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Sagen Sie niemals Kleingartenhaus zu ihm
Der Standard

Ein Haus mit nur 50 Quadratmetern? Die Villa Rabenschwarz der Wiener Architekten Schuberth und Schuberth beweist, dass man mit Witz und Synergieeffekten Räume größer machen kann.

1. November 2013 - Wojciech Czaja
Das Grundstück am Rande des Wienerwalds war schon da, das Bauwerk ebenso, doch mit dem schrulligen, nur fünf Quadratmeter großen Knusperhäuschen war nicht viel anzufangen. Also beschloss Matthias Fellner, seines Zeichens Grafiker und berufsbedingter Formen- und Farbenästhet, die Architekten Schuberth und Schuberth zu einem Entwurf für einen Neubau einzuladen. Und die Bauaufgabe war alles andere als leicht, galt es doch, ein Kleingartenhaus mit 50 Quadratmetern Nutzfläche zu planen, das neben dem üblichen Raumrepertoire ein großes Bad, zwei getrennte Schlafzimmer für Vater und Tochter sowie einen eigenen Arbeitsbereich beinhalten sollte.

„Projekte wie diese, bei denen man so viele Funktionen unterbringen und so viele Einschränkungen beachten muss, sind unsere Leidenschaft“, sagt Johanna Schuberth. Gemeinsam mit ihrem Bruder Gregor hat sich die Architektin unter anderem auf verzwickte Bauaufgaben wie Kleingartenhaus und Würstelstand spezialisiert. „Der Fluch und Segen so kleiner Bauaufgaben ist, dass man das Projekt immer bis zum letzten Millimeter durchplanen muss. Die Planung reicht bis zum letzten Möbelstück.“

Im Falle der kleinen Villa Rabenschwarz - denn so heißt das Kleingartenhaus mit seiner abgefackelten, verkohlten Holzfassade, das im Kleingartenverein Michaelawiese in Neuwaldegg errichtet wurde - heißt das, dass jeder Filzvorhang, jede eigens angefertigte Schiebetür und jede einzelne keramische Glühbirnenfassung, die an bunten Stoffkabeln von der nur 2,20 Meter hohen Decke baumelt, Strich für Strich im CAD geplant werden musste. Prinzip Zufall? „Niemals. Nicht bei dieser Projektgröße.“

Zum Beispiel: Der Esstisch ist nicht auf der üblichen Tischhöhe von 72 Zentimetern, sondern wurde auf 90 Zentimeter angehoben, sodass er bei Bedarf als Küchenarbeitsfläche verwendet werden kann. Barhocker und eine umlaufende Hochbank mit Fußreling sorgen dafür, dass nicht nur das Gemüseschnipseln ergonomisch schmackhaft ist, sondern auch das Dinieren. Filzvorhänge vor den Schränken vermeiden, dass man in der kleinen Villa gegen geöffnete Schranktüren rennt. Und in den beiden Schlafzimmern im Obergeschoß, die mehr einer Art Schlafkoje in Bettgröße gleichen (siehe Foto), wurde der Raum unter dem Bett als Schrankersatz genutzt.

Das wohl schönste Innenraumdetail des mutwilligen Brandopfers ist jedoch das Badezimmer, das je nach Öffnungszustand der Türen mal Minibad mit Handwaschbecken und Dusche und mal Großraumbad mit zugeschaltetem WC ist. Durch das Auf- und Zuklappen und Hin- und Herschieben der Türen kann man dem Wohnzimmer mal einen rundum laufenden Gang dazuschenken und mal ein Körperpflege-Eckerl abzwacken.

„Nachdem man in unserer kleinen Villa im Kreis umherlaufen kann“, sagt ein glücklicher Matthias Fellner, der die unbehandelten Holzwände bereits mit zu Strichgrafiken arrangierten farbigen Stoffbändern beklebt hat, „steigen uns meine Tochter und ich niemals auf die Füße. Kaum zu glauben, aber wir wohnen so richtig großzügig und luftig.“

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