Artikel
Eine Welt aus Cola und Schokolade
Vor einer Woche öffnete die Expo in Mailand ihre Pforten. Unter dem Generalthema „Den Planeten ernähren. Energie für das Leben“ wäre Weltbewegendes möglich gewesen. Diese Chance wurde verspielt. Der österreichische Pavillon lädt zu einer kurzen Verschnaufpause vom Schock.
9. Mai 2015 - Wojciech Czaja
Spanien lädt zu einer Aromareise der Sinne. Katar präsentiert sich mit einem dreistöckigen Einkaufskorb. Ungarn zelebriert sich als kupferbeschlagenes Holzfass mit Dachterrasse. Oman macht einen auf überdimensionale Sandburg mit Marktgeschrei aus der Konservendose. Turkmenistan tarnt sich als temporärer Suk mit Plastikorangen und Teppichen. Deutschland, mit dem größten Pavillon von allen, übt sich als multimedialer Aufklärer, der dem Besucher klarmacht, dass Honig gut und gesund ist. Und in den „USA“, Glanzstück der Bigotterie, kann man glücklichen, suburbanen Familien dabei zusehen, wie sie im Stile der Fünfzigerjahre im häuslichen Rahmen Teig kneten, Brot backen und kollektiv dem mühsam zubereiteten Mahl frönen.
„Den Planeten ernähren. Energie für das Leben“ lautet das Motto der globalen Nabelschau Expo, die am 1. Mai in Mailand eröffnet wurde. Weltweit, so lautet eine grauenvolle statistische Zahl, geht rund eine Milliarde Menschen abends hungrig ins Bett. Ein nicht enden wollender Fragenkatalog tut sich hier auf. Doch anstatt Konzepte für eine gerechte, effiziente und vor allem nachhaltige Ernährung der Weltbevölkerung aufzutischen, ist die Weltausstellung, die mit 2,65 Milliarden Euro und etlichen Schmiergeldaffären zu Buche schlägt, ein Reigen an verklärten, romantisierenden Wunschbildern, der den Besucher wissensdurstig und inhaltshungrig sterben lässt. Daran können auch die schönen Pavillonbauten von Daniel Libeskind und Herzog & de Meuron nichts ändern.
Food-Konzerne als Sponsoren
Mehr noch als dass die Expo von den eigentlichen Themen der nächsten Jahre und Jahrzehnte ablenkt, holt sie sich jene Food-Konzerne als Partner und Sponsoren ins Boot, die für die Misere und das Geschäft mit der Not mitverantwortlich sind: McDonald’s, Coca-Cola und Nestlé. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Pavillons und Verkaufsständen von Unilever, Lindt, Ferrero und Co, die Schokolade und Nutella-Creme als Grundnahrungsmittel der Zukunft zu preisen scheinen.
Zwar hatten sich die Expo-Veranstalter im Vorfeld, so hört man, dagegen abgesichert, dass die Sponsoren (350 Millionen Euro Gesamtwert) die Weltausstellung als Werbeplattform und Umsatzparadies nutzen, indem sie hier ihre Standardprodukte anbieten, doch wo mehr als 20 Millionen Besucherinnen und Besucher erwartet werden, da lässt auch die Kreativität der Profis nicht lange auf sich warten. So wie etwa am Magnum-Stand, wo man zwar kein Magnum, sehr wohl aber ein nacktes Eis am Stiel erwerben und dieses im Selfmade-Verfahren vollenden kann, indem man es eigenhändig in flüssige Schokolade tunkt. Fünf Euro das Stück.
Die Dreistheit und Verlogenheit dieser Expo zeigt sich nirgendwo besser als im Schweiz-Pavillon, wo man mit dem Lift in den Olymp des Lebensmittelmarktes hochfährt und sodann durch einen Silo-Parcours des Hauptsponsors Nestlé geschleust wird. Hier darf man sich bedienen, bis einem die Hosentaschen reißen – mit Nescafé in Plastiktütchen, mit luftdicht verschweißten Apfelringen, mit Salz aus den Schweizer Salinen sowie mit hektoliterweise Wasser aus Plastikbechern. Was das alles mit der viel zitierten Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu tun hat? Darauf wissen auch die hübsch gekleideten Hosts und Hostessen keine Antwort.
Ausverkauf der Ethik und Moral
Vielleicht erklärt sich vor diesem Hintergrund, der vom Ausverkauf unser aller Ethik und Moral an die weltweiten Konzerne zeugt, warum ausgerechnet der österreichische Beitrag als intellektuelle und emotionale Oase wahrgenommen werden darf, in der man gerne eine Pause einlegt, um zu verschnaufen und nach all diesen haarsträubenden Interpretationen des Expo-Mottos wieder tief Luft zu holen.
