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Profil

Studium an der TU-Wien (Dipl.Ing.) und an der ETH-Zürich (Dr.sc.techn.); unterrichtet am Institut für Gebäudelehre der TU-Wien; seit 1995 im Vorstand der österreichischen Gesellschaft für Architektur; seit 2000 Vorstand der Architekturstiftung Österreich. Publikationen unter anderem „Das Wahre, das Schöne und das Richtige - Adolf Loos und das Haus Müller in Prag“, Vieweg 1989 (Neuauflage 2001); „Stilverzicht - CAAD und Typologie als Werkzeuge einer autonomen Architektur“, Vieweg 1998; „Anton Schweighofer - A Quiet Radical“, Springer 2001; „Ringstraße ist überall - Texte über Architketur und Stadt 1992 - 2007“; seit 1992 Architekturkritiker für „Die Presse“ und „Architektur & Bauforum“. Studiendekan der Studienrichtungen Architektur und Building Science an der TU Wien von 2008 bis 2023; Vorsitzender des Beirats für Baukultur im Österreichischen Bundeskanzleramt seit 2015; Kommissär für den österreichischen Beitrag zur Architekturbiennale in Venedig 2014.

Artikel

22. March 2009 Spectrum

Stadt fährt ab

Die größte „innere“ Stadterweiterung Wiens: das Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs. Über den Versuch, Stadt entstehen zu lassen.

Das Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs ist das größte „innere“ Stadterweiterungsgebiet Wiens. Auf der mentalen Landkarte der Stadtbewohner blieb es jedoch über die letzten Jahrzehnte ein weißer Fleck. Wer, vom Zentrum kommend, über die Lasallestraße Richtung Reichsbrücke unterwegs ist, hat zwar ein relativ klares Bild von der urbanen Struktur, die sich rechter Hand ausbreitet: Da liegen die Venediger Au und der Wurstelprater, das Messegelände und irgendwo dahinter das Praterstadion. Aber zur Linken? Am Beginn der Lasallestraße am Praterstern finden sich seit den 1980er-Jahren ein paar breit hingesetzte Bürohäuser, die mit großen Konzernen wie IBM und der Bank Austria assoziiert werden. Richtung Mexikoplatz schließen weitere Büroblöcke an, als deren einzige Besonderheit ein inzwischen pleitegegangenes Kinocenter zu nennen ist. Aber dahinter? Nur Eisenbahnfans und Anrainer hatten eine Vorstellung von diesem Areal, das sich hier mit seinen Gleisanlagen über zwei Kilometer weit in die Tiefe erstreckte.

Geändert hat sich das ansatzweise zu Beginn der 1990er-Jahre, als in der Remise am Nordbahnhof zwei Jahre hintereinander das „Wiener Architekturseminar“ stattfand, geleitet von Boris Podrecca, zuerst gemeinsam mit Albert Wimmer, dann mit Heinz Tesar. Dass international renommierte Architektinnen und Architekten wie David Chipperfield, Betrix/Consolascio oder Juan Navarro Baldeweg von der Wiener Stadtverwaltung eingeladen wurden, sich außerhalb eines Wettbewerbs mit zukünftigen Stadtstrukturen zu befassen, war ein Novum und auch nur eine kurzfristige Begleiterscheinung der Ära des Planungsstadtrats Hannes Swoboda. Begonnen wurden die Workshops noch im Rahmen der Aufbruchsstimmung rund um die für 1995 geplante Wiener EXPO. Als diese 1991 per Volksbefragung zu Fall gebracht worden war – ein erster großer „Erfolg“ des Wiener Rechtspopulismus – war auch die Dynamik hinter dem Projekt Nordbahnhof verschwunden.

Immerhin entschied man sich 1992 in einem Wettbewerb noch für ein städtebauliches Konzept, das die Handschrift von Heinz Tesar und Boris Podrecca trägt. Es sieht einen Blockraster vor, der an den Bauten in der Lasallestraße Maß nimmt und im Zentrum Platz lässt für einen großen, annähernd quadratisch angelegten Park, eine Art Miniaturausgabe des New Yorker Central Park in der zukünftigen hoch verdichteten Struktur. Nach Süden hin wird das Areal durch einen Gewerbestreifen entlang der Schnellbahnlinie abgeschlossen, der diagonal Richtung Praterstern führt. Diese Diagonale hatte bereits Wilhelm Holzbauer im Zuschnitt des IBM angedeutet. Im anschließenden Bank-Austria-Gebäude, dem gelungensten Projekt Holzbauers in Wien, war diese Diagonale sogar als öffentlicher Durchgang durch den Innenhof geplant. Aus Sicherheitsgründen ist davon leider nicht mehr geblieben als ein diagonaler Blick durch ein Metallgitter.

Einen ersten Schritt ins Areal hinein machte die Entwicklung erst wieder im Jahr 2000, als eine nördlich an der Vorgartenstraße gelegene Blockkante mit drei Wohnbauten nach Entwürfen von Coop Himmelb(l)au, Neumann/Steiner und Boris Podrecca bebaut wurde. Die Projekte behandeln die Frage der hohen Dichte auf sehr unterschiedliche Art. Coop Himmelb(l)au wuchten einen Teil des Volumens nach oben, um dafür nach innen einen offeneren Hof gestalten zu können, während Neumann/Steiner über einen kleinen Spiegelwald Licht von oben in die engen Höfe holen. Und Boris Podrecca kaschiert mit seiner oft bewährten, irgendwo zwischen Klassizismus und Modernismus angesiedelten Architektursprache geschickt, dass seine Blockrandbebauung eigentlich ein Hochhaus mit bis zu 15 Geschoßen ist.

Derzeit steht dem Areal der nächste Entwicklungsschub bevor. Der große Park ist bepflanzt und hat einen Namen bekommen: Er verewigt als Rudolf-Bednar-Park das Andenken an einen Leopoldstädter Bezirksvorsteher der Jahre 1977 bis 1984. Rundum entstehen nun in rascher Folge Wohnbauten, ähnlich dicht und ähnlich heterogen wie die ersten Projekte an der Vorgartenstraße. Bereits fertiggestellt ist die Bike-City, entworfen von Claudia König und Werner Larch, eine speziell auf die Bedürfnisse von Radfahrern abgestimmte Wohnhausanlage. Die Anzahl der KFZ-Stellplätze ist reduziert, dafür gibt es auf den Geschoßebenen eigene Räume für Fahrräder, die nicht wie Abstell-, sondern mit ihren geschoßhohen Glaswänden eher wie Sozialräume wirken. Tatsächlich hoffen die Architekten und der Bauträger Gesiba, dass in diesen Räumen nicht nur Fahrräder, sondern auch die Hausgemeinschaft gepflegt wird.

