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Farce ums Palais Schwarzenberg
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Ein Multiorganversagen, gegen das kein Mittel mehr hilft: Das Palais Schwarzenberg und sein Park werden gnadenlos „in Ertrag gesetzt“. Was diese Farce uns über die Bau- und Gartenkultur in Wien erzählt.

16. Februar 2019 - Christian Kühn
Seit Jahren geht es bergab. Das Palais Schwarzenberg und sein Park waren einmal ein besonderer Ort: ein Restaurant mit gepflegter Gartenanlage und dem Ruf, eines der besten der Stadt zu sein; eine Bar, die seit ihrer Ausstattung durch Hermann Czech in den 1980er-Jahren Kultstatus genoss; ein leicht angemoostes Luxushotel in einem Seitentrakt, das seinen Gästen immerhin den exklusiven Spaziergang in einem Teil des Parks bieten konnte. Zu besonderen Anlässen veranstaltete man hier bombastische Feuerwerke vor der Fassade des Palais, das Lukas von Hildebrandt 1697 für den Grafen Mansfeld entwarf. Hildebrandts Rivale, Johann Bernhard Fischer von Erlach, adaptierte den Entwurf, nachdem das noch nicht vollendete Palais 1716 in den Besitz der Schwarzenbergs übergegangen war.

Die Existenz des Areals ist vielen Wienern gar nicht bewusst, vermuten sie doch hinter der langen Mauer entlang der Prinz-Eugen-Straße den Barockgarten des Belvedere und nicht einen weiteren, quasi eingeschobenen Park, der beim Palais Schwarzenberg mit einer Breite von rund 130 Metern etwas breiter ist als jener des Belvedere und sich stadtauswärts auf 40 Meter verjüngt. An der schmalsten Stelle befand sich früher das große Becken für die Wasserspiele, in dem heute Tennisplätze untergebracht sind. Der Park fällt von hier in mehreren Stufen stadteinwärts ab. Vor dem größten Niveausprung liegt auf der Symmetrieachse der Anlage ein barockes Wasserbecken mit einer in die Stützmauer eingebauten Grottenanlage. Auf der Ebene darüber befindet sich unmittelbar an der Mauer zur Prinz-Eugen-Straße das erst 1929 errichtete sogenannte Belvederestöckl. Es nutzte eine kleine Fläche des Parks für einen Gastgarten, der zu Recht damit werben durfte, der schönste Wiens zu sein. Dieses Lokal verkam zusehends, baulich und kulinarisch. Bevor es Ende der 1990er-Jahr geschlossen wurde, war es im Ruf gestanden, nur noch von Spionen und der russischen Mafia frequentiert zu werden.

Seit über zehn Jahren sind das Palais und das Stöckl nun außer Betrieb. Die Versuche, sie wiederzubeleben, waren zahlreich. Das Palais sollte wieder Luxushotel werden, kombiniert mit einer Tiefgarage unter dem großzügigen Vorplatz. Schon Ende 2004 hatte die Schwarzenberg'sche Familienstiftung ein ehrgeiziges Sanierungs- und Erweiterungsprojekt vorgestellt, dem ein Architekturwettbewerb zugrunde lag, den Wolfgang Tschappeller gegen die Konkurrenz von Zaha Hadid, Günther Domenig und Hermann Czech gewonnen hatte. Zu den vorhandenen 44 Zimmern sollten 33 neue im Altbau entstehen, dazu 25 neue Suiten im Garten an der Stelle eines bestehenden Glashauses. Die Arbeiten sollten bis zum Jahr 2007 abgeschlossen sein und ein Hotel in einer Dimension schaffen, das sich im Luxussegment rechnet.

Allein mit der Finanzierung haperte es. Bewegung in das Projekt kam erst wieder 2009, als der saudische Investor Mohamed Al Jaber ankündigte, sich mit 100 Millionen Euro zu engagieren. Zwei Jahre später, 2011, stellte sich heraus, dass dieses Versprechen substanzlos war. Die nächste Hoffnung lag in der für 2014 geplanten Umwandlung des Palais in ein Spielkasino, für das ein deutsch-schweizerisches Konsortium den Zuschlag erhalten hatte und immerhin 50 Millionen Euro zu investieren ankündigte. Das Projekt scheiterte 2017 am Einspruch der Casinos Austria gegen die Lizenzerteilung an die Konkurrenz.

