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Ich bin vernarrt in rote Perserteppiche
Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrums Wien, wohnt in einem Vierkanter in Niederösterreich, bei dessen Umbau Blut und Schweiß geronnen sind. Resultat von 20 Jahren Baustelle: ein architekturfreier Raum.
26. November 2016 - Wojciech Czaja
Dietmar Steiner, geb. 1951 in Wels, studierte Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Er war langjähriger Mitarbeiter Friedrich Achleitners und Redakteur des internationalen Designmagazins Domus in Mailand. 1993 gründete er das Architekturzentrum Wien (AzW) im Museumsquartier, das er seitdem als Direktor leitet. Mit Ende Dezember geht er in Pension. Seine Nachfolgerin ist Angelika Fitz. Soeben erschien sein Buch Steiner’s Diary (Park Books) sowie Andrea Maria Dusls Dokumentation Zeitreisen: Ein Film über Dietmar Steiner.
Das Haus war eine Ruine, ein hoffnungsloser Fall. Aber zurück zum Anfang. Dass ich mich überhaupt nach einem Haus auf dem Land umgeschaut habe, hatte einen sehr einfachen Grund: Arbeitstiere, die wir sind, haben meine Frau Margarete Cufer und ich in damals 20 Jahren nur zweimal Urlaub gemacht. Das ist nicht viel. Eines Tages habe ich dann gesagt: „Wir arbeiten das ganze Jahr durch. Ich glaub, wir brauchen ein Stückl nasses Gras, das uns zwingt abzuschalten!“
Eigentlich wollte ich ins Mühlviertel, dahin, wo es kalt und nebelig ist, das war aber doch zu weit weg von Wien. Eines Tages bin ich dann auf ein Inserat gestoßen: „Alt, aber schön gelegen.“ Da wusste ich, dass es sich um eine Bruchbude handelt. Aber dafür hat es nur 400.000 Schilling gekostet. Früher war das ein Vierkanter, irgendein Vorbesitzer hat die Südseite in die Wiese runtergebaggert, weil sie nicht mehr zu retten war. Daher sehen wir an klaren Tagen Dachstein, Traunstein, das ganze beste Stück des Alpenpanoramas.
Eigentlich wollte ich nur das Notwendigste herrichten, ein bissl was machen, damit ein Teil des Hauses bewohnbar ist. Doch dann ist das Projekt zur ewigen Baustelle ausgeartet. Das Geld hat sich im Laufe der Jahre verdünnisiert, und irgendwann war ich allen Gulden- und Frankenkrediten zum Trotz so ziemlich am Existenzminimum – auch deshalb, weil ich wahrscheinlich der dümmste Österreicher bin und alles mit Professionisten – ohne eine einzige Pfuscherstunde – realisiert habe.
Wir haben Zwischendecken rausgerissen, eine kleine Galerie eingezogen, die ganze Elektrik neu gemacht, die Heizung installiert, Küche und Bad gemacht, neue Kastenfenster eingebaut und das Dach saniert. Im ersten Winter, als das alles hier Baustelle war, mussten wir noch mit Strom heizen, damit nichts einfriert. Irgendwann hat mich die EVN angerufen und gemeint: „Wir haben da wohl einen Rechenfehler. Ihre Stromkosten betragen 40.000 Schilling!“
In diesen Umbau sind buchstäblich Blut und Schweiß geronnen. Einmal bin ich von vier Metern von der Leiter runtergefallen, direkt auf den Betonboden. Überall war Blut. Ich hab mir eine Tschick angezündet, und irgendwann sind wir ins Krankenhaus gefahren. Trotzdem muss ich sagen: Diese ewig lange Baustelle hat mein Leben gerettet. Ohne diesen alternativen Ort hätte ich die letzten 20 Jahre meines Lebens nicht derpackt. Er ist Fitnessstudio und Psychotherapie zugleich.
Das Resultat nach 20 Jahren Baustelle entspricht meiner Architekturphilosophie der Bricolage. Zufälliges und Störendes wird wohlwollend miteinander kombiniert: Sofas, Tische, Stühle, Fauteuils, Kastln und Lampen aller Epochen und Couleurs. Wir haben viele Designklassiker aus dem 20. Jahrhundert – von Josef Frank über Hermann Czech und Adolf Krischanitz bis zu Jean Nouvel, Philippe Starck und Jasper Morrison. Manche Besucher fragen: „Sagts mal, könnts ihr euch keine einheitlichen Sessel leisten?“
Und überall liegen Teppiche. Wir haben an die 25 Stück, und sie machen mir große Freude, ihre Muster erzählen wunderbare Geschichten. Was soll ich sagen? Ich bin vernarrt in rote Perser. Jedenfalls passt hier nichts zusammen. Ich brauche das. Ich habe mich in meinem Leben so viel mit Architektur beschäftigt, dass ich mich hier nach einem architekturfreien Raum jenseits von Style und Sauberkeit gesehnt habe. Die Bricolage geht weiter. Aktuell habe ich den Plan, die Nochgarage zu einer Bibliothek und zu einem Raum für mein Archiv auszubauen. Ich fürchte, das wird noch Jahre dauern.