Die Wohnungen sind mehrheitlich als Maisonetten ausgeführt, von einem nördlich zur Vorgartenstraße liegenden Laubengang erschlossen, der sich vor den Wohnungen zu „Parkbuchten“ für die Drahtesel erweitert. Im Schnitt zeigt das Projekt eine sehr effiziente, schon von Le Corbusier bei seinen großen Wohnbauten, den Unités d'Habitation, verwendete Typologie, bei der ein Laubengang nur alle drei Geschoße benötigt wird. Im Unterschied zu den Unités mit ihren dunklen Gängen ist der Gang hier aber seitlich zur Straße hin geöffnet und belichtet. Auch sonst orientiert sich das Projekt an der Architektursprache der klassischen Moderne. Die Grundrisse sind gut geschnitten, die Loggien groß und gut nutzbar. Die Fassaden kombinieren die Farben Dunkelgrau und Weiß mit Lattenrosten aus Holz, wie sie heute en vogue sind.

Einen völlig anderen Weg gehen die Architekten des benachbarten, gerade in Fertigstellung begriffenen Projekts, Anna Popelka und Georg Paduschka, die unter dem Namen PPAG firmieren. Mit den Spielregeln der klassischen Moderne hat ihr Wohnbau dezidiert nichts mehr zu tun. Kein „erhabenes Spiel von platonischen Körpern unter dem Licht“, wie Le Corbusier Architektur einmal definiert hat, sondern ein Bau, der – in den Worten der Architekten – nach „oben und unten abbröselt wie ein altes Keks“. Die große, durchgängig in einem sehr hellen Blau gestrichene Baumasse, die den Rudolf-Bednar-Park an der Nordseite in voller Länge begrenzt, ist aus einer Vielzahl von Raumzellen komponiert, die sich auch an der Fassade durch Vor- und Rücksprünge deutlich abzeichnen. Vorgehängte große Balkone mit rosa Glasbrüstungen prägen hier das Fassadenbild, während nach Norden zur Vorgartenstraße hin ein System von Terrassen entsteht, deren Geländer aus Drahtgewebe ausgeführt sind.

Die Vor- und Rücksprünge sind kein reiner Formalismus, sondern das Produkt kombinatorischer Überlegungen, mit denen PPAG sich seit Jahren systematisch befasst. Auch ihre „Enzis“ im Museumsquartier lassen sich ja zu ganz unterschiedlichen Räumen zusammensetzen, von der Liegenlandschaft bis zur Eishöhle. Im Wohnbau am Bednarpark ist diese Kombinatorik auch im Erschließungssystem zu spüren. Nur im ersten Stock führt ein Gang über die volle Länge des Gebäudes, darüber gibt es eine abschnittsweise Erschließung über Treppenhäuser und Stichgänge, die durch zweigeschoßige Lufträume und Sozialräume aufgelockert sind. Auch wenn alle Stichgänge eher schmal und nur stellenweise natürlich belichtet sind, sind sie doch voneinander unterscheidbar. An wichtigen Punkten finden sich tapetenartige Kunst-am-Bau-Projekte. Auch in diesem Wohnbau sind viele der Wohnungen Maisonetten, wobei die Typenvielfalt im Vergleich zur Bike-City deutlich größer ist.

Ob dieser Wohnbau die Erwartungen einer jüngeren Generation erfüllt, die dezidiert anders wohnen will als ihre Eltern und bereit ist, dafür auch ein paar dunkle Winkel mehr als nötig in Kauf zu nehmen, wird man erst in ein paar Jahren wissen. Und ob hier wirklich Stadt entstanden ist, erst in Jahrzehnten, wenn diese Generation längst in Pension ist und im Rudolf-Bednar-Park die Tauben füttert.

6. February 2009 Spectrum

Schmaler geht's nicht

Was braucht man, um dem Leben und Wohnen auf dem Land eine neue Richtung zu geben? Politische Fantasie und mutige Bürgermeister. Wie etwa im burgenländischen Wulkaprodersdorf.

Zur Vorbereitung für die folgende Lektüre gehen Sie am besten an Ihren Computer, starten Google Earth, geben den Begriff „Wulkaprodersdorf“ ein und lassen sich langsam vom Weltkugelmaßstab ins Burgenländische zaubern, zu einer kleinen, zehn Autominuten von Eisenstadt entfernten Ortschaft mit 2000 Einwohnern. Vielleicht erklären Sie mir nach dieser Übung, dass der Effekt so neu auch wieder nicht ist, immerhin gab es auch früher Atlanten, Lexika und Globen, mit denen man mit dem Finger auf der Landkarte reisen konnte. Der revolutionäre Unterschied besteht aber darin, dass auf einem Globus Orte wie Wulkaprodersdorf niemals zu finden sein werden und umgekehrt auf einer Karte, die Wulkaprodersdorf zeigt, vom Rest der Welt nicht mehr viel zu spüren ist. In Programmen wie Google Earthsind das Große und das Kleine aber fugenlosmiteinander verbunden, Distanzen schrump-fen, und Zusatzinformationen in Form von Wikipedia-Einträgen, Fotos und Annotationen von Benutzern lassen die Welt als kugelförmiges Buch erscheinen, in dem alles mit allem verknüpft ist.

Man könnte vermuten, dass dieser veränderte Blick auf die Welt auch zu neuen Vorstellungen vom Leben und Wohnen im ländlichen Raum führen sollte. Die ersten Anzeichen dafür sind noch spärlich, aber immer öfter finden sich Projekte, die auf dem Land das bisherige Idealbild des Eigenheims, das frei stehende Haus mit seiner kleinen Gartenparzelle, hinter sich lassen. Dieses Ideal hat, flächendeckend umgesetzt, den gravierenden Nachteil einer totalen Abhängigkeit vom Individualverkehr. Dass Landleben heute nicht zuletzt Pendeln bedeutet, ist zwar klar: Wer in Wulkaprodersdorf lebt, lebt zugleich in Eisenstadt, Sopron und Wien, das nur eine knappe dreiviertel Stunde entfernt liegt, und er pendelt nicht nur zur Arbeitsstätte, sondern auch zu vielen kulturellen undsozialen Bezugspunkten. Aber wenn auch fürdie alltäglichen Besorgungen und Kontakte ein Auto Voraussetzung ist, führt sich das Ideal des naturverbundenen Lebens auf demLand rasch selbst ad absurdum.

Zugleich führt die Ausbreitung von Siedlungen am Ortsrand zu einer zunehmenden Verödung der Ortskerne, da sich mit den Bewohnern auch die Infrastruktur verlagert. Diese Entwicklung ist längst bekannt, und esfehlt auch nicht an guten Ratschlägen von Architekten und Raumplanern für eine Revitalisierung der Ortskerne. Um solche Konzepte umzusetzen, braucht es allerdings politische Fantasie und Mut auf der Ebene der Bürgermeister. Immerhin geht es um nichts Geringeres, als den Vorstellungen vom idealen Landleben eine neue Richtung zu geben.

