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Mit dem Pilzkopf durch die Ziegelwand
Der Standard

Das Biologiezentrum der Universität Wien wird übersiedeln. Ab 2021 sollen zukünftige Forscherinnen und Forscher in einem Neubau in St. Marx ausgebildet werden. Der Bio-Cluster bekommt damit ein neues Puzzlestück. Nun wurden die Pläne präsentiert.

12. April 2017 - Wojciech Czaja
Wien – Der Bio-Cluster in St. Marx bekommt Zuwachs. Zum Institute of Molecular Biotechnology, dem Gregor-Mendel-Institut, zu den Max F. Perutz Laboratories und zum kürzlich eröffneten Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie gesellt sich ab dem Wintersemester 2021 das neue Biologiezentrum der Universität Wien. Letzte Woche wurden die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt. Der 19.000 Quadratmeter große Neubau gibt sich in massiver Klinkeroptik und bietet mit seinen organischen Rundungen willkommene Abwechslung zur unterkühlten Schwarz-Weiß-Ästhetik, die in den letzten Jahren in Wien dominierte.

„Das bestehende Biologiezentrum in der Althanstraße war schon seit Jahren dringend sanierungsbedürftig“, sagte Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien, dem STANDARD . Kalkulationen hätten aber ergeben, dass ein Neubau viel billiger ausfallen würde. „Dazu kommt, dass die Sanierung bei laufendem Betrieb mit 5000 Studierenden alles andere als optimal ist. Nun bekommen wir für weniger Geld ein komplett neues Gebäude mit modernster Technik, hoher Flexibilität und perfekter Anbindung an den öffentlichen Verkehr und an den Bio-Cluster St. Marx.“ Kurze Pause. „Und ja, mir gefällt das Gebäude gut. Ich bin mir sicher, dass der Klinkerbau zu einer gerngesehenen Landmark in der Gegend wird.“

Der Wettbewerbsentwurf dazu stammt von den Berliner Architekten Marcel Backhaus und Karsten Liebner. Mit ihrem fast 180 Meter langen Ziegelriegel konnten sich die beiden gegen 40 Mitbewerber durchsetzen. „Die Ausschreibung war sehr komplex“, erzählt Liebner. „Allen Forderungen gerecht zu werden war fast eine mathematische Aufgabe mit mehreren Unbekannten.“ Das Resultat der Bemühungen: Zur Schlachthausgasse hin gibt sich der sechsgeschoßige Baukörper wuchtig und städtisch, zu den Wohnhäusern im Osten hin wird das Bauvolumen in quergestellten Riegeln mehr und mehr aufgelockert.

Déjà-vu für Kenner

„Mit der Klinkerfassade wollen wir die historischen Bauten der Umgebung wie die ehemalige Viehmarkthalle aufgreifen“, sagt Liebner. „Damit fügt sich der Bau ins bestehende Ensemble.“ Architekturkenner werden angesichts der Visualisierung ein Déjà-vu haben, erinnert das Haus doch an die 1939 eröffnete Bürozentrale von S. C. Johnson Wax in Racine, Wisconsin. Damals hatte Architekt Frank Lloyd Wright mit Ziegelfassade, schmalen Fensterbändern und unverwechselbaren Pilzkopfsäulen gearbeitet. Das denkmalgeschützte Gebäude zählt heute zu Wrights bekanntesten Objekten.

„Die Ähnlichkeit ist sicher kein Zufall“, sagt Liebner. „Große Universitätsbauten in Europa und in den USA wurden lange Zeit im Stil der klassischen Moderne errichtet. Heute suggerieren diese Bauformen Nachhaltigkeit und Beständigkeit.“ Nicht nur im Außenraum werden die charakteristischen Pilzkopfsäulen das Gebäude tragen, sondern auch innen: Geplant sind – wie schon bei Frank Lloyd Wright – hohe, zweigeschoßige Arbeitsräume, die laut Liebner nicht nur funktional, sondern auch schön und atmosphärisch ansprechend sein sollen.

Das Biologiezentrum soll laut Rektor Engl 5000 Studierenden und 600 bis 700 Forschern und Angestellten Platz bieten. Dank Fernwärme, Erdwärme, Wärmerückgewinnungsanlage, Regenwassernutzung, LED-Beleuchtung, integrierter PV-Anlage und ideal gedämmten Außenwänden will man Niedrigenergiestandard erreichen. Die Ziegelklinker im schlanken Langformat werden die Architekten eigens für dieses Projekt produzieren lassen.

„Ich denke, dass wir mit dem Neubau in St. Marx einen sehr guten Weg einschlagen“, sagt Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die das 146 Millionen Euro teure Gebäude entwickeln und errichten wird.

Funktional angeordnet

„Entscheidend für den einstimmigen Juryentscheid war vor allem die funktionale Anordnung von Bibliothek, Mensa, Verwaltung, Hörsälen und Laborbereichen.“ Und dass das Projekt spätere Umbauten ermögliche. „Wir wissen noch nicht, in welche Richtung sich die Labortechnik in 20, 30 Jahren entwickeln wird.“

Die Verhandlungsgespräche mit den Architekten haben jedenfalls gerade begonnen. Im Sommer 2018 werden die Bauarbeiten gestartet, die Fertigstellung ist für das Wintersemester 2021/22 geplant. Der Altbau in der Althanstraße soll mittelfristig als Ausweichquartier für andere Unis und Fakultäten genutzt werden. Langfristig, heißt es seitens der BIG, sei es nicht unwahrscheinlich, das derzeitige Biologiezentrum durch einen Neubau zu ersetzen – etwa durch ein Studierendenheim.

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