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Profil

Isabella Marboe lebt und arbeitet als Architekturjournalistin in Wien. Die Architekturjournalistin studierte an der TU Wien und der Bezalel University in Jerusalem Architektur, nach ihrem Diplom absolvierte sie die katholische Medienakadamie und den Lehrgang Magazinjournalismus vom „Profil“. Weil Architekturmedien immer rarer und Journalismus immer schnellebiger wird, gründete sie ihr eigenes online medium www.genau.im
Newsletterabonemments und Mitgliedschaften willkommen!
Isabella Marboe schreibt regelmäßig für diverse Qualitätsmedien wie das „spectrum“ der Tageszeitung „die Presse“, die deutsche ,Detail', die DBZ, Piranesi, die renommierte Wochenzeitung ,die Furche', das niederösterreichische Kulturmagazin ,morgen’, verfasst Beiträge für die vom vai kuratierte Architektur-Beilage „Leben & Wohnen“ der Vorarlberger Nachrichten, sowie das niederösterreichische Magazin „gestalten.“
Sie war jahrelang leidende Redakteurin von architektur.aktuell und hatte in einer Co- Chefredaktion mit Dr. Sandra Hofmeister die deutsche Ausgabe von „domus“ konzipiert und geleitet.

Lehrtätigkeit

Lehrveranstaltung ,PR für Architekten' am Institut für Raumgestaltung und Entwerfen der TU Wien.

Mitgliedschaften

ögfa, ORTE Architekturnetzwerk, Presseclub Concordia

Publikationen

„Spectrum“ die Presse, „die Furche“, detail, dbz, „Leben & Wohnen“ in den VN, „der Plan“, „morgen“
„Bauen für die Gemeinschaft in Wien“, detail Verlag, Beiträge für Best of Austria

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Artikel

13. Oktober 2007 Der Standard

Der Sonne hinterher

Zwischen Klosterneuburger Luxusvillen setzte Architekt Jürgen Radatz einen weiß verputzten Neubau. Innen und außen besticht das Haus durch die Eleganz der klassischen Moderne. Die Fenster sind so angeordnet, dass man die Sonne niemals aus den Augen verliert.

„Wo geht die Sonne auf?“ Das ist das Erste, was sich Architekt Jürgen Radatz fragt, wenn er auf potenziellem Bauland steht. Viele Grundstücke hatte er mit den Bauherren bereits besichtigt. „Wir dachten schon, wir finden gar nichts mehr“, blickt die Baufrau zurück. Doch dann kam der entscheidende Tag. Auf dem Hanggrund in Klosterneuburg wusste sie im ersten Augenblick: Das ist es.

Hübsche Villen mit Mansardendach lauern hinter hohen Mauern und prägen die Gegend. Die Atmosphäre gefiel auf Anhieb. Die uralte Villa aber, die hier stand, kam für sie nicht infrage. „Wir wollten ein modernes Haus mit kubischen Formen, das zur Straße geschlossen und zum Garten offen ist.“ Man lechzte nach Architektur, diesmal wurde was aus dem Neubau.

„Meine erste Idee war ein Gartenmauersockel, auf dem dann das Haus steht“, sagt Radatz, „wichtig war auch das richtige Eingehen auf die umliegenden Villen. Das Haus sollte zwar einen modernen Kontrapunkt bieten, gleichzeitig aber musste es sich hinsichtlich Maßstab und Materialität der Umgebung fügen.“

Stille hinter Mauern

Eine Stützmauer aus Sichtbeton schirmt nun das Haus von der Außenwelt ab. Sie schützt nicht nur den Hang vorm Abrutschen, sondern bildet einen ruppigen Kontrast zu dem weiß verputzten Wänden des Hauses - verschalt wurde sie nämlich mit sägerauen Holzbrettern. Längst ist die Betonmauer mit Gräsern und Schilf bewachsen und ist ein integrativer Bestand-teil der Gartenlandschaft. Viele Beete mit süßen Beeren setzten die Grünraumplaner stalzer lutz zwischen Kirschlorbeer und Lavendel. Unmerklich geht das begrünte Flachdach der Garage in den glatten Rasen über.

Entlang des Hauses führt eine Treppe hinauf in den Garten. Hier im geschützten und ruhigen Privatbereich kehrt Ruhe ein. Im Nichtstun lässt sich die Architektur mit ihren Licht- und Schattenspielen erkundschaften. Einmal wird ein Kubus addiert, dann wieder subtrahiert. Über der Tür schwebt der Erker mit dem Gästeraum, das Flachdach darüber wird zur Terrasse des Schlafzimmers. Radatz: „Die Fassaden des gesamten Hauses sollten plastisch wirken. Die Vor- und Rücksprünge ergeben ein wunderbares Licht- und Schattenspiel.“

Der Loos'sche Raumplan hat immer Saison: Mit einem Über-Eck-Fenster buchtet sich die weiße, lackbeschichtete Küche aus dem 2,75 Meter hohen Essbereich. Gegessen wird direkt an der Glasfassade, die ebenfalls ums Eck knickt. Über breite Schiebetüren kann man an schönen Tagen die Frühstücks-Utensilien auf die Terrasse hinaustragen. Je nach Himmelsrichtung, Nutzung und Sonnenstand folgen auch die restlichen Fenster diesem System: einmal schmal, einmal hoch, dann wieder breit und immer wieder gern ums Eck. Vom Morgen bis zum Abend verliert man die Sonne niemals aus den Augen.

Himmel in der Wanne

Dramatisch bahnt sich die Treppe ihren Weg durch den Raum. Durch ein Oberlicht fällt der Himmel ins Stiegenhaus, das sich um eine Wandscheibe dem ersten Stock entgegenwindet. Vom Zwischenpodest zweigt ein Gang mit Bestblick über die Frühstücksgesellschaft ab und führt zum Gästezimmer.

Wohnkomfort am Rande: Die Terrasse liegt direkt vorm Bad und wartet auf das Öffnen der Glastüren. Mit seinen weiß beschichteten Wänden, weißen Corian-Waschbecken und den Ruheliegen wird der Sanitärraum zur Wellness-Oase. Vor der Saunakabine liegt man in der Badewanne und schaut in den Sternenhimmel hoch.

6. Oktober 2007 Der Standard

Zu Hause auf der Höhenschichtlinie

Wie Weinreben klettern die Kremser Terrassenhäuser den Berg hoch. Für das nötige Licht sorgt die vollverglaste Südfront - und ein Atrium.

Architekt Ernst Linsberger liebt die gehobene Lebensart, den Wein und die terrassierte Kulturlandschaft rund um Krems. Schon einmal hatte er hier eine Atriumsiedlung gebaut, in der er übrigens auch selbst wohnt. „Zentrumsnah zu wohnen ist eine ganz eigene Qualität“, sagt Linsberger, „und wenn das dann noch dazu eine helle Wohnung ist! Schon Josef Frank hat gemeint: Licht in der Wohnung bedeutet Sonne im Herzen.“

Vor den Toren der Altstadt fand sich nun ein weiteres Grundstück, das nach Plänen Linsbergers bebaut wurde. „Das Grundstück war ein Weinberg. Als ich das erste Mal dort war, wusste ich sofort, wie die Wohnzeilen werden mussten. Ich wollte eine Siedlung planen, die keinem die Sicht verstellt.“ Wie einst die linear angeordneten Weinstöcke erobern sieben terrassierte Zeilen mit insgesamt 67 Wohnungen den steilen Hang.

Helle Mittelgänge erschließen je eine untere, ebenerdige Reihe sowie die darüber liegenden Maisonette-Wohnungen. „Die Bebauung ist so ausgerichtet, dass sie den Hang nicht verletzt und dass jede Wohnung eine große Südterrasse hat“, erklärt der Architekt. Von hier aus habe man einen Postkartenblick auf die Altstadt von Krems, ja sogar bis nach Göttweig.

Tiefgarage im Berg

Trotz Zentrumsnähe ist der eigene Parkplatz für den gehobenen Wohnkomfort unverzichtbar. De facto liegt die gesamte Anlage auf einer Tiefgarage. Jeder Wohnung sind 2,5 Stellplätze zugeordnet. Linsberger: „Um die Terrassierung zu schaffen, mussten wir ein halbes Geschoß abgraben. Besonders stolz bin ich auf die Gestaltung der Garage: Es gibt keine Angstträume.“ Schraubenförmig windet sich die Rampe zu den Parkebenen hoch, von denen kurze Schleusen zu den einzelnen Erschließungsgängen durchstechen. Umgeben ist der Garagenbaukörper von einer mächtigen Betonwand, die mittels Streifenrelief und horizontaler Sichtfenster etwas aufgelockert ist. Sie erweist dem örtlichen Bruchsteinmauerwerk Reverenz.

Konstruktiv war so ein Kraftakt mitsamt der begrünten Dächer, die wie Kaskaden den Hang hinabgleiten, nur in Stahlbeton möglich. Um im Kostenrahmen des geförderten Wohnbaus zu bleiben, sind alle sichtbaren Fassadenelemente aus Betonfertigteilen. Massive Vordächer schützen vor zu viel Sonne und lassen die Zeilen wie horizontale Schichtenlinien wirken. Auch dafür hat Linsberger eine Erklärung parat: „Ich wollte die Weingartenlandschaft in die Architektur übersetzen.“ Darunter sind lange, zarte Glasbänder in die Fassade geschnitten.

Obwohl die Anlage optisch größte Dichte suggeriert, gibt sich die Erschließung der Wohnung ungewohnt locker. Vor den Türen gibt es sogar noch Platz für hölzerne Boxen, die für Stauraum sorgen und die Gänge rhythmisieren.

Atrium spendet Licht

Eine Holztreppe führt vom Vorraum auf die Wohnebene hoch. Durch die Glasbrüstung fällt verheißungsvoll das erste Licht herein. Von den raumhoch verglasten Aufenthaltsräumen im Süden blickt man auf die Türme der Altstadt. Doch auch im Norden öffnet sich der Raum zum Licht: Hier liegt das kleine, intime Innenatrium, das dem Badezimmer und den beiden Schlafzimmern exklusiven Freiraum schenkt. Bis zu 3,20 m Höhe steigt das öffenbare Glasdach an und holt den Himmel ins Haus. Sollte man also vom hübschen Altstadt-Blick eines Tages tatsächlich die Nase voll haben, kann man hier ins Blaue sehen.

29. September 2007 Der Standard

Entlein im Visier

Was tun mit einer schäbigen Bungalow-Hütte aus den Siebzigern? Einem Bauherrn mit höchsten Ansprüchen gestaltete Architekt Wolfgang Buchgraber das alte Badehäuschen um und sorgte für frische Lebensfreude am alten Schotterteich - für jede Wetterlage.

„Ich arbeite oft 24 Stunden durch“, sagt der Bauherr. Zum Ausgleich brauchte er daher einen Ort zur totalen Entspannung, am besten an einem See. Der radikale Tapetenwechsel vom Gewusel der Stadt in die weltentrückte Weite am Wasser musste sich rasch vollziehen lassen. „Ich wollte in weniger als 25 Minuten von einem Umfeld ins andere.“ Also graste er die Baggerseen südlich von Wien ab und fand sein Idealgrundstück schließlich bei Münchendorf.

Zwar misst die Parzelle nur 33 mal zehn Meter, doch dafür verfügt sie über einen Direktzugang zum See. Allein, der bescheidene Bungalow aus den Siebzigern bedurfte eines ordentlichen Faceliftings. Der Bauherr wollte nur eines: „Das Wasser immer vor Augen haben und die Enten vorbeischwimmen sehen.“ Diesen hehren Freizeitansprüchen konnten das eine Fenster und die eine Tür unterm massiven Dach nicht genügen. „Mit seinen kleinen Fenstern war das Haus früher wie eine Höhle“, erklärt Architekt Wolfgang Buchgraber, „ich wollte maximalen Naturbezug und das Wasser zum gestalterischen Element machen.“

Auch der einstige kleinteilige Grundriss mit seinen aufgefädelten Schlafkammern war vom erwünschten Raumerlebnis meilenweit entfernt. Im Zuge des Umbaus waren auf den 47 Quadratmeter Wohnfläche für Familie und Freunde insgesamt sechs Schlafplätze gefordert - keine leichte Aufgabe. „Ein Badehaus lebt vom See, man hält sich vor allem im Freien auf“, sagt Buchgraber. Und so wurde der Freiraum einfach ins Konzept integriert.

Der Bestand wurde thermisch saniert, neu verputzt und sandfarben gestrichen. Rundum wurde er mit neuen Fenstern versehen, südseitig wurde er sogar raumhoch verglast. Innen dominieren nun Nussholz sowie flexibles, anthrazitgraues Mobiliar.

Spiel mit Elementen

Um den Freiraum zu mehren, wurde das Vordach verlängert und mit einem horizontal gegliederten Fries aus Bankirai-Holz eingefasst. Ein breiter, gedeckter Umgang führt nun rund ums Haus. Eine Natursteinmauer aus feinem chinesischem Schiefer, der in allen erdenklichen Terrakotta-Nuancen schimmert, inszeniert den Weg entlang der Grundgrenze. Davor spielen ein nirobeschichteter Open-Air-Kamin und ein Wasserbecken mit den Elementen.

Der Stein weckt beim Bauherrn Erinnerungen an den Urlaub auf Korsika. Nicht zuletzt ist dies der Architektur zu verdanken: „Ich wollte eine Bühne fürs leichte Leben am See schaffen“, sagt Wolfgang Buchgraber. Der Sonnenschutz, der von verschiebbaren Aluminiumpaneelen gerahmt wird, ist gleichsam ein Vorhang, der den Seeblick optimal in Szene setzt.

Der Naturstein findet sich als Gestaltungselement auch im Inneren wieder. Die Steinmauer zieht sich vom Wohnraum bis zur Terrasse vor. Dort bildet sie eine höhlenartige Nische, in der wasserfeste Möbel stehen.

