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Bauten für den dänischen Way of Life
Der Standard

Seit Jahren bestechen Kopenhagener Architekten mit ungewöhnlichen, innovativen Konzepten. Die „dänische Sichtweise auf die Welt“ sorgt international für Furore und spielt auch bei den Mipim-Awards eine große Rolle.

12. März 2017 - Wojciech Czaja
Wien – Jahrzehntelang hat die dänische Presse auf Papirøen ihre Rohstoffe und Zeitungen gelagert. Doch seitdem die Lagerhäuser 2013 geleert wurden, steht die Papierinsel bis auf wenige Häuser leer. Nun soll das 45.000 Quadratmeter große Areal im Kopenhagener Stadtteil Christiansholm revitalisiert und neu bebaut werden. Das dänische Büro Cobe Architects, das sich in einem Wettbewerb gegen OMA, MVRDV, Henning Larsen, C. F. Møller, Adept und Holscher Nordberg Polyform durchsetzen konnte, plant darauf einen lebendigen Stadtteil mit öffentlich nutzbaren Einrichtungen, Büroräumlichkeiten und Wohnungen.

Großer Wert wurde auf die Landschaftsarchitektur gelegt. Wie auch in der HafenCity Hamburg, die europaweit immer wieder als Best-Practice-Beispiel herangezogen wird, sollen die Freiflächen begrünt und bestuhlt werden und Platz für Flohmärkte und Open-Air-Veranstaltungen bieten. Zum Wasser hin soll die Kante zu Sitztribünen ausgebildet werden. Während in der hohen Erdgeschoßzone eine Schwimmhalle, eine Markthalle, Eventräumlichkeiten und Hallen für Gewerbetreibende und Kreativwirtschaftler untergebracht werden, sind die oberen fünf bis zehn Etagen, die ein wenig an die Häusersilhouetten in der historischen Innenstadt erinnern, für Wohnungen und Büros reserviert.

„Unsere Vision ist, Christiansholm und vor allem Papirøen zu einem First-Class-Beispiel für urbanes Leben auszubauen und Touristen sowie Besucher aus der ganzen Stadt anzuziehen“, erklärt Dan Stubbergaard, Gründer und Chefarchitekt von Cobe, der mit seinem Büro selbst auf der kleinen Insel eingemietet ist und spätestens bei Baustart 2018 seine kreativen Hallen räumen wird müssen. „Das Projekt soll ein Beitrag zum Kopenhagener Way of Life werden.“

Kronjuwel

Jens Kramer Mikkelsen, CEO des Grundeigentümers und Auftraggebers CPH City & Port Development, bezeichnet den Siegerentwurf sogar als „Kronjuwel des inneren Hafens“ und als logische Ergänzung zum benachbarten Königlichen Opern- und Theaterhaus. Kein Wunder also, dass das Stadtentwicklungsprojekt, das in Zusammenarbeit mit Inside Outside, Via Trafik und dem deutschen Klima-Engineering-Büro Transsolar geplant wird, derzeit unter den vier Finalisten für die Mipim-Awards 2017 in der Kategorie „Best Futura Project“ rangiert. In wenigen Tagen wird im Palais des Festivals in Cannes der Gewinner gekürt.

Es ist nicht das erste Mal, dass dänische Architektur weit über ihre Grenzen hinweg Bekanntheit erlangt. Der Kopenhagener Marketingzampano Bjarke Ingels und das von ihm 2005 gegründete Büro BIG (Bjarke Ingels Group) haben der dänischen Hauptstadt mit ungewöhnlichen Wohn- und Büroentwicklungen bereits mehrfach Aufmerksamkeit beschert. Aktuell baut Ingels für den Heizkraftwerkbetreiber Amagerforbrænding eine Müllverbrennungsanlage, deren Dach im Winter als 1,5 Kilometer lange Ski- und Snowboardpiste dienen wird. Noch heuer, so der Plan, soll das 800 Millionen Euro teure Pionierprojekt in Betrieb gehen.

BIG ist längst schon international tätig. Im Herbst letzten Jahres wurde in der West 57th Street in New York ein 142 Meter hohes Wohnhaus fertiggestellt, dessen geböschte Fassade sich wie ein dreieckiges Segel gegen den angrenzenden Hudson River stemmt. Aktuell arbeitet der 42-jährige Bjarke Ingels am neuen World Trade Center 2 sowie an „The Big U“ entlang des gesamten Ufers von Manhattan. Die Hochwasserschutzanlage soll den Big Apple künftig vor Hurrikans und steigendem Meeresspiegel schützen. „Es geht in der Architektur darum, unsere Träume zu realisieren“, so Ingels, der sogar schon einmal vom Magazin Rolling Stone interviewt wurde. Auch das kommt nicht alle Tage vor. „Und ja, vielleicht haben wir Dänen eine etwas offenere, unvoreingenommenere Sichtweise auf die Welt.“

Dänische Vorherrschaft

Damit erklärt sich auch, warum auf der Liste der heurigen Mipim-Awards-Finalisten gleich noch zwei weitere dänische Projekte auffallen: In Slagelse, 100 Kilometer westlich von Kopenhagen, planten Karlsson Arkitekter für die Region Sjælland das psychiatrische Krankenhaus GAPS (nominiert in der Kategorie „Best Healthcare Development“). Das 44.000 Quadratmeter große, überaus warm und angenehm gestaltete Haus, das mit DGNB Silber zertifiziert wurde, besticht durch Tageslicht, farbige Kunstlichtführung und viel helles Holz.

Eines der vielleicht aufregendsten Projekte unter den Finalisten ist jedoch der Neubau des Parkhauses Lüders im Nordhavn, Kopenhagen. Anders als bei den meisten Hochgaragen nämlich handelt es sich dabei nicht um einen monofunktionalen Klotz in der Stadt, sondern um eine im wahrsten Sinne des Wortes verspielte, begehbare Skulptur: Das gesamte Dach im achten Stock wurde als knapp 2000 Quadratmeter großer, öffentlich zugänglicher Spielplatz ausgebildet. Mit ihrem Park ’n’ Play – so der offizielle Titel der ungewöhnlichen Revitalisierung – haben JaJa Architects und Rama Studio die Messlatte für städtische Infrastruktur hochgelegt. Das rote Park- und Spielhaus ist sogar für den Mies-van-der-Rohe-Award 2017 der EU nominiert.

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