Wulkaprodersdorf hat mit Rudolf Haller einen Bürgermeister, der die nötige Fantasie dafür aufbringt. Seit einigen Jahren kauft dieGemeinde Grundstücke im Zentrum des Ortsund versucht dort, neue Wohntypologien zu realisieren. Das ist in Wulkaprodersdorf nichtso einfach, da der Ort zum großen Teil aus alten, sogenannten Streckhöfen mit Parzellenvon rund zehn mal 100 Metern besteht. DieseBebauungsform hat Architekten schon langefasziniert, nicht zuletzt Roland Rainer, der siezum Thema seines Buchs über „Anonymes Bauen im Nordburgenland“ gemacht hat.

Nach Wulkaprodersdorf kam der Vorschlag, solche Parzellen neuen Nutzungen zuzuführen, durch den Eisenstädter Architekten Klaus-Jürgen Bauer, der als Vorsitzender des Architekturraums Burgenland Bürgermeister anschrieb, ob sie nicht Interesse daran hätten, Ortskerne auf diese Art zu revitalisieren. Wulkaprodersdorf reagierte als eine von wenigen Gemeinden und veranstaltete einen Ideenwettbewerb mit vier Architektenteams für eine verfügbare Parzelle im Ortskern. Bemerkenswert an diesem Verfahren ist, dass der Gemeinderat als Jury fungierte. Das entspricht zwar nicht den Konventionen von Architekturwettbewerben, bei denen ja stets eine Fachjury entscheiden sollte, hatte aber den großen Vorteil einer sehr offen geführten Diskussion, an der sich viele Bürger bei mehreren Stufen des Wettbewerbs beteiligen konnten.

Zur Ausführung gelangte schließlich das Projekt der Architekten Margot Fürtsch und Siegfried Loos, die gemeinsam unter dem Namen polar÷ firmieren. Es sieht fünf Häuser vor, die in zwei Gruppen jeweils eine Grundfläche von nur 120 Quadratmetern beanspruchen und einen kleinen, nicht einsehbaren Innenhof einschließen. Jedes Haus ist direkt mit dem PKW zu erreichen und verfügt über zwei überdachte Stellplätze. Typologisch bieten die Häuser klar geschnittene Grundrisse in mehreren Varianten, mit einem besonderen Augenmerk auf Freiflächen, die als Hof, Terrasse oder Balkon fast jedem Raum seinen eigenen Außenbereich zuordnen. Die Belichtung des Wohn- und Essraums, der sich zum Hof hin orientiert, ist durch einen Bereich mit größerer Raumhöhe, der über hohe Fenster viel Licht hereinbringt, geschickt gelöst. Die Hoftypen erlauben es auch, den Weg vor den Häusern als öffentlichen Durchgang zu definieren, und ermöglichen so eine zusätzliche Verknüpfung zwischen den Hauptstraßen des Orts.

Im Detail ist manches an den Häusern etwas grob umgesetzt, etwa die Geländer der Treppen und einige Elemente der Fassade wie etwa die Jalousiekästen. Die ausführende Genossenschaft „Neue Eisenstädter“ hat im Endausbau der Häuser auf Standards zurückgegriffen, die mit der von den Architekten angestrebten urbanen Wohnatmosphäre nichts mehr zu tun haben. In der Summe sind die Häuser aber auch formal durchaus gelungen, und manche Details lassen sich nachträglich ohne viel Aufwand ändern. Dass bisher erst eines der Häuser verkauft ist,dürfte daher nur zum Teil daran liegen, dass der Bauherr im Finale die eigentliche Zielgruppe aus den Augen verloren hat. Wichtiger sind ökonomische Gründe, da die Häuser nicht weniger kosten als ein konventionelles, teilweise selbst ausgebautes Einfamilienhaus mit deutlich mehr Eigengrund.

Diesen Nachteil hätte ein innovatives Energiekonzept ausgleichen können, dessen noch höhere Kosten aber niemand riskieren wollte: Eine Gasheizung, ergänzt durch Solarpaneele am Dach, ist heute bestenfalls guter Durchschnitt. Käufer werden die Häuser trotzdem finden. Die Zukunft des „ländlichen Bauens“ gehört aber der Verbindung von innovativen Typologien, raffinierter Vorfertigung und Passivhausstandard. Die Fantasie dafür ist in Wulkaprodersdorf jedenfalls vorhanden.

20. December 2008 Spectrum

Wohnen. Wo, wie?

Wohnmodelle aus drei Kontinenten, Experimente abseits des Mainstreams: Eine Ausstellung im Wiener Künstlerhaus zeigt Strategien, die sich zur Wiederholung eignen.

Eine Wiener Ausstellung über Wohnmodelle: Unter diesem Titel war eine weitere Nabelschau zu befürchten, konzipiert von Architekten für Architekten und Funktionäre des geförderten Wohnbaus, präsentiert auf hochglänzenden Schautafeln, die Wiener Wohnbauten im Urzustand nach ihrer Eröffnung zeigen.

Die aktuelle Ausstellung im Künstlerhaus ist anders. Sie beschränkt sich nicht auf Wien, sondern zeigt ein Dutzend Wohnbauten aus Europa, Japan, Südamerika und den USA. Die Fotos stammen von den Bewohnern der Häuser und wurden auch nicht bei der Eröffnung, sondern mindestens zwei Jahre nach der Fertigstellung aufgenommen.

Von „Modellen“ handelt die Ausstellung in mehrerer Hinsicht. Einerseits wurden nur Beispiele aufgenommen, die sich als Experiment abseits des Mainstreams verstehen, aber zugleich Modellcharakter haben, also Strategien verfolgen, die sich zur Wiederholung eignen. Andererseits geht es in der Ausstellung auch um das Thema des Architekturmodells im engeren Sinn. Modelle gibt es in mehreren Varianten und Maßstäben, von eins zu fünf bis eins zu eins, etwa beim Modell eines chilenischen Wohnbaus in der Haupthalle. Beim Eingang finden sich kleine Modelle aus dem Grundkurs für Gestaltungslehre an der Technischen Universität Wien, die dasselbe Volumen in 300 verschiedenen Varianten im Raum anordnen. Daneben bietet ein Tisch die Möglichkeit, aus Zündholzschachteln im Schnellverfahren Wohngebäude zusammenzubauen – und dann darüber nachzudenken, ob der Wohnbau als Addition von Einzelräumen wirklich noch zeitgemäß ist.

In der Ausstellung finden sich Alternativen, etwa die Balance-Typen der Schweizer Architekten Haerle-Hubacher, fünfgeschoßige Wohnregale mit 300 Quadratmeter Geschoßfläche, die als Alternative zu Einfamilienhäusern verkauft werden. 70 Quadratmeter davon sind umlaufende Terrassen, und wie die Käufer diese Fläche einteilen, bleibt ihnen überlassen. Vom Loft bis zur Kombination kleinerer Einheiten für mehrere Generationen ist hier alles möglich. Das Konzept war so erfolgreich, dass bereits vier Siedlungen nach diesem Muster entstanden sind, jeweils mit vier bis fünf Einzelhäusern.