Der Großteil des Hauses ist flexibel gestaltet und lässt sich in der warmen Jahreszeit ins Freie verlängern. Zum spärlichen Fixmobiliar zählen Kästen und Doppelbetten, die sich nach Schlafwagenprinzip jederzeit hochklappen lassen. Damit wird der Wohnraum zur Ruhestatt am Wasser. „Im Sommer dort aufwachen, ist herrlich. Und nachts im See zu schwimmen, ist wie Urlaub am Meer.“

22. September 2007 Der Standard

Wer hat Angst vorm schiefen Winkel?

Mit überaus dynamisch gekanteten Gaupen durchbrach Architekt Heinz Lutter das Walmdach eines dreistöckigen Zinshauses. Der Geometrie sei Dank: Durch die Verdrehung des Grundrisses wurden dunkle Zwickel vermieden. Stattdessen geht's hinaus auf die Terrasse.

„Das Dach ist die Krone eines Hauses: Hier gibt es Licht, Luft, Sonne und Ausblick“, sagt Architekt Heinz Lutter. Und dann fügt er hinzu: „Die spektakulärsten Filmszenen und Werbe-Shootings werden in Dachzonen gedreht, das spricht doch für sich!“ Schon einige Male frönte er dem Dachgeschoß: Sein hellblau lackierter Dachaufbau in Wien Alsergrund bewies Mut zum Experiment, für die conwert-Immobilien verhalf er einer Hietzinger Doppelvilla zur neuen Kopfbedeckung, und auch in Leopoldstadt und Meidling war er bereits über den Dächern der Stadt tätig.

Erneut trat der Bauträger conwert-Immobilien an Lutter heran, erneut handelt es sich um ein Hietzinger Objekt - diesmal aus dem Jahre 1929. Es wurde von Architekt Ernst Epstein (1881-1938) geplant, dem Wien die Bauleitung des Loos-Hauses am Michaelerplatz sowie einige schöne Zinshäuser, Büros und Cafés verdankt. Winkelförmig fasst das Gebäude einen kleinen Platz und distanziert sich so auf vornehme Weise von der viel befahrenen Lainzer Straße. Weltgewandt gleitet die Schauseite im Südosten den Platz entlang, um hinterm Eingang ums Eck zu knicken und tief zur Straße vorzustechen. Wie es einem Stadthaus mit Stil geziemt, hat es eine Sockelzone mit Geschäftslokalen und eine Rückseite, an der das Getriebe der Vorstadt verstummen und das entspannte Auge ins verwachsene Hintergartendickicht der Nachbarschaft tauchen kann.

Dach mit neuer Kontur

Nun wurde das Dach umgebaut. Die alte Form wurde respektvoll belassen. Um den drei Wohnungen jedoch möglichst viel Licht, Luft und Weitblick zu geben, treten nun klar ablesbare Baukörper aus Glas und Stahl aus dem Dach heraus. Menschen, die hoch oben im Himmel wohnen, lieben den weiten Horizont. An den aussichtsreichsten Ecken wurden daher ausufernde Terrassen angesiedelt. „Der Witz war, dass man hier möglichst nicht nach Süden schauen sollte“, erklärt Heinz Lutter, „das Haus steht frei und rundherum ist alles grün. Es war also wunderbar geeignet für Terrassen.“

Wo es die Statik erforderte, wurde die Holzkonstruktion mit Stahlträgern verstärkt. Bruchstückhaft durchdringen die dynamisch zugespitzten Raumformationen nun den grauen Eternitpanzer der Dachhülle und bringen Luft, Himmel und Aussicht ins Innere der Wohnungen.

Ein gläserner Liftturm führt auf das oberlichthelle Stiegenpodest im Süden. Von hier aus streben die Wohnungen in zügiger Dynamik den lichten Terrassenenden im Westen, Osten und Norden zu. Dramatisch ragen die Freiräume über die Gesimskanten. In einem Guss ziehen sich die Holzlatten vom Boden bis zur Brüstung hoch.

Innen verschneiden sich die mehrfach geknickten Nurglasfronten mit den geneigten Dachflächen und schaffen unverwechselbare, spannende Räume, die am Boden mit gebleichter Eiche verlegt sind.

Wie ein organisch geformter Ast entwächst der Wand plötzlich ein Kaminrohr. Man braucht sich nicht zu wundern - das ist das neue Selbstbewusstsein von Architektur. „Die schrägen Wände sind sehr skulptural, sie zeichnen die Wohnungen aus“, sagt Lutter. Hier werden gipskartonverkleidete Sparren zu Bestandteilen expressiver Raumlandschaften. Durch glasgeschlitzte Wände und Decken brechen dreieckige Fragmente des Himmels ein.

Auch vor den Bädern macht Lutter nicht Halt: Die schrägen Wände verwandeln die Sanitärräume, die in der Regel bekanntermaßen zu den langweiligsten Wohnbereichen zählen, zu grau verfliesten Erlebniszonen.

15. September 2007 Der Standard

Inseln im Raumfluss

Im alten Gemäuer einer Näherei fanden die Holodeck-Architekten nicht nur riesige Raum-fluchten vor, sondern auch wenig Tageslicht. Durch geschickte Kunstgriffe wurde daraus ein hell durchströmtes Loft, in dem alles fließt: die Räume, die Wände, die Sonnenstrahlen.

Ein Zeitungsinserat führte den Herrn zur alten Hosenfabrik in Ottakring. Nicht etwa ein Hosenkauf kündigte sich an als vielmehr der Kauf eines atemberaubenden Lofts. Ein findiger Baumeister hatte dort die Näherei im ersten Stock geteilt und zu zwei verkaufbaren Lofteinheiten hochgerüstet. Die Bausubstanz des Gemäuers stammt aus dem Jahr 1895, bis heute ziehen die Stahlträger des Platzlgewölbes ihre Bahnen über die 3,50 Meter hohe Decke. In späteren Jahren wurden die Außenmauern durchbrochen und um einen etwas höheren Zubau erweitert.

Da stand der Bauherr nun zwischen einer Sichtziegelmauer und den Gipskartonwänden der alten Sanitärgruppe. Dem spezifischen Charme der zwei ungleich hohen Lofthälften erlag er sofort, die trüben Lichtverhältnisse aber weckten seine Skepsis. Und so konsultierte er vorm Kauf zur Sicherheit das Architekturbüro Holodeck. Was ihn erwarten würde, wusste er bereits - sein bester Freund bewohnte schon seit Jahren ein spaciges Raumkontinuum, das seinerzeit von Holodeck'scher Hand geschaffen worden war.

Marlies Breuss und Michael Ogertschnig, die beiden Köpfe von Holodeck, wollten es genau wissen und ließen ihren zukünftigen Bauherrn ein Piktogramm seines Tagesablaufs zeichnen, um die wahren Wohnbedürfnisse zu ergründen. Die Strategie führte ans Ziel. Der Bauherr musste der Bewegung viel Raum geben, seine Ruhe hingegen wollte er am Kamin und im Schlaf finden. Außerdem brauchte er genügend Stauraum und einen Bereich für Gäste.

„Wir wollten das Loft näher zum Lichteinfall und an die frische Luft bringen“, sagt Marlies Breuss. Im Nu verlor der Zubau daher seine Außenwand und wurde um ein Segment gekürzt. Unter dem Dachflächenfenster des Pultdachs wurde einem Extra-Stück Terrasse Platz gemacht. Den unmittelbar angrenzenden Bestand, der nicht abgetragen wurde, teilt sich nun der Schlafbereich und die Pflanzenoase. „Der Wintergarten war eine geniale Idee. Ich finde es sehr angenehm, dass man bei Regen draußen sitzen kann“, sagt der Bauherr. Durch die Glasfassade an der Terrasse strömt das Loft nun weit ins Freie, die Sonne im Gegenzug dringt tief in das Loft hinein.

Am Eingang verbindet sich der erste Mauerpfeiler mit einem prägnanten Multifunktionsmöbel aus weißen MDF-Platten. Im Vorraumbereich fungiert es als Garderobe mit Ablage und Schuhkasten, dem Wohnen hingegen reckt die Möbelstele ein schwebendes Stehpult entgegen, wo der Bauherr mit Blick über sein Reich frühstückt. „Ich genieße diese Weitläufigkeit“, sagt er.

Wände in Bewegung

Bis auf die Außenmauern gibt es hier keine Wände. Organisch geformte, von der Decke abgehängte Laufschienen definieren unterschiedliche Rauminseln, auf denen man dem geistigen und körperlichen Wohlbefinden frönen kann. Bodenlange, milchweiße Planen bilden flexible Grenzen, die je nach Intimitätsbedarf starr abgrenzen oder verschwimmen. Der Boden ist durchgehend aus dunklem, geöltem Wengeholz. Selbst über den Badewannensockel wurde das Holz gestülpt. „Mir war die Perspektive wichtig“, sagt der Bauherr, „beim Baden kann ich nun zum Kamin hinübersehen.“

Alles fließt: Das Waschbecken dockt am Mauerpfeiler an, keck verleibt sich die Plastikplane das Stück Wand ein, um dahinter Stauraum zu verstecken. Der Herdblock steht frei im Raum, der Tisch kann auf Rollen gefahren werden. Hinter den Epizentren verdichteter Aktivität buchten sich weiße Wandverbauten aus der Mauer. Zieht man die Planen zu, wird der Zwischenraum zum Gästezimmer.

8. September 2007 Der Standard

Das Wohnzimmer im Garten

Am Ostufer der Traisen plante Roland Rainer seine letzte Gartenstadt. Die 160 Wohnungen überzeugen durch Gärten, Loggien und Terrassen. Ein Spaziergang durch eine Siedlung, in dem der Mensch den Ton angibt: grüne Wege, ruhiges Leben, Sonnenschein.

Roland Rainer glaubte daran, dass Architektur glücklich machen könne. Den Löwenanteil seines langen, erfüllten Berufslebens widmete er daher der Planung umsichtig angelegter Gartenstädte. Stets liegen die Reihenhäuser und Wohnungen an bepflanzten Wegen, haben sonnengeflutete Räume an Innenhöfen oder Gärten und bilden so ein Umfeld, in dem freundschaftliche Kontakte gedeihen können. Der Prototyp Linz Puchenau, erbaut und erweitert von 1962 bis 1995, schrieb Architekturgeschichte. Am Ostufer der Traisen plante Rainer dann seine letzte Gartenstadt. Sie setzt einen wohnlandschaftlichen Kontrapunkt zum gegenüberliegenden Regierungsviertel St. Pölten.

„Er hatte die Vision vom Wohnen unterm freien Himmel in einer lebensfreundlichen Umgebung, wo Kinder sorglos hinauslaufen können“, sagt Architektin Johanna Rainer, die mit dem Büro Wallner & Partner das Architekturvermächtnis ihres Vaters am Hochwasserdamm umsetzte. „Mit der Sonne zu leben - das ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Es ist das Natürlichste der Welt, sich nach ihr zu richten.“ Damit sie möglichst lang Aufenthaltsräume der 38 Wohnungen und 122 Maisonetten durchströmt, ist jede einzelne südost- und südwestorientiert. Das hält auch den Wind von der Traisen ab.

Organisch schmiegt sich die erste Maisonettenreihe in einem sachten Bogen hinter lärchenhölzernen Mauern ans Gelände. Wohnräume und Gärten wenden sich der Sonne zu, Eingänge und Küchen liegen an den Wegen, damit man durchs offene Fenster plaudern kann und die ankommenden Besucher im Blickfeld hat. „Ich bin ein Licht- und Sonnenmensch, und hier ist es immer hell“, sagt die kunstsinnige Bewohnerin einer Eck-Maisonette, „das Umfeld ist wichtig für meine Kreativität. Hier hab ich das Gefühl, jeden Tag auf Urlaub zu sein.“ Wenige, ausgesuchte Möbel stehen am Eichenparkett ihres loftartigen Wohnraums, davor liegt die verglaste Loggia, davor eine gedeckte Terrasse. Besonders schätzt sie den Blick auf den Klangturm vis-à-vis.

Dauerblick ins Grüne

Oleander und Hibiskus säumen den Weg, dahinter formieren sich aufeinandergestapelte Maisonetten zu disziplinierten Zeilen. Die quergestellten, dreistöckigen Reihen bilden grüne Höfe. Die Zufahrten zu den taghellen Garagen - sie befinden sich unter dem vierstöckigen Riegel und dem plastisch gegliederten Kopfbau - liegen direkt an der Defreggerstraße. Ab und zu blitzt ein schwarzer, beinahe gänzlich verglaster Stiegenturm hervor.

„Die Lage ist perfekt“, sagt die Bewohnerin einer Gartenwohnung, „früher mussten wir mittags das Licht aufdrehen, hier scheint bis neun Uhr abends die Sonne herein.“ Ruhig spielen ihre zwei Töchter auf der Terrasse vor der Wohnküche. Am Rande blühen prachtvolle Rosen, selbst gezüchtete Zucchini und Tomaten - mit einem Wort ein kleines Paradies. „Ich wollte mein Leben lang ein Haus mit Garten“, sagt die Dame. Sorgsam studierte sie daher die Pläne, wählte ihre Wohnung nach Südlage und Gartengröße aus und bezog schließlich mit ihrem Mann die neue Bleibe.

Heute ergießt sich vor ihrer Wohnzimmerterrasse ein duftender Blütenregen, Bohnen-stauden ranken sich an der Wand zum Nachbarn hoch. „Wir leben einen großen Teil der Zeit draußen. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, anders zu wohnen.“

1. September 2007 Der Standard

Willkommen an Bord

Im Park des Landespflegeheims Arche Stockerau ließ Architekt Johannes Zieser einen dunkelroten, holzverkleideten Neubau wie ein rotes Schiff vor Anker gehen. Seine Architektur beweist, dass man auch vom Krankenbett aus ein bissl Freude am Wohnen haben kann.

