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Operation gelungen, Patient tot
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Das Hanuschkrankenhaus hat endlich eine Garage und einen behindertengerechten Zugang bekommen. Wie das Gebäude nun aussieht? Egal, scheint's. Wie man einen historischen Ort ruiniert - mit dem Segen des Denkmalamts und der Wiener Stadtplanung.

24. Februar 2007 - Christian Kühn
Der Patient war schon einigermaßen in die Jahre gekommen: Geboren 1914, als geistiges Kind zweier Otto-Wagner-Schüler, der Architekten Hermann Aichinger und Heinrich Schmid, hatte er als Truppenspital der k.u.k. Armee gedient, bevor er 1918 in zivile Dienste übertrat. Nach einem militärischen Zwischenspiel während des 2. Weltkriegs steht er seit 1945 im Dienst der Wiener Gebietskrankenkasse. Aus dem Erzherzog-Rainer-Spital der Monarchie wurde das Hanuschkrankenhaus der 2. Republik.

Die Anatomie dieses Gebäudes ist außergewöhnlich. Es besteht aus vier, ursprünglich nur durch Loggien verbundenen Pavillons mit jeweils eigenem Eingang. Drei Pavillons bilden eine geschwungene Fassadenflucht nach Südosten, während der vierte als mächtiger Block hinter dieser Front aufragt. Die Architektursprache des Gebäudes ist weit konservativer als jene, die die beiden jungen, zur Errichtungszeit knapp 30-jährigen Architekten bei Otto Wagner gelernt hatten. Sockelzone und Portale geben sich noch ganz klassizistisch, obwohl die Risalite darüber bereits eine höchst eigenwillige Formensprache entwickeln, die ursprünglich durch die dunkle Putzfarbe der Obergeschosse akzentuiert wurde.

Auf dem hangabwärts angrenzenden Grundstück errichteten Aichinger und Schmid 1927 – 29 eines ihrer Hauptwerke, den Somogyihof, mit dem sie sich als eines der wichtigsten Architektenteams des „Roten Wien“ ausweisen. Die großzügige, geschickt ins Gelände gesetzte Abfolge von Wohnhöfen ist maßstäblich äußerst sensibel und wirkt trotz ihrer weitgehenden Symmetrie weniger monumental als andere Anlagen der Zeit. Mit dem Krankenhaus und dem Somogyihof stehen sich zwei herausragende Projekte derselben Architekten aus unterschiedlichen Epochen gegenüber. Dass die Hauptachse des Wohnhofs genau auf den Mittelrisalit des Krankenhauses ausgerichtet ist, versteht sich beinahe von selbst. Beide Objekte stehen unter Denkmalschutz. Der Somogyihof wurde kürzlich inklusive der Gartenanlagen minutiös restauriert.

Für ein Krankenhaus ist der Denkmalschutz naturgemäß eine größere Herausforderung als für den Wohnbau. Das Hanuschkrankenhaus ist zwar kompakt und äußerst effizient organisiert. So gibt es etwa keine repräsentativen Treppenhäuser, sondern – typisch für den Nutzbau der späten Monarchie – ein rein funktionell bestimmtes Erschließungssystem. Die Anpassung an neue Anforderungen der Logistik und Behindertengerechtigkeit ist aber naturgemäß schwierig. Dazu kam das Problem der Zugänglichkeit des Krankenhausesareals insgesamt. Aichinger und Schmid hatten dem Baukörper eine Art breites „Glacis“ nach Südosten vorgelagert, das über eine ansteigende Zufahrtsstraße durchquert werden musste, bevor man einen der Pavillons betreten konnte.