Und zwar im wörtlichen Sinne, denn „breathe.austria“ – so der offizielle Titel des österreichischen Beitrags – ist nichts anderes als ein 560 Quadratmeter großes Wald-Implantat, das imstande ist, 1800 Menschen pro Stunde mit frischem, wohltemperiertem Sauerstoff zu versorgen. Zu verdanken ist dies 12.800 Stauden, einigen Hundert kleineren Gehölzen sowie 56 Bäumen, einige davon bis zu 15 Meter hoch, die hier nun die kommenden sechs Monate bestreiten werden. Nach Ablauf der Expo sollen die Bäume zur Aufforstung an die Stadt Bozen verschenkt werden.
Zwar gibt es auch in Österreich keine Antwort darauf, wie wir in Zukunft unseren Planeten ernähren sollen, sehr wohl aber so manchen Lösungsvorschlag für den respektvollen Umgang mit jenem Mittel, das unverzichtbar ist, das uns in gewisser Weise alle nährt – mit der Luft. „Der Wald ist eine der wichtigsten Ressourcen Österreichs“, sagen Andreas Goritschnig und Karlheinz Boiger, Projektleiter des team.breathe.austria. „Er spielt nicht nur im Image, in der Kultur und im Tourismus eine wichtige Rolle, sondern letztendlich auch im gesamten Wirtschafts- und Lebenszyklus dieses Landes.“
Lowtech-Bio-Klimaanlage
Alle paar Minuten schalten sich die Nebeldüsen ein, die den Pavillon an heißen Tagen in eine kühle, feuchte Brise hüllen. 27 Ventilatoren setzen sich sodann mit ihren gezackten Rotorblättern in Bewegung – die Form ist den Flügeln der Eule, dem leisesten Tier der Vogelwelt, nachempfunden – und verteilen die erfrischende Feuchte im gesamten Wald. Um fünf bis sieben Grad Celsius kann der Pavillon auf diese Weise gekühlt werden. Das Konzept für die Lowtech-Bio-Klimaanlage stammt vom Klimaspezialisten Transsolar.
„Derzeit ist die Stadt eine Maschine, die Energie und Sauerstoff verbraucht“, sagt der Architekt und Pavillon-Planer Klaus K. Loenhart. „Vielleicht wird es in Zukunft gelingen, dieses Verhältnis umzudrehen. Unser Beitrag beweist, dass diese Technik-Natur-Performanz nicht unmöglich ist. So gesehen bin ich froh darüber, dass es uns gelungen ist, hier ein Best-Practice-Beispiel zu bauen und ein Exempel für die Zukunft zu statuieren. Ich denke, dass diese Idee über die Expo hinaus Bestand haben wird.“ Der österreichische Beitrag bleibt als Lichtschimmer und Ideengeber in Erinnerung. Vielleicht als Einziger.
Weltausstellungen waren noch nie der Nährboden für kritische Auseinandersetzung. Das können andere Formate besser. So ist auch diese nunmehr zum 99. Mal ausgetragene Expo in Mailand ein massentauglicher Rummelplatz der Nationen, der für kurze Zeit die ganze Welt auf kleinstem Raum zusammentrommelt. Das wäre nicht weiter schlimm. Mit dem heuer auferlegten und mehr als brisanten Thema der globalen Ernährung allerdings hätte man sich eine der stärksten Schauen der vergangenen Jahre erwartet – und nicht die mit Abstand geist- und geschmackloseste. Diese Chance wurde verspielt.
„Den Planeten ernähren. Energie für das Leben“ lautet das Motto der globalen Nabelschau Expo, die am 1. Mai in Mailand eröffnet wurde. Weltweit, so lautet eine grauenvolle statistische Zahl, geht rund eine Milliarde Menschen abends hungrig ins Bett. Ein nicht enden wollender Fragenkatalog tut sich hier auf. Doch anstatt Konzepte für eine gerechte, effiziente und vor allem nachhaltige Ernährung der Weltbevölkerung aufzutischen, ist die Weltausstellung, die mit 2,65 Milliarden Euro und etlichen Schmiergeldaffären zu Buche schlägt, ein Reigen an verklärten, romantisierenden Wunschbildern, der den Besucher wissensdurstig und inhaltshungrig sterben lässt. Daran können auch die schönen Pavillonbauten von Daniel Libeskind und Herzog & de Meuron nichts ändern.
Food-Konzerne als Sponsoren
Mehr noch als dass die Expo von den eigentlichen Themen der nächsten Jahre und Jahrzehnte ablenkt, holt sie sich jene Food-Konzerne als Partner und Sponsoren ins Boot, die für die Misere und das Geschäft mit der Not mitverantwortlich sind: McDonald’s, Coca-Cola und Nestlé. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Pavillons und Verkaufsständen von Unilever, Lindt, Ferrero und Co, die Schokolade und Nutella-Creme als Grundnahrungsmittel der Zukunft zu preisen scheinen.
Zwar hatten sich die Expo-Veranstalter im Vorfeld, so hört man, dagegen abgesichert, dass die Sponsoren (350 Millionen Euro Gesamtwert) die Weltausstellung als Werbeplattform und Umsatzparadies nutzen, indem sie hier ihre Standardprodukte anbieten, doch wo mehr als 20 Millionen Besucherinnen und Besucher erwartet werden, da lässt auch die Kreativität der Profis nicht lange auf sich warten. So wie etwa am Magnum-Stand, wo man zwar kein Magnum, sehr wohl aber ein nacktes Eis am Stiel erwerben und dieses im Selfmade-Verfahren vollenden kann, indem man es eigenhändig in flüssige Schokolade tunkt. Fünf Euro das Stück.
