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B29: Außen puritanisch, innen hui
Oberösterreichische Nachrichten

Architekt Fritz Matzinger gewinnt den Daidalos-Preis mit seinem Wohnheim in Steyr.

24. November 2012 - Lorenz Potocnik
Das Thema Wohnen ist weit gestreut. Entsprechend war die Bandbreite der eingereichten Projekte: Einfamilienhäuser, Wohnateliers, Wohngemeinschaften in umgebauten Vierkanthöfen, Wohnanlagen, Studenten- und Seniorenheime. Der Sieger ist „B29“, ein Wohnheim und eine Notschlafstelle für 23 obdachlose Frauen und Männer in Steyr. Teil der Einrichtung ist auch eine Beratungsstelle.

Die Gestaltung beeindruckt durch die Reduktion auf das Wesentlichste. Außen bedeutet dies nackten Sichtbeton und einen kompakten, hohen und in den ursprünglichen Straßenraum vorgerückten Baukörper. Der Leondinger Fritz Matzinger reizt das unvorteilhafte, schattige Grundstück geschickt aus: Die Sonne wird eingefangen. Eine Terrasse mit Ausblick und Sonnenkollektoren wird dadurch erst sinnvoll, Energie wird eingespart.

Das Wohnheim ist Ergebnis eines geladenen Wettbewerbs: Das Optimieren des Grundstücks kombiniert mit einem zentralen Atrium war entscheidend. Das Atrium ist ein großzügiger, über zwei Stockwerke laufender, offener Raum. Umgeben von den Zimmern und vollkommen mit Glas überdacht, ist dieser lichtdurchflutet und bildet das Herz des Wohnheims. Hier wird gemeinsam gegessen, gespielt, geredet und gelesen. Die Wäsche hängt hier zum Trocknen, Pflanzen werden gepflegt und Frauen können sich mit den einen Stock tiefer getrennt wohnenden Männern unterhalten. Und: Die betreuenden Sozialarbeiter haben einen guten Überblick.

Auch innen ist die Gestaltung sehr spartanisch. Die helle Situation, Durch- und Überblick sowie punktuell gesetzte „warme“ Materialien für den Boden (Terrazzo) oder für die Türen, Fenster oder Handläufe (Holz) wirken jedoch entspannend und wohnlich. Das bunte Gemisch aus geschenkten Möbeln ist reizvolles i-Tüpfelchen.

Über diesen konkreten Fall des Wohnheims hinaus, bietet das Atriumhaus vielfältige Möglichkeiten für den steigenden Wunsch und die Notwendigkeit nach neuen Formen des Zusammenlebens. Es ist ohne weiteres vorstellbar, diese Typologie für andere Formen des Wohnens zu adaptieren. Wohngemeinschaften für 50plus etwa oder Single-Haushalte könnten in dieser architektonischen Grundform sowohl die Vorzüge der Gemeinschaft als auch die des Rückzugs in Form kleiner Wohnzellen genießen.

Zwei weitere Projekte wurden von der Jury bis zuletzt diskutiert: Das „Easy Generations“-Haus in Wels (Christoph Schöggl), das sich mit den verändernden Raum-Bedürfnissen im Laufe eines Lebenszyklus beschäftigt, und, ebenfalls in Wels, eine Lofttypologie, umgesetzt vom Büro Luger&Maul. Diese Projekte werden nächste Woche vorgestellt.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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