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Nischen, global
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Ein Kunst- und Kongresszentrum in Nanjing, ein Museumsaufgang in Rivoli, das Porsche-Museum in Stuttgart und ein Bahnhof für Brünn: globale Exporte der jungen österreichischen Architektur. Ein Trend?

19. Februar 2005 - Christian Kühn
Architektur war schon immer ein Exportartikel, sofern man unter dem Begriff nicht Ziegel und Beton versteht, sondern Ideen und Techniken, die sich rasch über nationale und sprachliche Grenzen hinweg verbreiten. Das galt schon in der Gotik und im Barock, und es gilt vermehrt unter den aktuellen Bedingungen der Globalisierung. Dass Architekten wie Hans Hollein und Coop Himmelb(l)au auf einem internationalen Markt agieren und seit Jahrzehnten ihre Netzwerke pflegen, ist bekannt, ebenso, dass in Österreich seit einigen Jahren internationale Stars wie Zaha Hadid oder Dominique Perrault zu Aufträgen kommen. Der nationalen Architekturszene hat das nur genützt. Von einer österreichischen Architektur als Stil würde heute niemand mehr ernsthaft sprechen, sehr wohl aber von einer spezifischen Baukultur, die sich über Schulen, Netzwerke und regional differenzierte Praktiken der Architekturproduktion im internationalen Austausch definiert.

Seit kurzem verdichten sich die Anzeichen, dass es einer jüngeren Generation österreichischer Architektinnen und Architekten gelingt, ihrerseits international Fuß zu fassen. „Jung“ ist dabei relativ: Es handelt sich um die Generation der 40- bis 50-Jährigen, die auf sehr unterschiedliche Art die Gelegenheiten nutzt, die sich aus der Globalisierung und Öffnung von Grenzen ergeben.

Dass Rainer Pirker und sein architeXture-Team im chinesischen Nanjing ein Kongresshotel mit integrierter Kunstgalerie planen, verdanken sie einer glücklichen Kettenreaktion. Der Architekturvermittler Volker Dienst hatte eine Ausstellungs- und Vortragsreihe für junge österreichische Architekten in China organisiert, aus der sich 2004 eine Gastprofessur Pirkers in Nanjing ergab. Ein lokaler Investor war von Pirkers Projekten so angetan, dass er ihm den Entwurf eines seiner ambitioniertesten Projekte anvertraute. Die Funktionsmischung lässt einige Zukunftsvisionen der chinesischen Eliten erahnen: Die Kunstgalerie bildet, umschlossen von Kongressräumen, den Kern des Gebäudes. Die Hotelsuiten liegen in den obersten beiden Geschoßen und gruppieren sich um himmelsnahe Gartenhöfe. Pirker hat das Gebäude als einen Kristall konzipiert, der auf wenigen tragenden Scheiben und Stützen über einem künstlichen See und weitläufigen Garten schwebt. Die Tagwerksplanung stammt von Peter Bauer von Werkraum Wien und wird - so wie die weitere Ausführungsplanung - von chinesischen Partnerbüros detailliert. Baubeginn ist der Sommer 2005, zeitgleich mit einem von Arata Isozaki koordinierten Wohnbauprojekt desselben Investors.

Pirkers ähnlich ambitionierte Projekte in Österreich blieben unerfüllte Träume, selbst dort, wo er im Wettbewerb den 1. Preis erhalten hatte. Ein Feuerwehrhaus in Osttirol scheiterte an mangelnder Satteldachkompatibilität, eine Glashülle für das Bürogebäude der Statistik Austria an den Kosten, und die Planungsvision für die KDAG-Gründe verkam zu einem eher unappetitlichen Bauträgerbrei. (Eine Leistung, für die sich die Stadt Wien seit letzten Dezember absurderweise mit dem Otto-Wagner-Städtebaupreis schmücken darf.) Dass Pirkers Architektur in China, dessen Baukultur nach wie vor mit Massenproduktion assoziiert wird, auf mehr Gegenliebe stößt als in Österreich, sollte jedenfalls zu Denken geben.
In einem anderen Maßstab agieren Erich Hubmann und Andreas Vass bei ihrem Projekt für einen neuen Aufgang auf das Schloss in Rivoli bei Turin. Ausgelöst durch eine U-Bahn-Verlängerung, will die Stadt eine neue Verbindung zu dem im Schloss untergebrachten Museum - der bedeutendsten Sammlung zeitgenössischer Kunst in der Region - schaffen.

