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Wien spielt
Spectrum

Eine Stadtbahn-Überbauung, eine Gürtelspange und eine Holzbrücke: Die Stadt Wien begibt sich am Gürtel in eine Spektakelwelt, in der sie nicht wirklich zu Hause ist. Ein Projekt von Studierenden der Universität für angewandte Kunst versucht, andere Wege zu gehen.

20. März 2010 - Christian Kühn
Echte Großstädte brauchen keine Spektakel, sie sind selbst eines. Zumindest gab es Zeiten, in denen niemand auf die Idee gekommen wäre, durch „Installationen im öffentlichen Raum“ ein bisschen Leben in den grauen Stadtalltag zu bringen. Der 1927 entstandene Film „Berlin: Die Sinfonie der Großstadt“ feierte in einer Abfolge von schnell wechselnden Einstellungen den pulsierenden Rhythmus des Stadtlebens, die Menschenströme und die Technik, die dieses Leben erst ermöglicht. An die Stadt als Großereignis wird man derzeit auch gleich zu Beginn einer Ausstellung im Wiener Theatermuseum erinnert, die Gustav Mahler gewidmet ist: „Mahlers Wien“ heißt eine Montage aus Fotos und Filmsequenzen aus den Jahren, die der Komponist in Wien verbracht hat, und sie zeigt eine Stadt im Aufbruch, die sich ihre Vorstädte einverleibt, das Wiental überbaut und mit der Stadtbahn als größtem zusammenhängenden Bauwerk der Stadt eine völlig neue funktionale Geografie für die erwartete Bevölkerungszahl von über zwei Millionen Bewohnern schafft.

Die Zeiten haben sich geändert. Während es früher als Zeichen der Provinz galt, sich in Szene setzen zu müssen, hat das installierte Spektakel inzwischen sogar Metropolen wie New York erreicht. 2008 inszenierte Olafur Eliasson dort die „New York City Waterfalls“, nachts beleuchtete Wasserfälle, die an mehreren Stellen, unter anderem unter der Brooklyn Bridge, in den East River stürzten. Wie es sich für ein richtiges Spektakel gehört, verschlang es die Summe von 15,5 Millionen Dollar und war nach ein paar Monaten Erinnerung, allerdings eine nachhaltige.

Auch kleine Großstädte wie Wien können da nicht nachstehen, und so wurden diese Woche von Planungsstadtrat Rudi Schicker einige neue Überlegungen für den Wiener Gürtel präsentiert, die – so die Presseaussendung – „ab 2012 realisiert werden könnten“. Dass hier im anlaufenden Wiener Wahlkampf eine bestimmte Zielgruppe versorgt wird, so wie anderen Zielgruppen Ordnung und Hausmeister im Gemeindebau versprochen werden, gehört zum politischen Geschäft. Trotzdem sind die Projekte symptomatisch für den geänderten Umgang mit dem Stadtraum.

Die Rückeroberung des Gürtels für die Wiener Bevölkerung, die Mitte der 1990er-Jahre mit einer Zielgebietsförderung der EU einsetzte, geht nun in ihre nächste Phase. Begonnen hatte sie mit einer „parasitären“ Nutzung der Stadtbahn, in deren Bögen eineneue, lebendige Lokalszene entstand. Die Architektin Silja Tillner war für das Leitprojekt verantwortlich und entwickelte unter anderem eine standardisierte Lösung für die Verglasung der Bögen. Die nächsten Meilensteine waren die Wiener Hauptbücherei, die als Überbauung der Stadtbahntrasse im Bereich des Urban-Loritz-Platzes ein mächtiges Signal setzte, und die Überdachung dieses Platzes mit Membrandächern.

Nun soll spektakelmäßig aufgerüstet werden. Drei Projekte sind derzeit in Vorbereitung. Eine Fuß- und Radwegbrücke aus Brettschichtholz am Margaretengürtel von Knippers Helbig KHing GmbH, die Überbauung der Stadtbahntrasse hinter der Hauptbücherei mit einer Spiellandschaft von Vito Acconci mit Tillner/Willinger und sogenannte Gürtelspangen in den Bereichen Thaliastraße und Währinger Straße, für die unter anderem von der Architektengruppe Heri und Salli ein Entwurf für den Bereich vor der Volksoper vorliegt. Auffällig ist bei allen drei Projekten die dekorative Erscheinung. So wirkt etwa die Gürtelspange neben Otto Wagners Brückenbauwerk, als hätte sich deren florales Dekor auf einen LSD-Trip begeben, aus dem es leider kein Erwachen gibt. Vito Acconcis Stadtbahnüberbauung scheintauf den ersten Blick ähnlichen Ursprungs zu sein, könnte aber zu einem fantastischen Raumerlebnis werden, eine Skaterbahn, die in Stahlnetzen über der U-Bahn schwebt und sicher begeisterte Nutzer finden wird. Man merkt, dass Acconci aus der Konzeptkunst kommt und als Dichter begonnen hat. Seine Produkte widersetzen sich erfolgreich dem einfachen Konsum, selbst wenn sie formal oft am höheren Kitsch anstreifen.

Die Zeiten, in denen Stadtplanung dann am besten war, wenn sie unsichtbar blieb und einfach dafür sorgte, dass der Verkehr fließt, Einkaufsstraßen nicht veröden, die Mietpreise leistbar bleiben und soziale Spannungen so weit wie möglich vermieden werden, sind offenbar vorbei. Man merkt derim Grunde an dieser klassischen Auffassung von Planung orientierten Wiener Stadtpolitik an, dass sie in der Spektakelwelt – soweit sie nicht temporäre Ereignisse wie Donauinselfeste und Eisträume betrifft – nicht wirklich zu Hause ist. Zu konzept- und zusammenhanglos stehen die Projekte nebeneinander, und keines davon ist so zwingend, dass es auf Biegen und Brechen gegen die nächste Sparrunde verteidigt würde.

Vielleicht würde es helfen, sich von weniger spektakulären Formen der Stadtgestaltung inspirieren zu lassen. Studierende der Universität für angewandte Kunst stellen derzeit ihre Arbeiten über den „15. Bezirk als Spielplatz“ im NadaLokal in der Reindorfgasse 8 aus. Hintergrund der Projekte, die von der Professorin für Architekturtheorie an der Angewandten, Liane Lefaivre, und von Niels Jonkhans betreut wurden, ist Lefaivres Forschungsarbeit über die zumindest 720 Spielplätze, die der Architekt Aldo van Eyck – einer der bedeutendsten niederländische Architekt seiner Zeit – in Amsterdam seit den 1950er-Jahren geplant hat. Nachdem die ersten dieser Plätze auf leer stehenden Bauparzellen und Verkehrsinseln errichtet worden waren, begannen die Bewohner überall solche Plätze zu fordern, und die Stadtplanung beauftragte Van Eyck über Jahrzehnte mit diesen kleinen Installationen, die nie standardisiert, sondern immer wieder neu für die jeweilige Situation entworfen wurden. Lefaivre, die zum Thema auch mehrere Bücher veröffentlicht hat, charakterisiert diese Spielplätze als polyzentrisch, partizipatorisch und eingewoben in den jeweiligen lokalen Kontext. Vielleicht wäre ein Denken in diesen Kategorien eine Alternative zu den punktuellen Kraftanstrengungen, deren Resultate in einen ansonsten weitgehend unkultivierten urbanen Raum hineinwuchern.

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