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Durchdringung
Neue Zürcher Zeitung

Klaus Kinolds Photographien der Bauten Karljosef Schattners

16. April 2003 - Jürgen Tietz
Der Architekt Karljosef Schattner und das bayrische Eichstätt sind ein fast symbiotisches Verhältnis miteinander eingegangen. Wie ein roter Faden ziehen sich die Um- und Neubauten des Diözesanbaumeisters durch den Stadtplan. Über dreissig Jahre bekleidete Schattner diese Funktion, von 1957 bis 1991. Eine lange Zeit, in der nicht nur viele Häuser aus seiner Hand entstanden sind, sondern - was wichtiger ist - vor allen Dingen gute Häuser: Es sind Bauten mit Vorbildcharakter, deren Bedeutung weit über den engen Kreis der alten bischöflichen Residenzstadt hinausgeht. Bauten, die den Beweis dafür antreten, dass moderne Architektur nicht der Feind historischer Altstädte sein muss, dass es sich lohnt, kreativ und behutsam mit alten Bauten umzugehen. Bauten wie das Bürogebäude der Universität (1980), das sich mit Satteldach und Sichtbetonfassade in die Strassenbebauung einfindet, das Alte Waisenhaus (1988), dessen Bestand repariert wurde und dessen rückwärtige Renaissancefassade heute geschützt hinter einer neuen Fassadenschale aus Beton liegt. Oder die Bibliothek (1980), deren Lesesaal einst ein Hof war.

Immer wieder überzeugt der kunstvolle Charakter von Schattners Häusern, wie im Fall des 1987 vollendeten Lehrstuhls für Journalistik: Zwei Wandscheiben fassen den Eingang ein, ein Portal, das in seiner reduzierten skulpturalen Qualität die barocken Bauten, von denen es gerahmt wird, nicht scheuen muss, ohne ihnen dabei zu nahe zu treten oder ihnen Konkurrenz zu machen. Für die Qualität dieser Projekte spricht die Tatsache, dass ihre Architektur auch nach zwanzig Jahren noch immer gut anzuschauen ist. So kann man sie wohl bedenkenlos als klassische Lösungen bezeichnen.

In einem bemerkenswerten Bildband hat der Birkhäuser-Verlag jetzt Klaus Kinolds Schwarzweissphotographien der Bauten Schattners zusammengestellt. Photographien, die Zeugnis von der intensiven Zusammenarbeit zwischen Architekt und Photograph ablegen. Gefühlvoll fangen Kinolds Bilder das Wechselspiel zwischen Neu und Alt ein, wählen mit genauem Blick das richtige Detail aus und erforschen die Räume, die die Architektur Schattners bildet. In Kinolds Bildern durchdringen sich Photographien und Architektur und ergänzen einander. So wie in dem Exerzitien- und Bildungshaus Schloss Hirschberg, zwischen 1987 und 1992 von Schattner umgebaut und erweitert, dessen Gästezimmer mit Kinolds Photographien von Schattners Bauten ausgestattet wurden. Dort lag die Keimzelle zu dem vorliegenden Buch, dessen Konzept so schlüssig ist, so unmittelbar, dass es zusätzlich zu Kinolds Bildern nicht vieler Worte bedarf: ein kurzer einleitender Essay von Max Bächer, einige verstreute Sentenzen zur Architektur und ein kurzes Nachwort des Herausgebers Jean Wolfgang Stock. So wenig, so viel. Wie Schattners Architektur.


[Karljosef Schattner - Klaus Kinold. Architektur und Fotografie. Hrsg. Jean Wolfgang Stock. Birkhäuser-Verlag, Basel 2003. 166 S., 114 Duoton-Abb., Fr. 75.-.]

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