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Klein, aber Design
Der Standard

Eine Stadtwohnung mit 24 Quadratmetern? Das Wiener Architekturbüro Franz Sam und Irene Ott-Reinisch hat aus diesem beengten Umstand eine Garçonnière mit vielen Gadgets gezaubert.

12. Juli 2008 - Isabella Marboe
Die Baufrau lebt in Krems und nimmt regen Anteil am Wiener Kulturgeschehen. Um nach Theater- und Konzertabenden in ihren eigenen vier Wänden übernachten zu können, kaufte sie sich eine kleine Garçonnière mit Zimmer, Vorraum und WC. Der altrosa Wandanstrich mit den weiß gemodelten Blumen, Linoleum und Terrazzo stammten aus der Nachkriegszeit, die Haustechnik war nicht viel frischer. Auch die später eingebaute Duschtasse erhöhte die Aufenthaltsqualität nur marginal. De facto nutzte die Baufrau ihre Wiener Bleibe kaum.

„Eigentlich wollte ich Architektur studieren“, bekennt sie, „doch nun lebe ich mit lauter Familienfotos im Haus meiner Urgroßmutter. Wirklich puristisch wohnen, wie ich es eigentlich will, kann ich dort nicht.“ Den Wunsch nach der Reduktion auf das Wesentliche sollte ihr der Wohnungsumbau in Wien erfüllen. „Ich wollte eine Zweitwohnung, in der man bequem schlafen, tagsüber arbeiten und abends dann kochen und Gäste einladen kann.“

Die beiden Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch sind pragmatische Tüftler mit einem starken Hang zu multifunktionalen Lösungen. „Die Wohnung ist extrem durchdetailliert. Wir haben einen ganzen Lebensinhalt in diese 23,7 Quadratmeter hineinprojiziert“, sagt Sam, „das ging nur, weil sich fast alles bewegen und verändern lässt.“ An der linken Seitenwand des Vorraums klettert eine aufklappbare Schuhablage hoch, rechts liegt das Bad hinter einer Schiebewand aus Mattglas. Die Spüle wurde eigens per Computer in die Nirostaplatte eingeschweißt, diese wiederum passt genau vor den Installationsschacht. In die Nische dahinter ist das WC eingerückt. Alles ist bis zum letzten Millimeter durchgedacht.

Das beweisen allein schon die ausgeklügelten Türen in der Wohnung: Mit der Schiebetür des Kastens lässt sich zugleich die Küche wegschalten. Wenn die Glaswand der Duschzelle nachrückt, werden damit die Kleider verdeckt. Schiebt man sie in die andere Richtung, trennt sie den Vorraum ab. Bleiben die Schiebewände zu, ist der Wohnbereich zugänglich.

Die Wände wurden weiß beibehalten, fast alle Möbel sind aus hellem Ahorn. Auf dem Boden liegt Eichenparkett, die Küche ist in Grau, Schwarz und Edelstahl gehalten. Ein schmales Wandregal zieht sich bis ins Zimmer vor. Es ist so hoch, dass das rote Sofa und der Klapptisch auf Rollen darunter gerade noch Platz finden. Abends mutiert die Couch zum Doppelbett und der Tisch zum Nachtkästchen.

Viele Funktionen in einem

Die Rückseite des Regals wirkt wie eine Stele im Raum. „Das ist ein voluminöses, innen ausgehöhltes Objekt mit allen technischen Features für einen Computerarbeitsplatz“, verrät Sam. Auf der Metallablage unter der Tischplatte verlaufen sämtliche Kabel, ein Rollcontainer birgt Drucker, Laptop & Co.

Im Normalzustand rahmt der Tisch den Freiraum vor dem Fenster. Schiebt man ihn vor, wird er zur Tafel für sechs Personen, in der Business-Variante wiederum mutiert er zum Besprechungstisch. Die Freude über die Multifunktionalität war jedoch von kurzer Dauer: Ein paar Wochenenden hindurch genoss die Baufrau die Wohnung. Dann zog ihr Sohn ein. Er betreibt hier nun sein Büro.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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