Die Anforderungen des PKW-Verkehrs hatten die Architekten dabei nicht voraussehen können. Die Freiflächen vor dem Gebäude entwickelten sich zusehends zu einem Parkplatz für das Personal, während in den umgebenden Straßen jener Teil der täglich insgesamt 1500 Ambulanzbesucher auf Parkplatzsuche kreiste, der unbedingt mit dem PKW anreisen wollte. Für eine Garage, die dieses Problem lösen könnte, kam aufgrund des beengten Grundstücks nur die Fläche des „Glacis“ in Frage. Und wenn man hier schon eine Tiefgarage plant, so dachte sich die Krankenhausleitung, dann sollte man sich doch gleich um einen neuen Eingang ins Gebäude kümmern, mit behindertengerechtem Zugang und einer Cafeteria für die Patienten.

Weil für die Gebietskrankenkasse die Finanzierung einer Garage aus eigenen Mitteln nicht in Frage kam, entschied man sich dafür, einem privaten Immobilienentwickler, der MID-Gruppe des Kärntner Investors Walter Moser ein Baurecht für 99 Jahre zur Errichtung einer Garage zu übertragen. Das neue Eingangsgebäude auf diesem Garagensockel steht wieder im Eigentum der Krankenkasse. Beide wurden von Walter Bachner, Hauptgesellschafter der Kordon-Roth Ziviltechniker-Ges.m.b.H. geplant. Die Garage mit 400 Stellplätzen erhielt eine Genehmigung durch die Planungsbehörden, ohne dass eine umfassende Machbarkeitsstudie oder einen Ideenwettbewerb für stadträumlich und denkmalpflegerisch verträglichere Alternativen verlangt worden wäre. (Dass eine Garage im Hang auch anders aussehen kann, wird etwa jeder Besucher des Landeskrankenhauses Feldkirch bestätigen können).

Seit kurzem kann das Ergebnis besichtigt werden. Am glücklichsten dürfen sich Besucher schätzen, die von der Heinrich-Collin-Straße aus direkt in die Garage und mit dem Lift weiter ins Gebäude fahren. Ihnen bleibt der Anblick erspart, der sich Fußgängern bietet, die das Areal durch das alte Torgebäude betreten. Anstelle der von Bäumen gesäumten Auffahrt findet sich eine steile Treppe mit begleitendem Rampen-Zick-Zack. Wer dieses Beton- und Edelstahlgewitter – an dem die angekündigte Begrünung nicht viel verbessern wird –überwunden hat, steht vor dem neuen Eingangsgebäude, einer jämmerlich konzeptlosen Kollage von Versatzstücken aus Architekturjournalen der letzten 15 Jahre.

Wo – so fragt sich der Besucher – waren hier das Denkmalamt und die Magistratsabteilung 19, im Wiener Magistrat zuständig für Architektur und Stadtgestaltung? Das Denkmalamt erklärt sich für die Veränderung des Zugangs für unzuständig: Geschützt sei die Bausubstanz und nicht das Ensemble. Daher hätte man darauf gedrängt, den Anschluss an den Altbau mit einer leichten, demontabel wirkenden Glasbrücke zu bewerkstelligen. Alles andere, Garage und Eingangspavillon, sogar der durch die Hebung des Geländes entstandene Burggraben vor dem Altbau, gehe das Denkmalamt nichts an, so die zuständige Landeskonservatorin Barbara Neubauer. Die MA 19 beruft sich auf Anfrage darauf, dass sie eh das schlimmste verhindert hätte: Die Garage hätte noch um eineinhalb Meter höher werden sollen. Die jetzige Lösung sei ein Kompromiss, da aufgrund von bestehenden Einbauten eine weitere Absenkung nicht möglich gewesen wäre. Und das Eingangsgebäude sei, so die beteiligten Beamten, ja eh ganz ordentlich geraten.

Sind also am Ende gleichgültige Eigentümer und Investoren und ihre gestalterisch unfähigen Architekten schuld an diesem Desaster? Sicher zum Teil. Zerstört wurde die Qualität des Orts aber letztlich durch ein Multiorganversagen, bei dem Stadtplanung, Denkmalamt und MA 19 zwar formal korrekt, aber vorbei an ihrem eigentlichen Auftrag gehandelt haben.

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