„Es ist der erste dreigeschoßige Vollholzbau in Niederösterreich“, sagt Architekt Johannes Zieser stolz, „unsere Entwurfsphilosophie für den roten Pflegeheim-Riegel war die von einem hölzernen Schiff.“ Und dann: „Es sollte wie eine Arche in den Park hinausschwimmen.“ Zieser gewann mit seinem Entwurf den Wettbewerb für das neue Niederösterreichische Landespflegeheim Arche Stockerau. Im grünen Park, direkt neben dem Altbestand, ist das Gebäude nun vor Anker gegangen und wurde mit dem NÖ Holzbaupreis 2007 ausgezeichnet.

„Am Tag des Umzugs frühstückten die Senioren noch im alten Heim, zu Mittag waren sie schon im Neubau“, erinnert sich Zieser. Und damit gingen einige funktionelle und atmosphärische Neuerungen einher: Bis auf die erdberührenden Bauteile ist der Pflegetrakt komplett aus Holz, in die Aufenthaltsbereiche wurde es sogar sichtbar integriert. Energieeffizient ist das Gebäude zudem: Es nutzt den Estrich als Speichermasse, hat Erdkollektoren und eine Wärmerückgewinnungsanlage.

In stromlinienförmiger Eleganz wickelt sich der Pflegetrakt mit insgesamt 105 Betten S-förmig aus dem eleganten, gläsernen Empfangsgebäude im Westen. Das hohe Vordach bildet einen urbanen, gedeckten Vorplatz im Freien, der nahtlos auf das Terrassenplateau im Süden übergeht.

Schiff mit Freiraum ...

Wie es sich für ein Schiff gehört, ist der Pflegetrakt außen mit dunkelrot lackierten Sperrholztafeln verkleidet, wie der Bug eines Dampfers vollzieht er mit großzügigen, halbkreisförmigen Terrassen seine Kehrtwende an beiden Enden. Die echt schrägen Stützen bilden den dynamischen Abschluss. „Diese Anordnung war die ökonomischste Lösung, um dunkle Gänge zu vermeiden. Außerdem kann man so die Menschen mit ihren Betten leicht ins Freie evakuieren“, erklärt der Architekt.

Trapezförmig weitet sich das Gangfoyer mit der Decke aus sichtbar belassenem Kreuzlagensperrholz zum lichten Speisesaal, wo man auf einer Galerie im gläsernen Gelenk der beiden Bauteile sitzen kann. Stolze sechs Meter misst der Luftraum über der Cafeteria, von deren Brüstung sich eine grüne Kaskade zum inneren Garten vor der Terrasse hinunterstürzt. Und auch dafür gibt es eine architektonische Erklärung: „Wir wollten, dass der Park von außen hereinwächst.“ Schönes Detail am Rande: Es gibt einen mit edlem Stainzer Gneis verkleideten offenen Kamin. In den allgemeinen Räumen wurden mit dem schönen Stein sogar die Gänge verkleidet.

Unmittelbar hinter der Galerie liegt, angeordnet in der offenen Mitte des Bettentrakts, der Pflegestützpunkt des Personals. Jede Station hat ihren eigenen, gemeinsamen Essplatz. Doch auch Glaube und Geist wollen gesättigt werden: Die Wände der Kapelle sind rundum mit hellem Seekiefernsperrholz verkleidet. Gleichmäßig fällt das Licht von oben in den ruhigen Raum. Der Kreuzweg aus dem alten Pflegeheim wurde in eine Seitenwand eingelassen. Es ist eine respektvolle Geste der Architektur, dass auf der Galerie auch Bettlägrige an der Messe teilnehmen können.

... und viel Licht

Orientierung, viel Licht und Ausblick sind wichtig für die Bewohner. Jedes der Ein- und Zweibettzimmer hat daher ein raumhohes Fenster, das sich wie ein kleiner Erker aus der Wand stülpt und so die Natur gleichsam ins Innere saugt. Boden und Laibungen dieser Sitzerker sind weiß - als reflektiertes Licht bleibt die Südsonne damit lange im Raum. Die behindertengerechten weißen Bäder sind durch Oberlichtbänder erhellt. „In der Nacht dringt das Licht vom Gang herein“, erklärt Johannes Zieser. Stockfinster wird es in diesem Pflegeheim nicht.

25. August 2007 Der Standard

Flach oder Dach?

Umbauen in einer Gegend mit Satteldachvorschrift? Was haben wir nicht schon alles gesehen! Was haben Architekten nicht schon alles gemogelt! Den x architekten ist ein feines Experiment gelungen, indem sie das anfänglich stolze Dach sukzessive plattdrückten.

Das industriedurchsetzte Einfamilienhausgebiet im Süden von Linz ist nicht gerade die beste Wohnadresse. Für den Bauherren aber gab es keine bessere, denn in der Gartensiedlung mit ihren vielen kleinen Häusern aus den Sechzigern war er aufgewachsen. Dem Haus aus alten Kindestagen blieb er selbst dann noch treu, als er seine Frau kennen lernte. Die Eltern zogen sich ins Erdgeschoß zurück, das Paar wanderte in den ersten Stock - doch als der ersehnte Nachwuchs kam, wurde es eindeutig zu eng.

Anstatt in eine andere Gegend mit womöglich weniger Grün und dafür mehr Verkehr zu ziehen, beschlossen die Bauherren, die Umzugsideen schnell wieder fallen zu lassen - und umzubauen. Keine leichte Aufgabe angesichts der verwinkelten Räume und des bauphysikalischen Standards, der zu wünschen übrig ließ. Zudem war das Dach völlig ungedämmt.

Die x architekten sollten der Jungfamilie um möglichst wenig Geld möglichst viel Raum schaffen. Zuerst einmal wurde Basisarbeit am Bestand geleistet: Er bekam eine neue Heizung und größere Fenster mit Isolierglas, dafür nahm man ihm die Treppe. Nun führt eine Sichtbetonstiege von der Straße aufs Garagendach. So gewannen die Eltern ein Zimmer und die Bauherren einen autonomen Zugang mit einer riesigen Lattenrost-Terrasse für sich allein. „Früher lag diese Fläche einfach brach, jetzt sitzen wir oft stundenlang da“, sagt die Baufrau, „am besten ist es am Abend, wenn dann die Sonne untergeht.“

Über einen Durchbruch in der Westwand kommt man in den ersten Stock. Rund um die zentrale Stiege herrscht nun offene Weite. Nichts als zwei zarte Säulen und eine schmale Wandscheibe liegen zwischen dem Wohnen und Essen. Am großen Südfenster mit dem Parapet aus Mooreiche sitzt man quasi in den Baumkronen. „Eigentlich war das eine Notlösung, um den Heizkörper zu verstecken, aber jetzt ist die Bank mein Lieblingsplatz“, bekennt der Bauherr.

Darüber aber wird es wirklich spannend. „Die Bauordnung erlaubte kein Vollgeschoß, sondern nur einen Dachausbau“, sagt David Birgmann von den x architekten, „der Kniestock lag nur 1,20 Meter über der Rohdecke und so versuchten wir, aus der Dachneigung ein Maximum an Raum rauszuschinden.“

Das Spiel mit dem Dach

Am deutlichsten zeigt sich diese Strategie der totalen Ausnutzung an der Straße im Norden, wo das Dachgeschoß noch eine konventionelle Satteldachform aufweist - man möchte ja nicht die guten Nachbarschaftskontakte der Eltern gefährden. Doch im allmählichen Umkreisen ändert der Holzleichtbau sukzessive seine Form. Trichterförmig streben die ansteigenden Seitenwände dem raumhohen Panoramaglas des Elternschlafzimmers zu. Das Dach indes verebbt, bis am Ende nichts mehr von ihm zu sehen ist. Stolze vier Meter beträgt die Auskragung an dieser Stelle. Darunter schafft sie Platz für einen gedeckten Freiraum.

Außen ist der Holzleichtbau mit Bitumenschindeln gedeckt, das passt zur Nachbarschaft. Innen aber ist er rundum mit rauen OSB-Platten verkleidet, was ihm einen bergenden Charakter gibt und seine dynamisch gefaltete Geometrie ungebrochen zur Geltung bringt. Im Gegensatz dazu haben die Kinderzimmer und das weiße Bad klare, weiße Wandgrenzen.

Damit es zwischen dem schwebenden Sonnenbalkon und den beiden Kinderzimmern nicht dunkel wird, sind runde Lichtkuppeln in die Dachflächen eingeschnitten. Kreisförmig fällt der Himmel auf die Schlafgalerie der Kids, auf die Stiege, auf den Arbeitsplatz und direkt ins Bad. Das Schlusswort der Bewohner: „Hier in der Wanne zu liegen und hinauszuschauen ist vor allem bei Regen fein.“

11. August 2007 Der Standard

Hungrig nach Bildern

Wer ein Fotostudio betreibt, der muss seinen ästhetischen Spleen schon einmal nach außen tragen. Am Stadtrand von Salzburg liegt schon seit Jahren ein spaciger Edelstahlzylinder in der Wiese. Nun bekam er expressive Gesellschaft von den Architekten Forsthuber/Scheithauer

Der Bauherr ist Fotograf und hat einen ausgeprägten Sinn für Marketing. Schon das erste Studio, das die Architekten Christian Prasser und Philipp Lutz in den Garten seines Elternhauses gesetzt hatten, machte in der ruhigen Siedlung am Stadtrand von Salzburg viel Furore. Den futuristischen Edelstahlzylinder, der einer Filmrolle nachempfunden war, kannte jeder. Der Raum war eine Klasse für sich und etablierte sich rasch als hippe Event-Location.

Doch nun wollte der Bauherr expandieren. Der autonome Zubau - freilich wieder ein Stück zeitgenössischer Architektur - sollte drei autonome Büroeinheiten und eine Wohnung fassen. Vor allem aber musste er den Zylinder aus alten Tagen um ein Vielfaches toppen. Dem Bauherrn schwebte nämlich ein kleiner architektonischer Cluster vor.

Drei Architekturbüros wurden zu einem Wettbewerb geladen, das Team Forsthuber-Scheithauer gewann mit einer expressiven Skulptur, die man erst im Durchwandern gänzlich begreifen kann. Das alte Elternhaus wurde gänzlich abgerissen, an seine Stelle trat eine von Lichthöfen umflutete Büroebene, die in der Erde steckt. Mit hoher Raumakrobatik ist darüber ein signifikantes Gebilde aus Stahlbeton in die Höhe gestemmt, 500 Quadratmeter misst das stolze Ding. Wie der Tonarm eines Plattenspielers legt sich das weit auskragende Obergeschoß über den alten Edelstahlzylinder von Prasser und Lutz, leuchtgelb ragen vorspringende Bauteile aus der mattsilbernen Alufassade.

Das Haus ist ein Kraftakt, seine Form ist alles andere als beliebig. „Wir haben die Satteldach-Typologie quergelegt und haben alle Traufpunkte und Firsthöhen mit den Nachbarn abgestimmt“, sagt Architekt Thomas Forsthuber. Die raffinierte Dachfaltung birgt südseitig ein Büro mit Galerie, die schmale Nordseite ragt wie der Bug eines Schiffes in den Gartenspitz, und über das abgegrabene Atrium, das die Büros im Keller erhellt.

Ein tierisches Haus

Hier ragt ein gelber, schräg zugespitzter Balkonbaukörper keck aus dem Obergeschoß, dort lugen das Bad der Wohnungsmaisonette und die Sanitärbox des Büros frech aus der Westflanke. Und dann der frei schwebende Tonarm, der über den Zylinder ragt: Am langen Balkon vorm Panoramaglas kann man gleichsam in die Natur treten. An die 100 Tonnen Zug lasten auf jedem Auflager des 14 Meter langen Stahlträgers, der hier alle Arbeit leisten muss. Doch vom gewaltigen Kräfteverlauf - als statisches Gegengewicht wirkt die Dichtbetonwanne des Kellers - spürt man nicht viel, denn der Träger verläuft in der Wand. „Für die Fenster gibt es Ausnehmungen, damit man aus der Schnauze in die Landschaft schauen kann“, erklärt Forsthuber in animalischen Bildern, „das Haus ist wie ein Vieh, das auf Zehenspitzen steht. Es könnte locker den Untersberg verschlucken.“

Was außen mit expressiven Ausstülpungen und Windfängen, mit Über-Eck-Verglasungen und dramatischen Materialien beginnt, setzt sich auch in den Innenräumen fort - die Architekten sprechen von „skulpturaler Plastizität“. Fast sechs Meter hoch ist der Luftraum überm Foyer, schrille Farben bieten dem Besucher allerhand zum Schauen. Tresen und Regalborde mäandern in kräftigem Orange die grün-gelbe Wand entlang. Darüber ragt das Besprechungscockpit in den Raum und stülpt sich gelbgerahmt aus der Fassade.

Wer dieses Gebäude einmal gesehen hat, der vergisst es nie wieder. Der Aufwand hat sich sichtlich gelohnt: Nun verfügt das Fotostudio gleich über eine doppelte Event-Location. Das Projekt wurde zum Bauherrenpreis 2006 nominiert.

4. August 2007 Der Standard

Frischekur für die Kemenate

Manchmal passiert es, dass man wieder im alten Mädchenzimmer sitzt und wunderlich um sich blickt. Dann ist die Zeit zum Handeln reif. Einer Baufrau mit wenig Budget schuf das Architekturbüro projekt.cc ein neues Refugium im Dach des elterlichen Hauses.

Am nördlichen Stadtrand von Pinkafeld gibt es eine homogene Einfamilienhaussiedlung, die nach dem Krieg mit viel Fleiß und hohem Selbstbauanteil errichtet wurde. Schmucke Gärten säumen die rechteckigen und quadratischen Siedlungshäuser. In einem dieser Gebäude ist die Baufrau aufgewachsen. Viel Zeit und harte Arbeit hatte die Familie einst in den Bau investiert. Straße und Küche liegen im Westen, der Wohnraum im Süden, ein Zimmer mit Bad im Osten. Unter der charakteristischen Schleppgaupe im Norden führte bis vor Kurzem die Stiege aufs steile Satteldach.

