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Die er­sten zwei von zehn Schrit­ten
Der Standard

Vor ei­ner Wo­che wur­de der Le­bens­zy­klus-Award 2016 ver­ge­ben. Die bei­den Preis­trä­ger­pro­jek­te in Wien-Leo­pold­stadt und Ernst­brunn sind Re­sul­tat ei­ner ganz­heit­li­chen, über den üb­li­chen Ho­ri­zont hin­aus­ge­dach­ten Pla­nung.

26. November 2016 - Wojciech Czaja
Wien – „Die Le­bens­zy­klus­kos­ten“, er­zählt Ar­chi­tekt Georg Rein­berg, „wa­ren bei die­sem Pro­jekt von der er­sten Mi­nu­te an ex­trem wich­tig. Der Bau­herr hat ei­ne Hand­voll Ar­chi­tek­ten zum Wett­be­werb ge­la­den und be­reits in der Ent­wurfs­pha­se je­des ein­zel­ne Pro­jekt in Hin­blick auf En­er­gie- und Be­triebs­kos­ten durch­rech­nen las­sen. Die gro­ben Ana­ly­sen ha­ben be­reits ei­nen er­sten Vor­ge­schmack auf die mög­li­che Zu­kunft ge­ge­ben.“

Für die­sen un­ge­wöhn­li­chen, in der Im­mo­bi­lien­bran­che ein­zig­ar­ti­gen An­satz wur­de das von Rein­berg rea­li­sier­te Pro­jekt letz­te Wo­che als ei­ner von ins­ge­samt zwei Preis­trä­gern mit dem Le­bens­zy­klus-Award 2016 aus­ge­zeich­net. Die Re­de ist vom Ver­wal­tungs- und Be­triebs­ge­bäu­de der Wind­kraft Si­mons­feld AG in Ernst­brunn, Nie­de­rös­ter­reich.

Der Hy­brid­bau aus Holz und Be­ton, der in Zu­sam­men­ar­beit mit M.O.O.CON und dem Ös­ter­rei­chi­schen In­sti­tut für Bau­bio­lo­gie und Bau­öko­lo­gie (IBO) ent­wi­ckelt wur­de, ist seit An­fang 2014 in Be­trieb und wird seit­dem re­gel­mä­ßig über­prüft und aus­ge­wer­tet.

Wäh­rend die Werks- und Mon­tag­ehal­le, in der Wind­kraft­ele­men­te ge­war­tet und re­pa­riert wer­den, als rei­ner Holz­bau aus­ge­führt wur­de, zieht sich durch den Bü­ro­trakt ei­ne lehm­ver­putz­te Be­ton­wand als spei­cher­fä­hi­ge Mas­se. Die Fass­ade be­steht aus Mas­siv­holz mit Zell­stoff­däm­mung.

Die Haus­tech­nik des 1500 m² gro­ßen Hau­ses um­fasst Grund­was­ser­ther­mie, So­lart­her­mie, Fo­to­vol­taik, Wind­kraft so­wie ei­ne kon­trol­lier­te Lüf­tungs­an­la­ge mit Wär­me­rück­ge­win­nung. Üp­pi­ge Be­pflan­zun­gen in den All­ge­mein­flä­chen un­ter­stüt­zen die Feuch­te­re­gu­lie­rung der In­nen­räu­me. Sechs haus­ei­ge­ne Elek­tro­au­tos, die mit der über­schüs­si­gen En­er­gie des Hau­ses ge­speist wer­den, die­nen als Puf­fer­spei­cher.

„Die Qua­li­tät der ein­ge­reich­ten Pro­jek­te war durch die Bank sehr hoch“, sagt der Ju­ry­vor­sit­zen­de Christ­oph Acham­mer von ATP Ar­chi­tek­ten und In­ge­ni­eu­re. „Die bei­den Haupt­prei­se, die wir ver­ge­ben ha­ben, spiegeln nicht nur ein sehr um­fas­sen­des Ver­ständ­nis des Le­bens­zy­klus wi­der, son­dern sind auch der Be­weis da­für, dass ein ganz­heit­li­cher An­satz bei hoch­wer­ti­ger Pla­nung ei­ne sehr, sehr ho­he Ge­stal­tungs­qua­li­tät zur Fol­ge hat.“

Noch, so Acham­mer, sei es kei­ne leich­te Auf­ga­be, den Pro­ta­go­nis­ten der Im­mo­bi­lien­bran­che die Wich­tig­keit ei­ner le­bens­zy­klus­orien­tier­ten Pla­nung be­greif­lich zu ma­chen. „Mit Aus­nah­me der Nut­zer den­ken die meis­ten sehr kurz­fri­stig. Der Ho­ri­zont vie­ler De­ve­lo­per und In­ves­to­ren reicht nicht wei­ter als bis zur Op­ti­mie­rung der mo­ne­ta­ri­sier­ten Quar­tals­er­geb­nis­se. Das ist nicht be­rühmt.“

Pla­nung mit 67 Er­wachs­enen

Dass der Blick auch wei­ter in die Zu­kunft schwei­fen kann, be­weist das Wohn­pro­jekt Wien von eins­zu­eins Ar­chi­tek­tur, das ex ae­quo eben­falls mit dem Le­bens­zy­klus Award 2016 prä­miert wur­de. Das vom ge­mein­nüt­zi­gen Bau­trä­ger Schwarz­atal er­rich­te­te Haus auf dem ehe­ma­li­gen Nord­bahn­ho­fa­re­al ist Re­sul­tat ei­nes ganz­heit­li­chen Par­ti­zi­pa­ti­ons­pro­jekts.

„Dass es hier ge­lun­gen ist, 67 Er­wachs­ene zu ge­win­nen, die vom Städ­te­bau bis zur Steck­do­se mit­ge­dacht und mit­ge­plant ha­ben, ist au­ßer­ge­wöhn­lich“, sagt Mar­kus Zil­ker, Part­ner bei eins­zu­eins. „Bei die­sem Pro­jekt war es selbst­ver­ständ­lich, die Le­bens­zy­klus­kos­ten mit­zu­den­ken. Um­fas­sen­der als in die­sem Bei­spiel kann man Nach­hal­tig­keit kaum den­ken.“

Doch, so Zil­ker, in der Be­trach­tung der Bran­che sei das The­ma viel zu we­nig prä­sent. „Ge­ne­rell steckt die Sen­si­bi­li­tät für den Le­bens­zy­klus noch ziem­lich in den Kin­der­schu­hen. Auf ei­ner Ska­la von null bis zehn wür­de ich sa­gen, sind wir ge­ra­de mal bei zwei an­ge­kom­men.“ Viel­leicht hat der Award da­zu beige­tra­gen, die näch­sten acht Schrit­te schmack­haf­ter zu ma­chen.

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