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Geparkter Buchs am Börsenplatz
Geparkter Buchs am Börsenplatz, Foto: Udo Weilacher
Geparkter Buchs am Börsenplatz, Plan: Udo Weilacher

Als in Lyon das Palais du Commerce, erbaut von René Dardel, im August 1860 von Napoleon III. feierlich eröffnet wurde, galt der Prunkbau als Sinnbild für den Erfolg kaiserlich-liberaler Wirtschaftspolitik und als Lobpreisung des Glanzes der 2. Republik. Damit die opulent verzierte Nordfassade des Bauwerks richtig zur Geltung kommen konnte, schuf man im dichtbebauten Stadtgefüge einen kleinen Vorplatz, die Place de la Bourse.

3. Oktober 2002 - Udo Weilacher
Drei Republiken später geriet die Handels- und Bankenstadt infolge des Golfkrieges von 1991 wieder einmal in eine wirtschaftliche Stagnationsphase, und das hatte nicht nur für die Place de la Bourse, sondern für das gesamte Stadtbild von Lyon gravierende Folgen: Man nutzte die Pause im Bauboom, um 1992 den Entwicklungsplan «Lyon 2010» zu beschliessen. Damit verfolgte man das ehrgeizige Ziel, die Attraktivität der Stadt deutlich zu steigern, ohne die vorhandenen städtebaulichen und architektonischen Qualitäten zu gefährden.

Die Um- und Neugestaltung der innerstädtischen Freiflächen zählte neben dem Plan zur Behandlung der Flussufer und dem Beleuchtungsplan zu den wichtigsten Massnahmen. Viele der einst so attraktiven städtischen Plätze, wie die Place de la République, die Place Antonin Poncet, die Place des Terreaux oder die Place de Célestine, sowie die Fussgängerzone Rue de la République waren mittlerweile - wie in den meisten Grossstädten Europas - zu tristen Parkplatzflächen verkommen.

Keiner der heute so attraktiven Plätze in der historischen Stadtmitte von Lyon wäre ansprechend zu gestalten gewesen, hätte man den ruhenden Verkehr nicht konsequent in unterirdische Parkgaragen verbannt. Für mehr als 3000 Autos mussten deshalb zentrumsnahe Tiefgaragenplätze geschaffen werden, und selbst dabei legte man noch auf architektonische Gestaltung grossen Wert. An der Place de Célestine, anspruchsvoll umgewandelt von den Landschaftsarchitekten Michel Desvigne und Christine Dalnoky, kann der Besucher heute durch ein Periskop des Künstlers Daniel Buren einen interessanten Blick in die Unterwelt werfen und sieht keineswegs nur eine zweckmässig beleuchtete Blechlawine.

Auch unter der neu gestalteten, 2150 m² grossen Place de la Bourse, einem Projekt des französischen Landschaftsarchitekten Alexandre Chemetoff, befinden sich 560 unterirdische Stellplätze. An der Oberfläche «parken» hingegen in sieben parallelen Reihen zwischen der Rue de la Bourse und der Rue de la République 126 kugelig geschnittene Buchsbäume in überproportionierten Tontöpfen. Die Töpfe werden über Öffnungen im Boden automatisch bewässert und signalisieren deutlich, dass sich unter der Oberfläche des innerstädtischen Platzes kein gewachsener Boden befindet.

Das Bekenntnis zum städtischen Charakter der Freiräume und die Ablehnung vordergründig dekorativer Naturimitationen zur Kaschierung technischer Bauten im Untergrund kennzeichnet alle neuen Plätze in Lyon. Mit Ausnahme der Place de la Bourse wurde zudem auf die intensive Begrünung der erneuerten Stadträume weitgehend verzichtet. Dadurch kommen die charakteristischen Raumproportionen und die prächtigen Hausfassaden besonders zur Geltung.

Gerade im Kontrast zu den Stadträumen erlebt man die Grünflächen der Stadt, die Baumkulissen entlang den Flussläufen und die Parklandschaft am Fuss der Kathedrale, besonders intensiv. In gleicher Weise wirkt die Place de la Bourse im Gefüge der zurückhaltend begrünten Umgebung wie eine wertvolle, überraschend grüne Ruheinsel mitten in der Stadt.

Ein leise sprudelnder Brunnen, ausgeführt als einfacher massiver Granitblock, wurde am Rand der ruhigeren Rue de Bourse auf die Granitplattenfläche des Platzes gesetzt und spiegelt mit seiner quadratischen Wasseroberfläche bewegte Lichtreflexe in die Baumkronen der Ahorne. Die Bäume wachsen nur am Nordrand des Platzes, wo in der Konstruktion der Tiefgarage entsprechend dimensionierte Pflanztröge integriert wurden. Chemetoff legte Wert darauf, die Pflanzen der Höhe nach gestaffelt so zu setzen, dass sie die Fassade der Handelskammer nicht verdecken. An dieser Schaufassade wurden niedrigwüchsige Felsenbirnen und geschnittene Kirschlorbeerhecken in lineare Pflanzbeete gesetzt.

Die frei wachsenden Baumkronen stehen in lockerem Kontrast zu den streng geschnittenen Buchsbäumen und Heckenbändern. In diese wurden immer wieder Nischen eingefügt, wo Parkbänke die Passanten zum Sitzen einladen. Wenn es Nacht wird in Lyon, zeigt sich, mit welchem Erfolg der Beleuchtungsplan umgesetzt wurde: An den schönsten Plätzen der Stadt verzichtete man auf grelle Schaufensterbeleuchtungen zugunsten einer unaufdringlichen, gezielten Illumination der prächtigen Gebäudefassaden. An der Place de la Bourse erstrahlt die Schauseite von René Dardels Prachtbau in gedämpftem Licht, und Bodenstrahler auf dem Platz sorgen für stimmungsvolle Beleuchtung des Grüns.

Der gelungenen Zusammenarbeit von Architekten, Landschaftsarchitekten, Künstlern und Ingenieuren ist es zu verdanken, dass die innerstädtische «Mission presqu’île» für das historische Stadtzentrum so erfolgreich war. Heute gilt Lyon international als Vorbild für gekonnte innerstädtische Freiraumgestaltung

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