nextroom.at

Profil

Architekturstudium in Graz und Delft
Seit 1999 Arbeit als Architektin in Hamburg
Seit 2005 freie Architekturjournalistin in Wien
2009 – 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt
Seit 2022 Podcasterin: www.morgenbau.at

Lehrtätigkeit

2024 MSA Münster

Karte

Artikel

28. Februar 2023 newroom

Flanders Architectural Review N°15. Alliances with the Real

Ein Blick nach Flandern, der sich lohnt: Ein Jahrbuch, das mit einer Auswahl an aktuellen Bauten in Kombination mit Bild- und Textessays einen zeitgenössischer Architekturdiskurs aufspannt.

Die Architektur in Flandern findet schon seit Jahren viel Beachtung. Ihr Zugang ist immer wieder unkonventionell, überraschend und das Ergebnis oft bewundernswert gut. Gerade hier scheinen Architekten und Architektinnen wie Seismographen das Alltägliche zu vermessen und ohne Zwang in etwas Neues zu verwandeln. Eine Auswahl der jüngsten realisierten Bauvorhaben findet sich in der im Dezember 2022 erschienenen 15. Ausgabe der sehr empfehlenswerten Flanders Architectural Review.
Auf dem Cover des Buchs ist die Detailansicht einer Schule in Gent zu sehen. Sie liegt im Stadterweiterungsgebietes Oude Dokken, für das OMA den Masterplan entwarf. Xaveer De Geyter Architects entwarfen ein Schulgebäude mit dazugehörigen Frei- und Sportflächen, das Raum für bis zu 200 Kinder bietet. Es nimmt etwa die Hälfte des Grundstücks ein und überzeugt im Inneren durch eine sehr ausgeklügelte, aufs Minimum reduzierte Durchwegung. In den oberen Geschossen befinden sich die Sporthallen, die auch von außen unabhängig vom Schulbetrieb erreicht und genutzt werden können. Das Übereinanderstapeln der Freiflächen ist rundum gelungen: Ganz oben liegt der Fußballplatz, darunter ineinander übergehende Terrassen, die als Schulhof genutzt und mit Treppen oder sich entlang von grünen Beeten schlängelnden Rampen verbunden sind. Von hier oben hat man, eingerahmt von der Stahlträgerstruktur, einen wunderbaren Blick in das stetig wachsende Genter Quartier.

Aber auch wer entlang der Rückseite der Schule am Kanal entlangspaziert, kann durch das mit Ranken bepflanzte Stahlgerüst auf den ebenerdigen Schulhof schauen. Es ist wie im Theater. Die Schulglocke läutet, wie auf Knopfdruck springen die Volksschulkinder über die breite Treppe hinunter zu den Rollern, den Bällen und dem Sandkasten, der sich wie in einer Höhle unter der Treppe erstreckt.

Das Schulgebäude ist eines der Projekte, die für die Flanders Architecural Review Nr. 15 ausgewählt wurden. Herausgeber des alle zwei Jahre erscheinenden Architekturbuchs ist das Flanders Architecture Institute, das für den Auswahlprozess keine Mühen scheut. 400 Projekte wurden dafür eingereicht. Die Jury traf eine Vorauswahl, die dann alle besichtigt wurden von immer mindestens zwei Jurymitgliedern. Schlussendlich wählte die Jury 50 Projekte für die Publikation aus.

Alle Projekte im Buch sind mit Text, Bildern und Plänen vorgestellt. Zehn Essays und zwei Fotoessays zu Themen, die den Projekten und der heutigen Zeit eingeschriebenen sind, ergänzen den Band. So geht Sofie de Caigny unter dem Titel „History and Architecture“ auf den Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden näher ein. Die Leiterin des VAI schreibt in dem Beitrag über drei historische Gebäude in Antwerpen, die kürzlich restauriert bzw. ausgebaut wurden: das Rathaus, das Königliche Museum für schöne Künste Antwerpen und die Burg Steen am Scheldeufer. Damit überschreitet die Publikation die so wichtige Grenze einer reinen Präsentation von Projekten hin zu einer Publikation der zeitgenössischen Architekturdiskussion.

verknüpfte Publikationen
- Flanders Architectural Review N°15. Alliances with the Real

1. August 2022 Der Standard

Visionäres, Geträumtes und Gebautes

Eine großangelegte Retrospektive zeigt an vier Standorten in Kärnten das Werk des ArchitektenGünther Domenig. Anlass ist der zehnte Todestag des widerspenstigen Formgebers.

Weißes Haar, dunkle Gesichtshaut, ein hellwaches, spaßiges Funkeln unter bleischweren Lidern. Zwischen feingliedrigen Fingern glost eine Zigarette“, so beschreibt die Kärntner Schriftstellerin Anna Baar den vor zehn Jahren verstorbenen Architekten Günther Domenig. Erstmals ist nun eine umfassende Retrospektive über das Werk des 1934 in Klagenfurt geborenen Architekten zu sehen.

In der zu der Ausstellung erschienenen Publikation nähert sich Anna Baar seinem Werk über die Person. Nachvollziehbar, gibt es doch wenige Architekten, deren Eigenwilligkeit und Widerspenstigkeit sich so in ihren Bauwerken widerspiegeln. Domenig war jemand, der polarisierte, dessen Werk andere weit über die Grenzen hinaus beeinflusste und der schon zu Lebzeiten zu den wichtigsten Architekten Österreichs zählte.

Lebendige Erinnerung

Bis Mitte Oktober ist die Retrospektive Günther Domenig: Dimen sio nal, auf vier Standorte verteilt, in Kärnten zu sehen: in Klagenfurt im Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK) und im Architektur Haus Kärnten sowie in zwei seiner Bauten, dem Steinhaus am Ossiacher See und am Ort der ehemaligen Landesausstellung, der Heft in Hüttenberg.

Das Kuratorenteam um Andreas Krištof von section.a und Raffaela Lackner vom Architektur Haus Kärnten will mit der Ausstellung das Werk Domenigs neu verorten und in die Jetztzeit holen. Auch sie wählen den Weg der vorsichtigen Annäherung, des respektvollen Sichherantastens. Besonders aufschlussreich ist der Besuch seiner Bauten am Ossiacher See und in Hüttenberg, die Ausstellungsort und Exponat zugleich sind.

Hier spürt man, dass es richtig ist, sich gerade jetzt mit der Person und dem Werk Domenigs zu beschäftigen. In einer Zeit, in der die Architekturproduktion mehr denn je von Zahlen und rationalen Überlegungen geprägt wird, sich mit einer Architektur zu beschäftigen, die körperlich berührt, die durchaus auch irritiert. Die Ausstellung kommt aber auch zum richtigen Zeitpunkt, weil sie seinen Bauten, allen voran dem Bau in Hüttenberg, das Überleben sichern kann.

Opus magnum Steinhaus

Am besten beginnt man mit der Ausstellungstour in Klagenfurt im MMKK, um sich einen Überblick über das Œuvre Günter Domenigs zu verschaffen. Das Herzstück der Ausstellung ist sicherlich das Arbeitsmodell des Steinhauses. Wie um den Ort und die Aussage zu verdichten, hat hier der Künstler Peter Sandbichler die Decken mit Kartonagen tiefer abgehängt, einzelne Schlitze lassen die eigentliche Höhe des Raumes nur erahnen.

Der zweite Standort der Ausstellung, das Architektur Haus Kärnten, widmet sich der nächsten Generation. Denn Domenig war nicht nur Vertreter der Grazer Schule, sondern auch Professor für Wohnbau und Entwerfen an der TU Graz.

Nach dem Besuch in Klagenfurt geht die Fahrt zu seinem Opus magnum, dem Steinhaus am Ossiacher See, an dem Domenig fast 30 Jahre lang baute. Es ist ein Laboratorium aus Beton, Stahl und Glas. Es ist ein Haus, das an steinige Felsen erinnert und das den Nutzer mit seiner räumlichen Kraft und Poesie in seinen Bann zieht.

Wurde der Bau anfänglich aus allen Werbeprospekten wegretuschiert, kann man bei einer heutigen Reise nach Ossiach beobachten, wie sich die öffentliche Wahrnehmung gewandelt hat und wie sehr die visuelle Kraft des Ortes zu unserer Zeit passt. Auch Modefotografen und Instagrammer inszenieren sich und andere an diesem bildstarken Ort.

Die letzte und zugleich abgelegenste Station der Ausstellungstour ist die Heft in Hüttenberg, wo 1995 die Kärntner Landesausstellung stattfand. Günther Domenig erweiterte dafür das stillgelegte Eisenhüttenwerk und schuf ein faszinierendes Spiel aus Transparenz und Masse, aus Alt und Neu.

Störrischer Charakterkopf

Nach dem Ende der Landesausstellung fand sich keine Nachnutzung, der Ort verfiel in einen Dornröschenschlaf und wurde erst jetzt für die Ausstellung Günther Domenig: Dimensional wiedereröffnet. Vorher schon ein kraftvoller Ort, ist hier nun durch die Überlagerung mit der Natur eine ganz besondere Atmosphäre entstanden.

Zehn Jahre sind eine kurze Zeit, und der Verstorbene ist in der Erinnerung seiner Wegbegleiter noch sehr lebendig, an Anekdoten über den störrischen Charakterkopf herrscht kein Mangel. Das Land Kärnten hat die breit angelegte Mehrfachausstellung großzügig unterstützt, das Geld floss zum Teil auch in die Instandsetzung der Bauten. So konnte sowohl das Steinhaus saniert als auch die Heft wieder für Besucher zugänglich gemacht werden.

Bleibt zu hoffen, dass sich nach der Ausstellungszeit für die Heft eine zu dem Ort passende Nutzung finden lässt. Hier ist sicherlich viel Kreativität gefragt. Für einen weiteren wichtigen Bau von Günther Domenig, die Z-Sparkasse in Wien-Favoriten, ist dies gelungen. Nach langem Leerstand ist in den Bau mit der auffälligen, sich über dem Eingang wie ein Maul aufwölbenden Metallfassade nun ein türkisches Restaurant eingezogen. Eine glückliche Entwicklung, scheint der Ort doch nun endlich von der multikulturellen Bewohnerschaft des zehnten Wiener Gemeindebezirks in Besitz genommen zu werden.

Nicht nur die visuelle, auch die visionäre Kraft von Domenigs Werk ist bis heute ungebrochen. Passend dazu schrieb Friedrich Achleitner über Günther Domenig: „Was an diesen Arbeiten vielleicht noch mehr beeindruckt, ist die umgekehrte Blickrichtung, die von der Utopie in die Realität führt, das Vermögen, Träume in einem Feld der Verwirklichung zu verankern.“

„Günther Domenig: Dimensional“, Museum Moderner Kunst Kärnten, Architektur Haus Kärnten, Domenig Steinhaus, Heft/Hüttenberg, bis 16 Oktober.

11. Dezember 2021 Maik Novotny
Der Standard

Wahr, gut und schön

Gerade wurde der Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit verliehen. Die Preisträger und Nominierten sind Zeichen eines Paradigmenwechsels vom Neubau zum Umbau.

Das neue Bildungszentrum in Frastanz-Hofen schaut aus wie eine kleine Stadt. Lauter gleich anmutende Häuser mit Satteldach liegen versetzt zueinander und bilden dazwischenliegende begrünte Höfe. Für einen Ortsfremden sieht das alles wie neu gebaut aus. Der Ortskundige könnte auf den ersten Blick meinen, dass nur das alte Schulhaus neu gestrichen wurde. Tatsächlich stand hier schon immer eine Schule, die nun saniert und erweitert wurde. Es ist genau dieses Spiel aus Bekanntem und Unbekanntem, das den Schulbau so interessant macht. Am ungewöhnlichsten ist die Farbgebung: Von der Fassade über die Markisen bis hin zum Vorplatz ist alles in einen erdigen rot-braunen Farbton getaucht.

„Die Farbe polarisiert“, sagt Robert Hartmann, Bauamtsleiter der Marktgemeinde Frastanz. „Wir haben uns das getraut, weil wir finden, dass ein öffentliches Gebäude ruhig auffallen darf.“

Die Gemeinde wollte den Schulbau aus den 1950er-Jahren erhalten. Die Bausubstanz war gut, auch die Grundrisse mit den breiten Fluren und hohen Räume eigneten sich hervorragend für das neue Konzept, das die Pädagogen der Schule erarbeitet hatten. Doch die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs waren ernüchternd. Die Jury bat vier der teilnehmenden Architektenteams um eine Überarbeitung, zwei von ihnen durften danach noch ein drittes Mal antreten. Pedevilla Architekten bekamen den Auftrag, ihr Entwurf ging am meisten auf den Bestand ein.

Rückblickend sagt Armin Pedevilla, der das Südtiroler Büro gemeinsam mit seinem Bruder Alexander führt: „Der mehrmalig geäußerte Wunsch des Bürgermeisters, das bestehende Schulhaus mit seinem Satteldach zu erhalten, lässt das Gebäude zu dem werden, was es heute ist. Anders gesagt: Das Umgesetzte spiegelt den Geist der beteiligten Menschen wider.“ Auch Pedevilla Architekten hatten am Anfang ein Haus mit Flachdach entworfen und erst im Zuge der Überarbeitung das Satteldach als Gestaltungselement für sich entdeckt. Warum diese Dachform eine so große Bedeutung hat, erkennt man vor Ort. Die Schule passt sich in Form und Höhe gut in die dörfliche Struktur ein. Die Dachform dient mit der Farbgebung als Wiederkennungsmerkmal.

Emotional nachhaltig

Vierhundert Volksschüler, achtzig Kindergarten- und vierzig Kleinkinder gehen hier täglich ein und aus. „Wir sind nach wie vor von der neuen Schule begeistert“, sagt der Bauamtsleiter. „Jedes Mal, wenn ich dort bin, sehe ich, wie glücklich die Lehrer und Eltern sind.“ Wenn man das Gebäude betritt, meint man, in eine eigene Welt einzutauchen. Die Räume strahlen ein tiefes Wohlbehagen aus.

Wie kann das sein? Die Wände sind mit einem rot-braunen Kalkputz überzogen, der Fußboden ist aus sägerauer Weißtanne, Türrahmen und Mobiliar aus hellem Holz und die Akustikdecke aus einfachen Holzfaserplatten. Große Fenster holen viel Licht ins Innere. Die Räume im Obergeschoss erstrecken sich bis unter die spitz zulaufenden Dachfirste. Man bekommt Lust, über die Oberflächen zu streichen. Es ist eine Schule der Raumwahrnehmung und Sinnesschärfung, und das ganz ohne Zwang.

„Wir konzipieren jedes Projekt mit dem Anspruch, dass dem fertigen Gebäude eine Kraft innewohnt, die uns das Gefühl gibt, es erhalten zu wollen, weil wir es wertschätzen und es uns emotional berührt. Das ist für uns Nachhaltigkeit“, sagt Armin Pedevilla. Einen wesentlichen Anteil an dieser Wohnzimmeratmosphäre hat auch die Schulmöblierung. Anstelle einer Standardmöblierung, wie man sie von vielen Schulen kennt, entwickelten die Architekten gemeinsam mit einem Vorarlberger Tischler Möbel aus Ahornholz. Tische und Stühle gibt es in drei Größen, sie sind robust und leicht, sodass auch die Kinder sie anheben und verschieben können.

Der Gemeinde und den Architekten ist es gemeinsam gelungen, den Bestand weiterzuentwickeln und dabei seine Identität zu bewahren. Alle, die hier früher in die Schule gegangen sind, können den alten Schulbau im neuen wiederkennen. Genau darum geht es beim Weiterbauen.

5. Dezember 2020 Der Standard

Einfach robuster bauen

Drei Testhäuser in Deutschland – eines aus Beton, eines aus Holz und eines aus Ziegel – zeigen, wie man in Zukunft bauen sollte: ohne Styropor und Hightech, stattdessen dauerhaft und wohnlich.

Drei gleiche Wohnhäuser stehen im bayrischen Bad Aibling, einer Kleinstadt in der Nähe von Rosenheim. Dreigeschoßig, mit Giebeldach darauf und jeweils drei Wohnungen darin. Die Häuser sehen aber nur auf den ersten Blick gleich aus. Beim genaueren Hinsehen erkennt man Unterschiede: im Material, in der Fassade und bei den Fenstern. Beim mittleren Haus sind die Fenster rechteckig, bei den anderen haben sie einen Bogen, jedoch mit unterschiedlichen Radien.

Wer macht denn so was? Der Münchner Architekt Florian Nagler. Er hat hier die Ergebnisse eines Forschungsprojekts der TU München zum Thema „Einfach bauen“ umgesetzt und drei miteinander vergleichbare Testhäuser aus drei Materialien gebaut. „Die Gebäude, die wir heute bauen, werden immer komplexer in ihren Anforderungen an Haustechnik und Bautechnik. Das sind hochgezüchtete Häuser, die sehr fehleranfällig sind“, sagt Nagler. „Wir brauchen Systeme, die robuster und langlebiger sind und nicht an den Nutzern vorbeigeplant wurden.“

Mit diesen drei Häusern wollen er und seine Kollegen von der TU München zeigen, wie man robuster bauen kann. Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen, kann dies mit Zahlen belegen: „Eine Studie des Royal Institute of British Architects (RIBA) hat fast 60.000 Schulen in Europa untersucht und gezeigt, dass 95 Prozent der Gebäude nicht so funktionieren wie geplant. Das liegt an der Technik, der baulichen Komplexität und daran, dass zum Beispiel Sensoren nicht richtig angeschlossen sind oder nicht richtig messen. Und das akzeptieren wir“, sagt er kopfschüttelnd. Die Folgen dieser Komplexität sind eine hohe Fehlerquote in Planung und Ausführung sowie eine Überforderung von Bauherren und Nutzern.