Die Jahre zogen ins Haus, und mit ihnen kehrte auch die Baufrau mitsamt ihren Kindern wieder in ihre alte Dachkemenate zurück. Glücklich machte sie das allerdings nicht. „Als ich da in meinem Mädchenzimmer mit dem alten Spannteppich saß, wurde mir klar, dass etwas passieren musste.“ Eine Neuerung war längst überfällig, denn in bauphysikalischer Hinsicht war das Haus eine Ruine. Das Dach war undicht, mit trotzendem Eternit war lediglich die Wetterseite verkleidet und - der gewichtigste Nachteil - die Beheizung der bescheidenen 70 Quadratmeter verschlang Jahr für Jahr weit über 3000 Liter an Heizöl. Eine derartige Ressourcenverschwendung ist nicht nur teuer, sondern auch ökologisch bedenklich.

Also suchte die Baufrau um Förderung zur Althaussanierung an. Christian Tabernig und Harald Kloiber vom Architekturbüro projekt.cc bauten ihr im Zuge der Sanierung das Dach zum neuen Refugium mit eigenem Bad aus. Das Platzangebot ist beachtlich, der Weitblick durchs Panoramaglas enorm.

Eine Erschwernis gab es obendrauf. Da die Baufrau Lehrerin ist, musste das gesamte Haus über die Ferien fertiggestellt sein. Bis dahin hauste sie im Wohnwagen im Garten. Da die Zeit knapp war, wurde das alte Dach abgerissen und durch einen Aufbau aus vorgefertigten Holzbauteilen ersetzt. „Alles musste wie am Schnürchen funktionieren“, blickt Christian Tabernig zurück, „wir ließen deshalb nur die Giebelwände stehen. Um den neuen Dachstuhl aufsetzen zu können, betonierte der Baumeister dann einen umlaufenden Rost.“

Trick mit Dachneigung

Das gesamte Dach besteht aus statisch wirksamen KLH-Platten (Kreuzlagenholz), die ein selbsttragendes Faltwerk bilden. Außen ist das Dach mit Zinkblech verkleidet. Um möglichst viel nutzbaren Raum zu schaffen, sind die Seitenwände über die Gesamtlänge bis auf Raumhöhe hinaufgezogen. Darüber verläuft das Dach wieder in gewohnter Manier und spitzt sich in der alten Neigung auf 45 Grad zu.

Eine schlichte Betonmauer zwackt dem Garten an der Straße einen Parkplatz ab, dahinter führt ein neuer Schotterweg zum neuen Windfang. Man steigt zwei Stufen hinauf Das Entree liegt unter einer weißen Lkw-Plane. Und dann rein ins Haus. Man huscht an Mutterns Wohnküche vorbei, steigt die Stiegen hinauf, wo sich im Nordwesteck noch ein Zimmer für den Sohn ausging, und landet schließlich im neuen Reich.

Das weiße Bad mit der türkis verkachelten Dusche hat Gartenblick. Eine Tür führt in die weiße Schlafnische der Baufrau. Sie wird von einer flexiblen, beidseitig zu öffnenden Kastenwand aus weiß lackierten MDF-Platten umschlossen. Eine Leiter führt auf die Galerie unterm spitzen Dachgiebel, wo Platz für Bücher und Gäste ist.

Gewohnt wird im langen Einraum. Hier blickt man weit über die nachbarlichen Siedlergärten bis zum Kirchturm. „Früher bin ich nicht gern nach Hause gekommen“, sagt die Baufrau, „doch das ist nun vorbei. Die Lebensqualität hat sich so stark verbessert - das lässt sich nicht beschreiben.“

28. Juli 2007 Der Standard

Strenger Westwind

Die Bauherren wollten es schlicht, sachlich und elegant. Kein Wunder, dass sie irgendwann einmal bei einem Vorarlberger Architekten landeten. Johannes Kaufmann plante ihnen eine hölzerne Kiste und importierte so ein Stück westlicher Baukunst nach Klosterneuburg.

„Es gibt nichts Hässlicheres als ein Haus, bei dem man gleich das Garagentor sieht.“ Das ist ein eindeutiges Statement der Baufrau. Sie und ihr Mann haben einen fein geschulten Sinn für Architektur. Auf ihrem Hanggrund über Klosterneuburg musste daher ein besonders schönes Haus stehen. Schlichte Ästhetik, Funktionalität und perfekte Details stehen bei beiden hoch im Kurs. In der Regel findet man diese Qualitäten nirgendwo so konsequent verwirklicht wie in Vorarlberg und der Schweiz.

Man beschloss, drei Vertreter der neuen Sachlichkeit zum Essen einzuladen. Schließlich wollte man sich stark einbringen und mit dem Architekten gut auskommen. Es kamen Johannes Kaufmann, Dietrich Untertrifaller sowie ein ehemaliger Mitarbeiter von Herzog & de Meuron. Kaufmann sagte zu und brachte so ein Stück Vorarlberger Präzisionsarchitektur auf den weitläufigen Nordhang.

An die dreißig Grundrisse hatte der Bauherr schon ausgetüftelt und kannte den Grund daher wie kein anderer: „Ich bin hier aufgewachsen und weiß genau, wo die Sonne aufgeht.“ Der Architekt indes ging frei an die Arbeit heran: „Es gibt selten Grundstücke mit so wenig Zwängen. Wir planten ganz pragmatisch ein fast quadratisches Punkthaus mit Mittelerschließung.“

Das Haus besticht durch Perfektion. Die Fassade ist als Screen vorgesetzt, was den Eindruck des scharfkantigen Baukörpers verstärkt. „In jedem Wohnbereich ist ein großes Fenster mit tiefer Sitzlaibung eingeschnitten“, sagt Kaufmann, „da sieht man nur die Kante und den Ausblick, sonst nichts.“ Für Kaufmann sind diese Fernseher in die Landschaft hinaus wie eigene, angekoppelte Räume.

Das Erdgeschoß ist in den Hang geschoben, darüber setzt die Wohnebene mit einem schattigen Vordach auf. Unterschiedliche Abstände veredeln die Lattung zur raffinierten Hülle, die den Blick mal filtert, einmal abschirmt, einmal freigibt. Wie zarte Schleier ziehen sich die Hölzer als Sonnen- und Blickschutz rund ums Haus. Auch die Öffnungen variieren das Thema. Sie liegen hinter der durchlässigen Holzwand verborgen, führen als Türen unmittelbar ins Freie und holen an den schönsten Aussichtspunkten den Postkartenblick ins Innere.

Dezent zieht sich die Garage hinter einer anthrazitgrauen Eternit-Verkleidung ins nordwestliche Hauseck zurück. Die Tore verschwinden bündig in der Fassade und geben sich erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Daneben markiert ein dezenter Glasschlitz den Eingang ins Haus.

Wald im Bild

Durch ein Oberlicht dringt diffuses Tageslicht in den Raum. An einem weißen Schleiflackregal entgleitet die Treppe zur Terrasse. Eine Öffnung ist eingeschnitten: Man erahnt bereits den grünen Waldblick, den man vom Esstisch aus hat. Im Fensterpassepartout entfaltet er sodann seine volle Wirkung.

Der Bauherr schaut gern in die Bäume. Durch den Postkartenrahmen werden sie zu einem Bild gefasst, im Schlafzimmer fallen sie ihm sogar regelrecht ins Bett. Auf dem eingeschnittenen Balkon im Nordosten kann man zudem Frischluft und Morgensonne tanken. Seine Frau indes sitzt am liebsten in der tiefen Fensterlaibung im Nordwesten. Von hier schweift der Blick bis weit über die Donauauen hinaus.

Auch der Freiraum wurde in die architektonische Planung miteinbezogen. Das Wohnen geht auf einer Ebene in die Terrasse über. Sie wird von einer Stützmauer gefasst. Ein Pool und ein Stück Liegewiese sind in den Lattenrost eingelassen, als seitlicher Wind- und Sonnenschutz ergießt sich ein Holzschleier vom Vordach bis zum Boden.

Das Haus wurde mit dem niederösterreichischen Holzbaupreis 2007 ausgezeichnet.

21. Juli 2007 Der Standard

Schwerelosigkeit im Himmel

Wohnen über den Dächern von Wien? Das kennen wir schon - weit gefehlt: Eine Dach-maisonette der beiden Architekten Kristof Jarder und Peter Achhorner eröffnet neue Ein- und Ausblicke und zeigt vor, wie Architektur und Möbel zu einer Einheit verschmelzen.

Die Bauherren sind Stadtmenschen mit ausgesuchtem Stilbewusstsein und Kunstsinn. Für sie lag der Gipfel des Wohnglücks nicht im Grünen, sondern auf einem Dach im Zentrum von Wien. Genauer gesagt: Auf dem Dach des so genannten Toscanahofs in der Argentinierstraße. Das Haus mit der gewellten Fassade - ein Entwurf von Architekt Gustav Peichl - hat eine stille Rückseite zum Park und eine geschickt gestaffelte Dachzone mit lukullischem Freiraumangebot. Die Maisonette-Wohnungen sind allesamt mit Terrassen und Balkonen ausgestattet, Wienblick inklusive. Herz, was willst du mehr?

Das Timing der Bauherren war perfekt. Sie stiegen in der Rohbauphase ein und konnten sich so von den beiden Architekten Kristof Jarder und Peter Achhorner ihr maßgeschneidertes Wunschdomizil am Dach planen lassen. „Die Bauherren wollten ein komplett durchgestyltes Ensemble für zwei Personen“, erklärt Jarder, „die Innenräume sollten loftartigen Charakter haben und eine klare Trennung zum Privaten aufweisen.“ Edelhölzer und Nuancen von Weiß bilden nun den vornehmen Rahmen fürs Wohnen und Arbeiten, für ungestörten Rückzug und angeregte Geselligkeit.

Wie Designstücke stehen die raffinierten Möbel aus einem Guss in der Wohnung und leiten die Blicke und Füße selbstredend zur nächsten Raumzone. Die beiden Architekten hatten Augenmaß und Taktgefühl: Sie wiesen den unterschiedlichen Wohnzonen ein wohldosiertes Maß an Intimität oder Geselligkeit zu. Die Grenze zwischen Architektur und Möbel ist fließend. „Furnitecture“ nennt Jarder diese Symbiose aus Furniture und Architecture.

Gewohnt wird zwischen zwei Wandscheiben mit je einem Gemälde von Gunter Damisch. Dazwischen sind Regale, Bar und Anrichte zu Architektur gewordenen Möbeln geformt. Als leichte Scheibe ruht die Tischplatte auf ihrem schwarzgelackten Fuß, ein weißes Wandeck fasst die Kamingespräche auf der Couch.

Das Prunkstück der neuen Möbelarchitektur ist die Stiege, die von der Garderobe in eine Sitzbank aus weißem Alcantara-Leder übergeht. In samtweichem Bogen schmiegt sie sich an ein hölzernes Podest aus brasilianischer Nuss. Ihm entwächst eine gewendelte Stiege, die in graziler Leichtigkeit zwischen weißen Metallwangen auf die Galerie hochführt. Nicht von ungefähr erinnert die Treppenskulptur an ein Schiffsdeck.

Cleverer Stauraum

An einem Wandbogen mit ausgesuchten Schwarz-Weiß-Fotos gleitet man ins Obergeschoß. Auch hier spielt die Furnitecture von Achhorner und Jarder eine Schlüsselrolle. Für die nötige Trennung zwischen Vorraum und Bad, zwischen Arbeitsraum und Schlafbereich sorgt ein elf Meter langes Kastenmöbel, das nachhaltig stille Poesie verströmt. Seine gepolsterten Türen sind mit den Fotos verfremdeter Blütenblätter vom Fotografen Andreas Baumann bedruckt. Dezent gewähren die Türen Zugang zu einem beachtlichen Stauraum, ins großzügige Bad und ins Schlafzimmer. Der dick gepolsterte Stoff an der Schrankwand hat einen großen Vorteil: Er dämpft die Akustik, in den Zimmern wird daher trotz offenen Raumflusses Intimität und Stille gewahrt.

Selbst das Arbeiten verliert in diesem Haus an Schwere: Souverän hakt sich an der Rundsäule des Arbeitszimmers ein schwarz geschwabbelter Bumerang-Schreibtisch fest. Das unverwechselbare Design, das ohne Tischbeine auskommt, stammt von Kristof Jarder. Hier kann der Bauherr fußfrei am Fenster sitzen und beim Blick auf die Dachlandschaft Inspiration auftanken.

14. Juli 2007 Der Standard

Die Arche der Architekten

Für sich selbst zu bauen ist für einen Architekten wohl eine der schwierigsten Bauaufgaben. Das Architektenpaar Irene und Christoph Antel erfüllte sich einen jahrelangen Traum: An ein kleines Haus aus den Fünfziger- jahren dockt nun ein moderner Holzbau an.

Neupischelsdorf ist keine Adresse, die sich zur Gründung eines Architekturbüros aufdrängt. Gerade einmal 80 Einwohner zählt die kleine Ansiedlung, die zwanzig Autominuten südöstlich von Wien in der Weite des niederösterreichischen Flachlandes liegt. Doch ein Architekturbüro in Neupischelsdorf hat einen erheblichen Vorteil: Es gibt kaum Konkurrenz vor Ort. Für die Architekten Irene und Christoph Antel ist die Lage ideal: „Wir kennen die Gegend von Kindheit an, haben hier viele Kontakte und wollten nach der Zeit in Wien unbedingt wieder aufs Land zurück.“

Wo die Aulandschaft der Fischa ins Wiener Becken übergeht, entdeckten die beiden Antels ein unaufregendes, aber schön gelegenes Häuschen aus den Fünfzigerjahren. Sie entschieden sich zum Kauf und beschlossen, das Gebäude für ihre Zwecke zu erweitern. Hier konnten sie zeigen, wie sich ökologisch nachhaltig im Einklang mit Natur und Bestand wohnen und arbeiten lässt - ein perfektes erstes Referenz-Projekt. Eines wusste man von Anfang an: Das Architektenhaus sollte nicht protzen. Mehr als ein Geschoß kam für das eigene Wohn- und Arbeitsparadies daher nicht infrage.

