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Zwischen allen Stühlen
Der Standard

Gemeinsam mit dem Wiener Friedrich Kiesler-Zentrum realisieren die Wittmann Möbelwerkstätten eine Re-Edition zweier Möbelstücke des Architekten, Designers, Theoretikers und Bühnenbildners Friedrich Kiesler

8. November 2002 - Michael Hausenblas
Friedrich Kiesler wurde 1890 in Czernowitz geboren, starb 1965 in New York und bereicherte die Welt der Architektur, des Design, des Bühnenbilds und der Ausstellungsgestaltung mit ganz außergewöhnlichen Arbeiten. Dabei ist Kiesler eigentlich eher unbekannt, zumindest in heimischen Gefilden. Dass sich das ändert, daran arbeitet vor allem das Friedrich Kiesler-Zentrum im Wiener Museumsquartier, das dieser Tage in den Möbelwerkstätten Wittmann einen besonders aktiven Mitstreiter fand.

Der Gestalter, der von 1908 bis 1913 an der Akademie der bildenden Künste und der Technischen Hochschule in Wien studierte und 1926 nach New York ging, sitzt in Sachen Stilrichtung zwischen allen Stühlen. Kuratorin Tulga Beyerle, die vom Kiesler-Zentrum zu einem Forschungsprojekt eingeladen wurde, meint: „Kiesler passt in kein Schema, sein enormes künstlerisches Potenzial ist weit von Eindimensionalität entfernt, seine Ansätze sind in jeder Beziehung universell und gehen weit über reine Funktionalität hinaus.“ Schnell erkennt man, dass Kieslers Arbeiten stets von einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung mit Kunst und der Welt der Gestaltung geprägt sind.

Im so genannten Kiesler-Display 02 im „quartier 21“ des Museumsquartiers lässt sich dies nun überprüfen. Zwei seiner Möbelentwürfe, das so genannte Correalistische Möbel und der Rocker, waren nie in Serie gegangen. Bis jetzt. Die Möbelwerkstätten Wittmann, selbst Stiftungsmitglied der Kiesler-Stiftung, produzieren von nun an auf Bestellung die beiden ungewöhnlichen Möbelstücke, die Produktion weiterer Entwürfe des Gestalters ist angedacht.

Dem Correalistischen Möbel liegt Kieslers Idee, nein Überzeugung, zu Grunde, dass Elemente in einem Raum und innerhalb ihrer Umgebung sich in einer gegenseitigen Spannung befänden. „Nur wenn ein Objekt der Kunst, aber auch der Architektur oder des Designs, in dieser Spannung korreliert, somit in Entwurf und Umsetzung das Verständnis für diese fortwährende Spannung vorhanden ist, kann es als ein vollkommenes Objekt wahrgenommen werden“, sagt Tulga Beyerle über Kieslers correalistisches Manifest.

Die Möbel waren erstmals im Jahre 1942 zu sehen, als Kiesler von Peggy Guggenheim damit beauftragt wurde, ihre New Yorker Galerie „Art of this Century“ zu gestalten. Beide Objekte, das Correalistische Möbel wie auch der Rocker, sind eine kurvige Angelegenheit; sie lassen sich drehen und wenden und wachsen wie riesige Knochen aus dem Boden. 18 verschiedene Verwendungsmöglichkeiten des Objekts führte Kiesler selbst an und sprach von Sesseln, Podesten, Tischen etc.

Der Begriff organisches Design drängt sich auf bei Entwürfen, die fünfzig Jahre und länger vor den Großmeistern dieser Disziplin, Marc Newson und Ross Lovegrove, erdacht wurden. Doch die Bezeichnung des Organischen für die Arbeiten Kieslers scheint zu flach, der Zusammenhang mit dem Menschen, seiner Bewegung, seiner Formen und der seiner Umwelt soll auch in diesen Objekten fassbar werden, nein viel mehr, einander bedingen, also korrelieren.

Sein universeller Ansatz, sein unbedingter Bezug zur menschlichen Komplexität mag auch der Grund gewesen sein, warum er die Verehrung von Gestaltern wie Mies van der Rohe, Walter Gropius und all diesen Götter der Moderne nicht nur nicht teilen konnte, sondern diese Größen auch angriff. Auch unzählige Fights mit dem amerikanischen Patentamt sind bekannt. Lediglich seine Nähe zu den Surrealisten und Leuten wie Richard Buckminster Fuller (1895-1983), dem großen Wegbereiter moderner Architektur, zeugt von Anerkennung. „Schließlich“, so Beyerle, hat auch der umfangreiche Lösungen für die ganze Welt gesucht."

1926 emigrierte Kiesler nach New York. Ein späterer, heimatlicher Bezug zu Österreich bleibt fraglich. Beyerle, auch Lehrbeauftragte an der TU-Wien sowie Partner der Kunst-Consulting GmbH namens „section.a“, schätzt den Gestalter aufgrund mannigfaltiger Lektüre von Briefen und Dokumenten diesbezüglich nicht als nostalgisch ein. Dafür aber als extrem überschäumend, interessiert, selbstironisch humorvoll und als exzellenten PR-Mann in eigener Sache. In New York war Kiesler ein Star. Ausstellungen wie die seines „Endless House“ aus den Jahren 1958 / 59 im Museum of Modern Art belegen dies. Und auch heute werden bei Auktionen für Objekte von Kiesler hohe Preise erzielt, so legte ein Sammler jüngst einen Haufen Geld für den „Nasting Table“ ab, ein Tischsystem aus den 30er-Jahren, bei dem sich mehrere Tische aneinander kuscheln können.

Dass er auch in Österreich wiederentdeckt wurde, sei das Verdienst von Leuten wie etwa Hans Hollein, so Beyerle. Und natürlich des Friedrich Kiesler-Zentrums in Wien, das über 2500 Arbeiten auf Papier sowie an die 1000 Fotos und viele Dokumente zu Leben und Werk Kieslers erwerben konnte. Auch die umfassende Korrespondenz Kieslers mit Persönlichkeiten wie Marcel Duchamp, Piet Mondrian, Theo van Doesburg, Max Ernst, Hans Arp, Peggy Guggenheim und anderen wird hier bewahrt.

Wichtig zu erwähnen ist neben der Bibliothek, der Dokumentation, der Forschungsarbeit sowie der regen Ausstellungstätigkeit des Zentrums der Friedrich-Kiesler-Preis für Architektur und Kunst, einer der höchst dotierten Auszeichnungen dieser Art, die von der Stiftung gemeinsam mit der Republik Österreich und der Stadt Wien ausgerufen wurde. Circa 55.000 Euro sind im Topf. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben, den ersten hat der Architekt Frank O. Gehry im Jahre 1998 abgeräumt, am 9. Dezember wird die Auszeichnung an den 1934 geborenen, britischen Architekten Cedric Price verliehen.

[Möbel von Friedrich Kiesler im Kiesler-Display 02 / quartier21 / MuseumsQuartier. Infos: Friedrich Kiesler-Zentrum, Museumsplatz 1, 1070 Wien, Tel. 01 / 5130775, www.kiesler.org oder bei Wittmann unter 02735 / 2871]

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