Das Haus war eine Ruine, ein hoffnungsloser Fall. Aber zurück zum Anfang. Dass ich mich überhaupt nach einem Haus auf dem Land umgeschaut habe, hatte einen sehr einfachen Grund: Arbeitstiere, die wir sind, haben meine Frau Margarete Cufer und ich in damals 20 Jahren nur zweimal Urlaub gemacht. Das ist nicht viel. Eines Tages habe ich dann gesagt: „Wir arbeiten das ganze Jahr durch. Ich glaub, wir brauchen ein Stückl nasses Gras, das uns zwingt abzuschalten!“
Eigentlich wollte ich ins Mühlviertel, dahin, wo es kalt und nebelig ist, das war aber doch zu weit weg von Wien. Eines Tages bin ich dann auf ein Inserat gestoßen: „Alt, aber schön gelegen.“ Da wusste ich, dass es sich um eine Bruchbude handelt. Aber dafür hat es nur 400.000 Schilling gekostet. Früher war das ein Vierkanter, irgendein Vorbesitzer hat die Südseite in die Wiese runtergebaggert, weil sie nicht mehr zu retten war. Daher sehen wir an klaren Tagen Dachstein, Traunstein, das ganze beste Stück des Alpenpanoramas.
Eigentlich wollte ich nur das Notwendigste herrichten, ein bissl was machen, damit ein Teil des Hauses bewohnbar ist. Doch dann ist das Projekt zur ewigen Baustelle ausgeartet. Das Geld hat sich im Laufe der Jahre verdünnisiert, und irgendwann war ich allen Gulden- und Frankenkrediten zum Trotz so ziemlich am Existenzminimum – auch deshalb, weil ich wahrscheinlich der dümmste Österreicher bin und alles mit Professionisten – ohne eine einzige Pfuscherstunde – realisiert habe.
Wir haben Zwischendecken rausgerissen, eine kleine Galerie eingezogen, die ganze Elektrik neu gemacht, die Heizung installiert, Küche und Bad gemacht, neue Kastenfenster eingebaut und das Dach saniert. Im ersten Winter, als das alles hier Baustelle war, mussten wir noch mit Strom heizen, damit nichts einfriert. Irgendwann hat mich die EVN angerufen und gemeint: „Wir haben da wohl einen Rechenfehler. Ihre Stromkosten betragen 40.000 Schilling!“
In diesen Umbau sind buchstäblich Blut und Schweiß geronnen. Einmal bin ich von vier Metern von der Leiter runtergefallen, direkt auf den Betonboden. Überall war Blut. Ich hab mir eine Tschick angezündet, und irgendwann sind wir ins Krankenhaus gefahren. Trotzdem muss ich sagen: Diese ewig lange Baustelle hat mein Leben gerettet. Ohne diesen alternativen Ort hätte ich die letzten 20 Jahre meines Lebens nicht derpackt. Er ist Fitnessstudio und Psychotherapie zugleich.
Das Resultat nach 20 Jahren Baustelle entspricht meiner Architekturphilosophie der Bricolage. Zufälliges und Störendes wird wohlwollend miteinander kombiniert: Sofas, Tische, Stühle, Fauteuils, Kastln und Lampen aller Epochen und Couleurs. Wir haben viele Designklassiker aus dem 20. Jahrhundert – von Josef Frank über Hermann Czech und Adolf Krischanitz bis zu Jean Nouvel, Philippe Starck und Jasper Morrison. Manche Besucher fragen: „Sagts mal, könnts ihr euch keine einheitlichen Sessel leisten?“
Und überall liegen Teppiche. Wir haben an die 25 Stück, und sie machen mir große Freude, ihre Muster erzählen wunderbare Geschichten. Was soll ich sagen? Ich bin vernarrt in rote Perser. Jedenfalls passt hier nichts zusammen. Ich brauche das. Ich habe mich in meinem Leben so viel mit Architektur beschäftigt, dass ich mich hier nach einem architekturfreien Raum jenseits von Style und Sauberkeit gesehnt habe. Die Bricolage geht weiter. Aktuell habe ich den Plan, die Nochgarage zu einer Bibliothek und zu einem Raum für mein Archiv auszubauen. Ich fürchte, das wird noch Jahre dauern.
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