Bauen mit Hochwasser

Den Altbau betrachteten Antel und Antel als bestehende Raumressource. Er blieb, wo er war und birgt nun Lager, Archiv und Haustechnik. Als stiller Zeitzeuge regionalen Bauens bildet er heute die integrative Mitte des Neubaus. Da man sich hier mitten im Überschwemmungsgebiet befindet, musste dafür Sorge getragen werden, dass man auch dann trocken über dem Gelände schwebt, wenn die Fischa wieder einmal aus den Ufern tritt. Daher wurde der Neubau aufgeständert: Sechs Stufen führen auf das erhöhte Betonfundament hinauf.

Bis auf zwei speichermassenwirksame Betonscheiben handelt es sich beim Neubau um ein reines Holzhaus in Niedrigenergie-Bauweise. „Im Vergleich zu Beton oder Stahl ist Holz ein vergängliches Material, bei dem klar ist, dass es eines Tages ausgetauscht werden muss“, sagt Irene Antel, „Holz ist ganz einfach lebendig.“ Und genau das sei das Schöne daran. „Wir wollten zeigen, dass man mit Holz nicht nur rustikal, sondern auch modern und zeitgemäß bauen kann.“ Vom roten Holz-estrich bis zur massiven und sichtbar belassenen Kreuzlagensperrholzdecke ist das Haus eine durchkomponierte Sinfonie an Holzwerkstoffen. Außen ist es mit unbehandelten Lärchenlatten verkleidet, die mit der Zeit grau werden. Innen sind die installationsführenden Holzständerwände mit OSB-Platten und mit Fichte beplankt. Und sogar die Möbel sind aus Holz: Sie bestehen teilweise aus furniertem Sperrholz, teilweise aus massiver Fichte.

Idyll im Innenhof

„Wohnen und Arbeiten wollten wir unbedingt zusammenbringen“, sagt Christoph Antel, „denn wir wollten nicht mit zwei Autos durch die Gegend fahren. Und in die Ortschaft fahren wir sowieso mit dem Rad.“ Die Drahtesel haben sogar ein eigenes profilitverglastes Oval am Parkplatz. Daneben ragt die Büroglasfront einladend auf die Straße. Zwischen dem extrovertierten Arbeits- und dem privaten Lebensraum am Grünen liegt ein Vorraum als neutrale Zone. Als klare Grenze ist an der Kinderzimmerwand ein Innenhof eingeschnitten. Irene Antel: „Ich sitze gern da und schaue in die Landschaft hinaus. Wenn die Ostbahn vorbeifährt, sieht das nachts aus wie eine leuchtende Raupe.“

Der Wohnraum selbst ist ein fließendes Raumgefüge. Unaufhaltsam strebt er dem entgrenzenden Nurglaseck im Nordwesten zu. Am geradlinigen Küchenmöbel mit integrierter Bar gleitet man zum Essplatz. Integrierte Bücherborde und ein Stück Wand an der eingeschnittenen Terrasse schenken dem Essbereich Rückhalt und Intimität. Durch Glasfronten werden Sonnenwärme und Ausblick eingefangen. Ab dann verliert sich das Wohnen in der Natur.

7. Juli 2007 Der Standard

Hausskulptur in Handarbeit

Das Grundstück wurde gerodet - plötzlich verlief eine Geländekante mitten durch die Parzelle. Passgenau meißelten die Architekten Schmid & Boese einen schwungvollen Hausbaukörper. Unten ist er praktisch, oben bietet er zudem fabelhafte Aussicht.

Der Pachtgrund in Purkersdorf war ein echter Glücksfall. Wie eine Insel liegt er im Bogen einer Forststraße. Im Osten grenzt der Friedhof mit Weitblick über Ort und Landschaft an, am Westhang dahinter ragt nur noch der Wienerwald empor. „Im Herbst ist diese Kulisse ein Wahnsinn, da spielen sich alle Farben ab“, gibt sich Architekt Stefan Boese zufrieden, „das Grundstück hat nur Sonnenseiten.“ Das ist Understatement vom Feinsten.

Zuvor war die Parzelle von urwaldartigem Dickicht übersät, mit der Rodung trat dann überraschenderweise ein Geländesprung zutage. Aufgrund der schwierigen Gegebenheiten bedurfte es mehrerer Durchläufe zwischen Handskizzen, Modellen und Computersimulationen sowie einiger Ortserkundungen zu allen Jahreszeiten. Erst dann war der Baukörper so weit ausgereift, dass er sich mit Selbstverständlichkeit an die Bruchkante im Gelände schmiegt und die Sonnenseiten der Lage zum Strahlen bringt.

Das architektonische Konzept schien perfekt. Ursprünglich schwebte den Bauherren ein leichtes und offenes Wohnen auf einer Ebene vor. Mit der Hangformation war das nicht ohne Weiteres zu vereinen. Zum Glück brauchten sie auch Garage, Lagerräume, eine Ordination sowie eine Einlieger-Wohnung für betagte Eltern oder flügge werdende Kinder. Stefan Boese schob all diese Funktionen als Betonbasis in den Hang und ordnete das offene Wohnen sodann im Obergeschoß an.

Platz für Geselligkeit

Das Wohnzimmer ist das kommunikative Herz des Hauses. Die Nordwand birgt etlichen Stauraum für Bücher und wird somit zum intellektuellen Rückgrat des Wohnraums. Der gesellige Essplatz liegt direkt vor der Terrasse, im Sommer ufert das familiäre Beisammensein oft ins Freie aus. Das weiße Küchenmöbel, das der freien Raummitte seine bartaugliche Tresenseite zukehrt, eignet sich zudem perfekt für größere Runden mit Gästen. „Wir wollten Feste feiern können“, sagt die Baufrau, "der Nachteil ist nur, dass jetzt alle zu uns kommen.

Beidseitig verglast, setzt die ausgedehnte Wohnebene mit einer Terrasse auf Wald- und Wiesengrund auf. „Manchmal hoppelt in der Früh ein Hase vorbei und knabbert am hohen Gras“, sagt die Baufrau, „das ist total süß.“ Auf zwei Balkonen kann man schließlich Fernblick genießen - mit etwas Glück sogar bis zur Kuppel von Steinhof. „Die Familie ist sehr gesellig“, erklärt der Architekt, „die vielen Freibereiche haben sich daher einfach ergeben.“

Am Südende der Wohnebene liegt das Schlafzimmer. Der durchgesteckte Raum mit straßenseitigem Balkon hatte es in sich: „Aus konstruktiver Sicht war das Schlafzimmer mit Abstand am aufwändigsten zu planen“, sagt Stefan Boese, „die Seitenwand trägt nämlich das ganze Obergeschoß.“ Tief im Erdreich verankert, düst sie stützenfrei über den Hang hinweg und schafft unter sich eine gedeckte Zufahrt. So bleiben die Ankömmlinge selbst bei Regen trocken.

Praktisch ist das Haus auch in ganz anderer Hinsicht: Die Bauherren wünschten sich von Anfang an ein Niedrigenergiehaus mit Wärmerückgewinnungsanlage. Geheizt wird mit Pellets. Der betonierte Sockel und die Betondecke entfalten einen weiteren Vorteil: Sie wirken als speicherfähige Masse. Um das Haus optisch leichter zu machen, sind die Seitenflanken im Süden und im Norden mit Lärchenholz verkleidet - Handarbeit von Bauherr und Architekt.

23. Juni 2007 Der Standard

Gut gewürfelt

Wie baut man am Stadtrand? In unmittelbarer Nähe der Lienzer Dolomiten planten die Architekten Steinklammer und Machné/Durig eine heterogene Wohnhausanlage. Zusammengehalten wird sie von einem Schuss Corporate Identity - und von Kunst am Bau.

Rundherum ist man von Dolomiten umzingelt, allmählich verliert sich die Stadt in der Landschaft: Wir sind in Lienz, genauer gesagt am südlichen Stadtrand davon. Das Grundstück im Stadterweiterungsgebiet hatte reichlich Zukunftspotenzial: Es liegt in der Nähe des Dolomitenstadions, die Bebauung nimmt ab und wird zu einem Einfamilienhausteppich, das Grün liegt vor der Nase. Einziger Wermutstropfen an der Sache: Leistbare Wohnungen sind hier rar.

Die Stadtentwicklung hatte mit der Gegend daher einiges vor. Als zukunftsweisendes Modell sollte eine geförderte Siedlung mit 250 Einheiten entstehen. Also widmete man das Grünland um. Anschließend wurden die Architekten Machné, Gussnig und Steinklammer sowie die Architektengemeinschaft STG mit einem städtebaulichen Entwicklungskonzept beauftragt.

Das Tiroler Friedenswerk realisierte den zweiten Bauabschnitt des Wohnparks Lienz Süd - fertig gestellt im November 2006 - mit insgesamt 77 Einheiten. Das Stadtzentrum liegt gerade einmal ein paar Radminuten entfernt, die westliche Grundgrenze wird von einem Campingplatz gesäumt und im Osten und Norden lassen vereinzelte Wohnblöcke ahnungsvoll Urbanität aufkeimen.

Wohnen mit Kunst

Die Architekten Hans Peter Machné, Marianne Durig und Georg Steinklammer reagierten auf diese Zwitterlage mit Typenvielfalt - Würfelhäuser, Terrassenhäuser, Split-Level-Häuser - und einigten sich auf weißen Putz und dunkelrot beschichtete Verkleidungen. Das nennt sich Corporate Identity. Verstärkt wird sie nur noch von der Kunst am Bau. Mal ragen expressive Körperfragmente von Hans-Peter Profunser in den Durchgang, mal sind es fragile Menschengestalten, die der Künstler Peter Niedertscheider in quadratische Steinplatten gefräst hat - innen und außen sind sie über Stiegen, Wände und Wege verstreut und sollen die Wahrnehmung sensibilisieren.

Beispielsweise jene für die Architektur: „Ich bin durch und durch ein Gartenmensch“, sagt die Mieterin einer Dachterrassenwohnung, „und diese Wohnung ist wie ein eigenes Haus. Jeder hat seine Etage, auf der er sich zurückziehen kann.“ Sie weiß, wovon sie spricht, schließlich bewohnt sie mit ihrer Familie eine dreigeschoßige Split-Level-Wohnung.

Durch ein breites Oberlicht fallen Sonne und Dolomitenpanorama in die Wohnküche. Unter dem Pultdach steigt der Raum auf beachtliche anderthalb Geschoße an und weitet sich mit einer glasumhausten Nische zum windgeschützten Essplatz auf der Terrasse. „Die Aufteilung ist toll. Man kann hier ungestört sitzen und hat rechts und links nur Berge.“ Sogar auf Vorhänge könne man hier getrost verzichten.

Wohnen im Würfel

Eine andere Wohnform bieten der fünfstöckige Wohnwürfel mit seinen Balkonmäandern und das ebenso hohe Punkthaus, um das sich dunkelrote Terrassenschleifen mit eingeschnittenen Glasflächen schlingen. Am Nordwestrand des Grundstücks gelegen bilden sie die Pfeiler zur Stadt.

Zwei- und Dreizimmerwohnungen sind um eine mittige Stiege gruppiert. Alle Wohnungen sind zweiseitig belichtet. Ihre organisch ums Eck geführten Freiflächen wachsen vom schmalen Wirtschaftsbalkon zu einer stattlichen, esstischtauglichen Terrasse am Wohnzimmer an.

Und schließlich die Südostflanke des Grundstücks: Lose aneinander gereihte Würfelhäuser mit Mietergärten zu ebener Erde bilden hier den Abschluss der heterogenen - und doch stimmigen - Wohnhausanlage. Zwischen die Baukörper ist paarweise je ein offenes Stiegenhaus eingeschoben. Die oberen Geschoße sind gegeneinander versetzt. Auf diese Weise bildet der Wohnraum im zweiten Stock gemeinsam mit der südwestwärts orientierten Terrasse einen Stock tiefer einen gedeckten und begehbaren Freiraum. Hier beginnt die ländliche Umgebung, hier kann man dolomitische Bergluft atmen.

16. Juni 2007 Der Standard

Aus eng mach weit

Was tun, wenn das Grundstück beengt und beschattet ist? Mit einem Einfamilienhaus in Klosterneuburg liefert Architekt Walter Stelz-hammer eine Antwort: Man ziehe die Bauteile auseinander, schaffe reichlich Platz für gläserne Stiegenhäuser und flute die Räume mit Licht.

Für seine Parzelle in Klosterneuburg hatte der Bauherr einen eindeutigen Favoriten. Für das künftige Haus kam ausschließlich Architekt Walter Stelzhammer infrage. Und die Aufgabe war nicht leicht, denn der windschief abfallende Nordhang mit seinen gerade einmal 480 Quadratmetern bot nicht viel Platz. Im Westen war das Grundstück von Föhren beschattet, rundherum zudem von Nachbarn umkreist. Herausforderungen sind gut, also nahm Stelzhammer den Auftrag an.

Eines trüben Wintertages begab sich der Architekt abermals vor Ort und ging danach für ein paar Wochen in Klausur - die Muldenlage war zum Verzweifeln. „Ich wollte aus der Enge der Verhältnisse einen Raumplan entwickeln, der vergessen lässt, wie klein und beengt der Grund eigentlich ist.“ Stelzhammer löste den gordischen Knoten in drei parallele Baukörper auf. Dazwischen sorgen gläserne Stiegenhäuser für Sonne, Weitblick und fließende Kommunikationsströme - es entstand ein dreifaches Haus im Haus. Jeweils um ein halbes Geschoß versetzt wandert es hangaufwärts und schafft im Garten auf diese Weise intime Höfe und ausblickreiche Terrassen.

