus? So viele Köpfe wie Haltungen und Visionen. Fünf Fragen bilden den konstanten Rahmen, die vielfältigen Antworten geben Einblick in die heutigen Bedingungen
Hrsg: nextroom
Autor: Martina Pfeifer Steiner
Verlag: Müry Salzmann Verlag

2018

Rastlos: Architekt Werner Pfeifer 1919–1972
Vom Montafon bis Tanganjika

Leben und Werk des Vorarlberger Architekten Werner Pfeifer sind Ausgangspunkt für ein atmosphärisches Kaleidoskop der fortschrittsgläubigen 1950er- und 1960er-Jahre. In zwei verschränkten Buchteilen wird das berufliche Feld des Architekten beleuchtet und darüber hinaus ein lebhaftes Bild des Menschen
Autor: Martina Pfeifer Steiner
Verlag: Park Books

2017

Der Praterstern ist kein Himmelskörper
Gesammelte Texte

Kneissls Gabe der Registrierung, der Beschreibung feinster Nuancen und Verhaltensmuster im Alltagsleben, im Ballett der öffentlichen und privaten Raumnutzungen, in den grotesken Powerplays von Politik und Medien, in den beruflichen Kämpfen und flottierenden Ideologien, all das fand bei ihm im fortschreitenden
Hrsg: Martina Pfeifer Steiner
Autor: Franz Eberhard Kneissl
Verlag: Sonderzahl Verlag