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Rotterdam (NL)

5. Internationaler Bauhaus Award 2008

Das Bauhaus Dessau fragte nach Ideen zur Behebung der aktuellen Wohnungsnot in den Städten. Die Einsendungen aus 25 Ländern reichten von platzsparend konzipierten Häusern in Skandinavien über Stadtführer für Berliner Obdachlose bis hin zu Infrastrukturkernen für den Selbstausbau in Südamerika. Was fangen wir jetzt damit an? Eine Abschlussdiskussion steht noch aus.

3. Juli 2008 - Friederike Meyer
Unter dem Titel „Wohnungsnöte. Wohnung für das Existenzminimum von heute“ fragte die Ausschreibung des 5. Internationalen Bauhaus Award nach „Ideen zur Behebung der aktuellen Wohnungsnot in den Städten“. Ein vielschichtiges Thema für einen einzigen Wettbewerb. Vor 79 Jahren hatte sich der CIAM Kongress in Frankfurt am Main schon einmal damit beschäftigt. Für Bauhaus-Direktor Omar Akbar passt dieser Bezug offenbar gut in seine Zukunftsstrategie, die er „Aktualisierung der Moderne“ nennt. Denn die Verhältnisse haben sich geändert. Fünfzig Prozent der Weltbevölkerung leben in Städten, zehn Prozent unter gravierenden Wohnungsnöten. Das ist bekannt. Auch gibt es weitgehend Konsens darüber, welche Gruppen potentiell am Existenzminimum le­ben: Obdachlose, Bewohner von Heimen, Asylen und Notunterkünften, Aussiedler, Migranten und Illegale, Leichtlohngruppen und kinderreiche Familien. Dann aber wird es unübersichtlich: Die Auslober schreiben, alle diese Gruppen hätten Probleme, eine bezahlbare Wohnung in der Stadt zu finden, „seien es kreative Mittelschichtler in Berlin-Mitte oder Favelabewohner am Rand von São Paulo“. Fragen drängen sich auf: Was ist eigentlich Existenzminimum? Was heißt Woh­nungsnot in Europa, was in Asien oder Südamerika? Mit welchem Maß sollen wir messen? Wo fängt Luxus an? Liegt er nicht für viele gerade im Minimalen? Eine präzise Ausschreibung und Kategorien für die Preisvergabe hätten hier geholfen zu differenzieren.

Die aus über einhundert Einsendungen nominierten und auf der Bauhauswebseite veröffentlichten Projekte zeigen denn auch, wie verschieden die aufgerufenen Gestalter, Künstler und Wissenschaftler Wohnungsnot interpretieren bzw. sie beheben wollen. Da gibt es einen Stadtführer für Obdachlose in Berlin oder die Analyse einer Stuttgarter Studentengruppe zum spontanen Bauen in Mexiko-Stadt. Da gibt es ein bis auf den letzten Zentimeter ausgetüfteltes Haus mit vier Räumen auf 19 m² in Oslo, eine aus Europaletten gezimmerte Hütte für das Trondheimer Künstlerdorf oder die in Gent mit einem Minibud­get zu Lofts ausgebaute Baumwollfabrik – also eher trendige Unterkünfte für Menschen mit vielleicht bescheidenen Mitteln, aber hohen Ansprüchen. Neue Gedanken stecken da nur in wenigen Projekten: so in dem Dokumentarfilm „Startankstelle“, der Jugend-liche mit Migrationshintergrund im Auto an der Tankstelle beobachtet und auf ihre mangelnden Rückzugsmöglichkeiten hinweist, wie auch in dem Vorschlag, städ­tische Freibäder im Winter als Notunterkünfte zu nutzen, der am Beispiel des Berliner Monbijou-Bades aber unverständlicherweise als Neubauentwurf dar-gestellt war. Beide blieben ohne Preis. Stattdessen hat die Jury eine Rangfolge festgelegt, der man unterstellen könnte, mehr auf eindrückliche Bilder und bekannte Problemzonen denn auf neue Sichtweisen ausgerichtet zu sein.

Das in der chilenischen Stadt Temuco derzeit im Bau befindliche Projekt des Rotterdamer Büros pasel.künzel architects kam auf Platz eins. Mit ihren dreigeschossigen Infrastruktureinheiten zum Selbstausbau wollen die Architekten das Favela-System (erst entstehen Häuser, oft viel zu spät Infrastrukturen) umkehren und zugleich die ungeordnete Flächen­ausbreitung informeller Siedlungen eindämmen. Den zweiten Preis erhielt die Sanierung eines 70er-Jahre-Wohnhauses in Tokio, bei dem der Architekt Jo Nagasaka lediglich die Einbauten entfernen ließ und so mit geringstem Budget einen „bezahlbaren“ Wohnraum schuf. Es bleibt unverständlich, warum dies dann aber u.a. durch ein mit Designermöbeln eingerichtetes Apartment bebildert ist. Die Dokumentation von Unterkünften auf den Dächern der Hochhäuser in Hongkong kam auf Platz drei.

Wenn dem Bauhaus wirklich an einer Lösung der Wohnprobleme der Zukunft gelegen ist, sollte ­es, wie bereits im Vorfeld des Wettbewerbs geschehen, auch hinterher ein Kolloquium veranstalten, alle eingereichten Projekte in Gänze veröffentlichen und zur Diskussion stellen. Andernfalls könnte der Eindruck entstehen, dass es hier nur um eine brisante Schlagzeile geht, um eine möglichst hohe Zahl an Einsendungen und schöne Bilder für die Pressemitteilung. Vollständigen Artikel ansehen.

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