Die Föhren winken

Am tiefsten Punkt im Osten befindet sich das Schlafhaus, dahinter liegt der Bereich für die Gäste. Durchs Oberlicht des Stiegenhauses winken aus dem Westen bereits die Föhrenstämme herüber. Gut für den Bauherrn, denn der gebürtige Tiroler liebt den Weitblick und die Natur. Noch besser allerdings für seine Frau, denn diese stammt aus Schweden und liebt die Bäume.

Über der Garage nehmen die beiden Kinderzimmer die Morgensonne ins Visier, die direkt über der Straße auftaucht. Auf der anschließenden Terrasse liegen die Töchter oft im Windschatten und lassen sich bräunen.

Im Wohnraum treffen die Reiche der Eltern und der Kinder schließlich aufeinander. „Wir sehen uns gern gemeinsam Filme an“, sagt die Baufrau, „doch die Trennung ist gut, denn beim Schlafen bin ich empfindlich.“ Die erzielte Lösung erlaube es sogar, spätabendliche Feste zu feiern, während nebenan schon geschlummert wird.

Das Ende des Hauses bildet der aufgeständerte Wohnraum auf Stelzen - das ist der krönende Abschluss mit direktem Blick auf die angrenzenden Nadelbäume. Doppelter Gewinn: Unter dem Wohnzimmer ist ein schattiges Platzerl entstanden, in dem Hitzegaplagte Entspannung finden.

Zurück ins Wohnzimmer: Platz gibt es hier nicht nur für die Familie, sondern auch für ihr größtes Faible: In einem raumhohen Regal, das sich ums Eck schmiegt, sind die vielen Bücher aufgehoben. Die versetzte Hauswand gibt im kuscheligen Leseeck ein Fenster nach Osten frei. In der Scheibe spiegelt sich - quasi ein ungeplantes Geschenk - das Stift Klosterneuburg.

Vom offenen Raumkonzept sind die Bauherren begeistert: „Wir hatten einmal 30 Gäste im Haus, das war kommunikativ.“ Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sie sich lose auf den Ebenen verteilten und über den Luftraum miteinander plauderten. Zu besonderen Anlässen geht's dann rauf aufs Dach - Fernblick inklusive. „Es ist wie auf dem Hochseedampfer, wir haben da oben sogar schon Silvester gefeiert.“

9. Juni 2007 Der Standard

So grün war Hietzing noch nie

Was den Dachausbau betrifft, hat Architekt Heinz Lutter eine Faustregel, die er eisern befolgt: Die „Stadt über der Stadt“ ist eine völlig selbstständige Ebene über den Dächern von Wien. Mit seinem lindgrünen Dachaufbau im noblen Hietzing zeigt er, was er damit meint.

Ein ausbaufähiger Rohdachboden auf einem stattlichen Doppelhaus in bester Hietzinger Grünlage: Besseres kann einem Investor wie den Conwert-Immobilien nicht passieren. Doch es kam noch besser. Man kaufte das ganze Haus und wollte natürlich die Rendite steigern. Fassade und Stiegenhaus wurden saniert, ein Lift wurde eingebaut, das Dach wurde ausgebaut. „Wir wollten aber nicht einfach nur Dachflächenfenster einsetzen, sondern etwas Modernes draufbauen“, sagt Projektentwickler Karl Raabl. „Es sollten zeitgemäße Wohnungen mit genug Raumhöhe, Terrasse und Ausblick entstehen.“

Die Vorgaben der Bauherren an Architekt Heinz Lutter waren damit klar umrissen. Die unmittelbare Nähe des Hauses Müller, einer klassisch modernen Ikone von Adolf Loos, legte die Latte hoch. Wo man einst schon zukunftweisend war, da muss man auch heute in die Zukunft blicken. Lutter agierte mehr als modern.

Ein Satteldach mit zwei Walmen krönte bis vor Kurzem das dreistöckige Haus. Das bisherige Volumen durfte nicht überschritten werden, mehr als ein Geschoß war also nicht drin. Ein Grund mehr, jeden Quadratzentimeter zu nutzen. Der schrägwandige Dachaufbau mit Erkern und Gaupen ist angewandte Bauordnungsmathematik und Baukörpergeometrie auf höchster Stufe. „Ich wollte etwas Signifikantes draufsetzen, das mehr ist als ein Dach“, sagt Lutter. „Der Aufbau sollte einen neuen Abschluss schaffen, der auch zum Bestand passt.“

Der Altbau ist eine gediegene Stadtvilla mit symmetrischem, H-förmigem Grundriss und großem Garten. Entstanden ist sie an der Schwelle zum Jugendstil. Eine schmucke, halbrunde Loggia mit Balkon ziert die Mitte der Straßenfassade, zwischen den seitlichen Flanken ist ein repräsentativer Vorhof eingefasst. An den Enden des Mitteltrakts liegt je ein schmales Stiegenhaus. In der schmalen Spindel führt nun ein ebenso schmaler Lift rauf aufs neue Dach.

Dach völlig autonom

Oberhalb der Gesimskante ist alles anders: Lange Balkonbänder, die sich gartenseitig zu Terrassentiefe ausweiten, mäandern hinter lochblechverkleideten Brüstungen am Gesims entlang. Seitlich sind Balkone eingeschnitten. Dahinter sorgt ein Holzleichtbau mit raumhohen Fenstern für gutgelauntes Wohnen mit Blicks ins Grüne. Und zwar in beide Richtungen: Denn das Dachgeschoß ist rundum mit lindgrünen Prottelith-Platten verkleidet. Die Brandschutzanforderungen an ein Wiener Dach schaffte das innovative Material allerdings nicht. „Wir durften zwar die Außenwände mit Prottelith verkleiden, mussten aber ein Zinkblechdach ausführen“, gesteht sich Lutter ein.

Wichtig sei die Form gewesen: „Ich wollte etwas Penthouse-Artiges machen, das mit verschiedenen Höhen spielt. Man sollte auf die Terrassen treten können und das Gefühl haben, unter Bäumen zu stehen.“ Geworden sind daraus zwei schrägwandige Tonnen. Die lichtdurchfluteten Innenräume kommen ganz ohne sichtbare Sparren aus.

Über den Seitenflügeln bilden die Erker und Gaupen lauschige Nischen. Bündig sind Glastüren, die sich von einem Scharnier in Gürtelschnallen-Manier auch in Lüftungsposition arretieren lassen, in die lindgrünen Wände eingeschnitten: Wie durch ein holzverkleidetes Kastenmöbel tritt man über zwei graue MDF-Stufen hinaus ins Freie. Die Rechnung der Bauherren ging auf: Längst wechselte das Haus seinen Besitzer.

2. Juni 2007 Der Standard

Das Leben ist ein Honigschlecken

Ein Haus mit anschließender Imkerei? Das ist ein wahrlich seltener Bauherrenwunsch. Doch Architekt Gernot Hertl war auch vor einem solchen nicht gefeit. Konsequent schüttete er in den Innenräumen Honig an die Wand und kleidete das Haus in eine Kupferhaut.

Es war Liebe auf den ersten Blick. „Wir wussten sofort, das ist es!“, sagt die Baufrau, „wir wollten in offenen, weiten Räumen mit viel Glas leben. Das Einzigartige an der Lage ist, dass uns hier keiner auf den Teller schaut.“ Da störte auch nicht, dass die einstige Gärtnerei am Ortsrand landwirtschaftlich genutzt sein wollte. Man beschloss, die herrliche Wiese, die sich an den Waldrand schmiegt, für die Bienen blühen zu lassen und die hohe Schule der Imkerei zu erlernen.

„Die Bauherren suchten einen Architekten für ein präzises Haus“, sagt Gernot Hertl, „das setzt einen mächtig unter Druck.“ Als Hertl kontaktiert wurde, waren Imkereiküche, Schmutzschleuse und Lagerraum schon längst beschlossene Sache. Außerdem wünschte man sich zwei Büros, Kinder- und Gästezimmer mit Bad, eine Bibliothek zum Schmökern und einen großzügigen Wohnraum mit Kamin und stattlich großem Esstisch - schließlich ist die Baufrau ambitionierte (Schau)-Köchin, um deren Herd und Tafel sich gelegentlich bis zu 25 Gäste scharen.

Barocke Blickachse

Das Grundstück ist ein regelrechter Wiesenteppich am Rande des Waldes. Nur die schmale Westseite grenzt an den Ort. „Ich wollte die Stimmung präzise auf den Punkt bringen“, so Hertl. Die beinahe barock anmutende Blickachse sollte das Haus nach ansteigender Schönheit mit großen Glasflächen zum Wald öffnen, erklärt der Architekt. Um zu ermöglichen, hier in seine eigene Welt einzutauchen, sei von Anbeginn klar gewesen, wo das Haus stehen müsse.

Man thront auf einem Geländeplateau über Wald, Wiese und Schwimmteich. Wie eine verschlossene Auster steht das Haus über einem quadratischen Grundriss von fünfzehn Meter Länge. Rundum ist es von einer Kupferhaut umwickelt, in die polygonale Öffnungen geschnitten sind, die in einer raffinierten Choreografie Weg und Raumstimmung inszenieren. Sukzessive weitet sich der Blick durchs Fenster, bis die Landschaft im 3D-Cinemaskop-Format endlich das honiggelb fließende Innenleben des Wohnzimmers durchdringt.

„Dieses Haus lebt, das Kupfer verändert sich ständig“, sagt die Baufrau. Hinter der wettergegerbten Nordfront, die mittlerweile von rotbraun bis blaugrün schillert, liegen die Wirtschaftsräume der Imkerei, gegenüber sind kellertemperierte Lager in den Hang gegraben. Oben bahnt sich bereits das Fensterband der Kinderzimmer seinen Weg durchs Kupferblech, unten lugt das Schrägglas der Imkereiküche ums Eck. Fast 400 Kilogramm biozertifizierten Honigs werden hier - im Antlitz der Morgensonne - jährlich geschleudert.

Honig an den Wänden

Mit bauplastischer Verve bewältigt Hertl die Stärken und Tücken des Grundstücks. Oben schenkt ein Innenatrium den Eltern viel Licht und eine Terrasse, ein Glaseck erhellt das honiggelbe Gästezimmer mit honiggelbem Bad, die Bibliothek dahinter ist in honiggelbe Farbe getaucht. Nur durch einen Glaszwickel am Boden fällt der Blick aufs Gras.

Und damit bildet sie einen starken Kontrast zum natur- und lichtgefluteten Wohnraum: Am schrägen reinen Glashorizont mit direktem Blick auf die Waldkulisse wird gekocht und gegessen. Eine honiggelbe Treppenskulptur mit integriertem Kamin führt auf die luftige Galerie in die Schlafebene. „Für uns ist das schon ganz normal. Aber jeder, der das Haus zum ersten Mal betritt, ist überwältigt.“

19. Mai 2007 Der Standard

Postkartenblick vorm Fenster

Architekt Christian Heiss nennt seine Schaffensstätte nicht Büro, sondern Atelier. Spätestens wenn man die Ausblicke des Döblinger Einfamilienhauses inhaliert hat, weiß man auch, wieso. Wohnen vor einem Gemälde.

„Ich wollte ein Haus im Grünen mit offenen, weiten Wohnräumen und ohne Gänge“, sagt die Baufrau, „vorher lebten wir in einer Dachwohnung, von der aus man immer nur den Himmel gesehen hat. Das hat weder uns noch den Kindern gefallen.“ Und so habe man sich entschieden, am Garten und am Leben teilhaben zu wollen. Außerdem sollte das Haus mitwachsen können und für den Nachwuchs eine Einliegerwohnung bereithalten. Keine leichte Vorgabe für ein freistehendes Einfamilienhaus auf einem sehr langen, aber nur 15 Meter breiten Steilhang, dessen Spitze im Wald- und Wiesengürtel mündet.

Als Architekt Christian Heiss auf dem Grund in Döblinger Bestlage stand, war es um ihn geschehen. „Die Länge hat mir gleich gefallen, ganz oben findet man eine für Wien einzigartige Ruhe.“ Ein abgetreppter Weg zelebriert den Aufstieg zum lauschigen Rasenplatz an der Spitze. Unter den Baumkronen der nachbarlichen Linden führt er von der Straße aus am Westrand des Grunds in einem sachten Bogen bis hin zur Terrasse, die zum Sonnenbaden einlädt. „Von hier aus gibt es diesen sehr, sehr schönen Blickpunkt auf die Kaasgrabenkirche. Es ist etwas Besonderes, so einen Maßanzug für eine Familie zu gestalten.“

Kirchturm im Bild

Insgesamt brauchte es drei Entwürfe, bis der schmale Hausbaukörper mit seinen raffinierten Einschnürungen, Erkern und Terrassen bauordnungskonform ins Gelände gebettet und so weit ausgetüftelt war, dass der Kirchturm nun postkartenreif durchs Fenster fällt. Mit einem verglasten Einraum entwächst das Erdgeschoss dem Hang, um sich auf drei differenzierten Wohnebenen zu Garten, Sonne und Aussicht zu recken. Kunstvoll feiert der Baukörper zwischen bezugsreich versetzten Wandscheiben seine außergewöhnliche Länge: Von der transparenten Breitseite im Süden flutet er um eine gläserne Mitte bis zum schmalen Nordende, das sich mit Terrasse, Panoramaerker und Balkonen der Stadt zuwendet.