Das originellste Modell der Ausstellung haben die Kuratoren Michael Rieper und Oliver Elser aber von der Wiener Niederlassung einer Werbeagentur übernommen. Es handelt sich um das Durchschnittswohnzimmer mit Durchschnittseinrichtung, das die Agentur bei sich aufgebaut hat, um ein „Feeling“ für ihre Zielgruppen zu entwickeln. Durch diesen – der Statistik entsprechend genau 24,6 Quadratmeter großen – Raum, ausgestattet mit den meistverkauften Möbeln, Haushaltsgetränken und Spirituosen, gelangen die Besucher in den Hauptteil der Ausstellung. Zu jedem Projekt finden sich neben den durchgängig aus Wellpappe gebauten Modellen Diaprojektionen, die Ausschnitte aus Interviews mit den Bewohnern als kurze Statements mit Alltagsfotos kombinieren.

Die Kartonmodelle sind trotz ihrer Größe in einigen Fällen enttäuschend, da sich nicht jeder Wohnbau für die gewählte Abstraktion eignet und die Beleuchtung der Modelle etwas spartanisch ausgefallen ist. Wer die Projekte verstehen möchte, ist gut beraten, sich den exzellenten und mit 29 Euro erschwinglichen Katalog zu besorgen, der als Bonusmaterial Reportagen über die allgemeine Situation des Wohnbaus in den jeweiligen Herkunftsländern der Projekte enthält.

Die Auswahl der Beispiele mag auf den ersten Blick willkürlich erscheinen. Sie geht auf ein Symposium zurück, das die Kuratoren mit Unterstützung der Wohnbau-Abteilung der Technischen Universität Wien 2007 organisierten. Teilnehmer aus zehn Ländern berichteten dabei über je ein innovatives Wohnbauprojekt. Charakteristisch ist für die meisten der Projekte, dass Architekten dabei nicht nur als Planer auftreten, sondern zusätzlich andere Rollen übernehmen, etwa als Projektentwickler oder Sozialarbeiter.
Ein Beispiel aus Chicago zeigt, wie die Architekten Landon Bone Baker einen sozialen Wohnbau aus den 1950er-Jahren nicht wie geplant abreißen, sondern sanieren, um die gewachsene Sozialstruktur nicht zu zerstören. Aus Chile stammt ein Projekt, das unter dem Namen „Elemental“ mit der maximalen Förderung von 7500 Dollar pro Wohneinheit „halbe Häuser“ errichtet, die von den Bewohnern im Selbstbau erweitert werden können. Aus Frankreich werden Reihenhäuser in Mulhouse vorgestellt, bei der die Architekten Lacaton & Vassal im geförderten Wohnbau Nutzflächen von 175 Quadratmetern anbieten, die möglich werden, weil die Konstruktion des Obergeschoßes mit industriell gefertigten Gewächshäusern erfolgt.

Aus Japan stammen zwei konträre Projekte: ein Wohnregal von Riken Yamamoto mit einer innovativen Kombinationsmöglichkeit von Wohn- und Arbeitsräumen sowie ein kleines Einfamilienhaus von Ryue Nishizawa, das aus noch kleineren weißen Kuben für die Wohn- und Schlafräume besteht, die nur über den Garten miteinander verbunden sind. Einziges Wiener Beispiel ist die Sargfabrik, die ihren Modellcharakter insofern beweist, als sie hier mit ihrem „Ableger“, der Miss Sargfabrik, gezeigt wird.

Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, ehemaliger Vorsitzender des Verbands Wiener Volksbildung, hat die Ausstellung gefördert und sie einer Veranstaltungsreihe, „Wiener Wohnbaufestwochen“, einverleibt, die bis Ende März die Auseinandersetzung mit dem Wiener Wohnbau beleben möchte. Als Optimist darf man darin eine Aufforderung an die Wohnungssuchenden in Wien zum selbstständigen Denken verstehen, zur Lust auf Alternativen, vom Raumprogramm bis zur Art der Bauträgerschaft, etwa in Form von autonomen Baugruppen. Ob diese Botschaft auch die anderen Akteure, von den Genossenschaften bis zum Grundstücksbeirat, erreicht, bleibt abzuwarten.

15. November 2008 Spectrum

Architektur im Pelz

Wenn Computer und Roboter sich verbünden, um Architektur zu schaffen: Neue Entwurfs- und Produktionsverfahren machen das Ornament wieder zum Thema.

Pünktlich zum 100. Jubiläum von Adolf Loos' Text „Ornament und Verbrechen“ scheint das Ornament endgültig ins Zentrum der Architekturdiskussion zurückzukehren. Abgezeichnet hat sich dieser Trend schon seit einigen Jahren. Er zeigte sich primär darin, dass Architekten sich wieder explizit dazu bekannten, die Oberflächen in und an ihren Gebäuden zu verzieren. Das war in der Sache nicht neu, denn trotz des offiziellen Verzierungsverbots der Moderne ist die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts voll mit Ornamenten, deren Schöpfer diese Bezeichnung aber meist vermieden. Ornament als rhythmisch-abstrakte Verhüllung war auch in den 1950er- und 60er-Jahren zulässig, da es sich auf die zeitgenössischen Tendenzen in der abstrakten Kunst stützen konnte. Mit der Pop-Art wurde das klassische Ornament wieder salonfähig, solange es eindeutig als ironisches Zitat zu erkennen blieb. Und seit den frühen 1990er-Jahren gehört die verzierte Oberfläche – vom bedruckten Glas und Beton bis zum Metallguss – überhaupt wieder zum Repertoire der Architektur, auf die man bei Bedarf zurückgreifen kann, ohne dafür eine besondere Rechtfertigung zu benötigen. Die Oberfläche wächst dabei über ihre Rolle, Teil eines plastischen Gefüges zu sein, hinaus und führt zusätzlich ein Eigenleben als Träger visueller Reize, die vom übrigen Bauwerk unabhängig sind.

Neu an der aktuellen Diskussion über das Ornament ist, dass es nicht mehr allein als formale Frage betrachtet wird. Damit wird die Debatte, die Adolf Loos vor 100 Jahren angestoßen hat, wieder aufgenommen. Denn Loos hatte in seiner Kritik das Ornament nicht als falsche Form kritisiert, sondern als nicht mehr zeitgemäße Art derProduktion. Ein handwerklich hergestellter Schuh könne ruhig ornamentiert sein, solange das Herstellen dieses Ornaments dem Schuster Freude bei der Arbeit bereite. Sobald das Ornament aber aus der Maschine käme, hätte es jede Berechtigung verloren. Es sei nur nostalgischer Überschuss und daher unökonomisch.

