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Schwäbische Avantgarde
Neue Zürcher Zeitung

Der Architekt Thomas Wechs in einer Augsburger Ausstellung

6. Juli 2005 - Jürgen Tietz
Wie zwei steile Pyramiden ragen die beiden Türme von St. Don Bosco in den Himmel und markieren den Eingang der Kirche in Augsburg- Herrenbach. Ungewöhnlich an diesem kraftvollen Kirchenbau ist nicht nur das Betongeflecht der Türme, sondern auch der Kuppelraum im Inneren: Der zwischen 1960 und 1962 in Sichtbeton ausgeführte Zentralraum nahm die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils gleichsam vorweg. Deshalb zählt St. Don Bosco heute zu Recht zu den wichtigsten Kirchenbauten, die nach 1945 in Süddeutschland entstanden sind. Doch sein Architekt Thomas Wechs (1893-1970) war nicht nur als Kirchenbaumeister erfolgreich. Insgesamt 329 Nummern umfasst das Werkverzeichnis, das jetzt in einem umfangreich illustrierten Katalog erschlossen wird. Präsentiert wurde er jüngst anlässlich der Eröffnung einer sehenswerten Schau im Architekturmuseum Schwaben in Augsburg. Anhand zahlreicher originaler Fotografien, Zeichnungen und Architekturmodelle aus dem Nachlass von Wechs ermöglicht sie einen Einblick in Wechs' umfangreiches Werk.

Den Durchbruch schaffte der Schüler von Theodor Fischer mit dem Münchner Kriegerdenkmal, das er gemeinsam mit Eberhard Finsterwalder und dem Bildhauer Karl Knappe in mehreren Bauphasen in den zwanziger Jahren verwirklichte. Die aus kubischen Steinblöcken zusammengesetzte Anlage, welche mit viel Sensibilität in die Gartenanlage des Münchner Hofgartens eingefügt wurde, gilt als eines der wenigen Kriegerdenkmale der Moderne in Deutschland. In Augsburg verwirklichte Wechs als selbständiger Architekt mit den Siedlungen Schubert- und Lessinghof um 1930 zwei Beispiele für zeitgenössischen Wohnungsbau, die den Siedlungsbauten in Berlin oder Frankfurt in nichts nachstanden. Zeitgleich entstanden seine ersten Kirchen. So die an Rudolf Schwarz' Vorbild orientierte Heiligkreuzkirche in Oberpfaffenhofen und die als Betonskelettbau ausgeführte Kirche St. Wolfgang in Augsburg.

Der bekennende Katholik Wechs, der sich entschieden der Moderne verpflichtet fühlte, erhielt im Dritten Reich nur wenige Aufträge. Dennoch konnte er auch nach 1933 einige Kirchenbauten verwirklichen, die nun durch eine konservative Formensprache geprägt waren - bis hin zu dem erst nach 1945 fertiggestellten trutzig wehrhaften Ziegelbau St. Judas Thaddäus in Augsburg. Zwar befasste sich Wechs auch nach 1945 weiter mit Wohnhäusern, doch nun rückte die Sakralarchitektur ganz in den Vordergrund. Die zumeist als Wegkirchen ausgeführten Gotteshäuser waren streng auf den Altar hin ausgerichtet. Erst nach und nach wandte er sich auch dem Zentralbau zu. Eine wichtige Zwischenstufe auf dem Weg zu dem reinen Zentralbau St. Don Bosco stellte dabei die Kirche St. Maria Königin des Friedens in Lindau-Zech (1954/58) mit ihrem segmentförmigen Grundriss dar.

Als einem Vertreter der architektonischen Moderne gelang es Wechs durch die kunstvoll- asymmetrische Staffelung der Baukörper immer wieder, nicht nur im Inneren seiner Bauten, spannungsvolle Räume zu schaffen. Dabei nahm er in den fünfziger und sechziger Jahren gerne Motive aus der Vorkriegszeit auf, um sie weiterzuentwickeln. Wechs' «schwäbische Avantgarde» gehört damit zu den Bausteinen jener vielschichtigen und lokal differenzierten Architekturlandschaft der Moderne in Deutschland, die erst in den letzten Jahren etappenweise von der Forschung aufgearbeitet wurde. Dazu liefert die Augsburger Ausstellung einen wichtigen Beitrag.

[ Bis 14. August im Architekturmuseum Schwaben Augsburg. Katalog: Thomas Wechs 1893-1970. Architekt der Moderne in Schwaben. Hrsg. Winfried Nerdinger. Verlag Dietrich Reimer, Berlin 2005. 348 S., Fr. 100.- (Euro 59.- in der Ausstellung). ]

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