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Eine Fabrik für die Kunst
Der Standard

Eine ehemalige Textilfabrik wurde zu neuem Leben erweckt. Ins Dachgeschoß implantierten die Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch schlichte Artist-in-Residence-Ateliers.

25. November 2006 - Isabella Marboe
Einst wurde in der Textilfabrik Eybl in Krems im Akkord genäht. Dann wechselte das internationale Großunternehmen den Standort, und das alte Fabrikgebäude stand leer. Die ursprünglichen, modernen Wurzeln vom Anfang des 20. Jahrhunderts waren kaum zu erahnen, zu viele Umbauten wurden im Laufe der Geschichte über den einstigen Prachtbau gestülpt. Ideen und Wettbewerbe gab es viele, doch ein Investor fand sich nicht. Als die Straße 2001 in eine Kunstmeile verwandelt wurde, gab es eine Einigung mit dem Unternehmen Halmschlager. Unter der Auflage, in der Ex-Fabrik Kulturträger und Artist-in-Residence-Ateliers unterzubringen, wurde das Areal verwertet.

Der Umbau schritt voran, doch die NÖKU (Niederösterreichische Kulturwirtschaft) wollte mehr. Die Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch sollten an der Fassade ein kulturelles Statement setzen und innen ein niveauvolles Ambiente schaffen. Im Freilegen der Qualität von unscheinbar wirkendem Bestand hatten sie auf niederösterreichischem Boden schon viel Spürsinn bewiesen. So stanzten sie in Großmugl knirpstauglich niedrige Fenster in zwei Kindergärten der Fünfzigerjahre, planten in einem Kremser Kellergewölbe die beliebte Bar Hendrik und veränderten erst kürzlich einen Wasserspeicher im Reisperbachtal zum Kern eines Architekturerlebnispfades.

Als man die beiden Architekten mit dem Umbau der Fabrik betraute, war das Dach bereits neu gedeckt, die Arbeiten an den Stiegen und Fassaden waren kurz vor Fertigstellung. So banal, wie sich das Gebäude präsentierte, konnte es nicht bleiben. Sam und Ott-Reinisch nutzten die Fassade als Bildträger für Kultur: Sie setzten ihr ein Stahlgerüst mit Layern aus Bild- und Schriftrahmen vor. Ihre Farben, Linien, Gitter und Projektionsflächen reflektieren künstlerische Medien, werfen Schatten und tragen Botschaften der darin untergebrachten Institutionen nach außen. So gibt es beispielsweise eine von ORTE (Architekturnetzwerk Niederösterreich) in Szene gesetzte Information über den Architekten Josef Frank, die Artothek NÖ wiederum hängte eine Arbeit von Hans Kupelwieser auf.

Farbe, Licht, Form

Die Fassadenfarben kehren in den reduzierten Ateliermöbeln aus Stahlrohr und Massivholz wieder. Das bunte, flexible Basisinventar bildet den leichtlebigen Kontrast zum abstrakt weißen Dachgeschoß, das hauptsächlich durch Kamintürme und Sparren besticht. Artig wurde die Dachlandschaft mit Gipskartonplatten verkleidet, gelegentlich wurden bewusste Durchblicke ausgespart. Wie Blöcke stehen weiße Wandscheiben herum, die sogar skulpturale Qualität entfalten. Eine Vorhangschiene in der Decke ermöglicht textiles Verpuppen. Fünf der sechs Ateliers haben eine Galerie, deren Gaupe sich südseitig zum Balkon und begrünten Hof weitet.

Als unverrückbare Konstante bietet die graue Küchenzeile Herd, Halt und Geschirrspüler. Der Rest ist räumliches Detail: Die blauen Tische kann man hochklappen, die ausschiebbare Metallschiene wird zur Stiftablage. Aus dem Kastenspind ragt ein Kleiderhaken. Das Betthaupt weitet sich zur Ablage, gesessen wird auf Arne Jacobsons klassischen Ameisen-Stühlen. „Ein gemütlicher Stuhl muss sein“, sagt Ott-Reinisch. Daher gesellt sich daneben ein mintgrüner Lesefauteuil.

Eva Riekehof, selbst Artist-in-Residence, ist überwältigt und genießt ihr großes Atelier und das Schlafen unterm Oberlicht. Der Raum bewährte sich: 25 Künstler aus China produzierten hier unter anderem eine Ausstellung. Derzeit sind Attila Galbovy & Barna Péli aus Ungarn zu Gast. Ihre Installation ist in der Factory zu sehen.

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