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Der Kampf der grünen Materie
Der Standard

Letzten Samstag kamen Landschaftsarchitekten aus aller Welt nach Langenlois. Anlass war die Siegerehrung der „best private plots“.

2. Oktober 2010 - Wojciech Czaja
Von außen ist dem Haus seine grüne Schlucht nicht anzusehen. In japanischer Manier presst sich der schmale Bau in seine Umgebung aus Einfamilienhäusern und Beton. Keine zehn Meter breit, rücken ihm links und rechts bereits die Nachbarn auf die Pelle. „Die Aufgabe war nicht leicht“, sagt der japanische Landschaftsarchitekt Zenjiro Hashimoto. „Mein Kunde wollte unbedingt einen dichten, dunklen und moosbewachsenen Wald, in den er sich zur Erholung zurückziehen kann.“

Den hat er auch gekriegt. In der Mittagspause, wenn der Zahnarzt seine Praxis für ein kurzes Stündchen schließt, setzt er sich hinaus in den Wald und denkt nach über den Sinn des Lebens. Auf einer Breite von exakt 150 Zentimetern beinhaltet der künstlich angelegte mori nicht nur zahlreiche Gräser, Sträucher und Bäume, sondern auch einen kleinen Bach, in dem sich der Zahnarzt sogar ein Fischlein hält.

Letzten Samstag wurde Hashimoto aus der Präfektur Hiroshima nach Österreich eingeflogen und nahm in Langenlois beim internationalen Gartenwettbewerbs best private plots 2010 für seinen ungewöhnlichen Entwurf den 1. Preis entgegen.

„Privater Freiraum ist nicht nur ein unschätzbarer Luxusartikel, sondern auch Ausdruck von Kultur“, sagt die Wiener Landschaftsarchitektin Karin Standler. Bereits zum vierten Mal trommelte die Organisatorin heuer Freiraumplaner und Landschaftsarchitektinnen aus aller Welt zusammen und lud zum Wettbewerb mitsamt prominent besetzten Symposium - darunter etwa Neil Porter (London), Xavier Perrot (Paris) und Bart Brands vom holländischen Landschaftsplanungsbüro karres en brands (siehe Interview).

Gesponsert wird die Veranstaltung vom Land Niederösterreich. „Gerade in Österreich ist der Anteil an Privatgärten sehr hoch“, meint Standler. Da sei es nur gut und recht, wenn man sich an der Welt ein Beispiel nehme und auf hohem Niveau über Qualität und Nichtqualität diskutiere.

Die Kunst der Sachzwänge

Während der erste Preis unter insgesamt 72 Einreichungen an ein minimales Projekt mit maximalen Flächenzwängen ging, rangieren auf den Plätzen zwei und drei zwei herrschaftliche Anwesen in der Westschweiz und in Sonoma Valley, USA.

Ausgangspunkt in Le Very war ein altes Gehöft aus dem 19. Jahrhundert. „Einerseits wollten wir das historische Erscheinungsbild des Gebäudes bewahren, andererseits geht es um moderne Wohnbedürfnisse ohne Kompromiss“, sagt der Schweizer Landschaftsarchitekt Augusto Caldoner. „Das zeigt sich allein schon an der Frage: Wie schaffe ich einen Weg zum Haus, ohne dabei das Gebäude in seiner Eigenständigkeit zu stören? Ich denke, wir haben das Problem gut gelöst.“

Auch die dritte Preisträgerin, Andrea Chochran, musste mit den Zwängen vor Ort arbeiten. Den bestehenden Bauwerken setzte die Kalifornierin mediterrane Gräser entgegen: „Im Winter, wenn das Gras niedrig ist, sind die Häuser mächtig und groß. Im Sommer hingegen, wenn es alles blüht und gedeiht, verschwindet die Architektur hinter einem Schleier aus Grün.“ Das spannende Spiel zwischen toter und lebendiger Materie ist eröffnet.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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