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Die Ba­lan­ce von Ur­ein­wohn­ern und ethni­schem Mix
Der Standard

In der Sees­tadt Aspern er­rich­te­te die So­zi­al­bau rund 700 Woh­nun­gen für in­ter­kul­tu­rel­les Woh­nen. Da­mit so ein Kon­zept auf­geht, braucht es Ko­ope­ra­ti­on, Kom­mu­ni­ka­ti­on und ei­ne ge­wis­se Ma­növ­rier­mas­se.

2. März 2016 - Wojciech Czaja
„In­teg­ra­ti­on, das ist ei­ne Grat­wan­de­rung, ei­ne be­son­de­re Mi­schung aus Soft­wa­re und Hard­wa­re, aus der Qua­li­tät der Be­treu­ung und der Qua­li­tät der Ar­chi­tek­tur“, sagt Her­bert Ludl. Der Chef der So­zi­al­bau AG hat mit dem „Glo­ba­len Hof“ in Wien-Lie­sing im Jahr 2000 schon ein­mal ein in­ter­na­tio­nal viel­be­ach­te­tes In­teg­ra­ti­ons­pro­jekt rea­li­siert. Da­mals noch wa­ren Mig­ran­te­nan­tei­le von 30 bis 50 Pro­zent in ei­ner Wohn­haus­an­la­ge ei­ne Sel­ten­heit. „Heu­te aber sind wir in ei­ner eu­ro­pa­po­li­ti­schen Si­tua­ti­on, die es er­for­dert, dass so ein Mix in Stadt­ver­dich­tungs- und Stadt­er­wei­te­rungs­pro­jek­ten Selbst­ver­ständ­lich­keit ist.“

Ort des Ge­sche­hens ist die Sees­tadt Aspern. Ge­mein­sam mit der Wien 3420 Aspern De­ve­lop­ment AG ent­wi­ckel­te die So­zi­al­bau in der er­sten Tran­che 1300 Woh­nun­gen, von de­nen sie rund 700 selbst rea­li­sier­te. Ei­nes die­ser Pro­jek­te ist das Wohn­haus in der Ja­nis-Jo­plin-Pro­me­na­de 6–8, er­rich­tet nach Plä­nen von Pe­ter Schei­fin­ger. Die knall­gel­ben, licht­durch­läs­si­gen Ter­ras­sen­strei­fen am grau-wei­ßen Haus sind schon von wei­tem sicht­bar – das er­ste Bild, das An­kom­men­de mit der U2 beim Ein­fah­ren in die End­sta­ti­on er­bli­cken.

„Wir ha­ben hier die bil­ligs­te Bau­wei­se, die man sich nur vor­stel­len kann, Stahl­be­ton und Voll­wär­me­schutz“, sagt Schei­fin­ger. „Doch da­für ha­ben wir fi­nanz­iel­le Res­sour­cen mo­bi­li­sie­ren kön­nen, mit de­nen wir nun ein Schwimm­bad auf der Wie­se und ei­nes auf dem Dach rea­li­sie­ren konn­ten. Das mag sich zu­nächst nach ei­nem über­schwäng­li­chen Lu­xus an­hö­ren. Aber ge­ra­de in ei­nem so dicht­be­sie­del­ten Pro­jekt wie hier, mit vie­len Ge­ne­ra­tio­nen und vie­len so­zia­len und ethni­schen Mi­lie­us un­ter ei­nem Dach emp­fin­den es vie­le Be­woh­ner als Vor­teil, ei­ne Wahl zu ha­ben und sich auch ein­mal zu klein­eren Grüpp­chen zu for­mie­ren.“

Mög­lich ge­macht wur­den die vie­len Ge­mein­schafts­ein­rich­tun­gen, weil ein Teil der Sees­tadt als so­ge­nann­tes ko­ope­ra­ti­ves Ver­fah­ren ab­ge­wi­ckelt wur­de: Kon­kur­rie­ren­de Wohn­bau­trä­ger ha­ben sich an ei­nen Tisch zu­sam­men­ge­setzt und ei­ne ge­mein­sa­me Lö­sung er­ar­bei­tet. Das blaue Nass ist nur ein Teil da­von. Hin­zu kom­men Ge­mein­schafts­wasch­kü­chen, Kin­der­spiel­räu­me, Fit­ness­räu­me und so­gar ei­ne kurz­fri­stig ver­miet­ba­re Gäs­te­woh­nung.

„Die Ar­chi­tek­tur ist wich­tig, aber ge­nau­so be­deu­tend ist die Art und Wei­se, wie ich als Bau­trä­ger und Haus­ver­wal­ter so ei­ne gro­ße Wohn­haus­an­la­ge be­treue“, meint Ludl. „Und so ver­an­stal­ten wir hier Ad­vent- und Som­mer­fes­te, Fuß­ball­mat­ches und di­ver­se Mie­ter­tref­fen. Wenn bei so ei­nem Zu­sam­men­kom­men auch nur zwei Be­woh­ner mit­ein­an­der ins Ge­spräch kom­men, die ein­an­der zu­vor noch nicht ge­grüßt ha­ben, dann ist das be­reits ein Er­folg.“

Der ro­te Knopf ver­staubt

Zur so­zia­len Soft­wa­re ge­hört auch ein Haus­be­treu­er di­rekt vor Ort. „Wir ha­ben in je­der Stie­ge ei­nen ro­ten Knopf ein­ge­baut, mit dem man sich di­rekt an den Haus­be­treu­er wen­den kann, so­bald man ein An­lie­gen hat. Aber wahr­schein­lich war die Far­be Rot zu ab­schre­ckend, weil die Men­schen da­mit nur Not­fäl­le ver­bin­den.“ Der Knopf ist längst ver­staubt. Statt­des­sen ha­be je­der Be­woh­ner die Mo­bil­num­mer des Haus­be­treu­ers im Han­dy ein­ge­spei­chert.

„Ich bin kein Freund von gro­ßen Plat­ten­sied­lun­gen, aber ich bin ehr­lich ge­sagt auch ein kein An­hän­ger die­ser klein­tei­li­gen und su­per­in­di­vi­du­el­len Struk­tu­ren, die heu­te so tren­dig sind“, sagt Her­bert Ludl. „Tat­sa­che ist: Wenn man den Be­wohn­ern ei­ne ho­he so­zia­le und bau­li­che Qua­li­tät bie­ten will, dann braucht man auch ei­ne ge­wis­se Ma­növ­rier­mas­se. In der gro­ßen Men­ge sind au­ßer­or­dent­li­che An­sät­ze leich­ter rea­li­sier­bar.“

Der Er­folg lie­ge je­doch nicht zu­letzt da­ran, so Ludl, „dass wir da­rauf ge­ach­tet ha­ben, ethni­sche Kon­zen­tra­tio­nen zu ver­mei­den und die Ur­ein­woh­ner und die neu Hin­zu­ge­zo­ge­nen mög­lichst viel­fäl­tig zu­sam­men­zu­wür­feln. Die­se Viel­falt be­darf ei­ni­ges an Ar­beit, aber sie si­chert ein gu­tes, aus­ge­gli­che­nes Mit­ein­an­der.“

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