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Wenn das Gaswerk unter Strom steht
Der Standard

Die beiden Bauträger Frieden und BWS errichten in der Mitte von Neu-Leopoldau 266 Wohnungen mit irgendwie energetischer Thematik. Besonders spannend: Den Mix aus Eigenmitteln und Miethöhe wird jeder Mieter selbst bestimmen können.

1. März 2017 - Wojciech Czaja
Wien - Bis 1969 wurde im Gaswerk Neu-Leopoldau in Wien-Floridsdorf aus Kohle Stadtgas hergestellt. Im Zuge von Produktion, Kriegsbeschädigung und Auflassung der Anlage kam es auf dem 42 Hektar großen Areal zur Kontaminierung des Untergrunds. Nachdem die Fläche von den Wiener Netzen saniert wurde, sollen hier ab Ende des Jahres – aufgeteilt auf mehrere Bauträger und Architekturbüros – rund tausend geförderte Wohnungen errichtet werden. Das Gesamtinvestitionsvolumen beträgt 121 Millionen Euro.

Zentrum der Anlage bildet der Bauplatz P, wo die beiden gemeinnützigen Bauträger Frieden und BWS-Gruppe 189 geförderte Wohnungen und 77 Smart-Wohnungen realisieren werden. Hinzu kommen ein Heim für Kinder und Jugendliche, ein Studentenwohnheim sowie ein Wohnheim mit kurzfristig anmietbaren Startwohnungen. Wie auf dem gesamten restlichen Areal steht das Projekt unter dem Generalmotto des jungen Wohnens. Die Idee ist fürwahr elektrisierend.

„Das Angebot umfasst vor allem leistbares Wohnen und richtet sich an Jungfamilien sowie an Interessenten, die sich in einem jungen, urbanen Umfeld wohlfühlen“, sagt Christoph Scharinger, Prokurist und Leiter der technischen Abteilung der Baugenossenschaft Frieden. „Dazu gehört auch, dass sich die Mieter den Mix aus Eigenmittelanteil und Miete individuell aussuchen können werden.“ Das Modell funktioniert nicht anders als bei einem Leasingwagen: Je höher das Startkapital, desto niedriger die Leasingrate – und umgekehrt.

„Wir haben uns an der Geschichte des Ortes orientiert und definieren unseren Bauplatz als Energiebündel“, erklärt Architektin Regina Freimüller-Söllinger. Gemeinsam mit ihrem Büro plant sie drei Wohnbauten, die unter einem energetischen Motto stehen. „Die drei Häuser heißen Gleichstromgebäude, Wechselstromgebäude und Energietwist und spielen mit genau jenen Bildern, die sie evozieren.“ Mal ist es die gleichförmige Belichtung von allen Seiten, mal die wechselnde, hin und her springende Erschließung, mal die sich verdrehende Struktur des gesamten Hauses. Der Kurzschluss ist vorprogrammiert. Ob die Metaphern über die Konzeptionsphase hinaus Bestand haben und von den künftigen Bewohnerinnen entsprechend verstanden werden, sei dahingestellt.

Mit Brücken verbunden

Ungewöhnlich ist jedenfalls, dass die einzelnen Bauteile mittels Brücken miteinander verbunden werden und über eine ganze Batterie an quartiersübergreifenden Gemeinschaftsräumen verfügen, die den Bewohnerinnen und Bewohnern des gesamten Planungsareals zur Verfügung gestellt werden sollen. Ergänzt wird das Angebot von sogenannten Pop-up-Boxen im Erdgeschoß. „Hier werden die Bewohner die Möglichkeit haben, auch sehr kurzfristig Räume und Gewerbeflächen anzumieten“, so Freimüller-Söllinger. „Ganz gleich, ob das nun ein Büro, ein kleiner Imbissstand oder eine Punsch- und Glühweinhütte ist.“

Drei weitere Bauten, die die BWS errichtet, stammen aus der Feder der group of young architects (goya). Auch hier folgen die einzelnen Häuser mit Wohnungen zwischen ein und vier Zimmern mehr oder weniger spannungsgeladenen Ideen. Highlight ist sicherlich das zwölfgeschoßige Hochhaus mit einem breiten Spektrum an ganz unterschiedlich konfigurierten Wohnungen. „Wir kombinieren Wohnungen mit einer minimalen Trakttiefe von nur fünf Metern mit solchen, die bis zu zwölf Meter tief sind“, erklärt Architekt Paul Preis von goya. „Auf diese Weise können wir innerhalb eines Bauteils einen maximalen Mix an Wohnungscharakteren anbieten.“ Bonuszuckerl für junge Paare: In puncto Fensteraufteilung und Vorinstallation sind die meisten Wohnungen so konzipiert, dass sich ein Teil des Wohnzimmers eines Tages für ein kleines Kabinett abzwacken lässt.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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