„Die Grundrisslösung auf dem engen Grund war extrem schwierig. Ich wollte auf keinen Fall, dass ein Kellergefühl entsteht“, so Heiss, „das Herz des Hauses sollte lichtdurchflutet und hell sein.“ Schon beim Hauseingang zeigt sich die ganze Pracht der Helligkeit: Durch die Glaswand entlang der Stiege und durch bewusst inszenierte Wandschlitze kann man von hier bereits in die oberen Ebenen emporspähen. Der Ausblicke nicht genug: „Wir leben hier miteinander, nicht nebeneinander“, sagt die Baufrau, „man kann in der Badewanne liegen und ins Wohnzimmer schauen. Die Kinder lieben diese Glasfläche. Sie sehen sofort, wer gerade kommt.“

Fließende Raumgefüge

Im Windschatten der Treppe liegt die zweizeilige Küche. Sie gleitet entlang der Westwand bis zum Essplatz, der direkt an der Terrasse liegt. Am östlichen Ende windet sich die Südfassade raffiniert ums Eck. Auf diese Weise können Morgensonne und Natur hereinfallen - nicht zu vergessen die postkartengeeichte Kaasgrabenkirche.

Volltrunken der Landschaftsbilder geht es daneben vier Stufen aufs Eingangsniveau hinab, wo der schmale, aber stolze 3,15 Meter hohe Wohnbereich zwischen zwei Wandscheiben der Straße entschwebt.

Das transparente Entree darunter erschließt zwei potentielle Einliegerwohnungen. Hier schlüpfen die Bauherren tagtäglich vom Parkplatz ins Haus. Im hellen Vorraum der Schlafebene bewirkt die Glaswand der Treppe ihr letztes Wunder. Sie taucht den Schrankraum in helles Licht. Dahinter teilen sich Elternschlafzimmer und Bad die Terrasse. Im Norden buchten sich die Kindererker mit Balkon aus. Durch ihre Fenster winkt die Kirche - diesmal jedoch in Vogelperspektive.

12. Mai 2007 Der Standard

Mit einem Hang zu Holz und Beton

Die Architekturwerkstatt Lienz realisierte Passiv-Reihenhäuser in bester Stadtrandlage. Wunderbar fügen sich die lose gegliederten Einheiten aus Holz und Beton in die Landschaft. Privatgärten bringen Sonne und Naturbezug, die Aussicht reicht bis zu den Dolomiten.

„Patriasdorf ist der älteste Teil von Lienz und einer der wertvollsten Baugründe“, sagt Architekt Peter Jungmann, „ich bin dort aufgewachsen, damals war das noch ein rustikales Bauerndorf.“ Nur Wiese, Steine und nichts als Äcker. Doch dann musste ein dortiger Bauer seine sieben Geschwister auszahlen und das Grundstück parzellieren. Man hatte Glück. Denn die sieben Teile fielen nicht etwa einem Spekulanten oder Investor in die Hände, sondern dem planenden Baumeister Georg Gruber. Gemeinsam mit den Architekten Peter Jungmann und Reinhard Suntinger bildete er die Architekturwerkstatt Lienz. Einem erfolgreichen Projekt stand damit nichts mehr im Wege.

Die dreistöckigen Reihenhäuser brauchen insgesamt nur wenig Fläche und fügen sich mit dem eingeschobenen Erdgeschoß wunderbar in den Hang. Hochqualitatives Isolierglas, dick gedämmte Betonscheiben und kontrollierte Wohnraumbelüftung sorgen für Passivstandard. „Es ist eine sehr exklusive Lage. Doch der Kostendruck war so hoch, dass wir konzeptionell hochwertige Häuser in Serie planen mussten“, erklärt Jungmann. Am gewachsenen Boden im Norden befinden sich die Privatgärten. Das Material ist ortsspezifisch: oben naturverwitterte Lärche, darunter rauer Mantelbeton. Des Architekten Worte: „Der Beton reagiert schallhart auf die Straße, grenzt stärker ab und harmoniert schön mit dem Grün.“

Freiräume sonder Zahl

Die Carports bilden einen halb öffentlichen Freibereich, über dem sich das offene Wohnen zur begrünten Südterrasse weitet, die Aussicht reicht bis zu den Lienzer Dolomiten. Im Norden bieten Hintergärten eine schattige Alternative an heißen Sommertagen. Ein exquisiter Balkon im ersten Stock - gefasst in einen Rahmen aus Beton - komplettiert das reiche Freiraumangebot für alle Jahreszeiten.

Eine Baumreihe säumt den Helenenweg im Süden, dahinter grünt und blüht es auf schräg vorspringenden Terrassenbrüstungen. In ungestörter Hochlage kann man von hier aus die Sonne und einen Postkartenblick über die Stadt genießen.

Das Haus wird von mächtigen Säulen getragen. Dazwischen hängen Schaukeln herab, parken Autos, stehen Bänke - ein idealer Freiraum für den Alltag. Die Erschließung ist clever durchdacht: Zwischen den Häusern kann man zur Nordseite auf die gemeinsame Wohnstraße durchstechen. Helles Streiflicht begleitet den Passanten.

„Es ist alles bis ins kleinste Detail durchdacht, darüber sind wir sehr glücklich“, sagt Annemarie Eder. Sie war eine der ersten Interessentinnen für die neuen Wohnungen. Das Projekt gefiel ihr so gut, dass sie den Innenraum vom Architekten gleich mitplanen ließ. Jungmann arbeitete mit dem Licht: Wie durch ein Prisma fällt es vom Himmel durch die Lärchenstufen in den Vorraum, der schließlich mit grauem Eternit verkleidet ist.

Auf einem Lärchenschiffboden flutet die Wohnebene von der gläsernen Arbeitsbox über die offene Küche bis hin zur südseitigen Terrasse. Ein feiner Betonrahmen schafft Schatten und Intimität. Außenjalousien malen Streifen auf Wand und Boden. Französische Fenster im Obergeschoß sorgen für Weite und Abwechslung.

Die Anlage wurde mit dem 3. BTV-Bauherrenpreis in Tirol ausgezeichnet. In zweiter Reihe entstehen nun reine Holzhäuser. Jungmann: „Es gibt Bestrebungen, auf Plus-Energie aufzurüsten.“

5. Mai 2007 Der Standard

Alles unter einem Flügeldach

Das liebliche Baden hat ein neues Ahaerlebnis: Die Architekten von BKK-3 überdachten den traditionellen Paarhof und stellten an die Straße ihre innovative Antwort in Pistaziengrün. Das Haus wird zu einer monolithischen Skulptur, in der das Licht inszenierte Wege geht.

Die Geburt der Zwillinge kam überraschend. Eifrig grasten die Bauherren ganz Wien und Umgebung ab, um rasch eine Bleibe mit mehr Platz, Sonne und Garten zu finden. Jedoch: „Je mehr wir sahen, umso sicherer waren wir, dass wir so nicht wohnen wollen.“ Also kontaktierte man die Architekten von BKK-3 zur Hausplanung nach Maß. Im Zentrum von Baden fand sich eine zwölf Meter breite Parzelle, die sich von der Straße im Nordosten recht weit in einen sonnenbeschienenen Garten erstreckt.

Alte, ebenerdige Häuschen mit mittigen Toreinfahrten, flankierenden Seitentrakten und schmalen Hinterhöfen prägen die stille Gasse. Hier regiert die geschlossene Bauweise. Als der Bauherr auf dem langen Grund stand, dachte er praktisch und wusste sofort, was er wollte: Er wünschte sich einen direkten Weg in den Garten, damit man von der Erde bis zum Kinderfahrrad alles problemlos transportieren konnte, ohne die Wohnräume zu queren und in Mitleidenschaft ziehen zu müssen. Wie das Haus aussah, war dann Sache von BKK-3.

Haus aus einem Guss

Ein Haus baut man nur einmal im Leben, daher so ideal wie möglich. Mit Keller, Garage, einer behindertengerechten Einliegerwohnung für Verwandtschaft und Gäste, vielen nachwuchsfreundlichen Zimmern und einem großen Wohnraum, von der die Mutter ihre Kids immer im Blick hat, wollte man für alle Eventualitäten gerüstet sein. Zwei Geschoße und eine Bebauung auf einem Drittel der Grundstücksfläche erlaubte die Bauordnung. Die Architekten von BKK-3 gossen dieses Anforderungsprofil in eine zweiflügelige, monolithische Hausskulptur, die den örtlichen Paarhof innovativ um neue Facetten bereichert.

Hinter das zwei Meter hohe, mittige Straßentor wurde ein Vorhoftrichter in den pistazienfarbenen Baukörper eingeschnitten. Wie zwei Flügel gleiten rechts und links die gleichfarbigen Schindeln der tief herabgezogenen Dachflächen über die vorspringenden Seitenflügel. Unter den schrägen Kanten steigen die oberen Zimmer auf beachtliche 4,50 Meter an, was spannende Perspektiven und eine unorthodox hohe Galerie bringt, die sich die Kinder nun als Hochbett erobern können.

Der Weg über die ockerfarbenen Betonplatten mündet hinter der ausufernden Terrasse in den Rasen. „Der Baukörper sollte die Vorgabe vom Weg durchs Haus unterstützen“, erklärt Architekt Franz Sumnitsch, „einzig und allein Glaskisten sind uns zu wenig. Etwas Emotion muss schon drinnen sein.“ Keck neigt sich die schräge Lobby des Obergeschoßes daher über den Eingang und bewahrt ihn so in einem Formguss vor Wind und Wetter. Von der Foyer-Kreuzung zweigt links der kurze Südosttrakt mit dem - man staune - grünen Garagentor, einer Stiege und dem Einlieger am Garten ab. Rechts geht es in den ausgedehnten familiären Wohnflügel, der sich mit kantiger Glasfassade nach Sonne und Garten streckt.

Licht als Inszenierung

Wie eine Kommandozentrale thront die Küche auf einem Podest in Poleposition über Straße, Vorhof und Wohnen. Eine 1,60 Meter hohe Kastenwand bildet eine morgenbesonnte Frühstücksnische, von der man bis in den Garten sieht. Klar getrennt liegen die Schlaf- und Baderäume der Eltern im kurzen Südostflügel, wohingegen die beiden Kids in der anderen Haushälfte zu Hause sind. Ein eingeschnittenes Atrium sorgt für abstrakt-meditative Sonneneinfälle.

Auch die oberlichthelle Lobby mit sitz- und liegefreundlicher Mauerbrüstung ist in eine eigene Atmosphäre getaucht. „Ich genieße es sehr, durchs Haus zu spazieren“, so die Baufrau, „doch hier ist der Treffpunkt von uns allen.“

28. April 2007 Der Standard

Wohn auf Holz!

In der Gemeinde Heinfels plante Architekt Georg Steinklammer den ersten reinen Holz-Wohnbau von ganz Osttirol. Dabei trifft örtliche Bautradition auf urbane Formensprache. Vier dreistöckige Holzhäuser sorgen nun für städtisches Flair in den Bergen.

Die schwäbischen Zimmerleute hatten's in sich. Ohne einen einzigen Nagel bauten sie massive Sparren und Träme anno 1781 zu eindrucksvollen Brückentragwerken zusammen. Schadlos überstand eines davon die Jahrhunderte, bis heute überwindet die denkmalgeschützte „Bungrugge“ mit 61 Meter Spannweite den Villgratenbach. Er liegt am Ortsende von Heinfels, direkt an der Bundesstraße, die Südtirol und Lienz verbindet.

An dieser Hauptverkehrsader wollte die Gemeinde auf einem freien Baugrund ein Exempel statuieren und eine soziale Wohnanlage aus Holz errichten. Realisiert wurde das Vorhaben von der Osttiroler Siedlungsgenossenschaft. Auch die Holzforschung Austria und pro Holz beteiligten sich an diesem regionalen Pionierprojekt.

Architekt Georg Steinklammer plante die dreistöckigen Zweispänner aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz und in Niedrigenergiebauweise. Darüber schweben auf zarten Stahlstützen abstrakt anmutende, ausladende Satteldächer. Sie schützen die Balkonmäander vor der rauen, alpinen Witterung und ermöglichen halb öffentliche, überdachte Freibereiche, in denen sich traditionelle und urbane Bauformen verbinden.

Blutrote Tradition

„Die Gemeinde wollte ein Satteldach, der Bauträger wünschte sich eine pflegeleichte Anlage“, sagt Architekt Steinklammer. Rotes Ochsenblut und große Dachvorstände hätten in dieser Gegend eine lange Tradition. Die Traufkanten sind als Witterungsschutz weit über die hinterlüftete Fassade vorgezogen. Diese besteht aus sägerauen Brettern, die dreifach lackiert sind - ohne Blut, mit Farbe.

Im Norden grenzt das etwa 60 Meter breite Grundstück an die Straße. Zwei nord-süd-orientierte Baukörper dienen als Lärmschutz und privat-öffentliches Portal. Dazwischen führt der zentrale Weg zu den beiden Häusern in der Südhälfte des Grundstücks, wo der starke Wind von der Stellung der Gebäude etwas eingebremst wird. So können die Mieter entspannt in ihren Vorgärten und auf ihren Westbalkonen sitzen. Unter anderem sieht man von hier auf die Hackschnitzelanlage, mit deren Hilfe die 24 Wohnungen ressourcenschonend beheizt werden.

„Es ist die erste Wohnanlage in Osttirol, die komplett in Holz errichtet wurde“, erklärt Steinklammer, „wir hatten eine extrem kurze Bauzeit, aber einen sehr hohen Planungsaufwand. Alle tragenden Elemente wurden mitsamt der Schalung komplett vorgefertigt.“ Auch innen bleibt die hölzerne Bauweise spürbar: Geschliffenene Massivholzdecken und Parkettböden treten an die Oberfläche.

Und was sagen die Bewohner? „Ich liebe diese Wohnung mit der großen Terrasse und der smarten Küche. Ich wollte immer schon Kochen, Essen und Wohnen in einem Raum haben“, sagt etwa die Mieterin einer Dachgeschoßwohnung, „es ist eine ruhige Anlage.“ Hinter dem Vorraum liegt der nordseitige Kochbereich mit Eckbank. Hier hat man die malerische Ruine Heinfels im Blick. Vor dem südseitigen Wohnbereich hat man nur noch die beschattete Terrasse vor sich. Keck ragt sie ums Eck, damit man von hier auch noch den Dorfberg von St. Oswald erspähen kann.

