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In der Höhle des Holzes
Der Standard

Holzbau? Kiste! Die alten Klischees sind nicht umzubringen. Ganz zu Unrecht, wie einige innovative Projekte und neue Bücher beweisen.

19. Februar 2011 - Wojciech Czaja
„Ich bin hier schon dutzende Male ein- und ausgegangen, doch das Beste ist für mich immer noch der Geruch“, sagt Mark Goulthorpe. „Man kommt hinein, holt tief Luft und fühlt sich in der Sekunde geborgen und daheim - ganz so, als würde man sich in einen weichen, gefütterten Lederhandschuh reinsetzen.“ Goulthorpe ist Architekt und Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, Boston, streicht mit der Hand über die Oberfläche: „Einfach perfekt. Das ist die Zukunft von Holz.“

Das Büro, das er vor kurzem für das US-amerikanische Unternehmen C Change Investments LLC fertiggestellt hat, ist eine futuristische Schatulle aus nachwachsenden Rohstoffen. Von außen sieht man dem heruntergewirtschafteten Büroklotz aus den Achtzigerjahren nichts an. Doch oben im Penthouse im 14. Stock schmiegt sich eine amorph geschwungene Holzhöhle an die kalten, kantigen Wände aus Beton.

„Die meisten Kunden, die hier reinkommen, glauben sofort, dass der Ausbau unglaublich teuer gewesen sein muss“, meint der Architekt, schüttelt verständnislos den Kopf, hebt die Augenbrauen. „Aber nein! Das ist ganz normales, handelsübliches Sperrholz aus dem Baumarkt. Wir haben es nur anders eingesetzt, als man es sonst kennt.“

Anstatt den Büroausbau millimetergenau zu planen, entwickelte Goulthorpe in Zusammenarbeit mit MIT-Kollegen einen Algorithmus, der die Form nach strengen mathematischen Vorgaben von allein generiert. „Wir haben lediglich vorgegeben, wo wir bestimmte Funktionen benötigen, wo ein Durchgang sein muss und wo wir Arbeitsplätze ansiedeln wollen. Den Rest macht das Programm.“

Anhand einer eigenen Software wurden die einzelnen Kurvenelemente daraufhin so angeordnet, dass der Verschnitt der rohen Sperrholzplatten auf ein Minimum reduziert wird. Goulthorpe: „Wenn Sie ein Einfamilienhaus bauen, so wie es in den USA zu Tausenden anzutreffen ist, dann haben Sie einen Verschnitt von rund 15 Prozent. Die Schnittreste werden einfach weggeschmissen. Ich finde das unverantwortlich.“

Beim hölzernen C-Change-Büro machte der Verschnitt circa 20 Prozent aus, was vor allem auf die gebogenen Formen zurückzuführen sei, so Goulthorpe. Doch dafür habe man sogar die Türgriffe aus Holz gefräst. Der restliche Müll wurde eingepackt und ans Sägewerk zurückgeschickt, wo es zum Antrieb der Maschinen verheizt wurde. „Auf diese Weise ist der Kreislauf wieder geschlossen“, erklärt der Architekt. „Das Projekt ist konsequent bis zum Schluss.“

Neue Technologien

Das Büro von C Change Investments LLC in Cambridge, Boston, ist nur ein Beispiel von vielen. Architekten und Ingenieure aus aller Welt setzen sich immer mehr mit dem Zellulosebaustoff auseinander und treiben die Technologien im Holzbau weiter voran.

Mehr noch als im Innenausbau sind die größten Neuerungen im Rohbau zu verzeichnen. Holzkonstruktionen mit 20 Stockwerken sind heute bereits denkbar - und das sogar unter Einhaltung sämtlicher Sicherheitsbestimmungen. In Berlin wurde vor drei Jahren ein achtstöckiges Holzwohnhaus errichtet. Und auf dem Pyramidenkogel in Kärnten soll ein Aussichtsturm mit 100 Metern Höhe entstehen - komplett aus Holz.

„Die Möglichkeiten im Holzbau sind heutzutage enorm“, sagt Kurt Zweifel von proHolz Austria. „Im Industriebau und bei Einfamilienhäusern ist Österreich schon recht umtriebig, nur im mehrgeschoßigen Wohnbau gibt es noch Handlungsbedarf. Während Deutschland und die Schweiz in den Städten bereits in Holz bauen, ist das Material in den österreichischen Ballungsräumen noch recht selten anzutreffen. Die Behörden zieren sich.“

Zweifel: „Innovative Projekte in Holz sind wichtige Zugpferde fürs ökologische Bauen, denn die Potenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft.“ Ein Argument, das oft zu hören ist: Ja, wenn alle so bauen, dann gebe es ja bald keine Wälder mehr. Kurt Zweifel und Mark Goulthorpe unisono: „Diese Sorge ist unnötig. Der Baumnachwuchs ist weltweit um ein Vielfaches größer als die Entnahme.“

Laut Institut für Waldinventur betrug der Waldbestand in Österreich im Jahr 2009 rund 47,4 Prozent. 2002 waren es noch 46,6 Prozent. Anders ausgedrückt: In nur einer Sekunde wächst zwischen Bodensee und pannonischer Tiefebene ein Kubikmeter Holz nach. An einem Tag wäre das genügend Material, um mehr als 2000 Einfamilienhäuser zu bauen.

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