Die Dreistheit und Verlogenheit dieser Expo zeigt sich nirgendwo besser als im Schweiz-Pavillon, wo man mit dem Lift in den Olymp des Lebensmittelmarktes hochfährt und sodann durch einen Silo-Parcours des Hauptsponsors Nestlé geschleust wird. Hier darf man sich bedienen, bis einem die Hosentaschen reißen – mit Nescafé in Plastiktütchen, mit luftdicht verschweißten Apfelringen, mit Salz aus den Schweizer Salinen sowie mit hektoliterweise Wasser aus Plastikbechern. Was das alles mit der viel zitierten Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu tun hat? Darauf wissen auch die hübsch gekleideten Hosts und Hostessen keine Antwort.
Ausverkauf der Ethik und Moral
Vielleicht erklärt sich vor diesem Hintergrund, der vom Ausverkauf unser aller Ethik und Moral an die weltweiten Konzerne zeugt, warum ausgerechnet der österreichische Beitrag als intellektuelle und emotionale Oase wahrgenommen werden darf, in der man gerne eine Pause einlegt, um zu verschnaufen und nach all diesen haarsträubenden Interpretationen des Expo-Mottos wieder tief Luft zu holen.
Und zwar im wörtlichen Sinne, denn „breathe.austria“ – so der offizielle Titel des österreichischen Beitrags – ist nichts anderes als ein 560 Quadratmeter großes Wald-Implantat, das imstande ist, 1800 Menschen pro Stunde mit frischem, wohltemperiertem Sauerstoff zu versorgen. Zu verdanken ist dies 12.800 Stauden, einigen Hundert kleineren Gehölzen sowie 56 Bäumen, einige davon bis zu 15 Meter hoch, die hier nun die kommenden sechs Monate bestreiten werden. Nach Ablauf der Expo sollen die Bäume zur Aufforstung an die Stadt Bozen verschenkt werden.
Zwar gibt es auch in Österreich keine Antwort darauf, wie wir in Zukunft unseren Planeten ernähren sollen, sehr wohl aber so manchen Lösungsvorschlag für den respektvollen Umgang mit jenem Mittel, das unverzichtbar ist, das uns in gewisser Weise alle nährt – mit der Luft. „Der Wald ist eine der wichtigsten Ressourcen Österreichs“, sagen Andreas Goritschnig und Karlheinz Boiger, Projektleiter des team.breathe.austria. „Er spielt nicht nur im Image, in der Kultur und im Tourismus eine wichtige Rolle, sondern letztendlich auch im gesamten Wirtschafts- und Lebenszyklus dieses Landes.“
Lowtech-Bio-Klimaanlage
Alle paar Minuten schalten sich die Nebeldüsen ein, die den Pavillon an heißen Tagen in eine kühle, feuchte Brise hüllen. 27 Ventilatoren setzen sich sodann mit ihren gezackten Rotorblättern in Bewegung – die Form ist den Flügeln der Eule, dem leisesten Tier der Vogelwelt, nachempfunden – und verteilen die erfrischende Feuchte im gesamten Wald. Um fünf bis sieben Grad Celsius kann der Pavillon auf diese Weise gekühlt werden. Das Konzept für die Lowtech-Bio-Klimaanlage stammt vom Klimaspezialisten Transsolar.
„Derzeit ist die Stadt eine Maschine, die Energie und Sauerstoff verbraucht“, sagt der Architekt und Pavillon-Planer Klaus K. Loenhart. „Vielleicht wird es in Zukunft gelingen, dieses Verhältnis umzudrehen. Unser Beitrag beweist, dass diese Technik-Natur-Performanz nicht unmöglich ist. So gesehen bin ich froh darüber, dass es uns gelungen ist, hier ein Best-Practice-Beispiel zu bauen und ein Exempel für die Zukunft zu statuieren. Ich denke, dass diese Idee über die Expo hinaus Bestand haben wird.“ Der österreichische Beitrag bleibt als Lichtschimmer und Ideengeber in Erinnerung. Vielleicht als Einziger.
Weltausstellungen waren noch nie der Nährboden für kritische Auseinandersetzung. Das können andere Formate besser. So ist auch diese nunmehr zum 99. Mal ausgetragene Expo in Mailand ein massentauglicher Rummelplatz der Nationen, der für kurze Zeit die ganze Welt auf kleinstem Raum zusammentrommelt. Das wäre nicht weiter schlimm. Mit dem heuer auferlegten und mehr als brisanten Thema der globalen Ernährung allerdings hätte man sich eine der stärksten Schauen der vergangenen Jahre erwartet – und nicht die mit Abstand geist- und geschmackloseste. Diese Chance wurde verspielt.
[ Die Reise erfolgte auf Einladung der Wirtschaftskammer Österreich. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom