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Hongkong meets Heustadel
Der Standard

Immer mehr landwirtschaftliche Nutzgebäude stehen leer, viele dürfen wegen des Ortsbild- schutzes nicht abgerissen werden. Eine will- kommene Herausforderung für Architekten, die Scheunen und Ställe zu Wohnhäusern umzu- bauen. Ein Paradebeispiel steht im Tiroler Lans.

13. Mai 2006 - Anne Isopp
Eigentlich sollte das leer stehende Tennengebäude abgerissen werden. Der Bauherr wollte einen Neubau. Doch die Gemeinde Lans bei Innsbruck lehnte dieses Vorhaben ab - das Ensemble Bauernhaus und Stall musste erhalten bleiben, da es einen markanten Punkt in der Landschaft darstellt. Man einigte sich darauf, den Stall zu einer Wohnung umzubauen. Im Nachhinein für alle die beste Lösung, auch für den Bauherrn Christian Rhomberg: „In meiner Kindheit war der Stadl unser Spielreich, mit magischem Lichteinfall zwischen den Bretterfugen, Astlöchern und Lucken.“ Ein Stück von diesem besonderen Reiz konnte Architekt Martin Scharfetter wieder zum Leben erwecken.

In Österreich stehen viele landwirtschaftliche Nutzgebäude leer. Befinden sich die Ställe, Scheunen oder Mühlen in Schutzzonen, ist ein Abriss nicht möglich. Zunehmend suchen ihre Eigentümer daher in Zusammenarbeit mit Architekten nach Lösungen für Neunutzungen. Diese Bauaufgabe verlangt nach innovativen Ansätzen - für viele Architekten eine gern gesehene Herausforderung.

Eine Umnutzung ist freilich nicht immer unproblematisch. Ist der Bauernhof nebenan in Betrieb, kann dies zu nachbarschaftlichen Konflikten führen: „Wenn der Bauer mit der Gülle rein- und rausfährt, ist das eine Tätigkeit, die nicht dem Wohnen entspricht“, warnt Hans Kordina, Raumplaner in Niederösterreich. Er sieht dennoch in Umnutzungen eine Chance, den Überhang an leer stehenden Stallgebäuden zu verringern, Siedlungsstrukturen aufrechtzuerhalten und Ressourcen zu nutzen.

Zusammen mit dem Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung hat er vor zwei Jahren eine Studie zur „Um- und Neunutzung landwirtschaftlicher Gebäude“ erarbeitet. Daraus könne man zwar keine generelle Empfehlung ableiten, sagt Kordina, aber auf Folgendes sei zugunsten des ungetrübten Wohngenusses immer zu achten: „Teilbarkeit des Grundstückes, getrennte Einfahrt, eigener Garten und Abschirmung gegen den Nachbarn“. Im Wege stehen können rechtliche Bestimmungen, wie der Fall Fiona Swarovski/ Karl-Heinz Grasser und der Bauernhof in Kitzbühel zeigt.

Schachtelhaus am See

Das leer stehende Tennengebäude in Lans ist seit Langem in Familienbesitz. Es gehört zu einem Paarhof und liegt an einem Badesee. Wie eine Schachtelkonstruktion hat Architekt Martin Scharfetter ein neues Haus in die alte Scheune hineingestellt. Der Neubau steht auf dem massiven, halb in den Hang eingegrabenen Untergeschoß des ehemaligen Stalles. Es ist in Fachwerkbauweise errichtet, mit dunkel gestrichenem Holz verkleidet und um einiges kleiner als der Bestand. Dadurch entstehen große Freiräume zwischen der inneren und der äußeren Hülle.

Diese Zwischenräume nutzt der Architekt als Terrassenräume, die „man sonst gar nicht bauen kann, weil man das nicht finanzieren kann“, so Scharfetter. „Vom Kinderzimmer aus kann man ebenerdig auf die Terrasse rausgehen, es ist damit in der Übergangszeit doppelt so groß. Die Kinder schlafen im Sommer draußen.“

Während der Bauzeit blieb die Bestandshülle unangetastet, so konnte man auch im Winter ungehindert weiterbauen. Erst nachdem der Neubau fertig war, wurde das Dach neu gedeckt und die Fassade bearbeitet. Gemeinsam haben Architekt und Bauherr dann von innen nach außen bestimmt, welche der genagelten Bretter der Stallfassade entfernt werden - „je nach Atmosphäre, Licht, Einblicken und Ausblicken“. Die hölzerne, nun durchlöcherte alte Hülle dient als Regenschirm, Sonnen- und Sichtschutz.

Tatami mit Tradition

Die innere Raumgestaltung mit Tatami-Matten stellt eine ungewöhnliche Kombination von ostasiatischer Wohnkultur und traditioneller Bauweise dar. Eine Mischung, die von der familiären Bindung des Bauherren - der mit seiner Familie etwa die Hälfte des Jahres in Hongkong lebt - zu China sowie zu Tirol herrührt. „Es freut mich jedes Mal“, sagt Christian Rhomberg, „wenn ich irgendwo im Haus sitze und mich daran erinnern kann, dass ich hier als Kind mein Pony fütterte, frisches Gras über eine Futterrutsche in den Kuhstall warf oder vom Heustock unterm Dachgiebel auf den Graswagen sprang.“

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