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Formen und Dimensionen
Der Standard

Kiesler-Preisträger Frank O. Gehry über die Grenzen von Kunst und Architektur

Mit Frank O. Gehry wurde am Dienstag in Wien ein Star der internationalen Architektur mit dem neuen Friedrich-Kiesler-Preis ausgezeichnet. Der STANDARD sprach mit dem kalifornischen Preisträger und wollte zunächst wissen, welche Beziehung er zum Werk Kieslers habe.

4. Juni 1998 - Gert Walden
Gehry: Kieslers Werk und Philosophie waren mir bekannt. Aber unsere Generation wurde früh mit Le Corbusier und Frank Lloyd Wright bombardiert. Als ich vom Preis hörte, habe ich mir die Bücher über ihn wieder angeschaut. Im Gegensatz zur Moderne hat er eine humanistische und keine technologische Vision entwickelt. Das führt uns wieder zum Natürlichen. Ich glaube, ich hätte ihm wirklich mehr Aufmerksamkeit schenken sollen.

Standard: Das Guggenheim-Museum in Bilbao – Ihr opus magnum, wie es gestern Hans Hollein nannte – wird oft als große Plastik betrachtet. Sehen Sie eine Trennlinie zwischen Architektur und Kunst?

Gehry: Nein, grundsätzlich nicht. Ich wurde von Galeristen gebeten, Skulpturen zu machen. Als ich fragte, welche Skulpturen, antworteten sie, eben solche Formen, wie sie im Atelier stehen. Aber schließlich kann ich einfach keine Skulpturen machen. Ich mache Kunst mit meinen Gebäuden. Ich mache Räume für Menschen. Ich lebe also mit einer Trennlinie zwischen Kunst und Architektur, selbst wenn ich nicht an sie glaube. Meine Aufgabe ist es, mit Formen, Dimensionen und Maßstäben zu arbeiten. Skulpturen jedoch haben keine Fenster. Daher würde das den puristischen Sinn, etwa von Richard Serra, doch sehr stören. Es gibt zwar viele Künstler, auch in Österreich, die Bauten entwerfen, aber meist mit wenig Erfolg

STANDARD: Ihre Architektur wird als dekonstruktivistisch bezeichnet, welche Bedeutung hat die Konstruktion für Sie?

Gehry: Ich weiß nicht, was der Begriff mit meiner Arbeit zu tun hat. Er trifft wohl eher auf Eisenman oder Derrida zu. Die Konstruktion ist wichtig, wir reden nur zuwenig darüber, obwohl sie uns die Freiheit beim Planen gibt. Doch eine symbolische Bedeutung, wie in der Moderne, hat die orthogonale Konstruktion für mich nicht. Ich denke an Räume, den Kontext und die Emotion eines Gebäudes, die ich in der Darstellung von Bewegungen ausgedrückt sehe.

STANDARD: Gibt es Unterschiede zwischen europäischer und amerikanischer Kultur?

Gehry: Die Menschen in Europa sind besser gebildet. Vor allem Politiker haben mehr Verständnis für Architektur, während mich amerikanische Politiker lediglich als komische Figur betrachten.

STANDARD: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen den Menschen, die mit Ihrer Architektur leben, und dem Ausdruck persönlicher Gefühle durch Ihre Architektur?

Gehry: Wichtiger als das persönliche Statement in der Architektur ist die Beziehung zu den Menschen. Es gibt da eigentlich keinen Widerspruch, wenn man die Menschen liebt und das Beste für sie zu machen versucht.

STANDARD: Würden Sie sozialen Wohnbau planen?

Gehry: In Frankfurt habe ich sozialen Wohnbau realisiert. Ich würde gerne mehr machen, weil ich dann die Verwendung der Gelder besser steuern würde. In Frankfurt war es schwierig, Räume zu schaffen, die den introvertierten europäischen Vorstellungen entsprechen.

STANDARD: Haben Sie eine planerische Vision, die Sie gerne verwirklichen würden?

Gehry: Ich würde gerne Gebäudegruppen mit anderen Architekten entwickeln, weil damit der Maßstab von Großprojekten relativiert wird. Viele Planer haben übersehen, daß Demokratie sehr chaotische Städteräume mit sich bringt. Daher liebe ich und suche ich das Zusammenwirken unterschiedlicher geistiger Haltungen.

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