Den Gedanken, dass die Form von Produkten ihrem Herstellungsprozess entsprechen müsse, übernahm Loos von Gottfried Semper, der die Architektur auf einige Urformen der Herstellung zurückzuführen versucht hatte: das Legen des Fundaments aus Steinen, das Behauen von Balken und Pfosten, das Formen von Keramik und schließlich das Weben von Textilien. Als zentral für die architektonische Gestaltung sah Semper das Weben an: Die Wand habe ihren Ursprung nicht im Mauerwerk, sondern in der gewebten Decke, die über ein Gerüst gezogen wird. Für das Ornament spielt diese „Bekleidungstheorie“ naturgemäß eine besondere Rolle, da jedes Gewebe ein natürliches Ornament bildet. Im Bau konnte auf dieses Gewebe nur noch allegorisch verwiesen werden, und so ist etwa die Postsparkasse von Otto Wagner – in expliziter Anspielung an Semper – in ein dünnes Kleid aus Natursteinplatten gehüllt.

Wenn heute von einem „neuen Ornament“ die Rede ist, wie das der deutsche Architekturtheoretiker Jörg Gleiter in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „archplus“ getan hat, bezieht sich dieser Begriff wieder auf die Frage der Produktion. Anlass, über das Ornament neu nachzudenken, sei die Möglichkeit, die Trennung zwischen Entwurf und Ausführung durch die Kombination neuer, computergestützter Entwurfs- und Produktionsverfahren zu überwinden. Über den Einsatz von Robotern auf der Baustelle hat die Industrie zwar schon vor 20 Jahren nachgedacht. Durch die Verbindung zwischen digital gestütztem Entwurf und digital gestützter Produktion beschränkt sich die Industrialisierung des Bauens aber nicht längerauf die Montage möglichst gleicher Teile. Heute sind die Möglichkeiten, architektonische Entwürfe am Computer nicht mehr zu zeichnen, sondern parametrisch oder algorithmisch zu entwickeln, weitfortgeschritten. Parametrisch bedeutet in diesem Kontext: Der Entwurf wird geometrisch so beschrieben, dass seine Form durch die Änderung weniger Parameter geändert werden kann. Die Elemente einer Serie können sich so deutlich voneinander unterscheiden. Algorithmisches Entwerfen verlagert die Entwurfsaufgabe überhaupt von der Geometriebeschreibung hin zur Definition von Programmen, mit denen Entwürfe mehr „gezüchtet“ als gezeichnet werden.

Damit ist auch ein Aspekt angesprochen, der für das Ornament immer schon Bedeutung hatte, nämlich die Beziehung zwischen Architektur und Natur. Im Unterschied zum gerahmten Bild hat das Ornament die Tendenz, sich auszubreiten. Es trägt gewissermaßen einen Code in sich, der sein Wachstum regelt. Das Ornament ist insofern bedrohlich, als es wuchern könnte, bis vom „Eigentlichen“ nichts mehr zu sehen ist. Die Loos'sche Behauptung in „Ornament und Verbrechen“, dass „heute nur noch Verbrecher und Degenerierte“ ihren Körper tätowieren, also mit Ornamenten verzieren würden, weist auch auf die Angst hin, dass sich im Ornament etwas Verdrängtes Bahn brechen könnte. Das Hundertwasserhaus ist gerade wegen seines Erfolgs die implizite Bestätigung dieser Ahnung: Die voll ornamentierte Fassade, noch dazu mit Grün überwuchert, verspricht dem Unbehagen in der Kultur Erleichterung.

Wo das Hundertwasserhaus eine sentimentale Verklärung von Natur als heiler Welt inszeniert, erlauben die neuen Entwurfs- und Produktionsmethoden jedoch eine radikal unsentimentale Haltung. Exemplarisch dafür sind die Projekte der französischen Architekten François Roche – derzeit Gastprofessor an der Universität für angewandte Kunst in Wien – und Stéphanie Lavaux, die gemeinsam unter dem Namen R&Sie(n) firmieren. Aufmerksamkeit erhielten Sie 2003 mit einem Museumsprojekt für Bangkok, dessen Außenhülle aus einem elektrisch geladenen Edelstahlnetz bestehen sollte, in dem der Staub der Atmosphäre sich gefangen und das Museum in einen künstlichen Pelz gehüllt hätte. Das Projekt, das sich in der Ausführungsplanung befand, wurde nach dem Militärputsch 2006 gestoppt. Ihr aktuellstes Projekt, ein Gletschermuseum für Evolène im Schweizer Wallis, nimmt den äußeren Umriss der traditionellen Blockhäuser auf, füllt ihn aber mit einer robotergefrästen hölzernen Großform. Außen wachsen aus ihr Stacheln, zwischen denen Drähte gespannt sind. Im Winter sammelt sich hier der Schnee und füllt die traditionelle Form wieder auf. Künstliche Beschneiung soll den Effekt verstärken, Abschmelzen und Vereisen die Oberfläche variieren.

Ob die Rede von einem „neuen Ornament“, wie es sich hier zeigt, relevant bleibt, ist offen. Dass die neuen Entwurfs- und Produktionsmethoden massiven Einfluss auf die Architektur nehmen werden – von ihrer Geometrie bis zu ihrer kulturellen Bedeutung – steht aber außer Frage.

4. October 2008 Spectrum

Wenn Stümper Städte bauen

Ein neuer Stadtteil. Ein Architekturwettbewerb dafür. Ein eindeutiger Sieger. Aber bauen wird ein anderer. Schwaz in Tirol: Ein Skandal nimmt seinen Lauf.

In alten Bergbaustädten lebt oft ein besonderer, leicht melancholischer Genius Loci, Erinnerung an große Zeiten, die diese Städte schon lange hinter sich haben. Schwaz in Tirol ist so ein Ort: in den Zeiten des Silberbergbaus im 15. Und 16. Jahrhundert größte Bergbaumetropole Europas mit 20.000 Einwohnern und – nach Wien – zweitgrößte Stadt im Reich der Habsburger. Heute hat Schwaz 13.000 Einwohner, und seine Gegenwart ist von Strukturproblemen geprägt, mit denen viele österreichische Kleinstädte zu kämpfen haben. Eines dieser Probleme ist die Verödung der alten Zentren durch Entwicklungen an der Peripherie, wo die Parkplätze billiger, die Shops bunter und die Kinos größer sind als im Zentrum.

In Tirol gibt es seit 2005 ein Raumordnungsgesetz, das diese Entwicklung eindämmen soll. Neue Shopping-Malls auf der „grünen Wiese“ sind seither kaum mehr möglich, womit Einkaufszentren in den Kernzonen wieder zum Thema werden. Schwaz hat dafür am Rand des historischen Stadtzentrums eine große Fläche anzubieten, das ehemalige Areal der Austria Tabakwerke, ein das Ufer des Inns begleitendes Grundstück von 15.000 Quadratmetern.

