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Rezepte gegen den Jetset
Der Standard

100 Jahre John Lautner: Die Glamour-Gebäude des kalifornischen Architekten kennt man aus „007“ und „The Big Lebowski“. Die Grundidee war eine ganz andere.

16. Juli 2011 - Wojciech Czaja
Sommerlicher Anzug, rosa Krawatte, das Sakko locker über die Schulter geworfen. Zögerlich nähert sich James Bond dem futuristischen Gebäude in Palm Springs, schreitet durch eine Metalltür, dann durch ein Patio, dann durch eine Glastür, und steht plötzlich in einem kreisrunden, betonierten Wohnzimmer mit einem Durchmesser von fast 20 Metern. Die Aussicht auf die Mojave-Wüste ist dramatisch.

Den Rest kennt man: In einem roten Fauteuil am Fenster sitzt die hübsche Bambi, auf einem Felsplateau in der Zimmermitte liegt die exotische Klopfer. Nach einer kurzen Begrüßung wird 007 von den beiden durchtrainierten Amazonen durch den ganzen Raum gejagt, windelweich geprügelt und schließlich mit großem Schwung in den Pool katapultiert. Und dann Schießerei.

Schauplatz dieser unbequemen Szene aus dem James-Bond-Film Diamantenfieber (1971) ist das Elrod House in Palm Springs, errichtet 1968 für den Interior Designer Arthur Elrod. Der Entwurf stammt von niemand Geringerem als John Lautner (1911-1994). Am heutigen Samstag wäre der kalifornische Architekt 100 geworden.

„Das ist kein aufgeklebtes Gebilde auf einem Felsen, das ist ein Haus, das aus einer Skizze mit ein paar sehr einfachen Ideen heraus entstanden ist“, schreibt Lautner in seiner 1994 erschienenen Autobiografie John Lautner, Architect. „Elrod wünschte sich etwas Außergewöhnliches. Und ich kann mich noch genau erinnern. Nachdem er mir seine Liegenschaft gezeigt hatte, sagte er zu mir: Geben Sie mir genau das, wovon Sie glauben, dass ich es auf diesem Grundstück haben sollte.“

Das Ergebnis ist ein Ensemble aus unterschiedlichen Betongebilden, die spektakulär aus der felsigen Hangsilhouette ragen. Über dem Wohnraum schwebt, scheinbar schwerelos, ein zeltförmiges Dach mit aufgeschlitzten Oberlichten. Über eine Schiene in der Decke lässt sich die gewölbte Glasfassade vollständig zur Seite schieben. In der Raummitte liegt ein riesiger Teppich, vorne am Fenster gibt es ein organisch geformtes Schwimmbecken, daneben wächst unvermittelt ein Felsen aus dem Boden. Ein Zeuge der Natur.

Wohnbereich und Landschaft fließen in Lautners Projekten nahtlos ineinander über. „Mein Wunsch ist, die Umgebung mitzugestalten und einen Ort der Sehnsucht zu kreieren“, meint der Architekt. „Das Wesentliche ist der Innenraum, denn schließlich wird Architektur von den Menschen genutzt. Der Grundgedanke ist, das Leben zu verbessern, indem man Wahrheit und Schönheit schafft. Und grenzenlosen Raum.“

Ein Haus für 13 Millionen Dollar

Arthur Elrod war von seinem Haus begeistert. Der Nachbesitzer Leonard Malin meinte stolz: „Bei John Lautner ist kein Haus wie das andere. Jedes Haus ist einzigartig.“ Und Sean Connery erklärte nach den Dreharbeiten zu Diamantenfieber: „Neben der Lage ist für mich das Beeindruckendste der Swimmingpool, der wie eine Terrasse aussieht. Er beginnt im Wohnzimmer, setzt sich draußen fort und führt zu einem Wasserfall. Es ist unglaublich.“ Seit Juni ist das geschichtsträchtige Anwesen wieder am Markt. Der Verkaufspreis liegt bei 13 Millionen US-Dollar.

