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Vom Supermarkt zum Supergrünmarkt
Der Standard

Die großen Ketten entdecken den ökologischen Lebensmittelmarkt als grüne Marketingchance. Erst kürzlich wurden in Österreich zwei besonders energieeffiziente Filialen eröffnet.

17. Dezember 2011 - Wojciech Czaja
Die Ergebnisse der Klimaschutz-Konferenz in Durban sind enttäuschend. Im Schatten des zahnlosen Klimagipfels und der jahrelang unerfüllten Kioto-Ziele entstehen die wahren Pilotprojekte derzeit in der Wirtschaft, ausgerechnet im Bereich von Shopping und Gewerbe. In den letzten Tagen wurden in Österreich gleich zwei ökologische Muster-Supermärkte eröffnet: einer in Perchtoldsdorf (Billa) und einer in Graz (Spar).

Auf der ehemaligen Zirkuswiese, wenige Meter vom Kreisverkehr entfernt, errichtete die Rewe Group einen „Öko-Billa“, die ressourcenschonendste Filiale Österreichs. Nach nur viereinhalb Monaten Bauzeit konnte der Lebensmittelmarkt, der sowohl nach den Richtlinien von ÖGNI als auch nach jenen von ÖGNB zertifiziert wurde, vergangenen Dienstag eingeweiht werden.

„Die Anforderungen waren mehr als streng“, erinnert sich Architekt Andreas Hawlik vom Wiener Büro Huss Hawlik. „Erstens mussten wir schnell bauen, und zweitens lag unser Fokus auf dem Einsatz ökologischer Materialien und Bauweisen.“ Während der Hochbau nahezu ausschließlich aus Holz sowie aus verschiedenen Holzwerkstoffen besteht, wurden das Fundament und der Parkplatz aus sogenanntem Ökobeton gefertigt. Das heißt: Statt herkömmlichen Zements, der aufgrund seines Brennvorgangs sehr energieintensiv ist, kam ausschließlich chemischer, ungebrannter Zement zum Einsatz. Hawlik: „Der Öko-Beton ist zwar teurer als normaler Beton, aber der ökologische Fußabdruck ist deutlich geringer.“

Neben ein paar weiteren baulichen Details wie etwa außen liegender Verschattung, hocheffizienter Wärmedämmung und einer 150 Quadratmeter großen Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach ist der grüne Supermarkt mit einer tageslichtabhängigen LED-Beleuchtung und einer Betonkernaktivierung ausgestattet. Dank einem Wetterprognosesystem - die Anlage wird mit Daten des Wetterdienstes gespeist - kann die ansonsten träge Heizung frühzeitig auf Wetterumschwünge reagieren. Unterm Strich sinkt der Energieverbrauch in diesem als TQB (Total Quality Building) ausgezeichneten Haus auf unter 50 Prozent.

Gekühlt wird hinter Glas

„Wie man sich vorstellen kann, benötigt ein Supermarkt für Beleuchtung, Lüftung und Kühlung - und hier vor allem für die Kühlung von leicht verderblichen Produkten - sehr viel Strom“, erklärt Peter Breuss, technischer Direktor von Rewe International. „Wir haben erstmals nicht nur bei den Tiefkühltruhen, sondern auch bei Fleisch, Wurstwaren und Convenience-Produkten Kühlmöbel mit Glastüren verwendet.“ Durch die thermische Schließung des Kühlapparates könne man gegenüber offenen Regalen mehr als zehn Prozent an Kühlenergie einsparen. Umgelegt auf den gesamten Stromverbrauch des Lebensmittelmarktes mache das etwa zwei Prozent aus.

Einziger Wermutstropfen: Evaluierungen der letzten Jahre hätten ergeben, dass bei Kühlmöbeln mit Glastüren der Umsatz sinkt, weil die Kunden weniger oft und weniger spontan ins Regal greifen. Aus diesem Grund stehen die Milch- und Molkereiprodukte - im Fachjargon kurz „MoPro“ genannt - nach wie vor in offenen Stellagen. Breuss: „Wir wären wir schon längst in der Lage, alle Möbel mit Türen zu versehen. Aber ich denke, dass man die Kundschaft nicht zu plötzlich, sondern nur nach und nach an die neue Technologie gewöhnen sollte.“

Beim Konkurrenten Spar ist man etwas offensiver. Im neuesten „Klimaschutz-Supermarkt“ in Graz, der am 6. Dezember eröffnet wurde, sind sogar Milch und Käse hinter Glas verstaut. „Ja, im Bereich MoPro verzeichnen wir derzeit Umsatz-Einbußen“, bestätigt Nicole Berkmann, Pressesprecherin Spar auf Anfrage des STANDARD. „Aber irgendwann muss man damit anfangen. Sobald sich die Kunden daran gewöhnt haben, wird sich das Kaufverhalten wieder normalisieren.“

Dank sensorgesteuerter LED-Beleuchtung, geschlossener Kühlmöbel und Eigenverschattung der Gebäudekubatur kann der Energieverbrauch um rund 60 Prozent gesenkt werden. Im Vorfeld wurde das Projekt mit ÖGNI Gold ausgezeichnet. Die Evaluierung steht noch aus.

Supermarkt mit Kraftwerk

Doch schon bald soll der Spar mehr Strom produzieren, als er verbraucht, und sich auf diese Weise selbst versorgen können. In Kooperation mit Energie Steiermark wird im angrenzenden Bach eine kleine Wasserkraftturbine errichtet. Im Frühjahr soll das Mini-Kraftwerk in Betrieb gehen.

Über die Baukosten des Spar schweigt man sich aus. Bei Billa hingegen werden die Gesamtinvestitionskosten auf 2,6 Millionen Euro beziffert. Allein 400.000 Euro davon entfallen auf die ökologische Mehrausstattung. „Noch ist die Errichtung eines solchen Supermarktes sehr teuer“, meint Volker Hornsteiner, Vorstandssprecher der Billa AG. „Aber wir sehen das mehr als Trendsetter und Musterbeispiel für die Entwicklung der nächsten Jahre. Ich bin davon überzeugt, dass auf diesem Gebiet noch viel geschehen wird.“

Nicht alle verkaufen ihre grünen Ideen. Die Hofer KG, der dritte Supermarkt-Riese in Österreich, war für einen Stellungsnahme nicht zu gewinnen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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