Als der Verkauf dieses Areals anstand, begann die Stadtverwaltung Visionen für dessen zukünftige Nutzung zu entwickeln. Das Ergebnis war zwar etwas vage, aber in der Grundtendenz eindeutig: Hier sollte ein multifunktionaler, lebendiger Stadtteil entstehen, 35.000 Quadratmeter Nutzfläche, die sich zur Hälfte auf Geschäfte, zur anderen Hälfte auf Wohnungen, ein Hotel, Büros und einen Stadtsaal für die Gemeinde aufteilen sollten. Höchste architektonische Qualität sollte durch einen Wettbewerb gesichert werden, an dessen Kosten sich die Gemeinde zu 50 Prozent zu beteiligen versprach.

Dass schließlich kein internationaler Investor, sondern ein angesehener ortsansässiger Unternehmer, Günther Berghofer, das Areal erwarb, erschien der Gemeinde als positive Entwicklung. Der neue Eigentümer verpflichtete sich, den Architekturwettbewerb durchzuführen. Unter den sechs geladenen Büros befanden sich Rüdiger Lainer, Delugan-Meissl und Henke Schreieck, in der Jury wirkten Hans Gangoly als Vorsitzender und Much Untertrifaller mit. Die Ausschreibung enthielt allerdings im Detail ein paar wenig erfreuliche Passagen: So fehlte jede Verpflichtung des Auslobers, einen Sieger tatsächlich zu beauftragen, und die Urheberrechte waren nur in Bezug auf den Entwurf als Ganzes geschützt, während einzelne Teile vom Auslober ohne weitere Abgeltung verwendet werden durften. Unter diesen Bedingungen überhaupt am Wettbewerb teilzunehmen, setzt bei den Architekten hohes Vertrauen in die Seriosität des Auslobers voraus. Gefordert war nämlich nicht nur ein städtebaulicher Rahmenplan, sondern eine weitgehende Ausarbeitung der einzelnen Nutzungen auch im Grundriss. Die einzig sichere Gegenleistung dafür bestand in 7000 Euro Aufwandsentschädigung pro Teilnehmer – ein üblicher Betrag, wenn einem von ihnen am Ende der Auftrag zufällt; mit einer unverbindlichen Absichtserklärung wie in diesem Fall bewegt sich der Auslober aber hart an der Grenze zur Sittenwidrigkeit.

An den „worst case“ wollte aber vorerst niemand denken. Im Gegenteil. Der Wettbewerb endete im Frühjahr 2007 mit einem ersten und zwei dritten Preisen. Das Projekt von Marta Schreieck und Dieter Henke hatte die Jury sogar derart überzeugt, dass man auf die geplante Überarbeitungsphase verzichtete. Städtebaulich haben die Architekten tatsächlich so etwas wie eine „Ideallinie“ gefunden, indem sie die Bewegungsenergien aus dem Ortskern Richtung Inn weiterlenken, geschickt auf eine Stadtterrasse hinauf- und in eine glasüberdachte Straße mit Geschäften hineinführen. Mehrgeschoßige Baukörper sitzen auf diesem kompakten Sockel und bilden eine signifikante Stadtkante zum Fluss, die aber durch Material und Proportion der Baukörper in sich differenziert ist. Selbst in den nur ansatzweise im Detail entwickelten Schaubildern zeigen Henke und Schreieck, dass sie imstande wären, hier tatsächlich die architektonischen Maßstäbe zu erreichen, die sich die Gemeinde in ihren Visionen gesetzt hatte.

Die Freude währte nur kurz. Im Herbst 2007 kam es zu einem Konflikt mit der Gemeinde. Der Projektbetreiber warf dem Schwazer Bürgermeister, Hans Lintner, vor, durch Widmungen an anderen Standorten seine Kalkulationen über den Haufen zu werfen. Anlass war die Widmung für ein anderes Hotel gerade zu der Zeit, als er selbst Verhandlungen mit einem Hotelbetreiber führte. Marta Schreieck wurde zu einer öffentlichen Diskussion nach Schwaz geladen, in der sie die Verantwortung der Stadt nachdrücklich einforderte und sich damit beim Bürgermeister nicht unbedingt beliebt machte.

Beauftragt waren die Architekten zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht. Zwar fanden Planungsgespräche über Teilbereiche der Geschäftszonen statt, die von den Architekten geforderte generelle Präzisierung des Raumprogramms gab es aber ebenso wenig wie einen Architektenvertrag. Dieser Schwebezustand zog sich ein knappes Jahr hin, bis die Architekten schließlich vor einem Monat aus der Lokalzeitung erfuhren, dass nicht sie, sondern ein anderer Architekt, ein Wiener Spezialist für Shopping-Centers – dessen Homepage der Slogan „Gelungene Architektur ist objektiv messbar“ ziert – den Auftrag erhalten habe.

Auf Nachfrage erklärt der Vertreter des Bauherrn treuherzig, man habe eben kein Vertrauen zu Henke und Schreieck entwickelt. Der Bürgermeister bestätigt, die Anfrage des Bauherrn, ob die Gemeinde ein Problem damit hätte, wenn andere Architekten zum Zug kämen, mit der Aussage beantwortet zu haben, das sei kein Problem, solange die Qualität erhalten bleibe – ohne jede Rückfrage bei Henke und Schreieck und ohne den geringsten Versuch einer Moderation. Immerhin wäre es darum gegangen, zwei der besten österreichischen Architekten – die vor drei Wochen mit dem Hauptquartier der Erste Bank das Wiener Renommierprojekt des Jahrzehnts mit einer Bausumme von 200 Millionen Euro ans Land ziehen konnten – doch noch für Schwaz zu gewinnen. Deren einziger Fehler dürfte gewesen sein, auf einem angemessen Honorar zu bestehen und das Prinzip des „Wer zahlt, schafft an“ nicht bedingungslos anzuerkennen.

Und so soll in ein paar Wochen ein neues Projekt vorgestellt werden. Vielleicht gelingt es ja tatsächlich, die Qualität zu halten. Viel wahrscheinlicher ist, dass Schwaz um seine Vision betrogen wurde und mit einer konventionellen Shopping-Mall mit angeschlossenem Stadtsaal abgespeist wird. In alten Bergbaustädten geht es am Ende eben doch nur ums Silber.

31. August 2008 Spectrum

Architektur macht glücklich

Vorwahlzeit: Was jetzt kein Thema ist, wird es nimmermehr. Von Architektur hat man im populistischen Rauschen bisher freilich wenig gehört. Dabei braucht sie eine Politik, die ihr günstige Rahmenbedingungen schafft, mehr als je zuvor.

