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Häuser, die das Licht reinlassen
Der Standard

Heinz Emigholz' höchst sehenswerter Architekturfilm „Schindlers Häuser“

8. April 2008 - Dominik Kamalzadeh
Wien - Architektur nimmt im Kino meistens nur eine unterstützende Rolle ein, selten wird sie zum Subjekt des Films, das für sich allein betrachtet und erfahren werden kann. Der deutsche Filmemacher und Künstler Heinz Emigholz hat diesem Manko innerhalb seiner Serie Photografie und Jenseits ein eigensinniges Langzeitprojekt entgegengesetzt. Er nähert sich Architekten, die meist außerhalb des etablierten Kanons stehen, allein über ihre Bauwerke an - ein ehrgeiziger Versuch, filmisch Architektur zu beschreiben.

Architektur als Autobiografie nennt er dieses Konzept: In starren Einstellungen, die selten die Länge von fünf, sechs Sekunden überschreiten, werden einzelne Gebäude eines Architekten porträtiert und dann in der Reihenfolge ihrer Entstehung aneinander geschnitten. Mit Fortdauer des Films macht man sich so mit einem Stil vertraut, erkennt wiederkehrende Motive, entdeckt Variationen - ein Leben (und architektonisches Denken) wird als Folge von Bauwerken nachvollziehbar.

Nach den Banken des US-Architekten Louis Sullivan, den Brückenkonstruktionen des Schweizers Robert Maillart und den eigenwilligen Bauten des Amerikaners Bruce Goff hat Emigholz nun drei Architekten mit Österreichbezug ausgewählt, über die er mit der heimischen Produktionsfirma Amour Fou Filme realisiert. Den Anfang macht der 1887 in Wien geborene Rudolph M. Schindler, ein Schüler von Adolph Loos (dem der nächste, bereits fertig gestellte Film gilt) und Otto Wagner. Bereits 1914 ging Schindler in die USA, um in Chicago zunächst als Assistent von Frank Lloyd Wright zu arbeiten, dann zog er nach Los Angeles weiter.

Suchbild mit Billboard

Schindlers Bauwerken - und das ist nur einer der beträchtlichen Reize von Schindlers Häuser - muss man gewissermaßen auf die Spur kommen. Nicht von ungefähr stellt Emigholz eine Art Suchbild an den Anfang, eine typische Straßenkreuzung von L. A. mitsamt Billboard, und bemerkt mit sonorer Stimme aus dem Off, hier habe sich ein Schindler-Haus versteckt. Und fügt hinzu, es sei eigentlich ein Verbrechen, ein Gebäude aus seiner sozialen Wirklichkeit zu isolieren und auf einen Autor festzulegen.

Der Film spielt mit diesem Widerspruch. Emigholz wird schweigen, und die Häuser rücken ins Zentrum, ohne dass freilich ihre natürliche Umgebung ganz ausgeblendet würde. Das wäre im Falle Schindlers nämlich das noch viel größere Verbrechen: Seine ganze Architektur zielt auf die Durchdringung von außen und innen, auf ein Zusammenspiel, das insbesondere das kalifornische Licht für die raffinierte Beleuchtung von Innenräumen zu nutzen weiß. Schindler baute von den 20er-Jahren bis in die 50er-Jahre im Großraum L. A. vor allem Privathäuser, was seine Arbeit, die wenig auf repräsentative Zwecke aus war, mit der Zeit in Vergessenheit geraten ließ.

Emigholz' stets ein wenig geneigte Einstellungen nähern sich den oft an Hängen liegenden Häusern auf habituelle Weise an: Sie stilisieren nicht - manche Bauwerke sind ziemlich renovierungsbedürftig -, sondern sammeln Teilansichten mit dem dazugehörigen Sound des Ortes. In Summe vermitteln sie ein Raumgefühl, in dem die klare Formsprache Schindlers ebenso zutage tritt wie seine dynamischen Raumübergänge, die, etwa im berühmten Haus Kallis, auch die umgebende Natur elegant einbeziehen. Emigholz lässt den Betrachter an diesen gelungenen Symbiosen ein wenig teilhaben.

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