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Stein und Schein
Neue Zürcher Zeitung

Eine Monographie zum Werkstoff Stein

2. Juli 2004 - Jürgen Tietz
Ob aus Naturstein, Betonwerkstein oder Ziegel - Fassaden aus Stein erfreuen sich grosser Beliebtheit. Ja, an einigen Orten diktiert die Verwendung von Naturstein geradezu den architektonischen und städtebaulichen Diskurs, wie der Blick auf die Renaissance des «steinernen Berlin» lehrt. Doch das ist höchstens am Rande ein Thema in dem vom Frankfurter Architekten Christoph Mäckler herausgegebenen Buch über den Werkstoff Stein, das um eine umfangreich illustrierte Materialdokumentation ergänzt wird. Verschiedene Autoren spüren in ihren Essays dem Material und seiner Verwendung in der zeitgenössischen Architektur nach. So macht sich Piergiacomo Bucciarelli am Beispiel des schönen Schulhauses von Arno Lederers in Ostfildern oder der Kunstgalerie in Marktoberdorf von Valentin Bearth und Andrea Deplazes für die überfällige Rehabilitierung des Ziegels stark.

Christoph Mäckler selbst führt in seinem zentralen Beitrag «konstruktive Gestaltungsmöglichkeiten» mit Naturstein auf. Dabei macht er dem Leser zugleich deutlich: «Die technischen Möglichkeiten des Steins in der Architektur werden zu wenig genutzt und weiterentwickelt.» Wie Architektur mit Naturstein eine angemessene Wirkung entfalten kann, das dokumentieren Alvaro Sizas Museum in Santiago de Compostela oder Peter Zumthors Entwurf für ein monolithisches Marmorhaus in Berlin, die Hubertus Adam vorstellt. Doch Adam skizziert auch das grotesk anmutende Grunddilemma zahlreicher zeitgenössischer «Steinbauten». Bei ihnen wird die Konstruktion lediglich mit einem Gewand aus einer nur wenige Zentimeter dünnen «Steintapete» verhüllt. Zwar bemüht sich die Publikation mit Kapiteln zum «Betonwerkstein» (David Bennett) und zur «Restaurierung und Instandhaltung» (Arnold Wolff) darum, als breit gefächertes Handbuch für den Umgang mit dem Werkstoff Stein zu dienen. Leider blendet es jedoch die ikonographische Dimension des Natursteins aus, zu der in den letzten Jahren wichtige Arbeiten entstanden sind. Dieser Mangel wird auch im einleitenden, theoretischen Teil nicht aufgewogen, in dem Fritz Neumeyer einen Blick auf Gottfried Semper und das stoffliche Gewand der Architektur wirft und Vittorio Magnago Lampugnani ein Plädoyer für eine «Ästhetik der Einfachheit» hält.

[ Werkstoff Stein. Material, Konstruktion. Hrsg. Christoph Mäckler. Birkhäuser-Verlag, Basel 2004. 200 S., Fr. 98.-. ]

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