Weniger fehleranfällig

Schon seit mehreren Jahren suchen Nagler und Auer gemeinsam mit anderen Professoren an der TU München und Partnern aus der Praxis eine Antwort auf die Frage, wie man bauen muss, damit Häuser länger halten. Nicht von ungefähr haben sie ihre Forschungsgruppe „Einfach bauen“ genannt. Sie sind davon überzeugt, dass die Häuser nur dann langlebiger sind, wenn diese mit weniger Technik auskommen und wenn die Wände nicht aus vielen verschiedenen Schichten, sondern aus möglichst einem Material bestehen.

Die Forschungsergebnisse konnten sie in Bad Aibling umsetzen. Wie Drillinge stehen die drei Häuser dort nebeneinander, ihre Außenwände bestehen aus jeweils einem einzigen Material: Eines ist aus Beton, eines aus Holz und eines aus Ziegel. Auf eine zusätzliche Dämmschicht konnte Nagler verzichten, da alle drei Materialien mithilfe von Lufteinschlüssen gut dämmen. Der Beton ist ein sehr leichtes und poröses Material, beim Hochlochziegel sind, wie der Name schon sagt, Löcher drin, und in die Massivholzplatten wurden Luftschlitze eingefräst. Die Häuser erreichen die gesetzlich geforderten Dämmwerte, aber keinen Niedrigenergiestandard und sind dennoch über den ganzen Lebenszyklus betrachtet nachhaltiger als viele Niedrigenergiehäuser, wie die Berechnungen der TU München ergeben.

Auch feine Unterschiede in den Fassaden ergeben sich aus der konstruktiven Einschränkung auf jeweils ein Material, die sich der Architekt im Hinblick auf das Forschungsprojekt selber auferlegte. Während man in die massive Holzplatte ohne weiteres gerade Fensteröffnungen einschneiden kann, benutzt man beim Bauen mit Beton und Ziegel normalerweise einen Sturz mit Stahleinlagen. Die Bogenform erlaubt es, darauf zu verzichten, der Radius ergibt sich durch die Anforderungen des jeweiligen Materials. Einfach war das nicht bei den Handwerkern durchzusetzen, erzählte Nagler, das handwerkliche Know-how dafür ist kaum mehr vorhanden. Das Einfache kann auch kompliziert sein.

Vorbild Lustenau

Zu diesem Forschungsprojekt inspiriert hat die Münchner übrigens ein Gebäude aus Österreich. In Lustenau baute Architekt Dietmar Eberle 2013 sein eigenes Bürogebäude: einen sechsgeschoßigen Kubus mit dem Namen 2226, bei dem er auf jegliche Lüftung, Kühlung und Heizung verzichtete. Er wählte 75 Zentimeter dicke Ziegelwände, um mit wenig Energie und wenig Technik auszukommen und ein lang haltbares Gebäude zu errichten.

Genau das war auch das Ziel in Bad Aibling. Die tief in der Laibung sitzenden Fenster zum Beispiel erlauben es, auf einen außenliegenden Sonnenschutz zu verzichten. Eine Heizung gibt es allerdings, und die Außenwände sind bei weitem nicht so dick wie die in Lustenau. Die Holzwand zum Beispiel hat lediglich eine Dicke von 30 cm und einen hervorragenden Dämmwert, schwärmt Nagler.

Doch mit der Dämmleistung der Außenwände alleine ist das einfache, robuste Bauen noch nicht absolviert, denn auch das Innenleben zählte. Über 2500 Raumvarianten wurden an der TU München im Hinblick auf Material, Raumhöhe, Raumgröße, Speichermasse und Fenstergröße durchgespielt. In diesen Simulationen zeigte sich, dass Raumkonfigurationen, wie aus den Gründerzeitbauten bekannt, optimal sind. Das heißt: gut proportionierte Räume mit einer Raumhöhe von mehr als drei Metern.

Diese Raumhöhe sei enorm wichtig für die Aufenthaltsqualität, die thermische Qualität und die Speichermasse, betonten Auer und Nagler bei einem gemeinsamen Vortrag an der TU Wien im November. „Über die Jahre hat das wirtschaftliche Diktat dazu geführt, dass die Räume niedriger geworden sind und damit die räumliche Qualität und der Komfort gelitten haben. Man hat lange versucht, diese Defizite über technische Systeme auszugleichen“, sagt Auer. Nun sei es an der Zeit, die Bauherren wieder vom Mehrwert hoher Räume zu überzeugen.

Fast archaisch

Das Erscheinungsbild der Häuser ist vom Duktus her eher simpel, man könnte auch sagen archaisch. So kann Architektur ausschauen, die zurück zu einer Einfachheit gefunden hat und langlebiger und nachweislich nachhaltiger ist. In München plant Florian Nagler übrigens bereits ein Folgeprojekt. Wieder sind es drei miteinander vergleichbare Bauten aus den drei Materialien Holz, Beton und Ziegel. Diesmal sollen die Häuser energieautark werden, weshalb die viergeschoßigen Studentenwohnheime besonders große Dächer bekommen, um ausreichend Platz für Fotovoltaikpaneele zu haben.

Auf die Frage, ob er sich als Architekt durch so eine reduzierte Bauweise nicht in seinen Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt fühle, antwortet Florian Nagler: „Ganz im Gegenteil. Ich empfinde das als befreiend. Man kann sich auf das Wesentliche in der Architektur konzentrieren: auf die Proportion, die Räume im Inneren und die Position der Fenster. Aber natürlich sind die Spielregeln anders, und man muss eine neue Architektursprache finden.“

[ Anne Isopp ist freischaffende Architekturjournalistin und -publizistin. Von 2009 bis 2020 war sie Chefredakteurin des Holzbau-Magazins „Zuschnitt“. ]

26. März 2016 Der Standard

Re­no­vie­ren mit Go­ril­la

Durch die ho­he Zu­wan­de­rung ist in den Städ­ten die Nach­fra­ge nach be­zahl­ba­rem Wohn­raum grö­ßer denn je. Wie aber kön­nen wir die Nach­fra­ge be­die­nen und gleich­zei­tig in­teg­ra­ti­ve bau­li­che Lö­sun­gen schaf­fen? Ein Sym­po­si­um in Mün­chen such­te da­rauf Ant­wor­ten.

Als Go­ril­las ver­klei­de­te Per­so­nen drin­gen in ein leers­te­hen­des Wohn­haus ein, lau­fen die Stie­gen hoch und ma­chen da­bei af­fe­nähn­li­che Lau­te. Ziel­stre­big be­tre­ten sie ei­ne der Woh­nun­gen und be­gin­nen dort auf­zu­räu­men und zu säu­bern. Sie rei­ßen al­te Fuß­bo­den­be­lä­ge raus, schlei­fen Fens­ter- und Tür­rah­men und strei­chen die Wän­de neu. Da­zu rappt ei­ne eben­falls als Go­ril­las ver­klei­de­te Band: „Ich glau­be, ihr reißt das Ding nicht ab, denn ir­gend­wie wirft das ein Scheiß­licht auf die Stadt! Wenn je­der merkt, es geht euch gar nicht ums Wohn­raum schaf­fen, son­dern eher ums Koh­le ma­chen.“

Tat­säch­lich hat­te die Stadt Mün­chen für die be­sag­te Im­mo­bi­lie im an­ge­sag­ten Gärt­ner­platz­vier­tel be­reits den Ab­riss­be­scheid aus­ge­stellt. Ins­ge­samt zwei leers­te­hen­de Wohn­häu­ser in der Mül­ler­stra­ße so­wie ei­ne Werks­tät­te im Hin­ter­hof die­ser Bau­ten soll­ten ei­nem In­ves­to­ren­neu­bau wei­chen. Ein Scheiß­licht auf die Stadt. Das Vi­deo mit den Go­ril­las, das der Stadt da­rauf­hin zu­ge­spielt wur­de, soll­te sie zum Ein­len­ken be­we­gen.

Zu se­hen war das Vi­deo zu­letzt vor zwei Wo­chen beim Mün­chner Sym­po­si­um „Flucht nach vor­ne“, zu der die Deut­sche Bun­des­stif­tung Bau­kul­tur und der Bund Deut­scher Ar­chi­tek­ten Bay­ern Ar­chi­tek­ten, Stadt­pla­ner und Po­li­ti­ker ein­ge­la­den hat­ten, um ge­mein­sam über das The­ma „Wo und wie sol­len Flücht­lin­ge woh­nen?“ zu dis­ku­tie­ren. Till Hof­mann, Chef des Mün­chner Lust­spiel­hau­ses und Mit­ini­ti­ator die­ser Gue­ril­la-Re­no­vie­rungs­ak­ti­on, er­zähl­te bei die­ser Ge­le­gen­heit, wie man mit der Ak­ti­on den Ab­riss der Häu­ser ver­hin­dern und da­mit für güns­ti­gen Wohn­raum kämp­fen wol­le.

Fik­ti­ve Im­mo­bi­lien­fir­ma

Ge­mein­sam mit dem Film­ema­cher Chris­ti­an Gan­zer und dem Jour­na­lis­ten Alex Rüh­le macht Till Hof­mann schon seit län­ge­rem mit der fik­ti­ven Im­mo­bi­lien­fir­ma „Gold­grund Im­mo­bi­lien“ auf Misss­tän­de auf dem Mün­chner Woh­nungs­markt auf­merk­sam. Bei der Woh­nungs­re­no­vie­rung wur­den sie von pro­mi­nen­ten Mün­chner Per­sön­lich­kei­ten un­ter­stützt – un­ter an­de­rem vom Fuß­bal­ler Meh­met Scholl, dem in­zwi­schen ver­stor­be­nen Ka­bar­et­tis­ten Die­ter Hil­de­brandt so­wie den bei­den Bands Sport­freun­de Stil­ler und Moop Ma­ma.

Tat­säch­lich führ­te das Vi­deo zu ei­ner De­bat­te um den städ­ti­schen Um­gang mit Leers­tand – und letz­tend­lich auch da­zu, dass die Stadt Mün­chen den Ab­riss­be­scheid zu­rück­zog und ge­mein­sam mit den Ak­ti­vis­ten ein Kon­zept für den Stand­ort ent­wi­ckel­te. Das war 2013.

Im Jän­ner die­sen Jah­res ha­ben die Ini­ti­ato­ren, die für das Pro­jekt mitt­ler­wei­le ei­ne So­zi­al­ge­nos­sen­schaft mit dem Na­men „Bel­le­vue di Mo­na­co“ grün­de­ten, die Ein­wil­li­gung der Stadt Mün­chen be­kom­men, die drei Häu­ser in der Mül­ler­stra­ße in Erb­bau­recht auf 40 Jah­re zu be­trei­ben. Nun be­gin­nen sie mit den Sa­nie­rungs­ar­bei­ten: Woh­nun­gen für jun­ge Flücht­lin­ge, für Fa­mi­li­en mit Fluch­thin­ter­grund so­wie ein Be­geg­nungs- und Ver­an­stal­tungs­zen­trum.

Beim Sym­po­si­um „Flucht nach vor­ne“ wur­den auch an­de­re vor­bild­haf­te Bau­pro­jek­te vor­ge­stellt, wie et­wa das „Vin­zi­Rast mit­ten­drin“ in Wien, ein Wohn­haus für ehe­ma­li­ge Ob­dach­lo­se und Stu­den­ten nach Plä­nen des Ar­chi­tek­tur­bü­ros gau­pen­raub +/–, so­wie ei­ne tem­po­rä­re Bre­mer Con­tai­ner­sied­lung der Ar­chi­tek­ten Feld­schnie­ders + Kis­ters. Die Vor­trä­ge und Dis­kuss­io­nen lie­ßen je­doch er­ken­nen, dass es längst nicht mehr da­rum geht, tem­po­rä­ren Wohn­raum für Flücht­lin­ge zu schaf­fen, son­dern um be­zahl­ba­ren Wohn­raum für al­le. Ge­ra­de in den Bal­lungs­zen­tren ist die Nach­fra­ge enorm. Lan­ge Zeit hat man in den deut­schen Groß­städ­ten die Au­gen da­vor ver­schlos­sen und auf die Leers­tän­de im Os­ten des Lan­des ver­wie­sen. Jetzt aber ist die Woh­nungs­not wie ein Bu­me­rang in die west­deut­schen Städ­te zu­rück­ge­kehrt.

Auch Mün­chen muss­te er­ken­nen, dass ihr der­zei­ti­ges Wohn­bau­pro­gramm nicht aus­rei­chen wird, der Nach­fra­ge nach leist­ba­rem Wohn­raum ge­recht zu wer­den, und star­te­te jüngst ein zu­sätz­li­ches Wohn­bau­pro­gramm un­ter dem Na­men „Woh­nen für al­le“. Bis 2019 will die Stadt in die­sem Rah­men zu den be­reits ge­plan­ten Wohn­bau­ten zu­sätz­li­che 3000 Woh­nun­gen er­rich­ten, 1000 da­von so­gar bis En­de des Jah­res. Ein gro­ßes Pro­blem sind – wie so meist – die feh­len­den Grund­stü­cke.

Woh­nen auf Stel­zen

„Wir ha­ben sämt­li­che Stadt­vier­tel nach mög­li­chen Bau­plät­zen durch­kämmt“, er­zähl­te Stadt­bau­rä­tin Eli­sa­beth Merk. „Denn wer fün­dig wer­den will, muss die Stadt auch un­ter neu­en Blick­win­keln be­trach­ten.“ Das er­ste Bau­pro­jekt im Zei­chen des neu­en Mün­chner Wohn­bau­pro­gramms ist dem­nach ein Haus auf Stel­zen. Nach­dem das Ge­bäu­de über dem Park­platz am Dan­te­bad er­rich­tet wird, sol­len da­durch nur „we­ni­ge Stell­plät­ze für die Stän­der und Trep­pen ver­lo­ren ge­hen“, wie es in ei­ner Mel­dung aus dem Mün­chner Rat­haus heißt.

Die grö­ße­ren, noch frei­en Grund­stü­cke lie­gen am Stadt­rand. Doch die Angst vor Ghet­toi­sie­rung ist in den gro­ßen Wohn­sied­lun­gen und Tra­ban­ten ei­ne gro­ße – zu Recht, meint Jür­gen Fried­richs. Seit Jahr­zehn­ten schon be­schäf­tigt sich der deut­sche So­zio­lo­ge mit städ­ti­schen Ar­muts­ge­bie­ten. Ak­tu­ell forscht er zum The­ma Flücht­lings­un­ter­brin­gung. Für Flücht­lin­ge brau­che man kei­ne oh­ne­hin schon be­nach­tei­lig­ten Vier­tel, son­dern ei­ne klein­räu­mi­ge Un­ter­brin­gung, sagt er. „Wenn der An­teil in ei­nem Wohn­vier­tel zehn Pro­zent über­steigt, dann ist mit Kon­flik­ten zu rech­nen.“

Fried­richs emp­fiehlt da­her das Prin­zip des „Pep­per-Pott­ings“. Dies ist ein stadt­so­zio­lo­gi­scher Fach­aus­druck, der für die rich­ti­ge Durch­mi­schung von Ei­gen­tums­woh­nun­gen und Woh­nun­gen für Ein­kom­mens­schwa­che in ei­ner Stra­ße steht – wie eben die rich­ti­ge Mi­schung von Pfef­fer­kör­nern auf ei­nem Ge­richt.

Im Gärt­ner­platz­vier­tel wer­den durch das Pro­jekt Bel­le­vue di Mo­na­co 14 Woh­nun­gen ge­schaf­fen. Bei dem drin­gen­den Be­darf an be­zahl­ba­ren Woh­nun­gen mu­tet das wie ein Trop­fen auf den hei­ßen Stein an. Und doch ist das Pro­jekt ein wich­ti­ger Bei­trag zur so­zia­len Durch­mi­schung in der Mül­ler­stra­ße. Ein paar Schrit­te wei­ter nur be­fin­det sich hier mit dem 2013 fer­tig­ge­stell­ten „The Se­ven“ ei­ne der lu­xu­riö­ses­ten Wohn­im­mo­bi­lien Mün­chens. 20 Mil­lio­nen Eu­ro sol­len al­lein für das Pent­hou­se be­zahlt wor­den sein.

24 Mil­lio­nen Eu­ro für nichts

„Im Vor­feld un­se­rer Gue­ril­la-Re­no­vie­rungs­ak­ti­on ha­ben wir in der Mül­ler­stra­ße ein fik­ti­ves Im­mo­bi­lien­pro­jekt ent­wi­ckelt und in ei­ner der Im­mo­bi­lien­such­ma­schi­nen ver­öf­fent­licht“, sagt Till Hof­mann von Bel­le­vue di Mo­na­co. „Die ober­ste Woh­nung ha­ben wir für 24 Mil­lio­nen an­ge­bo­ten. Für die ha­ben wir die meis­ten An­fra­gen be­kom­men.“

Durch Nut­zung der vor­hand­enen Leers­tän­de wird man die städ­ti­sche Woh­nungs­not kaum lin­dern kön­nen. Den­noch liegt in die­ser vor­hand­enen Bau­struk­tur ein Po­ten­zi­al für in­no­va­ti­ve und in­teg­ra­ti­ve Nut­zun­gen. Zwei in­ter­na­tio­nal viel be­ach­te­te Bei­spie­le gibt es in Ös­ter­reich ja schon: das Vin­zi­Rast mit­ten­drin und Mag­das Ho­tel im Wie­ner Pra­ter. Wir brau­chen mehr da­von.

23. November 2012 Der Standard

Matador für große Menschen

Der kürzlich eröffnete achtgeschoßige Holzturm „Life Cycle Tower One“ in Dornbirn ist Prototyp für ein neues nachhaltiges Bausystem im Wohn- und Bürobau

Immer wieder wird in der Architektur mit dem Hinweis auf das höchste oder größte Gebäude geworben. Zwar sind Höhe und Größe allein noch lange keine Qualitätskriterien, doch der LCT One in Dornbirn, der letzten Montag feierlich eröffnet wurde, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit Superlativen zu Neuem gelangen kann. Die Abkürzung steht für Life Cycle Tower, also Lebenszyklusturm, und der achtgeschoßige Bürobau darf sich offiziell das höchste Holz-Hybridhaus in Österreich nennen.

Turmes kleiner Bruder

Der aus Holz und Beton errichtete Arbeitsturm ist Resultat einer jahrelangen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Die erste Machbarkeitsstudie namens „acht plus, vielgeschoßiger Holzbau im urbanen Raum“, vorgestellt im November 2008, stammt von den beiden Architekten Michael Schluder und Peter Krabbe. Sie untersuchten darin die konstruktiven Möglichkeiten im Holzbau und kamen zu dem Schluss, dass man theoretisch bis zu 20 Stockwerke hoch in Holz bauen könnte.

Zur baulichen Realisierung gelangte schließlich ein achtgeschoßiger, kleiner Bruder in Passivhausqualität. Die Planung stammt vom Vorarlberger Architekten und unermüdlichen Holzverfechter Hermann Kaufmann, der die Entwicklung des ressourcenschonenden Holzbaus in Österreich schon seit Jahren antreibt. Auftraggeberin und Nutzerin des Gebäudes ist die Firma Cree, hinter der das Vorarlberger Bauunternehmen Rhomberg steht. Die Baukosten betragen nach Auskunft des Bauherrn vier Millionen Euro.

Ökologischer Fußabdruck

Der LCT One befindet sich auf dem ehemaligen Textilareal im Süden Dornbirns. Seine äußere Erscheinung ist bestimmt durch die schimmernde Aluminiumverkleidung sowie durch die vielen schmalen Fenster, die sich gleichmäßig über das Haus ziehen. Das Bemerkenswerte an diesem Turm ist aber nicht unbedingt die stringente Gestaltung. Es ist viel mehr die bautechnische Innovation, die sich dahinter versteckt. Mit acht Stockwerken überschreitet der Turm bei weitem eine in Österreich übliche Höhenbegrenzung für den Holzbau und verdeutlicht damit, dass Holzhaus und Hochhaus nicht unbedingt ein Widerspruch sein müssen.

Hinter dem Namen Life Cycle Tower steht der Gedanke des ökologischen Fußabdrucks eines Gebäudes. Die Bauwirtschaft verbraucht rund 40 Prozent des gesamten österreichischen Energie- und Ressourcenverbrauchs. Das ist enorm. Hubert Rhomberg, Bauherr des LCT One, ist davon überzeugt, dass Ressourceneffizienz im 21. Jahrhundert zu einer wirtschaftlichen Notwendigkeit werden wird: „Wir hatten die Vision, eine nachhaltige Baulösung für den urbanen Raum zu entwickeln, die den Ressourceneinsatz reduziert und die Chance bietet, die Bauwirtschaft auch international massiv zu verändern.“ Rhomberg setzt bei der Verwirklichung seiner Vision auf zwei Karten: Einsatz der nachwachsenden Ressource Holz und Industrialisierung des Fertigungsprozesses.

Holz in die Stadt

Das passt gut zum Trend, denn der Anteil an Bauvorhaben, die in Holzbauweise ausgeführt werden, steigt in Österreich kontinuierlich an. Während er 1998 noch bei einem Viertel aller bewilligungspflichtigen Bauvorhaben lag, stieg er bis 2008 auf 40 Prozent an. Der größte Anteil davon liegt im ländlichen Wohnbau, und da vor allem im Einfamilienhausbau. Mit seiner Firma Cree will Rhomberg nun auch in den städtischen Bereich vordringen.

Die Realisierung der hölzernen Vision warf viele Fragen auf: Wie kann ein Tragsystem aussehen, das es erlaubt, mit Holz in die Höhe zu bauen? Wie kann man in diesem Bereich einen hohen Vorfertigungsgrad entwickeln? Und vor allem: Wie kann man die mit der Höhe eines Gebäudes zunehmenden Brandschutzanforderungen erfüllen, ohne dabei - wie sonst üblich - die gesamte Holzkonstruktion hinter Gipskartonschichten zu verstecken?

Ehrlichkeit statt Reinheit

Und tatsächlich: In den Büroetagen des LCT One ist die tragende Holzkonstruktion sichtbar. Sie prägt den Charakter der Innenräume und verleiht ihnen eine warme, freundliche Atmosphäre. Eine Seltenheit. Denn während es in einigen Ländern wie etwa Großbritannien reicht, einen entsprechenden Brandwiderstand vorzuweisen, ist die Bauordnung in Österreich viel restriktiver. Hierzulande wird nach Baustoffen unterschieden: Die Brandschutzrichtlinien in einem Holzhaus sind weitaus strenger als in einem Gebäude aus Stahl oder Beton.

Dass man in Dornbirn die Erlaubnis für acht Geschoße bekam, liegt vor allem darin begründet, dass man sich hier nicht für einen reinen Holzbau entschied, sondern für eine sogenannte Hybridbauweise, also für eine Kombination aus tragenden Holzelementen und einer verstärkenden Betonstruktur in der Gebäudemitte. Es scheint in den letzten Jahren ein Umdenken in der Welt des Holzbaus gegeben zu haben: Es geht nicht mehr um die Reinheit von Material und Konstruktion, sondern um einen ehrlichen und sinnvollen Einsatz der Ressourcen: Dort, wo das eine Material schwach ist, nimmt man ein anderes zuhilfe.

Bauen im Baukastensystem

Eine weitere Vorgabe an die Entwickler des Bausystems war, einen möglichst hohen Vorfertigungsgrad zu erreichen. Für den LCT One wurden alle Decken- und Wandelemente vorfabriziert. Auf der Baustelle mussten die einzelnen Elemente wie beim Matador-Baukastensystem nur noch ineinandergesteckt werden. Erst wurden die Außenwände aufgestellt, dann die Stützen und schließlich die Deckenelemente. Das erste Geschoß war innerhalb von nur einem Tag wetterdicht. So wuchs der Bau Stock für Stock in die Höhe. Am Ende wurde die Fassadenverkleidung aus Aluminiumblech montiert.

Was wird sich mit dem Bau des Life Cycle Towers in Österreich verändern? Hermann Kaufmann, lapidar: „Das ist wie beim Skifahren. Je steiler du fährst, desto mutiger wirst du.“ Der LCT One ist ein Prototyp für Holz-Hybridsysteme. Noch höhere und noch größere Bauten sollen folgen.

15. Dezember 2010 zuschnitt

Immer unter Spannung

Eiermuseum am Neusiedlersee

Ein Ei ist rund. Zumindest, wenn man es von oben betrachtet. Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Eiermuseum auch auf einem runden Grundriss beruhen muss. Das Museum für die Eiersammlung des Wander Bertoni jedenfalls ist quadratisch. Und das ist gut so.

Seit seinem zwanzigsten Lebensjahr sammelt der österreichische Künstler Eier. An die 4.000 Stück hat er inzwischen beisammen: große und kleine, steinerne, gläserne, metallene und solche aus Porzellan. Nicht in Kartons wollten er und seine Frau Waltraud die Sammlung ihren Nachkommen überlassen, sondern in einem würdigen Rahmen. So entstand die Idee zum Eiermuseum.

Die Architekten gaupenraub haben viel Zeit investiert, um dem Ort, den Wünschen des Bauherrn sowie den Ausstellungsobjekten gerecht zu werden. Allein der Ort, an dem das Eiermuseum steht, ist etwas Besonderes: 1965 erwarb Wander Bertoni inmitten von Weingärten in Winden am Neusiedlersee eine leer stehende Wassermühle mit angrenzendem Wohnhaus und Scheune. Nach und nach restaurierte und adaptierte er liebevoll alle Gebäude. 2001 ließ er sich von dem befreundeten Architekten Johannes Spalt einen Ausstellungspavillon gleich neben seiner Werkstatt errichten. Kurz darauf entstand die Idee, auch für die Eiersammlung ein Gebäude zu schaffen. Der inzwischen verstorbene Johannes Spalt zeichnete damals auf einer Papierserviette auf, welche Art von Gebäude er sich vorstellte: einen runden, zweigeschossigen Pavillon.

Er schlug Wander Bertoni vor, die Aufgabe seinen ehemaligen Schülern Alexander Hagner und Ulrike Schartner vom Wiener Büro gaupenraub zu übertragen. Diese befreiten sich ziemlich schnell von der Skizze ihres Lehrers und konnten den Bauherrn von einer eigenständigen, für den Ort und die Aufgabe adäquaten architektonischen Lösung überzeugen. Der Neubau ist nun quadratisch und zweigeschossig. Das Erdgeschoss ist vollkommen verglast und fungiert als Vitrine. Zwei schräg gestellte Stahlstützen und eine Stahltreppe sowie in der Fassadenebene angeordnete Zugstangen tragen das Obergeschoss samt Dach. Dieses ist fensterlos, in den oberen Ausstellungsraum dringt indirektes Licht lediglich über die Schrägverglasung, die die Erdgeschossfassade mit dem weit auskragenden Dachaufsatz verbindet.

Wo sonst Schwingungen in einer Deckenkonstruktion normal sind, waren diese hier aufgrund der fragilen Ausstellungsobjekte absolut unerwünscht. Wenn man aber eine quadratische Decke auf drei Stützen oder eben wie hier auf zwei Stützen und eine Treppe stellt, dann gibt es immer mindestens eine Ecke, die weit auskragt. Um auch diese nun frei von Schwingungen zu bekommen, hätte man die tragende Konstruktion um einiges dicker machen oder doch auf Außenstützen zurückgreifen müssen. Beides aber wollten die Architekten auf keinen Fall. Die Lösung, die sie mit Peter Bauer vom Statikbüro werkraum wien entwickelten, erscheint im Nachhinein simpel, doch steckt ein intensiver Planungsprozess dahinter: Die gesamte Stahlkonstruktion ist vorverformt und wird erst mithilfe von Zugstangen in der Fassadenebene in die horizontale Lage gebracht. Die Konstruktion steht damit immer unter der zu erwartenden Maximallast, und wer darauf geht, entlastet das Gebäude. Auf der Suche nach einer materialgerechten Konstruktion mit zugleich schlanken Querschnitten führte der Weg die beteiligten Planer nicht nur zu einer Mischkonstruktion aus Holz und Stahl, sondern auch zur Vorspannung: Deren Vorteil ist, so Bauer, dass man die Materialquerschnitte ausnutzen kann und eine hundertprozentige Materialminimierung bei gleichzeitig geringstmöglichen Verformungen hat. Doch Vorspannung bedeutet eben auch immer einen großen Planungsaufwand.

Die Stahlkonstruktion wurde an jedem Punkt etwas überhöht errichtet und mithilfe der Stahlstangen in die richtige Position gebracht. Die Dachkonstruktion aus Holz bringt bei gleichzeitig geringem Gewicht die nötige Randaussteifung der Plattform in das System. Die Architekten und der Statiker wollten diese zuerst als Fachwerk errichten, doch dem hinzugezogenen Zimmermann war die Vorstellung, eine Fachwerkkonstruktion vorzuverformen, nicht geheuer. Denn diese hätte nicht nur vertikal entsprechend der Stahlplattform vorverformt, son- dern auch leicht versetzt aufgestellt werden müssen, da sich die Decke unter Vorspannung auch horizontal verdreht. Deshalb schlug er eine Brettsperrholzkonstruktion für die Dachschrägen vor und eine klassische Sparrenkonstruktion als Abschluss.

„Wenn man einem Gebäude zuhören und darauf eingehen will, was es braucht, dann heißt das auch, dass man bereit ist, sehr viel mehr Planungszeit hineinzustecken“, sagt Peter Bauer. „Das unterscheidet dieses Konzept von einem traditionellen Weg, bei dem man Abkürzungen gehen kann, weil man es schon öfters gemacht hat.“ Der Aufwand hat sich gelohnt: Einen besseren Aufbewahrungsort für seine Objekte als dieses präzise geformte Schmuckkästchen kann man sich als Sammler gar nicht wünschen.

15. Dezember 2010 zuschnitt

Hybridkonstruktionen

Stahl als Verbindungsmittel, Hybridträger, Hybrides flächiges Modul, Gebäudehybrid

Der heutige Holzbau ist ohne Stahl als Verbindungsmittel kaum denkbar. Nägel, Schrauben, Bolzen mit und ohne Stahlblechformteile gehören zu den gängigen Holzverbindungen. Beim Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte in Dachau tragen Stützen aus grau lasierter, sägerauer Douglasie eine 40 cm starke Dachscheibe aus Beton. Speziell entwickelte, verstellbare Stahlteile erlauben den aus herstellungstechnischen Gründen notwendigen Einbau der Stützen nach dem Betonieren der Dachscheibe. Der gleiche Stahlteil konnte sowohl bei den geraden als auch den schräg gestellten Stützen eingesetzt werden. Der Verstellmechanismus erlaubt es zudem, die teilweise der Witterung ausgesetzten Stützen jederzeit auszuwechseln.

Hybridträger

Eine logische und sehr gängige Kombination von Holz und Stahl sind Hybridträger, bei denen Holz auf Druck und Stahl auf Zug beansprucht wird. Dies kann ein Fachwerkträger aus Holz sein, der mit Zugstangen aus Stahl komplettiert, oder ein Holzträger, der mit Stahl unterspannt wird.

Das Dach der Reithalle der Propstei St. Gerold wird von unterspannten Hauptträgern, auf welchen die Brettschalung ohne weitere Pfettenlage direkt aufliegt, getragen. Die Unterspannungen aus Rundstahl sind in doppeltem Raster angeordnet. Im Knickpunkt eines jeden Zugbandes laufen sechs räumliche Streben zusammen, die auch die „Luftstützung“ der Brettschichtholzbinder im Halbraster ermöglichen.

Hybrides flächiges Modul

Nach dem Prinzip der Spantenbauweise bei Flugzeugtragflächen werden Brettschichtholzträger und Stahlträger miteinander verbunden und verkleidet. Es entstehen integrale und multifunktionale Elemente, die zugleich tragen, aussteifen, Raum bilden und verkleiden.

Das Tribünendach des Bodenseestadions in Bregenz besteht aus zwölf hybriden Elementen. Diese setzen sich aus Brettschichtholzrippen zusammen, die zuvor linsenförmig zugeschnitten, mit Querholmen aus Profilstahl versehen und dann mit Holzwerkstoffplatten verleimt wurden. Diese einzelnen Dachelemente liegen auf der eigentlichen Tragstruktur aus Stahl nur an jeweils vier Punkten auf.

Gebäudehybrid

Der Holzbau hat sich mittlerweile vom Stab zur Fläche entwickelt. Dies lädt zu Mischkonstruktionen ein, bei denen der Stahl trägt und das Holz hüllt bzw. mitträgt. Das Hugo Boss Competence Center im Schweizer Coldrerio ist ein solcher Gebäudehybrid. Hier wirken Holz, Stahl und Beton im Verbund: Auf den hea-Träger ist eine 12 cm dicke Brettstapeldecke aufgelegt, darüber wurde eine 12 cm starke Betonschicht gegossen, die mit dem Stahl und dem Holz im Verbund wirkt. Um den Schubverbund zwischen Holz und Beton sicherzustellen, wurden vorher in regelmäßigen Abständen Stahlbleche in die Holzelemente eingeschlitzt.

4. Dezember 2010 Der Standard

Auf Tuchfühlung gehen

Oft ist der Weg zu einem neuen Amtshaus lang und beschwerlich. Für zwei oberösterreichische Gemeinden hat sich die Mühe aber gelohnt.

In Oberösterreich spricht man dieser Tage viel vom neuen Amtshaus in Ottensheim. Einige Umwege hat man gehen müssen, um zu dieser überzeugenden Lösung zu kommen: Ein unter Denkmalschutz stehender Eckbau wurde um einen Anbau ergänzt. Die weiße Putzfassade verbindet Alt und Neu zu einem harmonischen Ganzen, nur die fehlenden Gesimse und die viel größeren Fensteröffnungen unterscheiden den Anbau vom Haupthaus.

Alle Beteiligten, von der Bürgermeisterin über die Gemeindebewohner bis hin zu den Planern sind stolz darauf. Er ist einer von sechs Bauten, die am 12. November mit dem österreichischen Bauherrenpreis ausgezeichnet worden sind - der Preis wird von der Zentralvereinigung der Architekt-Innen Österreichs jährlich an Bauherren vergeben, die sich in besonderer Weise um die Baukultur verdient gemacht haben. Dass eine Gemeinde ihre Bauherrenrolle ernst nimmt, hat auch viel mit dem Selbstverständnis der Bürgermeisterin von Ottensheim, Ulrike Böker, zu tun. Sie ist überzeugt, dass es „eine Unkultur“ sei, die Verantwortung für solche wichtigen Projekte abzugeben. „Nur wenn wir hautnah dabei sind, dann sind die Entscheidung und das Resultat authentisch.“

Ruhig und zurückhaltend wirkt die weiße Fassade des neuen Amtshauses. Sie verrät nichts von der bewegten Zeit, die hinter ihr liegt. Die Bürgermeisterin dagegen erzählt gerne davon: Immerhin ist ihr politischer Werdegang sehr eng mit dem des Amtshauses verbunden. Lange hatte man sich in Ottensheim darum bemüht, an dem jetzigen Standort einen Neubau zu errichten. Das Denkmalamt aber ließ das Gebäude unter Schutz stellen. Bewegung kam in die Sache, als der Gemeinderat das Amtshaus 1997 an den Ortsrand verlegen wollte. Doch wie soll ein Ortskern belebt werden, wenn selbst das Gemeindeamt nicht mehr am Hauptplatz ansässig ist? Eine Gruppe engagierter Ottensheimer - darunter auch Böker - sprach sich in einem offenen Brief gegen den Umzug aus. Sie fanden viele Befürworter, gründeten eine Bürgerliste und zogen 1997 mit 20 Prozent in den Gemeinderat ein.

Vom Anbegin der sieben Jahre an, seit denen Böker nun Bürgermeisterin von Ottensheim ist, war das Amtshaus am Hauptplatz ein wichtiger Punkt auf ihrer Agenda. Das denkmalgeschützte Eckhaus sollte saniert, an die Bedürfnisse eines Gemeindeamtes adaptiert und um einen Anbau für den Gemeindesaal ergänzt werden. Die Gemeinde schrieb einen offenen Wettbewerb aus.

Architekten des Büros SUE aus Wien überzeugten die Jury mit ihrer Idee, den Saal nicht an den Bestand anzubauen, sondern ihn mitten auf den Hauptplatz über einer Tiefgarageneinfahrt zu platzieren. Sie hatten das Ansinnen der Gemeinde, ein offenes Amtshaus zu bekommen, sehr ernst genommen. Doch genau dagegen regte sich der Widerstand der Bevölkerung. „Es war eine meiner härtesten Zeiten als Bürgermeisterin“, erinnert sich Böker an die Tage, an denen das Siegerprojekt vorgestellt wurde und in aller Munde war. Die Architekten von SUE ließen sich durch die anfängliche Skepsis der Bevölkerung aber nicht entmutigen und arbeiteten einen Alternativvorschlag aus; der Grundstein für das heutige Gebäude gelegt. Christian Ambos, Michael Anhammer und Harald Höller von SUE haben mit großer Sensibilität das Haupthaus saniert, um einen Anbau ergänzt und zugleich viel Sorgfalt darauf verwendet dem neuen Gemeindezentrum die gewünschte Offenheit zu verleihen.

Lediglich ein paar Stufen trennen den Bürgersteig vom Gemeindesaal und vice versa. Nicht nur der Gemeinderat, auch Vereine und Privatpersonen können den Saal für Veranstaltungen oder Hochzeiten nützen. Die vier Meter lange Glasfassade lässt sich fast zur Gänze zurückschieben. Bei schönem Wetter, so erzählt Böker, halten Fußgänger an, setzten sich auf die Stufen und schauen zu. An solchen Tagen fließt der öffentliche Raum gleichsam in den Saal hinein und findet dann, quer durch eine ebenfalls verschiebbare Glasfront, Fortsetzung in den idyllischen Arkadenhof. Die Ottensheimer sind zu Recht stolz auf das neue Haus. Nach der Hauptplatzgestaltung durch Boris Podrecca im Jahr 2001 ist das neue Amtshaus ein weiteres sichtbares Bekenntnis der Gemeinde zur Baukultur.

25 Kilometer von Ottensheim entfernt liegt Wallern an der Trattnach, eine wachsende Gemeinde, die von ihrer Nähe zu Wels und Eferding sowie Bad Schallerbach profitiert. Auch hier hat man sich viele Jahre um den Bau eines Veranstaltungszentrums bemüht. Ein Jahr nach seiner Fertigstellung ist es zu einem neuen Wahrzeichen geworden. Auf dem Weg zum Hauptplatz fährt man direkt an dem golden glänzenden Gebäude vorbei. Die Architekten Schneider & Lengauer haben in Wallern bewusst den Kontrast gesucht. Der Bauplatz war so beengt, dass er so weit wie möglich ausgenutzt werden musste, erzählt Lengauer. Dadurch kommt die weit in den Straßenraum auskragende Form zustande: Durch das ausladende Obergeschoß und einen Erker konnten die Architekten zusätzlichen Raum für das Obergeschoß gewinnen. Dem Foyer merkt man die beengten Verhältnisse an, der eigentliche Saal aber kann bis zu 400 Leute fassen.

Belichtet wird der Saal über straßenseitige und ins Dach eingelassene Fensterbänder. Der Erker im Obergeschoß ist zu einem beliebten Aufenthaltsbereich in den Pausen geworden. Fast intim sind die Ausblicke, die man auf die gegenüberliegenden Wohnhäuser hat. Ursprünglich wollte der Gemeinderat von Wallern gemeinsam mit einem Privaten einen Veranstaltungssaal in Kombination mit einem bestehenden Gasthaus errichten. Die Baupläne und Verträge waren schon fertig, da scheiterte das Vorhaben an den vorzulegenden Sicherheiten der Privatperson. Zu eben dieser Zeit stand auch das traditionsreiche Gasthaus Schaich mitten im Ortskern zum Verkauf. "Man muss froh sein, wenn man ein funktionierendes Gasthaus im Ort hat, sagt Amtsleiter Rudolf Stich, „zwei Gasthäuser können nur schwer bei uns bestehen.“ So entschied man sich, das Gasthaus Schaich zu kaufen und um einen Veranstaltungssaal zu ergänzen, den Wettbewerb gewannen Schneider & Lengauer. Die goldene Fassade war natürlich das meistdiskutierte Thema: Das Gebäude sollte auch nach außen hin signalisieren, dass es etwas Besonderes für den Ort ist. Der Gemeinderat vertraute den Architekten. „Ein Architekt kann eben nur so gut sein, wie es der Bauherr zulässt“, sagt Erich Legnauer. „Wir spüren, dass das Klima für Baukultur in Oberösterreich langsam besser wird. Die Kommunen trauen sich wieder mehr zu.“

14. August 2010 Der Standard

Macht Platz für öffentliches Grün

Im Juni wurde der neu gestaltete Yppenplatz der Bevölkerung übergeben. Ein Lokalaugenschein in Wien-Ottakring über das Leben im öffentlichen Raum.

Über den Platz rollt ein gelber Tennisball. Ein schwarzer Hund fliegt ihm hinterher, schnappt ihn und will weiterspielen. Auf den Bänken im Schatten des Marktamtes hat sich ein Vater mit zwei Söhnen niedergelassen, dann eine Gruppe behinderter Männer mit ihren Betreuern. Der Hund macht keine Unterschiede - Hauptsache, das Gegenüber spielt mit. Es ist Vormittag und noch wenig los auf dem Yppenplatz in Wien-Otta-kring. Man hört das Rauschen der Blätter und Kinderstimmen. Vor knapp zwei Monaten, Mitte Juni, wurde der neugestaltete Yppenplatz feierlich der Bevölkerung übergeben.

„Der Platz war in die Jahre gekommen, der Nutzungsdruck ist enorm“, sagt Anita Voraberger, Vorsitzende des Umweltausschusses Ottakring und Mediensprecherin der Umweltstadträtin Ulli Sima. In Ottakring gibt es in der Nähe vom Gürtel kaum öffentliche Plätze; die Bebauung ist sehr dicht und damit der Bedarf nach Freiräumen und öffentlichem Grün groß. Wenn täglich viele Menschen auf so einem Platz zusammenkommen, dann nennt man das „einen hohen Nutzungsdruck“, und der habe eine Neugestaltung notwendig gemacht. Die Entscheidung, den Platz neu zu gestalten, hat der Bezirk getroffen. Den Entwurf und die Umsetzung haben dann die Wiener Stadtgärten, kurz MA 42, übernommen. Die Summe von 600.000 Euro wurde zu 50 Prozent von der EU kofinanziert.

Nicht alle waren und sind davon überzeugt, dass der Platz überhaupt eine neue Gestalt brauchte. Für die einen hat er gut funktioniert, für die anderen war er nur eine „Betonwüste“. Der Wunsch nach mehr Grün und mehr Schatten war aber bereits vor zehn Jahren einer der Hauptwünsche der Bevölkerung. Damals ging ein einjähriges Bürgerbeteiligungsverfahren der Neugestaltung durch die Landschaftsarchitekten Ursula Kose und Lilli Licka voraus. Doch da der Platz sich auf einem Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg befindet, wachsen die Bäume nicht so schnell und so hoch, wie gewünscht. Die Bäume, die vor zehn Jahren gepflanzt wurden, stecken noch in den Kinderschuhen. Nicht wenige von ihnen mussten nun ersetzt werden, da ihre Rinde von Hund und Mensch zu sehr beschädigt worden war.

„Wir haben dem quadratischen Platz eine lockere Form gegeben, ihn modernisiert und freundlicher gestaltet“, erzählt der Projektverantwortliche Stefan Streicher von der MA 42. Mandelförmige Hochbeete und eine Stahlpergola, an der Blauregen und Trompetenwinde hochranken sollen, gestalten nun die Platzmitte. Betonmauern umranden die Beete und dienen als Sitzfläche. Der Kinderspielplatz wurde mit neuen Spielgeräten und mit Kies statt mit Rindenmulch bestückt. An den Rändern des Platzes stehen Tische mit Bänken und sogenannte Wellenliegen, die sich laut Streicher auch schon in anderen Parks bewährt haben. Das Herzstück des Platzes aber ist - zumindest aus Jugendperspektive - der Fußballkäfig mit dem angrenzenden Basketball- und Volleyballplatz.

„Mir gefällt der Platz“, sagt Vessela Petrova. Sie wohnt in der Nähe und war diese Woche schon viermal mit ihren Söhnen hier. Die beiden laufen in Badehosen über einen ebenfalls mandelförmig hervorgehobenen Bodenbelag und warten darauf, dass endlich wieder Wasser herausspritzt. Mal ist es ein Strahl, mal zwei und mal drei, oft aber auch keiner. „Er ist viel schön als vorher“, sagt die Frau, „aber er wird nicht so bleiben“, fürchtet sie. Die Leute schätzten den Platz nicht. Wirklich beurteilen können, wird man das erst nach einiger Zeit - das sagt auch Florian Brand von der Gebietsbetreuung Ottakring. „Bei schönem Wetter ist der Platz immer voll, jetzt sowie vorher.“ Die Meinungen über den Platz sind unterschiedlich, das weiß die Gebietsbetreuung am besten. Dort laden viele Beschwerden und Wünsche ab. In den Planungsprozess aber seien sie diesmal nicht mit eingebunden gewesen. Trotzdem ist Brand froh, dass Geld in den öffentlichen Raum investiert wurde. Werden es die Rankpflanzen schaffen, wo schon die Baumstämme so beschädigt wurden, dass sie abgestorben sind? Wie werden die Hochbeete in ein paar Jahren ausschauen? Wie wird es den Bodenbelägen und den Sitzgelegenheiten gehen? Auch mit dem Schatten ist es so eine Sache: Pergola und Blumenbeete sorgen zwar für sichtbar mehr Grün, aber nicht unbedingt für mehr Beschattung der Sitzgelegenheiten.

Wie viel Freiraum ist notwendig?

Am Nachmittag und am frühen Abend ist hier eindeutig am meisten los. Nach und nach füllen sich Fußball-, Kinderspielplatz, auch alle Tische und Bänke, die ein wenig Schatten versprechen. Dort spielt eine Gruppe Männer Karten. Am Nachbartisch sitzen die Frauen, die Kinder pendeln zwischen Platzmitte, Kinderspielplatz und Müttern hin und her. „Früher war das wie eine große Bühne“, erinnert sich Regina Nitschke von den Wiener Kinderfreunden. Sie ist für die Parkbetreuung in Ottakring zuständig, mit der sie Kinder von sechs bis 13 Jahren ansprechen. Sie war gemeinsam mit der mobilen Jugendarbeit Back on Stage, die sich um die Jugendlichen kümmern, in den Planungsprozess eingebunden. „Es gab viel freie Fläche und wenige Sitzgelegenheiten.“ Vor allem die Mädchen hätten sich mehr Rückzugsmöglichkeiten gewünscht. Nitschke ist zufrieden mit der Neugestaltung. Vorher haben die Jugendlichen irgendwo gespielt, jetzt sei es klarer definiert.

Wie viel Planung braucht ein öffentlicher Platz? Wie viele Nutzungsmöglichkeiten sollten vorgegeben, und wie viel Freiraum den Benutzern geboten werden? Ein schwieriges Thema. Landschaftsarchitektin Kose: „Je mehr ein Platz kann, desto besser ist er für die unterschiedlichen Gruppen zu bespielen“. Damit ist die jetzige Gestaltung sicherlich der genaue Gegenentwurf zu dem von Koselicka von vor zehn Jahren. „In bin seit zehn Jahren hier auf dem Platz“, sagt der 19-jährige Yunus. Er findet es war früher besser. Die Jugendlichen haben sich ein Netz über dem Fußballkäfig gewünscht und bekommen. Die versprochenen Fußballtore gibt es noch immer nicht, und das ärgert sie. „Der Rest des Platzes interessiert mich wenig“, sagt er. Ein bisschen „bobo“ sei alles geworden, meint sein Freund.

Um der Gentrifizierung des Viertels gerecht zu werden, wollte man den Platz „schicker“ machen. „Aber was will der Platz sein?“, fragt sich Architektin Silvia Forlati, die wie so viele gerne am Samstagvormittag auf den Brunnenmarkt kommt. „Der Yppenplatz ist ein spannender Ort, der Entwurf aber spiegelt das nicht wider. Mir kommt das wie Kosmetik vor“, kritisiert sie.

In Wien fehle es an Tradition und an Sensibilität, einen Platz zu gestalten, sagt auch Boris Podrecca. Der Wiener Architekt liebt es, Plätze zu gestalten, weil er Menschen zusammenführen will. „Ein Platz ist das Passpartout, in dem unsere Handlungen stattfinden“, er denkt dabei an eine präzise formulierte Gestalt, an schöne Texturen und erfrischende Wasserelemente. Dann können Plätze die Interaktion fördern und stellen damit ein Gegenmodell zu Chat-rooms dar.

Für eine funktionierende Gesellschaft sind Platzgestaltungen ein Thema, über das differenzierter nachgedacht werden muss. Gelegenheit zum Diskutieren und Nachdenken gibt es etwa im November beim Architektursymposium im Architekturzentrum Wien zum Thema „Urban Public Space“.

14. Juli 2010 zuschnitt

Brettschichtholz sucht Stahlstütze

Eingangspavillons zum irischen Regierungssitz

Der irische Regierungspalast Leinster House in Dublin ist umgeben von einem hohen Zaun. Gleich dahinter, von der Straße aus fast unsichtbar, stehen zwei gläserne Pavillons – jeweils rechts und links vom Haupteingang. Der kleinere Siopa Pavilion von 2008 dient der Nahversorgung der Parlamentsmitglieder mit Zeitungen und Lebensmitteln, der größere Leinster Pavilion von 2001 ist der eigentliche Eingangspavillon. Hier finden die Sicherheitskontrollen aller ein- und ausgehenden Personen statt und hier werden die Besuchergruppen in Empfang genommen. Die besondere Herausforderung für die Architekten Bucholz McEvoy war – gerade im Hinblick auf das historisch bedeutende Leinster House, die Pavillons so transparent wie möglich zu gestalten. Dabei griffen sie nicht auf eine reine Stahl-Glas-Konstruktion zurück, sondern wählten eine Materialkombination aus Holz, Stahl und Glas. Die Glashaut und die zarten Stützen gewährleisten den ungehinderten Blick auf Leinster House.

Die Architekten positionierten beide Pavillons so, dass sie genau unter prächtigen Platanen zu stehen kommen und die hölzernen Dachtragwerke in direktem Dialog mit den sich darüber ausbreitenden Baumkronen stehen.

Von oben betrachtet sieht die Dachkonstruktion des Leinster Pavilion aus wie ein Scherengitter, nur mit dem Unterschied, dass die Diagonalen nicht in einer Ebene liegen. Lediglich in den mittleren Kreuzungspunkten sind sie miteinander verschränkt, am Rande kommen sie über- beziehungsweise nebeneinander zu liegen.

»Das Dach ist keine Aneinanderreihung von sich kreuzenden Balken«, betont der verantwortliche Ingenieur Niccolò Baldassini vom in Paris ansässigen Ingenieurbüro RFR. »Es ist ein Gitterfachwerk, das seine Kräfte ausschließlich in die rückwärtigen Stützen ableitet.« Die vorderen, parkseitigen Stützen dienen lediglich dem Abtragen des Eigengewichts und der auf die Glashaut wirkenden Windlasten. Für die mittleren Kreuzungspunkte leimte man in einem ersten Arbeitsschritt Zweier- und Dreierschichten zusammen, kerbte dann die Träger entsprechend ein, um in einem letzten Schritt die restlichen Schichten für die Brettschichtholzträger von 40 mal 13 cm anzuleimen.

Der Siopa Pavilion spricht eine ähnliche formale Sprache. Er ist jedoch von der Konstruktion her einfacher. Die lastabtragenden Stahlstützen stehen mittig unter den Dachbalken. Die zarten Stützen entlang des Zaunes übernehmen ebenfalls nur das Abtragen des Eigengewichts und der auf die Glashaut wirkenden Windlasten. Die Balken sind an den Endpunkten mithilfe unsichtbarer Vollgewindeschrauben miteinander verbunden. Diese Schrauben kamen ebenfalls zur Verstärkung der minimalen Auflagerflächen im Bereich der Stahlstützen zum Einsatz. Die Herausforderung für die ausführende Firma bestand nicht nur in der Forderung nach minimalen Anschlussflächen und unsichtbaren Verbindungsmitteln, auch die aus optischen Gründen erforderliche Beschaffung einer absolut astfreien Lärche erwies sich als sehr schwierig und führte zu einem hohen Ausschuss in der Fertigung.

16. März 2010 zuschnitt

Von wegen passiv!

Es regnet schon seit den Morgenstunden und scheint nicht aufhören zu wollen. Natürlich können die Kinder an solchen Tagen nicht hinaus in den Garten gehen. Dafür dürfen sie den breiten Mittelgang mit ihren Dreirädern rauf und runter fahren. Der neue Kindergarten am Tivoli hat auffallend viel Platz und auffallend viele Fensterflächen. Sind die Kinder gerade nicht ins Spiel vertieft, stehen sie sehr gerne an den raumhohen Fensterscheiben und beobachten, was auf der Straße passiert. Doch wo man rausschauen kann, kann man auch reinschauen. Für die Kindergartenpädagoginnen war diese Transparenz zu Beginn ungewohnt – ebenso wie die Tatsache, von nun an in einem reinen Holzbau zu arbeiten. Gerne erzählt die Kindergartenleiterin Judith Singer-Bassetti von dem Aha-Erlebnis der Eltern: „Alle, die zum ersten Mal hier hereinkommen, sind begeistert von dem Geruch.“

Tivoli ist ein neuer Stadtteil in Innsbruck auf dem Areal des gleichnamigen alten Stadions. Architekt Helmut Reitter hat hier, gleich neben dem Freibad, einen Kindergarten mit Hort und ein Jugendzentrum errichtet. Der Kindergarten, ein lang gestreckter Pavillon, der sich im Bereich des Hortes zu einem zweigeschossigen Baukörper faltet, ist ein reiner Holzbau. Das Jugendzentrum, ein kubischer zweigeschossiger Bau, ist hingegen in Massivbauweise errichtet. „Schon beim Wettbewerb ist uns die Materialwahl schlüssig vorgekommen“, sagt Reitter. Dafür habe es keine funktionale, sondern eher eine emotionale, atmosphärische Begründung gegeben. Der Kindergarten ist ein Holzriegelbau mit tragenden Innenwänden und Decken aus Brettsperrholz sowie Innensäulen und Unterzügen aus Brettschichtholz. Außen ist der Baukörper mit einer verdeckt befestigten Eichenfassade und im Bereich der Attika mit dunkelbraunen Hochdruck Schichtstoffplatten (hpl-Platten) verkleidet.

Passivhausstandard Ursprünglich als Niedrigenergiehaus entworfen, wurde es schließlich doch in Passivhausstandard ausgeführt. Dies bedeutete dickere Dämmstärken, passivhaustaugliche Fenster, eine kleinere Wärmepumpe sowie höhere Ansprüche an die Anschlussdetails. Beim Sockelpunkt zum Beispiel, so erzählt die hinzugezogene Passivhausspezialistin Christina Krimbacher, musste nun die Dämmung unter die Bodenplatte gezogen werden, um eine lückenlos geschlossene Hülle zu garantieren. Weiters kam es auf eine winddichte und luftdichte Hülle an. Die Wände bestehen aus einer Holzriegelkonstruktion, die mit Zellulose ausgeblasen ist. Nach innen hin sind auf diese eine osb-Platte mit Dampfbremse, eine Installationsebene mit Hanfdämmung und eine Dreischichtplatte aufgebracht, nach außen hin folgen der tragenden Konstruktion eine Holzweichfaserplatte, ein Windpapier und die Eichenbretter der Fassade, die auf eine horizontale Lattung von hinten aufgeschraubt sind.

Alle vier Gruppenräume sind nach Westen orientiert, hin zu einem überdachten Außenspielbereich. Zwischen den Gruppenräumen liegen kleinere Einheiten, die in den Mittelgang hineinverschoben sind, sodass dieser zusätzlich belichtet wird und terrassenseitig kleine geschützte Atrien entstehen. Bewegungsraum, Ruheräume, Essbereich und Nebenräume liegen im Osten. Ein breiter, über Lichtkuppeln mit Tageslicht belichteter Mittelgang verbindet die beiden Bereiche. Der Boden ist aus Eiche, die Wände sind aus Lärche und die Decken mit Weißtannen-Akustikpaneelen verkleidet. Um die unterschiedlichen Holzarten aufeinander abzustimmen, wurden die Wände weiß lasiert und der Boden weiß geölt.

Die Bauzeit betrug genau ein Jahr, von September 2007 bis September 2008. Seit anderthalb Jahren ist der Kindergarten nun in Betrieb. „Hier werden alle Sinne gestreichelt“, sagt die Kindergartenleiterin und meint damit nicht nur die natürliche Atmosphäre, sondern auch die angenehme Raumluft. Denn Kinder und Holz haben mehr als nur eine emotional begründete Gemeinsamkeit. Beide mögen trockene Luft nicht besonders. Ein CO2-Fühler regelt den Frischluftzustrom und sorgt für ein optimales Raumklima.

16. März 2010 zuschnitt

Passgenau

Einbauten in Wien, Innsbruck und Berlin

In Österreich gibt es zu wenige Kinderbetreuungsplätze. Dies bedeutet für die nächsten Jahre, dass viele Kindergärten neu gebaut, bestehende Einrichtungen erweitert und Gebäude adaptiert werden müssen. Gerade Letzteres ist schon heute in Städten die Hauptbauaufgabe, wenn es um die Schaffung neuer Plätze geht. Wir haben uns drei Beispiele angesehen: in Wien, Innsbruck und Berlin.

Holz schafft Raum

„Das geforderte Raumprogramm hätten wir hier nie untergebracht, wenn wir nicht mit Ebenen gearbeitet hätten“, erzählen Franz Ryznar und Roswitha Siegl von aap.architekten in Wien. In die ehemalige Hofküche im Schloss Schönbrunn, einem 5,10 Meter hohen Gewölberaum, haben sie für die Wiener Kinderfreunde einen viergruppigen Kindergarten eingebaut. Während Kinder es lieben, einen Raum zu erklettern und ihn aus verschiedenen Perspektiven zu erfahren, sind Emporen bei Erwachsenen nicht immer gerne gesehen. Das Erklimmen von niedrigen Emporen kann für Pädagoginnen und Reinigungspersonal mühselig sein. Doch in diesem Fall war allen Beteiligten klar, dass das Projekt nur durchführbar ist, wenn man im Raum mehrere Ebenen schafft. Anders als beim Neubau konnten Flächen ab 2,40 Meter Raumhöhe voll angerechnet werden.

Die Architekten schufen ineinander verschachtelte Räume mit unterschiedlich hohen Ebenen und nahmen damit dem Raum die Strenge. Aus hellem Finnbirkensperrholz sind Emporen, Möbel und die Wände, in die Schränke integriert sind. Dies schafft eine heimelige, warme Atmosphäre. Gerne hätten die Architekten auch Holz am Fußboden gesehen, konnten den Betreiber jedoch nicht vom Linoleum abbringen.

Die Kosten für einen Einbau in eine bestehende Gebäudestruktur schätzt Franz Ryznar auf 800,– bis 2.000,– €/m2, je nachdem ob in die Struktur eingegriffen werden muss oder nicht. Die Bauherren würden den Kostenaufwand aber fast immer unterschätzen. „Im Zusammenspiel der Normen, Kosten, Brandschutz- und Sicherheitsvorschriften kann man sich kaum noch bewegen“, beklagt der Architekt das immer enger werdende Korsett, wenn es um den Bau von Kindergärten geht. Wo vor ein paar Jahren noch offene Garderoben im Eingangsbereich gern gesehen waren, ist dies aus brandschutztechnischen Gründen heute in Wien nicht mehr möglich. Sie müssen in abgeschlossenen Räumen liegen, am besten hinter Brandschutztüren, die die Kinder kaum mehr aufbekommen.

Holz sucht Farbe

Ganz andere Bedingungen hatten die Architekten Froetscher Lichtenwagner beim Einbau eines Kindergartens und Hortes im centrum.odorf in Innsbruck. Im Obergeschoss des lang gestreckten Baukörpers stand hierfür eine Fläche von 2.000 m² zur Verfügung. Eingestellte farbige Boxen in Leichtbauweise beherbergen die Gruppen, Flur und Garderobe bilden ein offenes Raumkontinuum. Am Übergang zum Schülerhort befinden sich die gemeinsam genutzten Bereiche wie Küche, Speisesaal und Bewegungsraum. Die Architekten sprechen von einer Stadt in der Stadt: Die Gruppenräume sind die Häuser, die Flure und Garderoben die Straßen und Plätze. „Wir beschränkten uns darauf, die Materialien zu definieren – bewegliche Möbel aus Sperrholz, mit Birke furniert – und einzelne wichtige Elemente wie Baumhaus und Raupe zu konzipieren“, beschreiben die Architekten ihre Herangehensweise. (1) Der Fußboden ist aus Eiche. Die Raupe, ein 30 Meter langes Sitzobjekt im Eingangsbereich des Kindergartens, besteht aus mdf-Platten, die mit einem rutschfesten Zweikomponentenlack behandelt wurden. Jeder der vier Gruppenräume hat sein eigenes Baumhaus, ein Klettergerüst, das in die Trennwand integriert und von beiden Seiten zugänglich ist. Auch die Baumhäuser sind aus mit Birke furniertem Sperrholz, aber farbig lackiert.

Holz braucht Fantasie

Was aber tun, wenn so gut wie kein Budget vorhanden ist? Dann muss auf einfache Mittel zurückgegriffen werden. So wie beim Taka-Tuka-Land in Berlin, einem Kindergarten, der in einem provisorischen Holzständerbau untergebracht ist. Der Bauherr wollte eigentlich nur die Fassade sanieren. Doch das vorhandene Budget von 90.000 Euro wäre viel zu gering gewesen, um dem Wunsch nach einer neuen Holzfassade nachzukommen, erzählt Architektin Susanne Hofmann von den Baupiloten.

So schlug die Architektengruppe vor, die Fassade nur dort zu sanieren, wo notwendig, und das restliche Geld in die Neugestaltung des Innenraumes zu stecken. Die geputzten Holzplatten der Fassade wurden nur dort abgeschnitten, wo sie verfault waren, neu gestrichen und mit einem Spritzschutz von unten angearbeitet. Die Attika und einzelne Platten mussten ganz ausgetauscht werden. Neue große Fenster bringen viel mehr Licht ins Innere, neue Podeste und Einbauschränke aus Furniersperrholz ein frischeres Ambiente. Besonders das Klettergerüst an der Fassade bereitet den Kindern viel Freude. Von innen können sie über ein Fenster in das Gerüst und nach draußen klettern.

Die Baupiloten sind eine wechselnde Gruppe von Studierenden, die unter der Anleitung von Susanne Hofmann Projekte planen und realisieren. Die Entwürfe basieren immer auf Partizipation mit den späteren Nutzern. Auch in diesem Fall wurden die Kinder von Anfang an in den Entwurfsprozess eingebunden.

Auf die Frage, ob sie ein Material bevorzuge, antwortet Susanne Hofmann: „Können sie sich die Welt von Pippi Langstrumpf in Metall vorstellen?“ Der Statiker habe ihnen ein Metallgerüst vorgeschlagen. Sie aber entschieden sich für einfache Holzdreiecke aus grün lasiertem Eichenholz, die zu einem Raumtragwerk zusammengeschraubt und mit weichen Kissen aus gelben lkw-Planen ausgepolstert wurden.

15. Dezember 2008 zuschnitt

Natur geschichtet

Schloss Lackenbach im Burgenland ist seit dem 17. Jh. im Besitz der Familie Esterházy. Heute beherbergt das Renaissanceschloss einen Konzert- und Veranstaltungssaal und ein kleines Naturmuseum. Ganz keck hat sich nun ein moderner Eingangspavillon mit Kassa, Café, Toiletten und Lagerräumen vor das altehrwürdige Ensemble geschoben. Schon auf dem Weg vom Parkplatz zum Schloss fällt der Blick auf den eingeschossigen, rundum verglasten Bau. Meist ist von diesem nicht viel zu erkennen, denn durch die spiegelnde Fassade ist er eins mit dem ihn umgebenden Park. Ein andermal vermischt sich die Spiegelung mit dem, was hinter der Glasscheibe zu sehen ist, und nur in seltenen Fällen tritt sie so weit zurück, dass man eine Holzstruktur wahrnehmen kann.

Es scheint ein ständiger Dialog zu sein, den der Bau mit seiner Umgebung führt, und erst von Nahem erkennt man, dass die Glasfassade nicht durchgehend transparent ist und die Scheiben mit einem dunklen Holzfurnier hinterlegt sind. Genau ein Jahr blieb für Planung und Ausführung des Gebäudes in Holzskelettbauweise, das sich dadurch auch in seiner Konstruktion deutlich vom Bestand absetzt. Für den Werkstoff Holz sprach nicht nur, dass die Esterhazys zu den größten Waldbesitzern Österreichs zählen, sondern auch die kurze Bauzeit. Im Grundriss ist der Pavillon ein Rechteck, in das kleine Höfe eingeschnitten sind, um den lang gestreckten Bau kleinteiliger wirken zu lassen. Im Inneren ist er mit dunkel gebeizten Eichendielen ausgekleidet und auch nach außen hin wollten die Architekten das Holz sichtbar machen. Zuerst wurde an eine durchgehende Glasfassade mit dahinterliegenden Holzboxen gedacht, was sich jedoch als problematisch erwies. Nun ist das Holz in die Glaselemente integriert – eine für diese Situation ideale Konstruktion, wie die Architekten finden. Die Glaselemente sind wie Isolierglasscheiben aufgebaut, nur dass zwischen den Scheiben kein Hohlraum, sondern eine mit Furnier bezogene Platte ist. Gerne hätten die Architekten auch dafür Eiche genommen. Doch die Firma wollte die Farbbeständigkeit des Eichenfurniers nicht garantieren, sodass die Wahl schlussendlich auf Wenge fiel. Durch die Spiegelungen ist die Holzoberfläche aber ohnehin kaum isoliert wahrzunehmen.

16. September 2008 Eva Guttmann
zuschnitt

Brettsperrholz

Produktporträt

Vor fast dreißig Jahren tauchte das Wort erstmals – wenn auch in anderem Zusammenhang als heute gebräuchlich – in der Fachliteratur auf. Zwanzig Jahre später, nämlich 1998, wurden sowohl in Deutschland als auch in Österreich die ersten bauaufsichtlichen Zulassungen für jene flächigen, lastabtragenden, mehrschichtigen Massivholzplatten vergeben, die heute v. a. unter dem Namen Brettsperrholz (BSP) bekannt sind.

Das Produkt selbst war nicht neu: Tischlerplatten, Sperrholzplatten, Furnierschichtholz – sie alle funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Neu war die Dimension, in der die Platten produziert wurden und die sie als tragende Elemente erst verwendbar machte. Die Idee kam ursprünglich aus den Sägebetrieben, die eine Möglichkeit suchten, aus der sogenannten »Seitenware« – die aufgrund der Dimension oder Qualität etwa zur Herstellung von stabförmigen Holzwerkstoffen wie Brettschichtholz (BSH) nicht verwendet werden kann – ein hochwertiges Produkt zu kreieren. Inzwischen ist BSP seit zehn Jahren auf dem Markt und stellt in Form der Holzmassivbauweise eine wichtige Ergänzung zum »herkömmlichen« Holzbau dar.
Platten basteln

Brettsperrholz besteht üblicherweise aus drei bis sieben kreuzweise miteinander verklebten Nadelholz-Brettlagen, deren Einzelbretter der Länge nach mit Keilzinken kraftschlüssig verbunden sind. Es wird in Industrie- oder in Sichtqualität angeboten. Je nach Produktionsweise werden zuerst Einschichtplatten erzeugt, indem die einzelnen Bretter an ihren Schmalseiten miteinander verleimt und die so entstandenen Brettlagen zu Mehrschichtplatten »gestapelt« werden. Andere Hersteller legen die einzelnen Holzlamellen ohne Schmalseitenverklebung nebeneinander und leimen Lage für Lage übereinander. Über die Vor- und Nachteile der Schmalseitenverklebung gibt es geteilte Meinungen. Ein Hauptargument dafür ist die Winddichtigkeit des Produkts, ein Argument dagegen die möglicherweise größere Schwindrissbildung, was bei Sichtoberflächen ohne zusätzlich aufgebrachte Sichtlage eine Rolle spielen kann. Gesichert ist allerdings, dass Platten ohne Schmalseitenverleimung keine schlechteren Trageigenschaften haben als solche mit.
Die guten ins Töpfchen, die schlechten auch

Für BSP wird üblicherweise Holz der Festigkeitsklasse S10 gemäß ÖNorm din 4074 verwendet, lediglich ca. 10% entsprechen der Festigkeitsklasse S7. Bei Holzmerkmalen wie Ästen werden die Bretter in der Produktion gekappt und mittels Keilzinkung bis zur gewünschten Länge addiert. Normalerweise kommt die Seitenware in die Mittellage(n) der BSP-Platte, während die Decklagen aus optisch hochwertigeren Brettern hergestellt werden. Gibt es hohe visuelle Anforderungen, dann bieten manche Hersteller Platten mit eigens aufgebrachten Sichtlagen an.
Was BSP kann – und was nicht

Durch die kreuzweise Verleimung der einzelnen Brettlagen wird aus dem gerichteten Werkstoff Holz ein Material mit Platten- bzw. Scheibenwirkung, das als Wand, Decke und Dach, aber auch für Bodenplatten von Brücken o. Ä. eingesetzt werden kann. Ein wesentlicher Vorteil ist die Maßhaltigkeit des Produkts. Die absperrende Wirkung der Verleimung gewährleistet eine hohe Formstabilität, genaue Schwind- bzw. Quellmaße werden produktspezifisch von den einzelnen Herstellern angegeben, wobei die jeweiligen Werte zwischen 0,01% und 0,025% in Längs- bzw. Querrichtung pro geändertem Prozent Holzfeuchte liegen. Weiters lassen sich bei entsprechender Verbindungstechnik aus Brettsperrholz Gebäude von hoher Steifigkeit errichten, eine Eigenschaft, die auch in Hinblick auf erdbebensicheres Bauen, wie es in Italien oder Japan Thema ist, viel Potenzial beinhaltet.

