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Die Blumauer „Autobahn“
Oberösterreichische Nachrichten

Umbau des Bahndamms bietet Schallschutz, die Gestaltung ist jedoch ein Albtraum

19. Mai 2012 - Lorenz Potocnik
Die Bahntrasse der Westbahn wurde Mitte des 19. Jahrhunderts fertiggestellt. Damals konnte man in sagenhaften neun Stunden von Wien nach Salzburg reisen. Heute benötigen die Züge für dieselbe Strecke nicht einmal ein Drittel dieser Zeit. Diese Hauptader des österreichischen Eisenbahnverkehrs ist nach wie vor die meistbefahrene Strecke und wird daher stetig in ihrer Leistungsfähigkeit ausgebaut.

Der Bogen, den die Trasse durch Linz zieht, brachte den Bahnhof (damals Kaiserin-Elisabeth-Bahnhof) zum Zeitpunkt der Errichtung nah an die Kernstadt heran. Weiteres Stadtwachstum führte in Folge dazu, dass damalige Ortschaften zu Stadtteilen wurden und der Bahnhof mit der gesamten Bahnstrecke von städtischer Bebauung umschlossen ist.

Dieser Bahndamm trennt heute also den ganzen südlichen Teil von Linz von der Innenstadt ab und behindert ein organisches Zusammenwachsen der Stadtteile. Schon 1888, in dem damals verfassten Generalregulierungsplan, hatten die Stadtplaner sich mit dieser Problematik beschäftigt und auf dem Papier mehrere Durchstiche geplant, die zum Teil auch erfolgt sind. Die Planungen der Nationalsozialisten sahen deshalb (und aus anderen stadtplanerischen Zielen) ein Verlegen des Bahnhofs weiter in den Süden vor.

Aufgabe der Stadtentwicklung wäre in den vergangenen Jahrzehnten gewesen, diese Sperre noch viel durchlässiger zu gestalten. Die Neuplanungen der ÖBB führten zu einer Verbreiterung der Böschung und Gleisanlagen inklusive Schallschutzwänden auf der Nordseite.

Isolation trotz Wohngebiets

Das Entwicklungsgebiet auf dem 17 Hektar riesigen Gelände des ehemaligen Frachtenbahnhofs und die neuen Wahrzeichen wie das Musiktheater und der Blumau Tower haben das Gebiet zwar attraktiver werden lassen. Die Gestaltung der Blumauerstraße und der erneuerten Unterführungen erwecken aber den Eindruck, als sei Stadtentwicklung allein Verkehrsplanung und Straßenbau. Das Gebiet südlich der Trasse bleibt isoliert vom nahen Zentrum. Darüber kann auch ein so vielversprechender Name wie „Grüne Mitte Linz“ für das zukünftige Wohngebiet an der Bahn nicht hinwegtäuschen.

Auf einer Länge von circa 600 Metern kommen mitten in der Stadt fast ausschließlich Betonfertigteile zur Verwendung, wie sie sonst nur auf Autobahnen und im ländlichen Bereich verbaut werden. Die Betonung der Horizontalen suggeriert Geschwindigkeit und legitimiert den Autoverkehr an dieser Stelle erst so richtig. Grob gewellte Oberflächen sollen offensichtlich den Verkehrslärm schlucken, oberhalb angebrachte, zusätzliche Schallschutzelemente dienen dazu, den Zuglärm abzuschirmen. Dabei handelt es sich sicherlich um eine technisch saubere und auf den Schallschutz bezogene, für die Anwohner begrüßenswerte Lösung.

Architekten scheinen aber an der Planung nicht beteiligt gewesen zu sein, darauf deutet die rein ingenieursmäßige Ausführung als auch die Bautafel hin. Vorgesehene Rinnen für das Erdreich wirken wie nachträglich angebracht und unzureichend; eine zukünftige Begrünung ist zwar positiv, aber nicht mehr als Symptombekämpfung. Mit den nun in Beton gegossenen Mauern und erneuerten Untertunnelungen ist der Bahn-Trassen-Bogen für die nächsten Jahrzehnte besiegelt und hat – wie früher auch – ein paar grässliche Löcher, durch die Fußgänger und Radfahrer luftanhaltend durchhuschen können. Bei der Wienerstraße – von Süden kommend – zwingt das Musiktheater zusätzlich zu einem erstaunlichen Umweg.

Spielplätze, Radwege?

Die Autofahrer freuen sich dafür über angepasste Kurven und verbreiterte Fahrbahnen. Das ist nachvollziehbar, wenn man an die zukünftige „Westspange“ denkt: die Blumauerstraße (über die Kärntnerstraße) spielt die untergeordnete Rolle eines Zubringers. Die Gestaltung ist Ausdruck dafür.

Bleibt zu hoffen, dass irgendwann in den nächsten Jahrzehnten die Erdölvorkommen versiegt sind, und die einhergehenden steigenden Energiekosten den heute üblichen Individualverkehr einfach nicht mehr ermöglichen. Dann wird die Schallschutzwand zur Kletterwand, und die asphaltierten Flächen werden zu Spielplätzen und Fahrradwegen. Unter dem Damm wäre Platz für Werkstätten und Gastronomie ähnlich der Stadtbahnbögen in Wien, Berlin oder Paris.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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