Die Schwarzenberg'sche Familienstiftung verabschiedete sich ab diesem Zeitpunkt offensichtlich von jeder Hoffnung auf einen großen Wurf. Auch für eine der reichsten Familien Österreichs ist ein leer stehendes Palais mit großem Park auf Dauer eine Belastung und muss daher – wie es aus der Familienstiftung heißt – „in Ertrag gesetzt“ werden. Der Weg dorthin erfolgt nun in kleinen Schritten: die Tiefgarage vor dem Palais wurde gerade fertiggestellt, der Ausbau des Belvederestöckl zu einem Bierlokal mit Brauereianlage und 880 Sitzplätzen hat begonnen. Für das barocke Palais hat sich ein Hotelbetreiber gefunden, ein anderer für den Neubau im Garten, der dort einen Bau zu errichten plant, dessen Umrisse sich an Wolfgang Tschapellers Projekt orientieren.

Reicht das? Offensichtlich nicht. Die ersten Ergebnisse dieser Planung ohne großen Plan zeigen, wie tief die Ambitionen der Bauherrschaft gesunken sind. Die Tiefgarageneinfahrt am Schwarzenbergplatz ruiniert das, was immer noch der Hauptzugang zum Palais ist, auf eine geradezu groteske Weise. Hier spürt man, dass alle Beteiligten jede Hoffnung haben fahren lassen. Ernst Bloch hat diese Haltung einmal als „ins Scheitern verliebt sein“ bezeichnet. Alle Beteiligten, von den verantwortlichen Planern, Hoppe Architekten, bis zum Denkmalamt und zur MA 19, der Magistratsabteilung für Stadtplanung und Stadtgestaltung, wissen, welches Machwerk sie hier geplant oder bewilligt haben. Aber eine Tiefgarageneinfahrt ist halt eine Tiefgarageneinfahrt, da ist nichts zu retten. Über Alternativen, konzeptionell und formal, die es natürlich gibt, hat hier niemand mehr nachdenken wollen.

Der nächste Nadelstich im Ensemble ist die bereits laufende Erweiterung des Belvederestöckl, geplant vom selben Architekturbüro. Der Zubau muss sich in den Rahmen eines bestehenden Bebauungsplans hineinwinden, den der Pächter, die Firma Salm Bräu, bis aufs Letzte ausnutzen möchte. So entsteht an einem der schönsten Plätze der Stadt eine traurige Sachzwangarchitektur. Auch hier hat man irgendwann aufgegeben, nach einer angemessenen Lösung zu suchen: Hauptsache, 880 Sitzplätze für die Gastronomie.

Genauso schmerzlich wie diese baulichen Verwerfungen ist der Unverstand im Umgang mit dem Park des Palais, auf den die Österreichische Gesellschaft für historische Gärten seit Jahren hinweist. Private Gärten dürfen in Österreich nur mit Zustimmung des Eigentümers unter Denkmalschutz gestellt werden, und so sind im Schwarzenberggarten zwar die baulichen Elemente wie Wasserbecken, Stützmauern und Skulpturen geschützt, aber nicht das Gartenkunstwerk, dessen Teil sie sind. Die Entwicklungsgeschichte dieses Kunstwerks ist über die Jahrhunderte gut dokumentiert, von der barocken Grundanlage bis zur romantischen Überformung in Richtung eines Landschaftsgartens.

Der Park scheint heute verwildert, aber das war er schon 1932, als der Kritiker der „Neuen Freien Presse“ schrieb: „Der Park hält nicht mehr auf sich, wie das bei alten Leuten zuweilen vorkommt. Aber ein alter, feudaler Park kann sich nicht recht in einen Wald zurückverwandeln. Statt eines Stückchens befreiter, anmutig wilder Natur ist er doch nur ein Park im Negligé.“ Jede Maßnahme in diesem Park müsste von dieser Perspektive her gedacht werden und sich die Herstellung eines Gartenkunstwerks zum Ziel setzen, sei es als Rekonstruktion oder zeitgenössische Weiterentwicklung. Diese könnte eine direkte Verbindung vom Schwarzenbergpark zum Garten des Belvedere und weiter in den Botanischen Garten umfassen, um erlebbar zu machen, über welch einzigartiges Ensemble Wien hier verfügt.

Mit der Errichtung des Biergartens ergibt diese Verbindung keinen Sinn mehr. Man darf froh sein, dass sich das neue Etablissement hinter einer Mauer verbirgt. Für die Zukunft wäre zu überlegen, das vor Jahren aufgelassene Referat für Historische Gärten im Bundesdenkmalamt wiedereinzurichten und die Benachteiligung der Gartenkunst im Denkmalschutzgesetz zu korrigieren.

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