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Elf Tonnen heiße Luft
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Architektur als Skulptur, Mar-keting als Malerei und Geldverdienen als Kunst. Eine Aus-stellung im Museum Moderner Kunst verwischt die Grenzen zwischen den Disziplinen. Im Mittelpunkt: eine Bronzeskulptur, die Museum werden will.

22. April 2006 - Christian Kühn
Plamen Dejanoff, 1970 in Sofia geboren, ist ein Meister der schwerelosen Kunst. Seine bekannteste, zusammen mit Swetlana Heger entwickelte Arbeit stammt aus dem Jahr 1999: Die beiden Künstler vereinbarten mit dem BMW-Konzern, alle Flächen, die sie im Zeitraum eines Jahres in Ausstellungen und Katalogen zur Verfügung haben würden, an BMW zu vermieten, um im Gegenzug einen fabrikneuen Z3-Roadster zu erhalten. Im Kunstverein München, wo ihr Ausstellungsbeitrag präsentiert werden sollte, wurde von BMW ein Präsentationsstand mit allen für solche Zwecke üblichen Werbemedien eingerichtet. Wie erhofft, kam es zu einem moderaten, aber doch imageträchtigen Skandal: Der Direktor der Kunsthalle ließ den Stand zuerst entfernen, dann nach Protesten wieder aufstellen, ergänzt um eine Tafel, in der sich die Kunsthalle vom Ausstellungsobjekt distanzierte. Der Z3 wechselte den Besitzer und wurde, durch die Aktion mit einer besonderen Aura geadelt, schließlich von einem Museum als Kunstwerk angekauft.

Was die Kunstszene in diesem Fall aufschreckte, war nicht die Implantierung von alltäglichen Objekten in einen musealen Kontext - die hat Marcel Duchamp schon vor bald 100 Jahren vorexerziert -, sondern der ostentative Kurzschluss zwischen den Praktiken der Kunstwelt und der Warenwelt. In den 1990er-Jahren waren die Grenzen zwischen diesen Welten in zweierlei Hinsicht fließend geworden: einerseits durch den vermehrten Einfluss des Sponsorings auf den Kunstbetrieb, andererseits durch die Tatsache, dass sich Waren immer weniger durch ihren Gebrauchswert und immer mehr durch ihren symbolischen Wert zu definieren begannen. Zwischen den Marken Nike und Picasso besteht aus dieser Perspektive kein Unterschied: Der eigentliche Wert liegt nicht in objektiven Qualitäten, sondern im Branding, ganz gleich, ob es sich dabei um einen Turnschuh handelt oder um ein Ölbild.

In seiner aktuellen Ausstellung im Wiener Mumok spielt Plamen Dejanoff mit beachtlichem Einfallsreichtum auf der Klaviatur dieses Themas. Da finden sich Keramikfiguren in Form von M&M-Männchen in unterschiedlichen Variationen, auf deren Rücken unübersehbar der Schriftzug „Dejanoff“ prangt. Ein Highlight der Ausstellung ist ein schwarzer Porsche Cayenne, geparkt vor einer Sammlung kleiner Glasautomobile, die Dejanoff in Kleinserie herstellen ließ und hier in einer Anzahl aufgebaut hat, deren Marktwert abzüglich der Herstellungskosten genau dem Wert des Cayenne entspricht. Vor dem Porsche, der Dejanoff nach der Ausstellung überlassen wird, baumelt an langen Elektrokabeln eine Wiese aus beleuchteten Holzblumen von der Decke, die das ganze Ensemble samt Keramikfiguren auch als idyllisches Wunschterzett von Auto, Eigenheim und Gartenzwergen lesbar machen. Wenn Dejanoff die Geschichten zu seinen Objekten erzählt, bleibt offen, wie viel davon Realität und wie viel frei erfunden ist. Der Witz der Inszenierung besteht im diskursiven Abwägen des künstlerischen Gewichts heißer Luft.

