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Durch die Zeiten
Neue Zürcher Zeitung

Deutsches Design 1935-1955 in Münster

27. Juni 2000 - Claudia Schwartz
Es gab im nationalsozialistischen Deutschland auch einen Bilderkanon jenseits von Hakenkreuzen und Allmachtsphantasien: Die Ausstellung «Die nützliche Moderne» im Westfälischen Landesmuseum will die Kontinuitäten bei Graphik- und Produktdesign von den dreissiger bis in die fünfziger Jahre illustrieren. Der reiche Fundus vorwiegend an Plakaten macht die Sonderrolle der Gebrauchskünste deutlich, die zum Teil unberührt von den politischen Brüchen blieben. Das ästhetische Fortleben der Moderne im Nationalsozialismus verdankt sich allerdings weniger einer oppositionellen Haltung der Designer. Es rührte vielmehr von einer erstaunlichen Zurückhaltung der Diktatur gegenüber der Produktgestaltung für alltägliche Lebenssphären. Nach 1937 eignete sich das Regime freilich ästhetische Prinzipien des ideologischen Feindes an, wie sich am Beispiel des Bauhauses zeigt, in dessen Tradition Werbung, Graphik und Produktdesign jener Zeit standen.

Das Verdienst der Ausstellung liegt in ihrem umfassenden Überblick von der Weimarer Republik bis in die Nachkriegszeit: Erstmals ist nach der deutschen Wiedervereinigung ein ausführlicher Vergleich des gestalterischen Schaffens von BRD und DDR möglich. Die Macht der Gewohnheit schlug sich in den bunten Bilderwelten der «verbissenen Zwangserben» (Jürgen Krause) noch in den fünfziger Jahren in vielen Gemeinsamkeiten nieder. So reich an Material die Schau auch ist, so wenig macht sie ihre Auswahlkriterien deutlich. Je länger man die dicht gehängten Plakate studiert, umso problematischer erscheint denn die Entscheidung der Ausstellungsmacher, auf erklärenden Text, und damit: Kontext, zu verzichten. Unbefriedigend wirkt das spätestens bei «Karrieren» wie derjenigen des ehemaligen Bauhaus-Meisters Herbert Bayer und der Propagandaarbeit seines Werbestudios für die neuen Herren. Wer wirklich etwas erfahren möchte, dem sei der differenzierte Katalog empfohlen.


[ Die Ausstellung im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, dauert bis zum 16. Juli. Katalog DM 38.-. ]

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