Je nachdem, ob ein Wand- oder ein Deckenelement hergestellt wird, sind (außer im Fall spezieller statischer Anforderungen) die Querlagen bzw. die Längslagen an den Außenseiten der Platten. Die industrielle Produktion von BSP ermöglicht einen besonders hohen Vorfertigungsgrad bis hin zum Abbund mit bereits eingefrästen Fenster- und Türöffnungen, wobei alle Fertigungsschritte von Anfang an computergesteuert ablaufen und kaum Eingriffe in der Herstellung erfordern. Großes Augenmerk kommt der Logistik beim Verladen der fertigen Elemente zu, deren Reihenfolge beim Montieren unbedingt berücksichtigt werden muss.

BSP eignet sich für Konstruktionen in den Nutzungsklassen 1 und 2* mit vorwiegend ruhenden Verkehrslasten, nicht jedoch an bewitterten Stellen. Daher ist bei Einsatz im Freien unbedingt auf sorgfältigen konstruktiven Holzschutz zu achten, da andernfalls die Tragfähigkeit der Elemente nicht gewährleistet ist.
Die nächsten zehn Jahre

Wohnbauten, Geschossbauten, öffentliche Bauten, Industrie- und Hallenbauten sind ideale Bauaufgaben für die Verwendung von BSP. Steigende Nachfrage im In- und Ausland und neue Anbieter gestalten derzeit den Markt, wobei diese sowohl in Österreich als auch in Deutschland, den beiden wichtigsten Herstellerländern, bisher nur über firmenspezifische Einzelzulassungen verfügen, was eine gewisse Unübersichtlichkeit für Architektinnen und Fachplaner zur Folge hat. Daher gibt es aktuelle Bestrebungen, entsprechende Regelwerke zu schaffen, um – ähnlich wie beim Brettschichtholz – verbindliche Standards festzulegen und das Brettsperrholz zu einem auch hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen eindeutig definierten Produkt zu machen.

* Nutzungsklassen 1 bzw. 2: Feuchtegehalt in den Baustoffen, der einer Temperatur von 20°C und einer relativen Luftfeuchte der umgebenden Luft entspricht, die nur für einige Wochen pro Jahr einen Wert von 65% bzw. 85% übersteigt, wobei eine mittlere Gleichgewichtsfeuchte von 12% bzw. 20% in den meisten Nadelhölzern nicht überschritten wird.

16. Juni 2008 zuschnitt

Energiestandards

Ein Blick über die Grenze

Bereits heute fordern viele Länder einen Mindest-Energiestandard für Neu-, Um- und Zubauten. Doch die gebaute Umwelt muss noch umweltfreundlicher werden – da sind sich alle einig. Die Wege, die die Länder beschreiten, verlaufen aber sehr unterschiedlich. Neben einem anvisierten »Haus der Zukunft« schaffen immer mehr Länder mithilfe einer ökologischen Gebäudezertifizierung Anreize. Acht Stationen einer Reise.

Bereits heute fordern viele Länder einen Mindest-Energiestandard für Neu-, Um- und Zubauten. Doch die gebaute Umwelt muss noch umweltfreundlicher werden – da sind sich alle einig. Die Wege, die die Länder beschreiten, verlaufen aber sehr unterschiedlich. Neben einem anvisierten »Haus der Zukunft« schaffen immer mehr Länder mithilfe einer ökologischen Gebäudezertifizierung Anreize. Acht Stationen einer Reise.

Europäische Union

Ab 2011 soll der Passivhausstandard für Neubauten bindend sein. Wie unterschiedlich die Umsetzung in den einzelnen Ländern ausfallen kann, verdeutlicht schon heute der Energieausweis. Er ist ein erster Versuch einer verpflichtenden Gebäudezertifizierung und es gibt ihn inzwischen in allen eu-Staaten. Während in Österreich in diesem Gebäudepass der erforderliche Energiebedarf für die Raumwärme festgehalten wird, fragen andere Länder den Primärenergiebedarf oder den CO2-Ausstoß eines Gebäudes ab. Ein direkter Vergleich der Energiestandards ist aber allein schon aufgrund der unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse schwierig.

Deutschland

In Deutschland gilt das Passivhaus als das Haus der Zukunft. Eine weiterführende Variante wurde von Architekt Rolf Disch entwickelt und in Form einer ganzen Siedlung auch schon realisiert. Das Plusenergiehaus erzeugt mehr Energie als es verbraucht, allerdings wird seine volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit von manchen infrage gestellt. Deutschland arbeitet derzeit an einem dynamischen Zertifizierungssystem nach dem US-Vorbild von LEED.

* www.plusenergiehaus.de

Großbritannien
Das Ziel der britischen Regierung lautet »Zero Carbon Home«. Der durch den Energieverbrauch eines gesamten Hauses verursachte CO2-Ausstoß soll netto gleich Null sein. Ab 2016 ist dieser Standard für alle Neubauten verpflichtend. Neu errichtete Öko-Städte sollen schon heute zeigen, wie es geht. Die erste CO2-freie Kleinstadt steht kurz vor Baubeginn. Als erstes Land mit Gebäudezertifizierung ist Großbritannien Vorreiter und breeam (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) hat immer noch Vorbildfunktion. Bewertet wird mithilfe eines Punktesystems. Beurteilt werden der Planungs- und Bauablauf, der Energie- und Ressourceneinsatz, die Raumluftqualität, die eingesetzten Materialien sowie der Flächenverbrauch. Die Endbewertung lautet ausgezeichnet, sehr gut, gut oder durchschnittlich.

* www.zerocarbonbritain.com
* www.bream.org

Italien

Die Marke KlimaHaus in Italien ist Gebäudestandard und Zertifizierung zugleich. In Form einer am Gebäude angebrachten Plakette kann man darauf hinweisen. Gemessen und beurteilt wird der Heizenergiebedarf. Beim KlimaHaus Gold liegt der Heizenergiebedarf unter 10 kWh/m2a, beim KlimaHaus A unter 30 und beim KlimaHaus B unter 50.

* www.klimahausagentur.it

Japan

Das japanische Gebäudebewertungssystem nennt sich casbee. Es basiert auf dem Prinzip von breeam und leed. Um den Planern und Bauherren schon zu Beginn einer Planung Sicherheit zu geben, gibt es casbee nicht nur für die Kategorien Neubauten, bestehende Bauten und Renovierungen, sondern auch für die Entwurfsphase.

* www.ibec.or.jp/casbee/english/index.htm

Österreich
Während das Niedrigenergiehaus einen Jahresheizwärmebedarf unter 50 kWh/m2 hat, darf dieser bei einem Passivhaus 15 kWh/m2 (nach Berechnung des Passivhausinstituts Darmstadt) bzw. 10 kWh/m2 (nach dem Österreichischen Institut für Bautechnik) nicht überschreiten. Neben diesen beiden Standards sollen nun vermehrt Null- bzw. Plusenergiehäuser thematisiert werden, wobei die Meinungen auseinandergehen, ob es sinnvoller ist, weitere Standards einzuführen, bevor das Passivhaus endgültig etabliert ist. Die drei gängigsten, heimischen Gebäudezertifizierungssysteme tq, ibo-Ökopass und Klima:aktiv, werden derzeit harmonisiert. tqb wird dann für Total Quality Building stehen und soll internationalen Standards entsprechen. Der Energieausweis ist seit 1. Jänner 2008 auch in Österreich für alle Häuser, die nach 2006 errichtet oder maßgeblich verändert wurden, verpflichtend. Ältere Bauten haben noch bis Ende des Jahres Schonfrist.

Schweiz

Das Passivhaus der Schweiz nennt sich Minergie. Ähnlich wie in Italien steht dieser Markenname für einen Standard und eine Zertifizierung. Neben dem Grundstandard Minergie, der für Wohnbauten einen maximalen jährlichen Energiebedarf für Heizung, Lüftung und Warmwasser von 38 kWh/m2 fordert, darf Minergie-P maximal 30 kWh/m2 verbrauchen und muss zusätzliche Anforderungen wie Luftdichtigkeit der Gebäudehülle und Effizienzklasse A bei den Haushaltsgeräten erfüllen. Minergie-eco ist eine Ergänzung zum Minergie- beziehungsweise Minergie-P-Standard und stellt zusätzliche Anforderungen an eine ökologische Bauweise und gute Tageslichtnutzung.

* www.minergie.ch

USA

Die Umweltzertifizierung aus den usa geht viel weiter als der europäische Energiepass. Das leed Zertifikat (Leadership in Energy and Environmental Design) dokumentiert nicht nur Energieeinsparungen. In einem dynamischen Punktesystem wird von einer nachhaltigen Landschaftsplanung, dem Material- und Ressourcenhaushalt, der Raumluftqualität, dem Wasserhaushalt, erhöhter Energieeffizienz bis hin zu einem verbesserten Planungs- und Bauprozess alles bewertet. Obwohl leed jünger ist als »Green Globe« und »Energie Star«, zwei weitere us-Bewertungssysteme, hat es weltweit Beachtung gefunden.

* www.usgbc.org/leed
* www.greenglobe21.com
* www.energystar.gov

8. Mai 2008 Der Standard

Bauen mit den Zwängen des Tourismus

Architektursensibilität während einer Fahrt über den Wörthersee

Klagenfurt - Es sind eher die kleinen Bauaufgaben, die in Kärnten auf der Tagesordnung stehen: Einfamilienhäuser, Bootshütten, Supermärkte. Umso mehr Aufmerksamkeit erfordern dann die großen Projekte. Das größte und aufregendste ist momentan das Wörtherseestadion. Die 32.000 Besucher fassende Arena soll nach der Europameisterschaft höchstwahrscheinlich auf 12.000 Sitzplätze zurückgebaut werden.

Im Zuge der Architekturtage können Groß und Klein nicht nur das Wörtherseestadion besichtigen, es gibt eine ganze Reihe von Gebäuden in Klagenfurt und Umgebung zu sehen. Das eigentliche Highlight sei jedoch eine Dampfschifffahrt über den Wörthersee, sagt Astrid Meyer, die diesjährige Organisatorin der Architekturtage Kärnten. „Es geht um die Bebauung am See, es geht um die Zukunft und die Entwicklung der Region“, umreißt sie das Ziel der Fahrt.

Sprechen über den See

Mittels Impulsvorträgen und Diskussionen soll die Schifffahrt zu einem Perspektivewechsel anregen. Bis zu 300 Personen haben Platz. Gerade am Ufer des Wörthersees wird der Zwiespalt zwischen der Schönheit der Natur und den Anforderungen des Tourismus immer wieder deutlich. Beispielsweise wurde direkt am Veldener Seeufer eine Wand errichtet. Den Gästen des Schlosshotels bietet sie mehr Privatsphäre beim Baden, den Flanierenden verwehrt sie den Blick auf den See.

Abgesehen von der berühmten Wörthersee-Architektur sind viele Bauten entlang des Seeufers nicht wirklich rühmliche Zeugnisse Kärntner Baukultur. Erst jüngst musste genau hinter der idyllisch gelegenen Kirche Maria Wörth ein Waldstück dem Bau einer Apartmentanlage weichen. Das Postkartenmotiv ist damit unwiderruflich verloren. „Wirtschaftlicher Bedarf und Erhaltung des Lebensraumes sind eben sehr widerstreitende Aspekte“, sagt Mayer. Die Schifffahrt soll das deutlich machen und zum Nachdenken anregen.

9. Dezember 2006 Der Standard

Darf ich Ihren Energieausweis sehen?

Sanierung ist ein Stiefkind der Bauwirtschaft. Dabei gäbe es in Österreich genug Handlungsbedarf - allein im Bereich der energetischen Sanierung. Experten hoffen auf ein Umdenken durch den in Kürze verpflichtenden Energieausweis für Gebäude.

Beim Kauf eines Kühlschrankes sollte man auf einen geringen Stromverbrauch achten. Dies schont nicht nur die Umwelt, sondern reduziert auch die laufenden Betriebskosten. Klassifizierungen helfen dem Konsumenten bei der richtigen Wahl. Das, was sich bei Haushaltsgeräten schon vor einigen Jahren durchgesetzt hat, soll nun auch für Gebäude folgen. Ab Anfang 2008 ist der Energieausweis für Neubauten verpflichtend, ab Anfang 2009 dann auch für Bestandsgebäude. Experten hoffen, dass Mieter und Käufer dann nur noch zu Wohnungen greifen, die die definierten Qualitätskriterien erfüllen.

„Alle, die in unsanierten Häusern leben, müssen sich darüber im Klaren sein, dass ihre Wohnungen in zehn Jahren nicht mehr zu verkaufen sein werden“, droht Thomas Malloth, Obmann des Fachverbandes der Immobilientreuhänder. Seit der Einführung der Energie-Effizienzklasse sind Haushaltsgeräte mit schlechter Wertung quasi vom Markt verschwunden. Sollte der Energieausweis für Gebäude ähnliche Wirkung zeigen, dann müsste der Sanierungsmarkt in Bälde boomen. Vorerst nimmt der Sanierungsanteil mit 1,37 Milliarden Euro nur knapp zehn Prozent der österreichischen Gesamtbauproduktion ein. Allein für die Umsetzung des Kioto-Protokolls wird es notwendig sein, die Sanierungsrate von derzeit rund ein Prozent des gesamten Bestandes auf mindestens zwei anzuheben. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf Eigenheime gelegt werden.

Lieber gleich tief . . .

Gerade bei Dienstleistungsgebäuden mangelt es an energieeffizienten Bauweisen. Bauherren legen meist ein größeres Augenmerk auf die Investitions- als auf die späteren Betriebskosten. Dabei machen die Investitionskosten nur 20 bis 25 Prozent der gesamten Kosten aus, die im Laufe eines Gebäudelebens relevant werden. Der große Brocken entsteht erst nach Fertigstellung durch Betrieb und Instandhaltung.

Werner Kreilinger von dem auf Bauherrenberatung spezialisierten Unternehmen Bene Consulting betrachtet mit seinen Kunden daher nicht nur die Investitionskosten, sondern die gesamten Lebenszykluskosten für ein geplantes Objekt. „Wir rechnen dem Kunden aus, was es ihn Jahr für Jahr kosten wird, und sagen ihm, dass er lieber vorn etwas mehr Geld in die Hand nehmen soll.“ Die Zusatzkosten werde er schnell wieder einholen können.

„Die gängige Bauweise von Bürogebäuden ist durch Glas-architektur und den Bedarf an hoher Flexibilität geprägt“, sagt Margot Grim von ecofacility, „großflächige Glasfassaden ohne Berücksichtigung eines effizienten, außen liegenden Verschattungssystems führen dazu, dass der Wärmebedarf im Winter und der Kühlbedarf im Sommer immens steigen.“ Da durch eine vorausschauende Planung die Betriebskosten deutlich reduziert werden können, unterstützt das klima:aktiv-Programm ecofacility Bauherren und Planer in der Planungs- und Umsetzungsphase.

. . . in die Tasche greifen

Das Firmengebäude der Drexel und Weiss GmbH, ein Gewerbebau aus den 60er-Jahren, ist ein gern genanntes Beispiel: Vor Kurzem wurde es saniert und weist nun Passivhausstandard auf. Die Energiekennzahlen konnten dabei von 200 auf zehn kWh pro Quadratmeter und Jahr runtergeschraubt werden. Das Projekt wurde mit dem Österreichischen Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2006 ausgezeichnet.

Ein weiteres vorbildliches Sanierungsbeispiel stammt aus Salzburg. Architekt Michael Strobl baute in Zusammenarbeit mit Trauner Architekten sowie Bach Architekten ein Gebäude aus den 60er-Jahren um. Die Zentrale der Bausparkasse Wüstenrot AG wurde mit neuer Dämmung und neuer Glashaut überzogen, gleichzeitig wurden alle Fenster ausgetauscht. Fazit: 60 Prozent Energieersparnis. Um auch die Kühlkosten zu reduzieren und blendfreie Arbeitsplätze zu garantieren, ist das Gebäude von einem Streckmetallgewebe umhüllt. Von jedem Raum aus kann man die außenliegenden Gitter nach oben oder unten fahren.

40 verschiedene Firmen waren mit der Ausführung des Baus beschäftigt. Genau dies ist ein weiteres Argument für Sanierungen: Laut Johannes Lahofer, Bundesinnungsmeister des Baugewerbes, schafft eine Milliarde Euro in der Sanierung mindestens 20.000 Arbeitsplätze.

25. November 2006 Der Standard

Dünne Luft

Je abgeschiedener ein Objekt ist, desto schwieriger wird das Bauen. Die Idylle einer Berghütte bringt nicht nur einen größeren Planungsaufwand mit sich, sondern auch einen weiten Transportweg. Das macht das Bauen in den Bergen extrem teuer.

Architekten lieben das Abenteuer. Und das manchmal schon zu Studienzeiten: Die derzeit im Wiener Architekturzentrum gezeigten „9 Projekte für Johannesburg“ haben Studenten heimischer und deutscher Universitäten in den dortigen Townships realisiert. Für sie war dieses Baupraktikum eine Erfahrung unter extremen Bedingungen: Sie mussten in einem fremden Land innerhalb einer sehr kurzen Bauzeit und noch dazu mit den vor Ort vorhandenen Materialien ein kommunales Gebäude errichten.