Als die Europäische Zentralbank kürzlich bekannt gab, dass sich für die Errichtung ihres neuen Hauptsitzes in Frankfurt kein Generalunternehmer gefunden hätte, der das von Coop Himmelb(l)au entworfene Gebäude zu akzeptablen Kosten zu errichten bereit sei, war die Überraschung unter den Fachleuten gering. Die Entwicklung der Baukosten,insbesondere der Stahlpreise, wirft derzeit weltweit die Kalkulationen über den Haufen, und nicht nur extravagante Projekte sind davon betroffen. Die Anforderungen, die an die Planer in Bezug auf Kosten- und Energiefragen gestellt werden, steigen verständlicherweise von Jahr zu Jahr, während gleichzeitig die Honorare für Planungsleistungen in Frage gestellt werden.

Eine mögliche Antwort auf diese Entwicklung ist, auf Innovation so weit wie möglich zu verzichten und sich auf das Variieren bewährter Lösungen zu beschränken. Auf mittlere Sicht betrachtet, führt dieser Weg aber zum Tod jeder Baukultur. Deren Entwicklung lebt vom kreativen Ineinandergreifen von technischen und formalen Innovationen. Heute bestätigt sich dieses Prinzip etwa im Beispiel des amerikanischen Architekten Frank O. Gehry, dem oft genug der Vorwurf des praxisfernen Formalismus gemacht wurde. Die Erfahrungen, die sein Büro bei der technischen Umsetzung von Gehrys formalen Visionen gemacht hat, sind in ein Spin-Off-Unternehmen mit dem Namen „Gehry Technologies“ geflossen, das inzwischen mehr Mitarbeiter zählt als das Stammbüro und auch für anspruchsvolle Projekte anderer Architekten tätig ist, zuletzt etwa für die Geometriedefinition und die Konstruktion des Olympiastadions in Peking. Der konsequente Einsatz prozessübergreifender IT-Werkzeuge – von dem in der Architektur bisher viel gesprochen, aber wenig umgesetzt wurde – ist ein unverzichtbares Mittel, dem aktuellen Kostendruck zu begegnen.

Trotzdem wird Bauen in absehbarer Zukunft aufwendig bleiben, zumindest wenn man auf ein hohes Niveau in ökologischer, formaler und technischer Hinsicht nicht verzichten will. In Österreich spielt die öffentliche Hand bei der Bemessung dieses Niveaus nach wie vor eine wichtige Rolle, hat doch der Staat trotz aller Ausgliederungen seine Bauherrenrolle genauso wenig aufgegeben wie die Ambition, durch Förderungen, insbesondere im Wohnbau, steuernd einzugreifen. Ein breites Spektrum wichtiger Bauaufgaben – von der Schule über das Krankenhaus bis zu Museen und öffentlichen Verwaltungsbauten – werden nach wie vor zum überwiegenden Teil aus Steuergeldern bezahlt, ganz gleich wie das jeweilige Finanzierungsmodell konstruiert ist. Eine koordinierte Architekturpolitik, wie sie die meisten europäischen Länder formuliert haben, würde der öffentlichen Hand helfen, ihre Verantwortung dabei besser wahrzunehmen.

Zu den ersten Schritten, die die auslaufendeBundesregierung in diese Richtung gemacht hat, gehörten die Vorstellung des Österreichischen Baukulturreports im Juli 2007 und dessen parlamentarische Behandlung im folgenden Herbst. Beauftragt wurde der Report, der unter www.baukulturreport.at zugänglich ist, noch von der Vorgängerregierung, allerdings auf der Basis einstimmiger Beschlüsse aller Parlamentsparteien. In der Regierungserklärung der aktuellen großen Koalition war schon im Jänner 2007 zu lesen gewesen, dass die Bundesregierung „ausgehend von diesem Report Maßnahmen zur Verankerung qualitativer Baukultur in allen Bereichen des öffentlichen Lebens setzen und die Vermittlungstätigkeit für Baukultur und zeitgenössische Architektur forcieren“ werde. An anderen Stellen der damaligen Erklärung finden sich Hinweise auf „Vielfalt im Wohnbau“, „umweltschonendes Wohnen“, „thermische Sanierung aller Nachkriegsbauten bis 2020“, „barrierefreies Bauen“ und die „Optimierung der Raumplanungspolitik zwischen Gemeinden, Land und Bund“.

Nach einer knapp zur Hälfte abgeleisteten Legislaturperiode ist die Frage, was aus diesen Ankündigungen geworden ist, erlaubt.Ein Herzensanliegen scheint das Thema für die derzeitige Regierung jedenfalls nicht gewesen zu sein. Als politisch signifikantes Thema ist einzig der ökologische Aspekt des Bauens wahrnehmbar, mit dem die Ministerien der Minister Josef Pröll und Werner Faymann zu punkten versuchten, wobei Faymann im Wesentlichen die seit 1999 bestehenden Programmschienen weiterführte, die vor allem Forschungsprojekte unterstützen. Generell hat sich die Forschungsförderung den spezifischen Bedingungen der Architektur in letzter Zeit etwas geöffnet, auch wenn das Volumen noch lange nicht internationales Niveau erreicht hat. ImBereich des Kulturministeriums hat Claudia Schmied die Vermittlungsaktivitäten, die in Baukulturreport und Regierungsprogramm gefordert wurden, im Rahmen der bisherigenAktivitäten weitergeführt und um ein Jahrbuch ergänzt, das die Preisträger der renommiertesten österreichischen Architekturpreiseinternational bekannt machen soll. Aufhorchen ließ im Frühjahr die Meldung über ein geplantes Architekturmuseum im Wiener Semperdepot, in dem die Bestände des Architekturzentrums mit der architektonischenModerne-Sammlung der Albertina zusammengeführt werden sollten. Dem Vernehmen nach sind die Planungen inzwischen fortgeschritten, ein offizielles Projekt hat die Öffentlichkeit von der Ministerin aber noch nicht präsentiert bekommen.

Zumindest als Entwurf existiert dagegen die Verordnung für die Einrichtung eines Baukulturbeirats, die derzeit zur Begutachtung aufliegt. Der Beirat wird im Bundeskanzleramt angesiedelt und soll 24 Mitglieder umfassen, teilweise Vertreter verschiedener Ebenen der öffentlichen Verwaltung, teilweise externe Experten. Als Forum für die Diskussion der Querschnittsmaterie Architektur über Ministerial- und Fachgrenzen hinweg wird ein solcher Beirat sicher helfen. Konkrete Ergebnisse kann er aber nur dann liefern, wenn er ausreichend dotiert ist und es auf Regierungsebene das nötige, möglichst nachdrückliche Interesse an der Sache Baukultur gibt.

