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Oberlaa goes West
Der Standard

Margarethe Cufer plante das erste Wohnhaus der Thermensiedlung Oberlaa-West. Der Cufer'sche Schuss Orange darf da natürlich nicht fehlen. Das hebt die Laune.

22. Juli 2006 - Isabella Marboe
Bei der Thermensiedlung Oberlaa hatte die Gemeinde Wien große Ambitionen. Auf dem Grundäcker-Areal entstand die erste autofreie Öko-Mustersiedlung im Niedrigenergiestandard, was so viel heißt, dass recyclebares Baumaterial, Regenwasser und Abwärme der nahe gelegenen Therme genutzt wurden. Das städtebauliche Expertenverfahren hatte übrigens Architekt Mayr-Keber gewonnen.

Als 1999 Helmut Richters 170 Meter lange, laubengangerschlossene Wohnmaschine aus Sichtbeton, Glas und Stahl fertig wurde, ging ein Raunen durch die Architektenwelt. Inzwischen ist wieder Ruhe eingekehrt, die Radikalität der Sanftheit ist der Natur gewichen. Üppig begrünt wirkt die Fassade heute wie eine bewohnbare Lärmschutzwand.

Die Zeit großer Ambitionen scheint jedoch vorbei: Die Parzellen der zweiten Siedlungshälfte wurden pragmatisch auf die unterschiedlichen Bauträger aufgeteilt, für Mischek plante Architektin Margarethe Cufer den ersten Hof am Eck, der den architektonischen Auftakt zur Siedlung bildet.

Pragmatisch schlicht

Die wohnbauerfahrene Einzelkämpferin plant „Häuser für die Leute“, wie sie sie nennt. Das sind Gebäude, die sich durch zeitlose Ruhe, Lebensnähe und hohe Nutzerzufriedenheit auszeichnen - und nicht lediglich durch fesche Fotos in Hochglanz-Gazetten. Cufers Qualität liegt im angemessenen Umgang mit den Rahmenbedingungen. In diesem Fall waren das der Mischek-Fertigteilbaukasten mit seinen vorgegebenen Spannweiten, Fensterformaten und Wandelementen. Zu guter Letzt wurden die insgesamt 89 Wohnungen in ein Freiraumkonzept von Maria Auböck und János Kárász eingebettet: In Schichtenlinien steigt der Grüngürtel vom Teich an der Oberlaaer Straße stark an, mit mehreren Rampen arbeitet sich die neue baumgesäumte Kurt-Tichy-Straße durch die Landschaft.

Am Horizont schließlich erstrahlt der Wohnblock. Die offene Zugangsschneise ist von mehreren Luftbrücken durchzogen, die die obere und untere Haushälfte auf jeder Ebene als ein Ganzes erscheinen lassen. An jedem Eck sitzt ein Stiegenhaus, eine Öffnung in der Südwand öffnet die Loggia nicht nur ins Grüne hinaus.

Damit die Sonne die Bewohner nicht nur im Hochsommer erreichen kann, hat Margarethe Cufer das letzte Geschoß - sozusagen die Krönung des Ganzen - in einem kräftigen Orange gestrichen. In regelmäßigen Abständen sind die Fassaden von grauen Loggienelementen umfasst. Alle Wohnungen der Nord- und Südflanken sind durchgesteckt, beidseitig belichtet und mit Südloggien versehen. Die nordseitigen Laubengänge sind von respektablen Lufträumen durchbrochen, die die Blicke nicht zu nahe an den Fenstern der Bewohner gieren lassen.

Lebensnahes Denken beweisen unter anderem der groß dimensionierte Fahrradraum und die witterungssicher zugängliche Waschküche mit Blick in den hellen Kinderspielraum. Seiner hohen Lage ist zu verdanken, dass die Mieter in blickgeschützte Gärten hinaustreten können. Offen breitet sich der Grünraum bis hin zum Teich aus. Auf dem Weg dahin scheint es einen fröhlichen Dialog zwischen den Mohnblumen in der Landschaft und dem orangen Terrassengeschoß zu geben. Alles in allem ist das ein schöner Rahmen für die Natur und das Leben.

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