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Mit leichtem Schwindel
Spectrum

Er wird wohl noch jahrelang die Gerichte beschäftigen, der Terminal 3 am Wiener Flughafen, vormals Skylink. Architektonisch ist er ein neuer Typus von Terminal, in dem man sich erst zurechtfinden muss.

18. August 2012 - Christian Kühn
Zum Trost gibt es Berlin: Offensichtlich war der Wiener Flughafen nicht der einzige, der sich bei der Errichtung eines Gebäudes überhoben hat. Der weitgehend neu errichtete Flughafen Berlin-Brandenburg in Schönefeld, der heuer im Mai mit einer Verzögerung von bereits zwei Jahren hätte in Betrieb gehen sollen, konnte seine Brandschutztechnik nicht in den Griff bekommen. Die Eröffnung wurde auf 2013 verschoben, die Kosten sind von 2,5 Milliarden Euro auf 4,2 Milliarden Euro gestiegen, für das Terminalgebäude allein von 630 Millionen auf voraussichtlich eine Milliarde. Das aktuelle Passagieraufkommen der beiden Flughäfen ist durchaus vergleichbar: 21 Millionen in Wien und 25 Millionen in Berlin, sobald dort die drei bisherigen Standorte in Schönefeld zusammengefasst sind.

Muss man den Skylink – der inzwischen vom Flughafen nur noch Terminal 3 genannt wird – vielleicht am Ende gar als kostengünstiges Projekt bezeichnen? Wohl kaum. Er wird noch jahrelang ein Fall für die Gerichte bleiben. Allein die Summe der Planungshonorare betrug überproportionale 120 Millionen Euro, von denen rund 40 in die Haustechnik und 20 in die Architekturplanung geflossen sind. Der Rest von 60 Millionen ging an rund 160 Sonderplaner, Konsulenten und Projektsteuerer, die der Reihe nach von den wechselnden Vorständen gerufen wurden, um das stockende Projekt wieder flottzumachen. Zum verlorenen Aufwand gehört auch der Schadenersatz, den Architekt Sepp Frank, der beim Wettbewerb im Jahr 1999 einen der beiden ersten Preise erhalten hatte, wegen Verletzung von Nutzungsrechten seiner Pläne vom Obersten Gerichtshof im Jahr 2011 zugesprochen bekam, immerhin in der Höhe von 20 Prozent des Vorentwurfshonorars. Im Lauf der Zeit hatte sich das Projekt in mehreren Punkten, unter anderem der Lage des Piers, seinem Konzept aus dem Jahr 1999 angenähert.

Wie der Mix aus Fehlplanung, Misswirtschaft, Korruption und Parteienfinanzierung bei diesem Projekt tatsächlich ausgesehen hat, wird sich wohl erst klären lassen, wenn ein Insider sein Wissen preisgibt. Die schwierige Projektgeschichte hatte aber auch Ursachen, die außerhalb des Einflussbereichs des Flughafens lagen. Vor allem 9/11 führte zu drastischen Veränderungen des Projekts, da man einerseits mit einer Stagnation der Passagierzahlen rechnete, andererseits neue Sicherheitsstandards einführen musste. Genau in solchen Situationen zeigt sich die Qualität des Projektmanagements. Im Unterschied zum Flughafen Berlin, wo das nun geschasste Büro Gerkan, Marg und Partner auch Generalplaner war, blieb das Projektmanagement in Wien aber immer in der Hand des Flughafens selbst, der sich nach Vorstands- und nachfolgenden Konsulentenwechseln immer mehr in eine Sackgasse manövrierte. Erst mit der Bestellung von Norbert Steiner, dem ehemaligen Projektleiter des Regierungsviertels in St. Pölten und der ÖBB-Bahnhofsoffensive, gelang 2009 ein Neustart, bei dem alle Verträge gekündigt und neu verhandelt wurden. Es ist Steiners Verdienst, dass die Kostensteigerung gestoppt, das Projekt mit einem realistischen Terminplan fertiggestellt und ohne Pannen in Betrieb genommen werden konnte.