Das eigentliche Zentrum der Ausstellung bildet allerdings ein Objekt von beachtlichem Eigengewicht, ein Käfig aus Bronzegittern mit fünf Türöffnungen, insgesamt elf Tonnen schwer. Das Objekt ist ein erster Teil eines kleinen Museums, das Dejanoff in Bulgarien als Dependance des Mumok errichten lassen will. Der Standort dafür liegt in der Altstadt von Veliko Tarnovo, vom 12. bis zum 14. Jahrhundert Hauptstadt Bulgariens und nach Konstantinopel die zweitwichtigste Stadt des Balkans, bis sie schließlich 1393 von den Osmanen zerstört wurde. Le Corbusier skizzierte die Stadt auf seiner Reise in den Orient.

Dejanoff tritt in Veliko Tarnovo in der Rolle eines Künstlers als Sammler auf, der das sammelt, was üblicherweise ihn in einen Rahmen stellt, nämlich Kunstinstitutionen.

Im historischen Kern der Stadt hat Dejanoff einige Häuser geerbt und weitere erworben, die als Dependancen von Kunstakademien, Galerien und Museen dienen sollen. Für die Sanierung und Neugestaltung konnte eine Reihe von jüngeren Architekten gewonnen werden, Kühn/Malvezzi und Grüntuch/Ernst aus Berlin, Gruppo A12 aus Mailand und Cocktail aus Lyon. Als Pilotprojekt für eine Dependance des Mumok ist ein erstes Projekt von Gerold Wiederin entstanden, dessen Pläne auch in der Ausstellung zu sehen sind.

Nach Bedenken des bulgarischen Denkmalamts, das eine Anknüpfung an lokale Bautraditionen verlangte, ohne diese genauer zu spezifizieren, suchte Dejanoff in Kooperation mit den Wiener Architekten Erich Hubmann und Andreas Vass eine eigene Annäherung an diese Tradition. Hubmann und Vass sind für Sondereinsätze im historischen Kontext einschlägig qualifiziert: Nach der 1997 realisierten neuen Zugangslösung für die Alhambra in Granada (zusammen mit Peter Nigst) haben sie 2002 den Wettbewerb für eine ähnlich komplexe Aufgabe für das Schloss Rivoli in Turin gewonnen, mit deren Umsetzung heuer begonnen wird.

Mit ihrem Projekt für Veliko Tarnovo haben Dejanoff, Hubmann und Vass dem Denkmalamt kein Gebäude geliefert, sondern einen selbsttragenden Baukasten aus einem traditionellen Material (Bronze) in einer traditionellen Form (angelehnt an Ornamente, die in der lokalen Architektur bei Wandvertäfelungen zu finden sind). In welcher Art dieses Gitter letztlich zum Einsatz kommen wird, ob als tragende Struktur oder doch als vorgesetzte Hülle, ist noch offen. Mit seinen elf Tonnen hat es jedenfalls eine Präsenz, die sich nicht so leicht wegdiskutieren lässt. Edelbert Köb, als Direktor des Mumok auf der Suche nach Sponsoren für das Projekt, ist optimistisch, auf dieser Grundlage die 150.000 Euro, die für die nächste Bauetappe nötig sind, bald auftreiben zu können. Einen Bilbao-Effekt wird das Projekt um diesen Betrag wohl kaum auslösen. Dass es einen positiven Beitrag zur kulturellen Entwicklung der Region leisten kann, steht aber außer Frage. Ob Plamen Dejanoffs Marktwert von einer so gut gemeinten, langfristig angelegten Investition profitieren kann, ist fraglich. Als autonomes Kunstwerk wäre die Bronzestruktur jedenfalls ein Mehrfaches dessen wert, was sie als Bauteil kostet. Aber vielleicht spekuliert Dejanoff ja darauf, dass das Guggenheim eines Tages das ganze Projekt wieder als eigenständiges Kunstwerk ankauft.

[ Die Ausstellung „Planets of Comparison“ von Plamen Dejanoff ist noch bis 21. Mai im Museum Moderner Kunst, Wien VII, Museumsplatz 1, zu sehen. ]

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