Am Dienstag lud das Museum für Angewandte Kunst (MAK) im Rahmen der MAK-Nite zu einer Geburtstagsfeier zu Ehren John Lautners. Gefeiert wurde im Freien mit Leinwand und Projektor. Gezeigt wurden drei Filme, in denen Lautners Bauten eine zentrale Rolle spielen. Selbstverständlich wähnte man sich in dieser lauen Sommernacht auch im Diamantenfieber.

Futuristische Oberfläche

„John Lautners Architekturverständnis wird von den Medien ziemlich stark verzerrt“, erklärt Marlies Wirth, Kuratorin der MAK-Nite und Expertin für US-amerikanische Architektur im 20. Jahrhundert. „In den Bösewicht-Filmen aus Hollywood und in den meisten Lifestyle-Magazinen wird John Lautners Architektur immer als Glitzer und Glamour dargestellt. Doch da tut man dem Architekten Unrecht.“

Hinter der meist futuristischen Oberfläche verbirgt sich ein cleveres und effizientes Konzept. Lautners Ziel war es, mit wenigen Mitteln - finanziellen wie auch technischen - ein Maximum an Nutzen herauszuholen. Vor allem seine früheren Projekte bestechen durch unorthodoxe Bauweisen und durch äußerst niedrige Baukosten.

Bestes Beispiel dafür ist das Malin House aus dem Jahr 1961, wegen seiner Form auch „Chemosphere“ genannt. Leonard Malin, ein junger Weltraum-Ingenieur, verfügte einerseits über wenig Budget, andererseits über ein Hanggrundstück im San Fernando Valley, das aufgrund seiner steilen Neigung von 45 Grad als schlichtweg unbebaubar galt.

Wochenlang saß Lautner auf der Baustelle und schaute hinunter auf Los Angeles. In der Nacht sah man nur das Glimmen der Zigarette. Schließlich lieferte er die Lösung zum Problem: Anstatt das Grundstück aufwändig abzustützen, betonierte er ein einziges Fundament und errichtete darüber eine rund zehn Meter hohe Stahlbetonsäule. Der Rest ist Leichtbauweise in Holz und Stahl. Die Oberkonstruktion besteht aus Holzleimbindern, gestützt wird das 200 Quadratmeter große Ding von handelsüblichen Stahlträgern.

Seilbahn nach Hause

Das Heimkommen war jedes Mal ein Abenteuer. Elrod parkte das Auto unten auf der Straße, betrat den Garten und stieg in eine Open-Air-Standseilbahn mit einer hübsch austapezierten Ledersitzbank, die ihn in ein paar Sekunden nach oben brachte. Trotz dieser Playboy-Allüren kostete das Chemosphere House damals weniger als jedes vergleichbare Wohnobjekt in dieser Lage. Einen Teil der Baumaterialien sponserte die Industrie, womit die Baukosten auf 15.000 US-Dollar sanken. Im Gegenzug durfte sie die Immobilie vor Einzug Elrods einige Monate für Werbezwecke nutzen. Alles sehr durchdacht.

Es sind nicht die vielen Hollywood-Filme, nicht James Bond, nicht The Big Lebowski, nicht Drei Engel für Charlie, nicht Bandits und nicht Lethal Weapon, die John Lautners Architektur so einzigartig machen. Es ist das unverwüstliche Lebensmotto dahinter. „Ich will einfach nur, dass sich die Menschen in ihrer Wohnumgebung wohlfühlen“, sagte John Lautner in einem Interview wenige Jahre vor seinem Tod. „Vor allem in dieser so widerlichen Stadt, dass es mich körperlich krank macht.“

Birthday Events: Kommenden Samstag, den 23. Juli, veranstaltet die John Lautner Foundation eine Tour zu vier Privatobjekten in Los Angeles: Sheats-Goldstein House (1963), Harpel House (1965), Jacobson House (1974) und Schwimmer Residence (1982). Am Sonntag, den 24. Juli, gibt es einen Galaempfang im Harpel House.

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