Und das Ergebnis? Ein Terminal ist in erster Linie eine Verteilungsmaschine, in der Menschen und Gepäckstücke möglichst flüssig und stressfrei an ihr Ziel gelangen sollen. Zugleich ist er eine ästhetische Visitenkarte für die Stadt und ein Maßstab für deren Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen. Als ästhetische Visitenkarte ist der neue Terminal jedenfalls der maximale Kontrast zum bisherigen, dessen konturloses Innenleben wirkte wie das Badezimmer eines Lottogewinners mit einem Faible für Naturstein und Bronze. Die Architekten des neuen Terminals, Baumschlager-Eberle in Partnerschaft mit Itten/Brechbühl, haben für den Skylink dagegen einen neuen Typus entwickelt, der mit seinen beiden konzentrisch geführten Hallen, einer viergeschoßigen für die Ankunft und einer dreigeschoßigen für den Check-In, jedenfalls Eindruck macht. Die Ankunftshalle – durch die freilich auch ein guter Teil der abfliegenden Passagiere muss, nämlich alle, die mit Bus oder Bahn anreisen sowie die meisten Parkhausbenutzer – ist introvertiert und schluchtartig, ein Raum, der aufgrund seiner Krümmung einen leichten Schwindel erzeugt. Einem stressfreien Reiseantritt ist das nicht förderlich, vor allem, wenn man unter Zeitdruck die versteckt liegenden Rolltreppen und Lifte nach oben zum Check-In sucht.

Die Abflughalle und der „Pier“ – das 450 Meter lange Steggebäude mit den einzelnen Abflug–Gates – bieten dagegen durchgängig einen Blick nach außen und folgen einer klaren Logik. Der Pier ist mit seinen drei Ebenen das eigentliche logistische Wunderwerk des Flughafens. Begriffe wie „Passagiergefäß“ und „Vereinzelungsanlage“ deuten schon an, dass Menschen in dieser von 2000 Kameras überwachten Welt betrachtet werden wie Wassermoleküle in einem Leitungssystem. Vor allem bei der Ankunft wirken die Gänge und Rolltreppen in diesem System beengend, ein Seiteneffekt der optimierten Logistik, die alle Wege trennt, während sich in anderen Flughäfen oft mehrere Bewegungsströme einen Weg teilen müssen,der dann subjektiv großzügiger wirkt.

Eine Fehlentscheidung wird der Akzeptanz des neuen Terminals aber dauerhaft zu schaffen machen: der schwarze Boden aus Kautschuk. Von den Architekten war ein weißer, leicht gesprenkelter Kunststeinboden vorgesehen, der intensiv auf Belastbarkeit und Verschmutzung getestet wurde. Wie im Rechnungshofbericht zum Skylink nachzulesen ist, entschied der Vorstand auf Empfehlung eines Konsulenten – nach 18 Monatedauernder Diskussion –, den Boden stattdessen aus Kautschuk auszuführen. Die minimalgeringeren Materialkosten wurden durch die nötige Verstärkung der Unterkonstruktion des Doppelbodens aufgewogen. Ästhetisch ist die Entscheidung ein Desaster. Selbst die bequemen, von Gregor Eichinger entworfenen „Soft-Tables“, die ähnlich wie die Enzis im Museumsquartier zum bequemen Sitzen einladen, können den schwarzen Sumpf nicht wohnlicher machen.

Ein Seiteneffekt der minimalistischen Ästhetik lässt sich dagegen vielleicht noch korrigieren. Die Architekten haben die Plakatwerbung, die in vielen Flughäfen visuell dominant ist, auf wenige Flächen konzentriert. Dort wirkt sie freilich jetzt noch dominanter: Im Vorfeld des Terminals gelingt es drei beleuchteten Werbequadern, der Fassade den Rang abzulaufen, und in der Eingangshalle lassen schmale, aber vor dem neutralen Hintergrund umso auffälligere Fahnen vermuten, man sei nicht in Österreich, sondern bei SPAR angekommen. Wennnach der Schlussrechnung für den Skylink noch etwas Geld übrig bleibt, sollte der Flughafen als Visitenkarte Wiens auf diese Zusatzeinnahmen verzichten können.

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