Hubmann und Vass haben vor Jahren eine ähnliche Aufgabe, die Zugangslösung für die Alhambra im spanischen Granada, mit Bravour gelöst. In Rivoli vernähen sie die Stadt mit dem Schloss, indem sie ein Muster aus Rolltreppen in den Berg schneiden, die an strategischen Punkten Ausblicke auf Türme und Wegachsen bieten. Der Entwurf, dessen Realisierung diesen Sommer beginnt, lebt wesentlich von feinen Details in der Kombination von Stahlbeton, Naturstein und dem Cortenstahl für Dächer und Rolltreppenwangen. Zur Sicherung der Ausführungsqualität mussten Hubmann und Vass als Generalplaner jedes Detail im Vorfeld präzise definieren, um dem für die Ausführung verantwortlichen Generalunternehmer keinen Spielraum nach unten zu lassen. Unterstützt wurden sie dabei von den Wiener Tragwerksplanern Gmeiner und Haferl, die auch die technische Lösung für die Abstützung der Bergflanke entwickelten.
Einer weit weniger kontemplativen Art der Fortbewegung verdanken Roman Delugan und Elke Delugan-Meissl ihren bisher imageträchtigsten Auftrag. 170 Büros hatten sich zur Teilnahme am Wettbewerb für das neue Porsche-Museum in Zuffenhausen beworben, aus den zehn ausgesuchten Büros gingen Delugan-Meissl schließlich als Sieger hervor. Porsche hat im Wettbewerb nicht auf internationale Stars gesetzt, sondern ausschließlich auf deutsche Büros - Staab, Allmann Sattler Wappler, Lamott-Wittfohlt, Friedrich Poerschke Zwink, Dinse Feest Zurl, Wandel Hoefer Lorch + Hirsch - und neben Delugan-Meissl zwei weitere Zuladungen aus dem deutschsprachigen Ausland, nämlich Morger & Degelo aus der Schweiz und BKK3 aus Wien.

Im Unterschied zu den gerade entstehenden Konkurrenzbauten wird das zukünftige Porsche-Museum nur lose mit dem Markenimage verknüpft sein: Es zeigt weder die wirbelnde Dynamik des Coop Himmelb(l)au-Entwurfs für BMW noch die manische Technologieverliebtheit von Ben van Berkels Museum für Daimler-Chrysler. Gerade deshalb bleiben für Ausstellung und Bespielung aber größere Freiheiten. Wenn es sich bei der Konkurrenz nach ein paar Jahren ausgestaunt hat, könnte das für das Porsche-Museum durchaus zum Vorteil werden.

In der Tradition der klassischen Moderne bewegt sich schließlich das Siegerprojekt für den neuen Bahnhof in Brünn. Das ist kein Zufall, ist die Architektur des frühen 20. Jahrhunderts durch die Brünner Funktionalisten und das Haus Tugendhat von Mies van der Rohe immer noch identitätsstiftend für die Stadt. Das Wiener Architektenteam mit teilweise tschechischen Wurzeln - Eva Ceska, Friedrich Priesner, Jiri Vendl und Andreas Fellerer - legt einen eleganten Riegel mit Warteräumen und Sekundärnutzungen quer über die Bahnsteige, unter denen sich eine Verteilerebene mit den lokalen Verkehrsanschlüssen befindet. Ein Hochhaus akzentuiert den Bahnhofsplatz und bildet den Auftakt für die städtebauliche Entwicklung in Richtung Stadtzentrum. Die ruhige, funktionalistische Sprache ist der Aufgabe und dem Ort angemessen, und die Architekten haben in ihren bisherigen Arbeiten bewiesen, dass in dieser unspektakulären Sprache durchaus zu substanziellen Aussagen fähig sind.

Stilistisch haben diese vier Projekte wenig miteinander zu tun. Die gemeinsame Marktnische, die sie besetzen, heißt Qualität. Dass österreichische Architektur international ein wichtiger Imagefaktor ist, wird kaum mehr bestritten. Dass sie auch im Export relevant ist, muss sich erst bestätigen. Eine letztes Jahr von Robert Krapfenbauer, dem Präsidenten der Architekten- und Ingenieurkammer, mitbegründete Arbeitsgemeinschaft „Planungs- und Beratungsexport“ argumentiert, dass jeder Euro Planungsleistung das Siebenfache an zusätzlicher Wertschöpfung im Export bringt. Anerkennung als Wirtschaftsfaktor hätte die Baukultur jedenfalls verdient.

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