21. April 2007 Der Standard

Ein Zubau für die Zukunft

Ans alte Gehöft der Großmutter fügten die Architekten von projekt.cc einen klaren, lang gestreckten Zubau. Dem alten Gehöft schafft er nun eine geschlossene Straßenfront im Osten, der Baufrau schafft er eine sonnige Zukunft mit Terrasse und lauschigem Hof.

Nach ihrer Scheidung hatte die Baufrau plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf. Von ihrer Schwester wurde sie deshalb im mehrfach umgebauten, familiären Gehöft aufgenommen, das schon in ihrer Kindheit ein Kraftort gewesen war - ein weiß verputzter, ebenerdiger Bauernhof, der als sachtes U einen Hof umrahmt. Er liegt unweit vom Ortskern, gegenüber der evangelischen Kirche. Die Baufrau erinnert sich zurück: „Am ersten Ferientag packte ich immer mein Zeug auf ein Leiterwagerl und zog mit meinem Bruder zur Großmutter.“

Einträchtig bewohnten die beiden Schwestern die zwei Zimmer an der Straße. Außerdem nutzten sie Küche und Bad, die im Nordflügel des einstigen Bauernhauses untergebracht waren. Dann stellte die Baufrau die Weichen für ihre Zukunft mutig neu. Mit einem Um- und Zubau sollte ihr Zimmer von den schwesterlichen Räumen klar getrennt und um einen eigenen Wohnbereich erweitert werden. „Ich wünschte mir viel Licht, Ruhe und einen Platz, wo sich meine zwei Töchter wohlfühlen.“ Der betagten Mutter und dem behinderten Bruder wollte sie in einer Einliegerwohnung mit eigenem Eingang ebenso komfortable vier Wände schaffen.

Wenig Geld, viel Aura

Ihr Budget war klein, ihr Vertrauen in Harald Kloiber und Christian Tabernig vom Architekturbüro projekt.cc dafür umso größer - von der Aura des Ortes gar nicht erst zu sprechen. Mit einem beheizten Estrich unterm neuen Eichenparkett legten sie den Bestand trocken und schlugen eine klare, weiße Schneise zwischen die zwei Zimmer. Ein gläserner Windfang bildet den neuen Zugang ins gewachsene Hinterhofidyll, wo ein dunkler Holzschuppen, eine alte, weiß gekalkte Waschküche und der große Kirschbaum tiefen Frieden verströmen. Schützend schiebt sich der Zubau vor den Hof, riegelt ihn zur Straße ab und verstärkt so seinen Charakter.

„In diesem Ensemble ist nichts, das mich stören könnte“, sagt Tabernig, „der Hof hat eine absolute Qualität. Und davon wollten wir möglichst viel erhalten.“ Die Baufrau habe ihnen bis zum Material hin freie Hand gelassen. Ein Zimmerer fertigte den gerad-linigen Holzriegelbau, der mit rauen Phenolharzplatten verkleidet wurde. Gelassen glei-tet die braune Fassade, die sich von der Witterung zeichnen lässt, an einem Vor- gartenstreifen hinterm Bestand die Straße entlang. So konnte er als Hofbaukörper gewidmet und mit einem flachen, braunen Foliendach gedeckt werden.

Alles weiß in weiß

Einladend ragt das Dach über dem Eingang der Einliegerwohnung aus, raffiniert kantet sich ein Oberlichtband ums Eck. Durchs Glas winken Kirchturm und Morgensonne in den Vorraum und direkt ins behindertengerechte Bad in der Mitte. „Damit die Fenster außen und das Oberlicht innen bündig sitzen können, haben wir viele Details zeichnen müssen“, sagen die Architekten. Flexibel trennt eine Schiebetür die Schlaf- von der Wohnhälfte. Blumen schmücken das Südfenster, das die kompakte Herdzeile und den Esstisch besonnt, offen fließt der Raum an der Glasfassade im Westen aus. Davor liegt die schattig umhauste Terrasse. „Ich habe Sonne und kann in den Garten“, sagt die Mutter.

In derselben Lärchenflucht lebt die Baufrau im lang gestreckten Einraum: Am Mauerdurchbruch des Bestands trennt eine Kastenwand das weiße Bad vom ebenso weißen Schlafzimmer. „Die Morgensonne und das Straßenlicht scheinen herein. Die Stimmung ist wunderbar.“

Ein Kiesbett mit Betonpflanztrögen schenkt ihrem Arbeitsplatz meditative Perspektiven. Eingespannte textile Segel verwandeln das zwei Meter breite Terrassenvordach zum Sonnenfilter, der nachts plötzlich zum Lichtkörper wird. Vom Esstisch genießt sie mit ihrer Tochter den gläsernen Weitblick auf den sonnentrunkenen Hof. Das Glück spricht aus ihr: „Hier habe ich Frieden gefunden.“

14. April 2007 Der Standard

Ein Platz an der Sonne

Das Innsbrucker O-Dorf hat ein neues Zentrum und einen urbanen Lebens-mittelpunkt. Rundgang durch das Siegerprojekt des Europan-Wettbewerbs 1996.

Die Buslinie O führt vom Innsbrucker Bahnhof mitten ins so genannte O-Dorf. Zur Olympiade 1964 baute man den ersten Teil, viele Jungfamilien zogen damals in die modernen Wohnblöcke. 1976 folgte Bauteil 2: höher, schneller und stärker. Betonfertigteile wurden zu Riegeln, Blöcken und Türmen gestapelt. Mit oder ohne Balkon verdichtet sich hier die ganze typologische Bandbreite des Systemwohnbaus zum scheinbar endlosen urbanen Patchwork.

Etwa 8000 Menschen leben hier. Das Sozialgefüge ist bunt gemischt, der Ausländeranteil hoch. Von den olympischen Ringen des Olympiaparks ist der Lack längst abgeblättert. Ein Neubau-Impuls tat not. Beim Europan-Wettbewerb 1996 siegten die Architekten Froetscher Lichtenwagner. Sie nahmen die stille Poesie der Scheiben auf: „Dieses Spiel mit den Klötzen kann eine zauberhafte Aura gewinnen: Es ist reizvoll, die Qualitäten aller Alltagsfacetten aus so einem Viertel zu destillieren. Wir wollten einen öffentlichen Platz schaffen, der die Leute anzieht.“

In Anschluss an den Olympiapark planten sie auf ortstypischer Rasterbasis einen 90 Meter langen und 45 Meter breiten Platz, der von markanten Baukörpern gefasst wird. Bauherrin war die Innsbrucker Immobilien GmbH (IIG). Subtil bereichert der mit anthrazitgrauen Eternit-Platten verkleidete Mäander das lokale Typenrepertoire um eine neue Form. Als zweistöckiger L-Winkel gleitet er über Tiefgarage, Lebensmittelgeschäft und Kindertagesheim die Ostseite entlang, kantet sich gläsern zum Mehrzwecksaal und selbstbewusst zum 50 Meter hohen Wohnturm auf. Eine gelbe Lichtschneise mit Luftbrücken teilt den Wohnturm in zwei Hälften. 27 der insgesamt 105 Einheiten sind betreute Seniorenwohnungen.

Neues Dorf-Konzentrat

Die Architekten: „Unsere maximalen Fensterformate reichen bis zum Boden, über Eck verglaste Loggien und französische Fenster sind im Hochhaus ein Luxus.“ Der Mäander tut dem Ort gut: Er wird zum neuen Dorf-Konzentrat, seine offene Platzmitte gestalteten die Architekten gemeinsam mit Alice Grössinger von Idealice mit hölzernen Bankgebirgen, abstrakten Heumandeln und schwebenden Lampenbahnen. Mit einem Wort: eine wohnliche Bühne des sozialen Lebens.

Sogwirksam wölbt sich Fassade des Lebensmittelmarktes MPreis zur Eingangsbucht nach innen. Davor führen Jugendliche ihre Skate- und Streetdance-Künste auf, Menschen lümmeln auf hölzernen Bänken in der Sonne. Wie Magnetspäne weisen die Linien im Asphalt den Weg zum Durchgang, wo eine Stiege mit zwei Handläufen für Groß und Klein zu Jugendtreff, Turnsaal, Innenatrium und Kindergarten führt.

Rege gedeiht das Vereinsleben im Plattenbau. Im Glasfoyer an der Nordseite ankert der rundgebauchte, hölzerne Mehrzwecksaal. Stolze 300 Menschen haben auf den bunten Sesseln unter der wirren Holz-Akustikdecke Platz. „Der Saal ist universell nutzbar“, sagt der Hausmeister, „im Fasching gab es jedes Wochenende einen Ball.“ Zum Großtauschtag der Philatelisten kamen Sammler aus ganz Österreich, die Klangspuren Tirol buchten den Saal als Location für ihr Festival.

7. April 2007 Der Standard

Farbtöne nach Noten

Eine Wohnungszusammenlegung aus sechs Substandard-Einheiten ist schon etwas Besonderes. Das Resultat ist es auch: ein an Farbtönen gespicktes Refugium für eine Musikerin.

Die Welt der Musik kennt keine Grenzen. Die Baufrau ist professionelle Musikerin, die vor vielen Jahren nach Wien zog. Um sich auch räumlich neue Horizonte zu erschließen, konsultierte sie die SHARE-architects: „Ich suchte eine Altbauwohnung mit großen, hohen Räumen und einem Stück Grün.“ Dort wollte sie in einem großen Musikraum mit offener Küche und Speisesaal nach allen Regeln der Kunst die Tradition der Hauskonzerte zelebrieren. Darüber hinaus brauchte sie einen separaten Privatwohnbereich und eine Bibliothek.

Die SHARE-architects fanden ein geeignetes Gründerzeit-Eckhaus mit abgewohnten Substandardwohnungen. Sorgfältig wählten sie sechs davon aus, um sie zu sanieren und mit neuen Innenstiegen und Durchbrüchen zu einem idealen Wohnumfeld über drei Geschoße auszubauen. Gleichsam als Haus im Haus wirkt der feinsinnig implantierte Elfenbeinturm von innen. Seine Basis liegt zu ebener Erde. Aus der Mittelmauer buchtet sich eine organisch gewölbte Mini-Sanitärzelle aus, ein raumhohes Bücherregal macht die Nachbartrennwand zur veritablen Privatbibliothek. Davor befindet sich der Arbeitsplatz der Baufrau. Sie werkt auf sonnengelb beschichtetem Kunstharzboden an zwei hellen Straßenfenstern. Man schmökert zur Hofseite: Eine zweiflügelige Glastür öffnet den Raum zur efeuumrankten Terrasse, vor der sich drei Bäumen auftun.

Eine gewendelte Innenstiege führt in den ersten Stock, dem offiziellen Tor zur Welt der Musik. Zwei Träger mit schalldämmenden Gipskartonplatten und eine Sondervorrichtung für den gewichtigen Kronleuchter machen den fünfzig Quadratmeter großen Raum zum Musiksalon. „An dieser Stelle haben wir ein besonders Regalelement mit integrierter Garderobe entwickelt, das sich bis in den Salon ausdehnt“, erläutern die Architekten ihr Konzept. „Es sollte räumlich etwas Besonderes sein und wie eine Wolke aus der Wand wachsen.“

Partitur fürs Wohnen

Realisiert wurde das Multifunktionsmöbel als „Waffel-regal“ aus zusammengesteckten, doppelt gekrümmten MDF-Platten in tiefem, satten New England Red. Die beschwingte Welle weist dem Eintretenden den Weg vom Eingang zum Salon. Dort wölbt es sich ein letztes Mal als schallschluckendes Regal aus der Wand.

Der Flügel steht auf Eichenparkett über schwimmendem Estrich, monochrom leuchten Wand und Regalwolke Ton in Ton und bilden so einen feierlichen Rahmen. Durch gläserne Durchbrüche sieht man ins Esszimmer mit seiner ovalen Tafel, fließend geht es von dort in die Küche über. Eine Mischung aus Taubengrau und Salbei dominiert die Wände. Romantischer Aspekt am Rande: Alle Farben sind Musterkarten aus dem 19. Jahrhundert nachempfunden.

Trotz kräftiger Farben bleibt es hell: „Die Farben verändern sich im Laufe des Tages“, sagt die Baufrau, „es ist großartig, wie viel Licht hereinkommt.“ Ihr Privatbereich befindet sich einen Stock höher an der straßenseitigen Raumflucht. Eines Tages wird sie dieses Geschoß als Einliegerwohnung mit Privatwohnraum und eigenem Sanitärbereich vermieten können. Wenn es so weit ist, kann der Stiegenaufgang mittels Abdeckplatte gekappt werden. Bis dahin erfreut sich die Baufrau eines durch und durch edlen Badezimmers.

Publikationen

2021

Architektur in Niederösterreich 2010–2020
Band 4

Der vierte Band der erfolgreichen Reihe Architektur in Nieder­österreich dokumentiert das Baugeschehen in diesem Bundes­land zwischen 2010 und 2020. Hundert mittels Text, Bild- und Planmaterial beschriebene Projekte legen Zeugnis ab von der Vielfalt und der Qualität ausgewählter Beispiele in sieben Ka­tegorien.
Hrsg: ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich
Autor: Isabella Marboe, Eva Guttmann, Franziska Leeb, Gabriele Kaiser, Christina Nägele
Verlag: Park Books

2012

Architektur in Linz 1900-2011

Der Architekturführer erzählt die Linzer Baugeschichte der letzten 110 Jahre. Über das Moment des Gebauten wird u.a. dem Linzer „Stadtgefühl“ nachgespürt, historische Typologien unterschieden oder die wechselvolle Geschichte der Stadt vermittelt. Neben den wesentlichsten 200 Bauwerken aller Typen beinhaltet
Hrsg: Andrea Bina, Lorenz Potocnik
Autor: Isabella Marboe, Theresia Hauenfels, Elke Krasny
Verlag: SpringerWienNewYork