Aber auch hier zu Lande findet man Baustellen, die mit normalen Maßstäben nicht zu messen sind. Man denke nur an die vielen Almhütten, die in absoluter Abgeschiedenheit liegen und nur zu Fuß, mit der Seilbahn oder dem Hubschrauber erreichbar sind. „Mit dem normalen Baugeschehen ist das nicht zu vergleichen. Das Projekt muss haargenau durchgeplant werden, denn während der Bauphase sind Änderungen nicht möglich“, erklärt Fritz Oettl von pos architekten, „wenn plötzlich ein Teil fehlt, dann kann man nicht einfach zum nächsten Baumarkt fahren.“

Derartige Erfahrungen hat er vor allem beim Bau einer Berghütte auf dem Hochschwab sammeln können. Das so genannte Schiestlhaus, eine Schutzhütte des Österreichischen Touristenklubs, das in der Arbeitsgemeinschaft solar4alpin (Rezac-Stieldorf-Oettl-Treberspurg) entstand, sorgte aufgrund ihrer Passivtechnologie für großes Aufsehen. Sie ist eine der wenigen Neubauten in solch luftiger Höhe. „Neubauten gibt es in diesen Höhenlagen kaum“, bestätigt Peter Kapelari vom Österreichischen Alpenverein. Meist handle es sich dabei um Sanierungs-, Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen.

Luxusgut Beton

Gemeinsam mit seinem deutschen Pendant unterhält der Österreichische Alpenverein insgesamt 514 Schutzhütten in den österreichischen Bergen. Um diese alpine Infrastruktur zu erhalten, werden jährlich 16,4 Millionen Euro ausgegeben. Baumaßnahmen in diesen Extremlagen sind laut Kapelari um das Zweieinhalbfache teurer als im Flachland. Das Teuerste dabei ist der Massivbau: Bei Betonierarbeiten müsse man die üblichen Preise sogar mit 40 multiplizieren.

Das neue Schiestlhaus ist oberirdisch fast ausschließlich aus Holz konstruiert. Doch beim Keller gab es kein Entkommen, er musste betoniert werden. Kübel für Kübel wurde der gemischte Beton per Hubschrauber nach oben geflogen. Auch sonst wurde der Luftweg zum Transport von Material und Personen oft genutzt - insgesamt flog man die 1500-mal. „Die größte Schwierigkeit ist das Wetter“, sagt Christian Wolfert vom Architekturbüro Treberspurg & Partner Architekten. Immer wieder verhinderten entweder Sicht- oder Windverhältnisse bereits geplante Flüge. Auf die Materiallieferungen musste dann eben gewartet werden, die Handwerker stiegen in der Zwischenzeit zu Fuß zu ihrer Arbeitsstätte hinauf. Immerhin ein zweistündiger Marsch.

Kurze Bausaison

Derzeit bauen pos architekten weitere Berghütten - nicht in Österreich, aber in Montenegro. Für einen Nationalpark entwickelte man einen Basistyp, von dem fürs Erste fünf Stück realisiert wurden. In diesem Fall werden die Einzelteile des Skelettbaus im Tal vorbereitet und dann nach oben gebracht. Zwei Hütten stehen bereits im Rohbau. Da im Gebirge nur kurze Bauzeiten möglich sind - meist von Mai bis Oktober - wird mit dem Innenausbau erst im kommenden Frühjahr begonnen. Für die Zwischenzeit sind sie winterfest gemacht.

Doch auch nach Fertigstellung ist eine Berghütte niemals völlig autark. In regelmäßigen Abständen müssen Dinge zu- oder abgeführt werden. Hat man das Abwasser früher einfach im Boden versickern lassen, ist dies aufgrund des Wasserschutzgesetzes in vielen Fällen nicht mehr möglich. Die meisten Objekte des Alpenvereins sind daher mit einer biologischen Abwasseranlage ausgestattet.

In Tirol kommt seit vier Jahren erschwerend das Tiroler Feldschutzgesetz hinzu. Demnach darf der Klärschlamm, der aus solchen Abwasserentsorgungsanlagen stammt, nur im Bereich von Ödland aufgebracht werden. Sobald die Flächen landwirtschaftlich genutzt werden, muss dieser ins Tal abtransportiert werden und dort entsorgt werden. Hubschrauberflüge stehen allein deshalb immer wieder an der Tagesordnung.

14. Oktober 2006 Der Standard

Architektur als Lebensmittel

Die Tiroler Lebensmittelkette MPREIS arbeitet schon seit vielen Jahren mit Architekten zusammen. Doch auch andere Handelsketten kehren dem tristen Einheitslook den Rücken. Denn wer den Überlebenskampf gewinnen will, muss auch auf die Architekturkarte setzen.

Knackige Salate und leuchtende Karotten werden im besten Lichte in Szene gesetzt, duftender Käse wird zu nationalen Grüppchen drapiert, pralle Äpfel drängen sich zum sündigen Kauf auf. Das Auge isst nicht nur mit - es kauft auch mit ein. Von monoton gestapelten Waren kann in vielen Lebensmittelmärkten keine Rede mehr sein, der Kunde von heute will zum Geldausgeben regelrecht animiert werden. Viele Anbieter wissen dem mittlerweile zu entsprechen. „Die Herausforderung besteht darin, den Kunden nicht nur eine attraktive Produktauswahl, sondern auch ein räumliches Erlebnis zu bieten“, erklärt Hansjörg Mölk, Geschäftsführer der einzigartigen Tiroler Lebensmittelkette MPREIS.

Seit einigen Jahren bereits arbeitet sein Unternehmen bei Neubauten mit Architekten zusammen. Sein Ziel ist es, Räume zu schaffen, in denen sich der Kunde wohl fühlt und gerne einkaufen geht. Jede Filiale von MPREIS sieht anders aus, mit jedem neu gebauten Geschäft stellt man sich neuen Herausforderungen. „Supermärkte sind die am meisten besuchten öffentlichen Räume. Es ist nicht gleichgültig, wie sie aussehen“, so Mölk. Diese buchstäblich Gewinn bringende Herangehensweise ist Ende der Achtzigerjahre aus einer Freundschaft zwischen dem Geschäftsführer und einem Architekten entstanden. Für das Unternehmen ist der moderne architektonische Auftritt inzwischen zu einem unverwechselbaren Markenzeichen geworden.

Mehr als nur ein Logo

Lange Jahre haben Lebensmittelketten auf die simple Kiste gesetzt. Die öden Einkaufstempel prägen Stadt und Land. Ein markantes Vordach und der jeweilige XXL-Schriftzug sind meist die einzigen Elemente, die den einen von dem anderen unterscheidet. Doch in der Zwischenzeit haben auch andere große Lebensmittelketten erkannt, dass das äußere Erscheinungsbild stets ein Spiegelbild ihres Unternehmens ist. Zunehmend werden für den Bau ihrer Märkte renommierte Architekten engagiert.

„Wir sind ein modernes Unternehmen und wollen dies auch in den Gebäuden darstellen“, sagt Nicole Berkmann, Pressesprecherin der Handelskette Spar. Vor einigen Jahren habe ein Umdenken stattgefunden, erzählt sie - seitdem lege man Wert auf gute Architektur. Der jüngste Eurospar in Bregenz stammt zum Beispiel vom Vorarlberger Architektenteam Dietrich|Untertrifaller. Ein sich über die gesamte Eingangsfront erstreckendes Garagentor sticht hier ins Au-ge. Während der Ladenöffnungszeiten wird es nach oben über die Dachkante hin-ausgeschoben und macht den Bau von Weitem sichtbar. Nach Ladenschluss wird es wieder heruntergelassen.

Die Rewe-Gruppe arbeitet bei Um- und Neubauten ebenfalls mit Architekten zusammen. Auch sie wollen dem Kunden ein unvergessliches Raumerlebnis bieten. Der Kunde soll sich im Supermarkt wohl fühlen, soll sich darin gerne aufhalten, soll jederzeit wieder kommen wollen. Im Gegensatz zu Spar oder MPREIS gibt Rewe den Architekten aber viel genauere Vorgaben, was das jeweilige Corporate Design betrifft.

Billa-Sackerl als Ikone

Jeder Merkur-Markt muss außen und innen die Farben Grün und Weiß tragen, bei Billa hingegen sind in der Fassadengestaltung die Farben Rot und Gelb erwünscht. Im niederösterreichischen Wöllersdorf hat man es mit dem Wiedererkennungseffekt sehr genau genommen. Hier ist das berühmt-berüchtigte Billa-Sackerl auf Hausgröße aufgeblasen und schmückt unverkennbar das Eingangsgebäude.

Während manche auf die überbordende Farbkarte setzen, konzentriert sich Spar auf dezentere Architekturelemente wie etwa auf den Schriftzug mit dem immer wiederkehrenden roten Eingangstor, das den Kunden in den Markt lotsen soll. Ingrid Huter, Kommunikationssprecherin von MPREIS kontert: „Es braucht nicht einmal mehr das Logo!“ Denn auch wenn jeder Markt anders aussehe, gebe es einen sehr hohen Wiedererkennungswert.

Früher haben sich die Lebensmittelketten einem einheitlichen Architektur-Code unterworfen, heute streben die meisten ein pluralistisches Erscheinungsbild an. Die Corporate Identity wird in den unterschiedlichsten Architektur-sprachen vermittelt - und die Kunden haben es begriffen: „Schon während der Bauphase wissen die Tiroler, dass es ein MPREIS wird.“

16. September 2006 Der Standard

Der Wuchtel hinterher

Ein erfolgreicher Bürostandort braucht einen U-Bahn-Anschluss. Bis zur Europameisterschaft 2008 wird in Wien die U2 bis zum Stadion verlängert – das sportliche Großereignis wird damit zum Motor für die Standortentwicklung. Und die Bürobauten sprießen und wachsen.

„Keine Stöckelschuhe bitte“ – so lautete die Einschränkung, die auf der Einladung zur 75- Jahr-Feier des Wiener Ernst- Happel-Stadions stand. Ausnahmsweise durfte man genau dort stehen, sitzen oder liegen, wo sonst nur die Fußballspieler hinkommen, ja sogar ein Picknick auf heiligem Rasen war gestattet. Bis zum nächsten Fußballspiel und erst recht bis zur Europameisterschaft 2008 wird sich der Rasen längst erholt haben.

Die Vorbereitungen für das sportliche Großereignis in zwei Jahren laufen auf Hochtouren. An den österreichischen Austragungsorten Salzburg und Innsbruck werden derzeit die Stadien aufgestockt, in Klagenfurt wird gar ein neues errichtet. In Wien dagegen sind keine großen Umbaumaßnahmen erforderlich; das Ernst-Happel-Stadion muss lediglich adaptiert werden. Die Stadt nutze die EM 2008 vor allem, umstädtebauliche Entwicklungen im Umfeld des Stadions voranzutreiben, wie zum Beispiel die Verlängerung der U-Bahn-Linie U2, erklärt der Wiener Planungsstadtrat Rudolf Schicker. In unmittelbarer Nähe der Fußballarena entstehen ein Einkaufszentrum, das auf Sport spezialisierte „Stadion Center“, und ein neues Büro viertel mit zwei Bürobauten und einem Hotel.

„Großereignisse sind Motoren für Stadtentwicklung“, sagt Monika Meyer-Künzel, Leiterin des Institutes für ökologische Raumentwicklung in Leipzig – selbst wenn eine Bewerbung für die Olympischen Spiele letztendlich doch nicht positiv ausgeht, wie das in Leipzig der Fall gewesen ist. Meyer-Künzel hat sich mit dem Einfluss von Großereignissen auf die Stadtplanung auseinandergesetzt. „Bei Kooperationen geht der Entscheidungsprozess viel schneller, da alles auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist“, sagt sie.

Bis zum Anpfiff der Fußball- Europameisterschaft soll die Verlängerung der U2 eröffnet sein, im so genannten „Viertel Zwei“ sollen dann zumindest die äußeren Gebäudehüllen fix und fertig stehen. Man möchte sich ja im besten Licht präsentieren, wenn die Aufmerksamkeit von Millionen TV-Zuschauern auf Wien gerichtet ist.

Außen hui, innen leer

Am liebsten hätte man hier gleich ein lebendiges Büroviertel präsentiert, doch der zukünftige Mieter, die OMV, wird seine neue Konzernzentrale erst 2009 beziehen können. Allein das Hotel und das Stadion-Center werden während der EM2008 schon in Betrieb sein. Detail am Rande: Aus Sicherheitsgründen sind Baustellen während der Meisterschaften im Umfeld der Sportstätte verboten. Die herumliegenden Baumaterialien könnten ja als Wurfgeschoße missbraucht werden.

Zwei neue Bürobauten machen noch keinen neuen Bürostandort aus, erklärt Andreas Ridder, Geschäftsführer von CB Richard Ellis Österreich, einem international tätigen Immobiliendienstleister. Der Trend liegt in der Clusterbildung: „Man zieht dort hin, wo andere gute Unternehmen sich schon angesiedelt haben“, weiß Ridder. Die nach wie vor beliebteste Bürolagen in Wien ist die Innenstadt, gefolgt von der Donau-City. An dritter Stelle indemvonCBRichard Ellis erstellten Ranking steht Erdberg/Gasometer.

Doch auch das „Viertel Zwei“ hat einiges, was für eine erfolgreiche Lage spricht: „Ein Bürobau ohne U-Bahn funktioniert nicht“, so Ridder. Ein rentabler Standort brauche eine U- oder eine gute S-Bahn- Verbindung, weiters eine nicht zu große Distanz zur Innenstadt und zum Flughafen, eine gute Infrastrukturmit Geschäften und Restaurants und natürlich eine gewisse Form von Attraktivität.

Vermietungen steigen

Im ersten Halbjahr 2006 konnte bei Wiener Bürovermietungen ein neuer Rekord verzeichnet werden. Getragen wird dieses Plus von Großanmietungen wie etwa durch die OMV im „Vierteil Zwei“ – hier handelt es sich um stolze 44.000 Quadratmeter Bürofläche. Und natürlich gebe es Potenzial für weitere Bürobauten, sagt Sabine Ullrich von der für dieses Quartier verantwortlichen IC Projektentwicklung GmbH. Schließlich möchte man sich im Zuge der bevorstehenden Europameisterschaften im besten Licht präsentieren. Fazit: Je mehr Hüllen herumstehen, desto besser, und vermietet sind sie überhaupt am besten.

19. August 2006 Der Standard

Das Wohnen ist vor der Tür

Der Sommer ist für viele die Zeit des zweiten Wohnsitzes am Land. Doch heute will man keine heimeligen Stuben mehr und keine kleinen Fenster, sondern Wohnräume, die sich ganz und gar der schönen Landschaft widmen. Denn im Ferienhaus, da zählt nur eins: das Drumherum.

Wie soll ein Ferienhaus aussehen? Le Corbusier entwarf für sich und seine Frau eine schlichte, einfache Holzhütte. Sie steht in Roquebrune direkt an der Côte d'Azur. Auf gerade mal 16 Quadratmetern Grundfläche brachte der berühmt-berüchtigte französische Architekt alle notwendigen Funktionen unter Dach und Fach: einen Klapptisch, zwei Hocker, die gleichzeitig Aufbewahrungskästen sind, eine Zimmerdecke, hinter der sich ebenfalls Stauraum verbirgt, eine Toilette und eine Liege. Auf eine Küche verzichtete er ganz, da das Ehepaar sich im Café nebenan verpflegte.

Für Corbusier ging es um die Frage: Wie verbinde ich die eindrucksvolle Landschaft mit der Architektur? Und seine Antwort war so einfach wie verblüffend: Hier lebe ich im Freien - also brauche ich nur eine kleine, schlichte Behausung.

Die Ferienhäuser made in Austria sind meist wesentlich großzügiger konzipiert. Und doch haben sie einiges gemeinsam mit Le Corbusiers Hütte: In ihrem Inneren sind sie auf die wesentlichsten Funktionen beschränkt. Neben einem großen Aufenthaltsraum findet man - ganz anders als beim klassischen Einfamilienhaus - meist nur kleine Schlafzimmer und das obligatorische Bad. Der eigentliche Aufenthaltsraum ist auf das Genießen der umliegenden Natur ausgerichtet.

„Jetzt ist es drinnen wie draußen und draußen wie drinnen“, schwärmt die Bauherrin des Hauses Salgenreuthe. Mitten im Bregenzerwald hat sie gemeinsam mit ihrer Schwester einige Hektar Land geerbt und dazu ein Ferienhaus aus den 70er-Jahren. Das Haus war für die beiden Familien zu klein und hatte zudem „viel zu kleine Fenster“, um die wunderschöne Natur genießen zu können.

Bernardo Bader, ein junger Architekt aus dem Ort, erweiterte den Bestand um das erlaubte Drittel und packte Alt und Neu in ein frisches Holzkleid aus Lärchenlatten ein. Im Bestand sind drei Schlafzimmer für bis zu sechs Personen und zwei Badezimmer untergebracht. Neu ist der große Wohnraum mit Küche, Essplatz und Wohnbereich. Raumhohe Glasflächen, die teilweise zur Seite geschoben werden können, bieten den erwünschten Ausblick auf die Landschaft.

Kiste in der Schräge

Das Besondere an dem Haus ist, dass es wie ein Solitär mitten auf einer leicht abschüssigen Wiese steht und weit und breit weder eine Straße noch ein Auto zu sehen ist. Auch das ist ein Verdienst des Architekten. „Ich habe nie verstanden, dass man das Auto neben das Haus stellen muss“, erzählt er. Heute führt für das kurze Be- und Entladen ein Schotterrasen zum Haus Salgenreuthe. Die Autos werden danach etwa 80 Meter vom Haus entfernt abgestellt. Dies bedarf natürlich einer gewissen Disziplin. Doch die beiden Familien haben sich inzwischen daran gewöhnt.

