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Brutalismus im Mühlviertel
Oberösterreichische Nachrichten

Die nun abgeschlossene Revitalisierung des Ortskerns von Sarleinsbach polarisiert

16. Februar 2013 - Lorenz Potocnik
„Einfach guat“, verkündet im neuen Werbeclip der Gemeinde Sarleinsbach eine verdutzte, aber offensichtlich tief verwurzelte ältere Einwohnerin auf die Frage, wie das Leben hier so sei.

Sarleinsbach mit seinen knapp mehr als 2000 Einwohnern ist unter anderem bekannt für sein erstklassiges Mauracher Brot und die seit 1977 hier gefertigten Kunststoff-Fenster von Internorm, des größten Arbeitgebers in der Region. Das Brot wird täglich bis München und Wien ausgeliefert, die Fenster kommen in ganz Europa zum Einsatz.

Was die Architektur betrifft, hat es der malerisch im Oberen Mühlviertel gelegene Ort ziemlich in sich. Explosiv reiben sich hier seit einigen Jahren zwei kompromisslose und wortgewaltige Architekten. Auf der einen Seite Andreas Heidl, der in Folge eines gewonnenen Wettbewerbs ein beachtliches Raumprogramm am unteren Ende des Marktplatzes umsetzen konnte. Auf der anderen Seite Franz Riepl, der hier geboren wurde und seine Kindheit verbrachte. Das elterliche Dorfwirtshaus, von ihm zwischen 1960 und 1978 in Etappen umgebaut, prägt den oberen Teil des langgezogenen Platzes und gehört zu den exemplarischen Aussagen zum Thema Bauen im dörflichen Bestand. Riepl war Teil der damals entscheidenden Wettbewerbsjury (u. a. mit Friedrich Achleitner) und ist nun höchst unzufrieden mit dem Ergebnis.

2005 fiel der Entschluss zur baulichen, sozialen und wirtschaftlichen Revitalisierung des Ortszentrums. Über einen Zeitraum von sieben Jahren wurden in Etappen mehrere Marktplatzhäuser teils instand gesetzt, teils abgebrochen und neu errichtet. Insgesamt fünf funktional zusammenhängende Objekte wurden von Architekt Heidl geplant. Als Teil der Bauaufgabe sollte die dort befindliche Ortsdurchfahrt – auch für die Lkw der Firma Internorm – verbreitert werden.

Der heute prägnanteste Teil dieses Umbaus, der 2009 eröffnete Musiksaal, war ursprünglich nicht Teil des Wettbewerbs, sondern ist im Zuge der Planungen dazugekommen, weil er extra Förderungen vom Land versprach. Beflügelt durch die Idee eines (an dieser Stelle notwendigerweise) über der Straße schwebenden Musiksaals entstand schließlich der kühne Entwurf. „Musik spielt von oben auf den Platz“, nennt Heidl das. So „imposant“ der knallrote Baukörper ist, so sehr polarisiert er auch. „Zu groß“, „zu brutal“, „zu modern“.

Der Eingriff ist tatsächlich kritisch. Insbesondere an der Art des unmittelbaren Anschlusses an das neue Gemeindehaus stoßen sich die Gegner. Ein zurückhaltender, auch denkmalschützerischer Zugang hätte im Gegensatz dazu Abstand und eine Fuge erwartet. Heidl hingegen sieht für dieses einfache „Drankleben“ viele Vorlagen im Ort, nennt dies sogar „ortstypisch“.

Nun nicht zu übersehen

Heidl ist eigentlich Experte in der Auseinandersetzung mit alter Substanz, gut zu sehen am Beispiel der Spängler Bank am Linzer Hauptplatz. Er ist kein Grobian, der hier mutwillig Altes, in diesem Fall das Platzensemble, zerstört. Jeder, der den Architekten persönlich kennt, weiß aber, wie konfrontativ er ist. Seine Architektur ist Ausdruck dessen. Sie soll und will nicht mit herkömmlichen Kriterien bewertet werden und geht entsprechend gerne – so wie der Architekturstil „Brutalismus“ in den 1960er Jahren – an die Grenze des Konformen und der Geschichte.

Ein Gedankenspiel könnte in der heute schwierigen Beurteilung von Sarleinsbach helfen: Wie wird der neue Ortskern mit dem neuen Musiksaal im Jahre 2050 auf die Besucher wirken? Nicht zu übersehen ist Sarleinsbach damit schon jetzt.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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