Beim Bau des Haus Salgenreuthe haben die Bauherren darauf geachtet, dass überwiegend Handwerker aus der Gegend beschäftigt wurden. Ganz anders bei den beiden Ferienhäusern in Bocksdorf im Burgenland: Zwei befreundete Familien engagierten die Wiener Architekten ARTEC für den Bau ihres neuen Feriendomizils.

Obwohl sich die Wünsche der beiden Familien voneinander unterschieden und die jeweiligen Grundstücke unterschiedlicher nicht sein konnten, haben die Architekten für das Haus B und das Haus S eine ähnliche Konstruktion entwickeln können. Das sparte Zeit und Kosten. Die Konstruktion wurde so weit wie möglich von einer Vorarlberger Holzfirma vorgefertigt. Das eine Haus steht auf einer Hügelkuppe und scheint über der Wiese zu schweben. Das andere liegt mitten am Hang und ist an einen kleinen Altbau angegliedert.

Alt spricht mit Neu

Damit die Bauherren von einem erhöhten Standpunkt aus den Ausblick genießen können, wurde das bestehende Ziegeldach entfernt und durch eine Dachterrasse ersetzt. So spricht also das Alte mit dem Neuen. Nicht nur in der Konstruktion, auch in der Raumaufteilung ähneln sich die zwei Bauten. Beide verfügen über einen großen, verglasten Wohnbereich und eine umlaufende Terrasse, die von jedem Raum des Hauses betreten werden kann. Die Priorität des ferialen Wohnens ist letztlich wie bei Le Corbusier ausgefallen: Was zählt, ist das Drumherum.

10. Juni 2006 Der Standard

Räume für Wohnen und Pflege

Schon 2020 wird jeder vierte Österreicher älter als 60 Jahre sein. Innovative Modelle sind nötig, um die damit verbundenen Wohnungs- und Pflegefragen zu lösen. Nur eine von vielen Varianten werden Alters- und Pflegeheime sein, aber auch sie brauchen neue Zugänge.

Vor dem Eingang verabschiedet sich eine alte Dame. „Bis zum nächsten Sonntag“, sagt sie zu ihrem Besucher und winkt dem abfahrenden Auto nach. Dann dreht sie, auf ihre Gehhilfe gestützt, noch eine Runde um das Haus. Am Rande von Steinfeld, einer Ortschaft im Kärntner Drautal, steht ein dreigeschoßiger Baukörper frei in einem Park. Die beiden oberen Geschoße springen zu allen Seiten über dem Erdgeschoß hervor. „So entsteht ein überdachter Bereich rund um das Haus“, sagt Heimleiterin Sabine Haslacher, „und da sind die alten Leute oft und gern unterwegs“. Entworfen hat das Alters- und Pflegeheim der Grazer Architekt Dietger Wissounig. Er wollte eine Wohnatmosphäre schaffen, wie sie ihm selber angenehm sei, erklärt er. Deshalb habe das Haus einen Hotel-, ja fast einen Spa-Charakter bekommen.

„Medizinische Pflege allein - das reicht schon lange nicht mehr aus“, sagt Franz Kolland. „Die Leute wollen wohnen.“ Der Professor für Soziologie unterrichtet an der Universität Wien und beschäftigt sich unter anderem mit Lebensstilen und Wohnbedürfnissen alter Menschen. Medizinische Pflege allein „wird vielleicht von den Angehörigen als ausreichend empfunden“, räumt er ein, „aber nicht von den alten Menschen selbst“.

Die meisten Leute ziehen erst ins Altersheim, wenn sie kaum mehr gehen können, weiß Architekt Wissounig. „Dann müssen sie ihr gewohntes Milieu und ihre gewohnte, landschaftliche Umgebung verlassen.“ Das kompakte rechteckige Gebäude in Steinfeld hat er so orientiert, dass man von innen zu allen vier Himmelsrichtungen hinausschauen und den vertrauten Ausblick wiederfinden kann.

Von außen wirkt der Bau schlicht und kompakt, im Inneren entfaltet er seine räumliche Vielfalt. In jedem der oberen Stockwerke gibt es ebenfalls einen Rundgang entlang der Zimmer, Gemeinschaftsräume und Terrassen zur einen Seite und einem innen liegenden, dreigeschoßigen Wintergarten zur gegenüberliegenden Seite. Vor allem für Demenzkranke sei es wichtig, so der Architekt, die Übersicht immer zu behalten.

Rundum durchdacht

Das Alters- und Pflegeheim in Steinfeld ist nicht nur ein „außerordentlich gut durchdachter“ Bau, wie ihn schon die Wettbewerbsjury lobte, er erfüllt auch die geforderten ökologischen Kriterien: Er ist bis auf das Erdgeschoß ein reiner Holzbau und als Niedrigenergiehaus konzipiert.

Neben Alters- und Pflegeheimen gibt es erst wenige andere Wohnformen für alte Menschen wie zum Beispiel Wohngemeinschaften, mobile Hausbetreuungen oder das betreute Wohnen. „Das Thema der Hochaltrigkeit gibt es erst seit 20-30 Jahren“, sagt der Soziologe Kolland, „wir haben also wenig Erfahrung damit.“ In Zukunft werden sich daher noch viel mehr Wohnvarianten herausbilden müssen.

Denn die bestehenden sind oft zu kurz gedacht: Das betreute oder betreubare Wohnen etwa, eine Kombination von gemieteten Wohnungen und verschiedenen Serviceleistungen, bezeichnet Franz Kolland als eine Übergangssituation: „Wenn die Menschen pflegebedürftig werden, müssen sie erneut umziehen. Das ist eine große Belastung für sie.“ Er fordert flexiblere Strukturen der Gebäude.

Genau damit hat sich erst kürzlich die Abteilung Facility Management der Hochschule Wädenswil in der Schweiz beschäftigt. Mit dem Ziel, ein flexibles Wohnmodell zu entwickeln, in dem die Bewohner auch beim Eintreten des Pflegefalls nicht umziehen müssen, simulierte man die Entwicklung des Wohnens im Alter. Die Parameter für die Simulation - wann wird jemand pflegebedürftig, verliert seinen Partner oder ändert sein Raumbedürfnis - entnahm man der Statistik. Das dabei entstandene Modell soll nun in die Realität umgesetzt werden.

Allzu strikte Bauregeln

Auch Josefine Mair, Geschäftsführerin von „Caritas für Betreuung und Pflege“, fordert eine größere Vielfalt an Wohnformen: „Wir brauchen Wahlmöglichkeiten.“ Sie spricht von den zu strikten Regeln für den Bau von Alters-und Pflegeheimen, die diese Vielfalt nicht zulassen, und fordert Lockerungen. Um für dieses Thema zu sensibilisieren, veranstaltet die Caritas am 28. und 29. September einen Kongress in der FH Linz unter dem Titel „Wohnen im Alter - Bauen fürs Alter“.

13. Mai 2006 Der Standard

Hongkong meets Heustadel

Immer mehr landwirtschaftliche Nutzgebäude stehen leer, viele dürfen wegen des Ortsbild- schutzes nicht abgerissen werden. Eine will- kommene Herausforderung für Architekten, die Scheunen und Ställe zu Wohnhäusern umzu- bauen. Ein Paradebeispiel steht im Tiroler Lans.

Eigentlich sollte das leer stehende Tennengebäude abgerissen werden. Der Bauherr wollte einen Neubau. Doch die Gemeinde Lans bei Innsbruck lehnte dieses Vorhaben ab - das Ensemble Bauernhaus und Stall musste erhalten bleiben, da es einen markanten Punkt in der Landschaft darstellt. Man einigte sich darauf, den Stall zu einer Wohnung umzubauen. Im Nachhinein für alle die beste Lösung, auch für den Bauherrn Christian Rhomberg: „In meiner Kindheit war der Stadl unser Spielreich, mit magischem Lichteinfall zwischen den Bretterfugen, Astlöchern und Lucken.“ Ein Stück von diesem besonderen Reiz konnte Architekt Martin Scharfetter wieder zum Leben erwecken.

In Österreich stehen viele landwirtschaftliche Nutzgebäude leer. Befinden sich die Ställe, Scheunen oder Mühlen in Schutzzonen, ist ein Abriss nicht möglich. Zunehmend suchen ihre Eigentümer daher in Zusammenarbeit mit Architekten nach Lösungen für Neunutzungen. Diese Bauaufgabe verlangt nach innovativen Ansätzen - für viele Architekten eine gern gesehene Herausforderung.

Eine Umnutzung ist freilich nicht immer unproblematisch. Ist der Bauernhof nebenan in Betrieb, kann dies zu nachbarschaftlichen Konflikten führen: „Wenn der Bauer mit der Gülle rein- und rausfährt, ist das eine Tätigkeit, die nicht dem Wohnen entspricht“, warnt Hans Kordina, Raumplaner in Niederösterreich. Er sieht dennoch in Umnutzungen eine Chance, den Überhang an leer stehenden Stallgebäuden zu verringern, Siedlungsstrukturen aufrechtzuerhalten und Ressourcen zu nutzen.

Zusammen mit dem Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung hat er vor zwei Jahren eine Studie zur „Um- und Neunutzung landwirtschaftlicher Gebäude“ erarbeitet. Daraus könne man zwar keine generelle Empfehlung ableiten, sagt Kordina, aber auf Folgendes sei zugunsten des ungetrübten Wohngenusses immer zu achten: „Teilbarkeit des Grundstückes, getrennte Einfahrt, eigener Garten und Abschirmung gegen den Nachbarn“. Im Wege stehen können rechtliche Bestimmungen, wie der Fall Fiona Swarovski/ Karl-Heinz Grasser und der Bauernhof in Kitzbühel zeigt.

Schachtelhaus am See

Das leer stehende Tennengebäude in Lans ist seit Langem in Familienbesitz. Es gehört zu einem Paarhof und liegt an einem Badesee. Wie eine Schachtelkonstruktion hat Architekt Martin Scharfetter ein neues Haus in die alte Scheune hineingestellt. Der Neubau steht auf dem massiven, halb in den Hang eingegrabenen Untergeschoß des ehemaligen Stalles. Es ist in Fachwerkbauweise errichtet, mit dunkel gestrichenem Holz verkleidet und um einiges kleiner als der Bestand. Dadurch entstehen große Freiräume zwischen der inneren und der äußeren Hülle.

Diese Zwischenräume nutzt der Architekt als Terrassenräume, die „man sonst gar nicht bauen kann, weil man das nicht finanzieren kann“, so Scharfetter. „Vom Kinderzimmer aus kann man ebenerdig auf die Terrasse rausgehen, es ist damit in der Übergangszeit doppelt so groß. Die Kinder schlafen im Sommer draußen.“

Während der Bauzeit blieb die Bestandshülle unangetastet, so konnte man auch im Winter ungehindert weiterbauen. Erst nachdem der Neubau fertig war, wurde das Dach neu gedeckt und die Fassade bearbeitet. Gemeinsam haben Architekt und Bauherr dann von innen nach außen bestimmt, welche der genagelten Bretter der Stallfassade entfernt werden - „je nach Atmosphäre, Licht, Einblicken und Ausblicken“. Die hölzerne, nun durchlöcherte alte Hülle dient als Regenschirm, Sonnen- und Sichtschutz.

Tatami mit Tradition

Die innere Raumgestaltung mit Tatami-Matten stellt eine ungewöhnliche Kombination von ostasiatischer Wohnkultur und traditioneller Bauweise dar. Eine Mischung, die von der familiären Bindung des Bauherren - der mit seiner Familie etwa die Hälfte des Jahres in Hongkong lebt - zu China sowie zu Tirol herrührt. „Es freut mich jedes Mal“, sagt Christian Rhomberg, „wenn ich irgendwo im Haus sitze und mich daran erinnern kann, dass ich hier als Kind mein Pony fütterte, frisches Gras über eine Futterrutsche in den Kuhstall warf oder vom Heustock unterm Dachgiebel auf den Graswagen sprang.“

15. April 2006 Der Standard

Dem Nachbarn so nah

Seit Schrebergärten in Wien ganzjährig bewohnt werden dürfen, entstehen immer mehr von Architekten geplante Kleingartenwohnhäuser. Auch in anderen Städten finden Bauherren Geschmack am Minihaus aus Architektenhand. Schönes Beispiel: Onkel Freds Hütte in Steyr.

So sieht Luxus aus: In einem eigenen Haus mit Garten wohnen, viel Grün drum herum und eine U-Bahn-Station in der Nähe. Die Vor- und Nachteile von Stadt und Land gegeneinander abzuwägen - das steht für viele, spätestens wenn Kinder da sind, auf dem Programm. Die Wiener Kleingärten bieten hier einen guten Kompromiss: Die 32.000 Schrebergärten, die es in Wien gibt, bilden einen grünen Gürtel um die Stadt. Sie sind zentral gelegen und haben gleichzeitig etwas von einer ländlichen Idylle. Von der einen oder anderen Parzelle hat man zudem einen herrlichen Blick auf die Stadt. Seit in Wien das ganzjährige Wohnen in diesen Oasen erlaubt ist, haben viele das Sommerhaus zu ihrer Dauerresidenz gemacht: Bereits mehr als 20.000 Kleingärten wurden für ganzjähriges Wohnen umgewidmet.

Um die Umwidmung müssen sich die Siedlungen kümmern - Voraussetzung sind Infrastrukturmaßnahmen wie Kanalanschluss und Winterwasserleitung. Aber auch dann gelten einschränkende Baubestimmungen. Laut Wiener Kleingartengesetz dürfen die in Kleingärten errichteten Gebäude 50 Quadratmeter Grundfläche, eine durchschnittliche Fassadenhöhe von 5,5 Metern und eine Kubatur von 250 Kubikmetern nicht überschreiten. Das sind zumindest 15 Quadratmeter mehr als zu Zeiten der reinen Sommernutzung.

Enges Planungskorsett

Immer mehr der neu errichteten Objekte beruhen dabei auf Architektenplanungen. Vor allem junge Architekten nehmen sich dieser ungewöhnlichen Bauaufgabe an. Die strengen Auflagen scheinen ihre Fantasie zu beflügeln: Innerhalb des engen Korsetts entwickeln sie raffinierte Raumlösungen.

Ist ein Haus fertig gestellt, kommen oft Folgeaufträge. Denn zum einen sind die Bauaktivitäten seit der Novellierung des Kleingartengesetzes enorm. Zum anderen gilt im Schrebergarten nach wie vor: Es wird genau beobachtet, was in der Nachbarschaft passiert.

„In der Kleingartensiedlung ist alles sehr nah“, weiß auch Architekt Gernot Hertl. Deshalb habe er bei dem von ihm geplanten Kleingartenhaus in Steyr die Ausblicke sehr genau gewählt. „Onkel Freds Hütte“ ist ein Holzhaus mit nur wenigen Öffnungen. Der Namen kommt nicht von ungefähr: Der Bauherr ist wirklich der Onkel des Architekten, und der Bau hat in seiner Kompaktheit und Materialität auch etwas von einer Hütte.

Der Unterschied zu Wiener Kleingärten: Das Haus darf nicht als Hauptwohnsitz genutzt werden und die bebaute Fläche 35 Quadratmeter nicht überschreiten. Dazu kam, dass der Bauherr ein Passivhaus wünschte, was dickere Wandstärken mit sich brachte und die Nutzfläche schrumpfte.

„In Japan hat ein Hotelzimmer zehn Quadratmeter inklusive Badezimmer“, erzählt Alfred Hertl, der Herr der Hütte. Etwa die Hälfte des Jahres ist er beruflich im asiatischen Raum unterwegs und das Leben auf kleinstem Raum gewöhnt. Zudem ist Minimalismus für ihn eine Form der Lebenseinstellung.

Wohnen in der Wanne

Das Haus ist in eine Wanne aus Beton gestellt, die um 1,2 Meter in den Boden versenkt wurde. „Sie dient dazu, den imaginären Wohnraum zu vergrößern“, sagt Gernot Hertl. Der Wohnraum definiert sich nicht über die Gebäudehülle, sondern über die Wanne, die den Terrassenbereich räumlich mit einfasst. Über eine Treppe läuft diese in den eigentlichen Garten aus.

Ein weiterer Kunstgriff des Architekten, jede Form der Einengung zu vermeiden, ist die Decke im Wohnraum, die vor der Glasfassade nach oben verspringt und damit den Ausblick vergrößert. Eine Treppe im Inneren verbindet die beiden Geschoße und trennt zugleich die rückwärtig liegende Küche und das Bad vom Wohn- und Schlafraum ab.

Da Hertl die Parzelle nur gepachtet hat, kann man das Haus aus Holzfertigteilwänden bei Bedarf leicht wieder abbauen. Vorerst aber genießt der Bauherr im Sommer sein Gartenreich und im Winter die ihn umgebende Ruhe.

In Wien ist die Winterruhe in den Schrebergärten längst passé: Immer weniger Siedler nutzen ihre Grundstücke lediglich in den Sommermonaten. Und da man die Parzellen, sobald sie umgewidmet sind, käuflich erwerben kann, ist auch das Miteinander, das vorher durch die Vereinszugehörigkeit geprägt war, ein weniger enges.

Publikationen

2011

Wonderland Manual for Emerging Architects

The manual provides a unique overview of the most important issues that need to be dealt within the first 5 years of an architecture practice. The book was conceived as a combination of three already published wonderland magazines (in an updated form) and two additional chapters of unpublished material.
Hrsg: Anne Isopp, Wonderland, Silvia Forlati
Verlag: SpringerWienNewYork