Dieses Interesse darf ruhig – ganz populistisch formuliert – auf dem Gedanken aufbauen, dass Architektur glücklich macht, wenn sie gelingt: Glückliche Familien in leistbaren und schönen Wohnungen, deren Kinder einen sicheren Schulweg haben, sind kein geringes Ziel. Dass gute Architektur bei jedem Projekt auszuloten versucht, was gerade unter Glück und Schönheit zu verstehen ist, macht aus diesem populistischen Ziel am Ende doch wieder ein kulturelles.

Ob die radikalen Populisten unter den Politikern bereit sind, der Architektur so viel Freiraum zu lassen, ist fraglich. Sie profitieren ja von möglichst simplen und plakativen Glücks- und Schönheitsvorstellungen, deren zur Schau gestellte Befriedigung sie zur Schwungmasse ihrer politischen Karriere machen können. Architekturpolitik muss aber dort beginnen, wo es den Populisten langweilig wird: bei der mühsamen Definition von Spielregeln für die Bindung öffentlicher Gelder an qualitätssichernde Prozesse, bei der Verwaltungsreform, bei der spröden Materie einer zeitgemäßen Raumordnung, bei der Stärkung der Bauherrenkompetenz der öffentlichen Hand, beim allgemeinen Aufbau von Qualitätsbewusstsein. Um auch hier lohnende politische Ziele zu entdecken, muss man nur ein wenig den Kopf über den Tellerrand des Populismus heben.

19. July 2008 Spectrum

Wo ist hier das Haus?

Sechs Freibereiche, jeder mit eigenem Charakter – und das auf 600 Quadratmetern. Der Beweis, dass ein Haus mehr sein kann als eine geschlossene Box: erbracht in Wien-Penzing, von Erich Hubmann und Andreas Vass.

Der Wolfersberg in Wien Penzing ist ein kleiner Hügel im Westen von Wien, der in den 1920er-Jahren zur Bebauung mit Einfamilienhäusern freigegeben wurde. Die Parzellen sind den wirtschaftlichen Umständen der Zeit entsprechend klein, die Straßen schmal und gewunden wie kaum sonst wo in Wien, ein Labyrinth, das mit seinen nach Planeten benannten Straßennamen selbst erfahrene Taxifahrer zur Verzweiflung bringt.

Trotzdem befindet sich hier einer der begehrtesten Wohnorte der Stadt mit Blick auf den Wienerwald. Das Haus, das die Architekten Erich Hubmann und Andreas Vass hier errichtet haben, liegt auf einer nur 600 Quadratmeter großen Parzelle eines nach Westen geneigten Hangs. Parzellen dieser Größe sind heute nichts Ungewöhnliches. Mit einem konventionellen Haus bebaut, bleibt auf einem solchen Grundstück an Freiflächen nur ein umlaufender Grünstreifen übrig. Geschützte und gut nutzbare Außenräume wird man so aber nur schwer erzielen.

Von seinen beiden Nachbarn – durchaus repräsentativen Exemplaren des heutigen Standards im Wohnhausbau – hebt sich der Entwurf von Hubmann und Vass in dieser Hinsicht deutlich ab. Das Haus lebt von gut gegliederten Freiräumen, die über großflächige Verglasungen mit seinem Innenleben in Verbindung stehen. Am besten wird das Konzept im Grundriss erkennbar. Im Zentrum befindet sich ein kleiner, geschützter Hof, der an drei Seiten von Wohnräumen umschlossen ist: Zur Straße im Osten hin liegt das Wohnzimmer, nach Norden die von oben belichtete Küche und nach Westen ein Spielflur, mit dem die beiden Kinderzimmer über Schiebetüren verbunden sind. Der Hof ist nach Süden zum Nachbargrundstück hin offen, eine Bepflanzung verhindert unerwünschte Einblicke. Vor dem Wohnraum liegt nach Osten eine weitere annähernd quadratische Hoffläche, die durch einen Holzzaun von der Straße abgeschirmt wird. Auch hier gibt es große, bis zum Boden reichende Fenster, und wenn die Schiebetüren der Kinderzimmer geöffnet sind, bietet sich ein Blick quer durchs ganze Haus.

Weder Traufe noch Giebel

Die Garage ist direkt ans Nachbargrundstück angebaut. Dass auch sie mit einer großen Glasscheibe nach Westen abgeschlossen wird, die bei der Einfahrt den Blick auf den Wienerwald freigibt, ist in diesem Haus nicht weiter verwunderlich.

Im Untergeschoß liegen Wohn- und Schlafräume der Eltern sowie Nebenräume, die in den Hang eingegraben sind. Vom Schlafraum der Eltern aus geht es direkt auf die mittlere der drei Terrassen, in die die Architekten die Neigung des Grundstücks aufgelöst haben. Auf der untersten Terrasse liegen ein Schwimmbecken und eine kleine Holzhütte, die zum Bestand gehört. Zählt man die Terrasse mit dem Schwimmbecken als eigenen Bereich, bietet das Haus sechs Freibereiche mit jeweils eigenem Charakter, vom Innenhof über die Gartenterrasse bis zum schmalen und kühlen Hof an der Nordseite und dem Vorgarten an der Straße.

Passanten stellt sich dort möglicherweise die Frage, wo denn auf diesem Grundstück überhaupt das Haus ist. Die beiden Nachbarn lassen sich begrifflich gut einordnen: ein giebelständiges Blockhaus zur Linken, ein traufständiger Vollwärmeschutzbau zur Rechten. In der Mitte gibt es aber weder Traufe noch Giebel, nur einen Rauchfang, der zumindest häusliche Wärme markiert, und ein Spiel horizontaler und vertikaler Flächen, die in unterschiedlichen Materialien ausgeführt sind: Sichtbeton, Glas, unverputztes Mauerwerk und eine Holzverschalung, die im Lauf der Zeit einen grauen Farbton annehmen wird. Ganz bewusst zur Straßenansicht des Hauses gehören auch die Hügel des Wienerwalds, die durch das Flachdach für die Passanten sichtbar bleiben. Bauen mit der Landschaft hat die Architekten schon bei ihrem ersten Projekt, dem neuen Eingang für die Alhambra in Spanien, fasziniert. Bei einem aktuellen Projekt, das nächstes Jahr in Turin eröffnet wird, dürfen sie überhaupt den ganzen Berg unter dem Castello di Rivoli umbauen und mit neuen Zugangswegen versehen.

Ihre Formensprache, die auch beim Haus am Wolfersberg zum Einsatz kommt, steht in einer Tradition, die sich in den letzten hundert Jahren entwickelt hat, und die Architekten scheuen sich nicht, ihre Referenzen anzugeben. Da ist einerseits Roland Rainer, von dem sie die Schlichtheit des Baukörpers und die Nutzung von Abbruchziegeln übernommen haben. Bei Rudolph M. Schindler finden sich ähnlich komplexe und ein wenig verspielte Übergänge und Durchblicke. Und ob es nun Mies van der Rohe oder Frank Lloyd Wright war, der als Erster mit dem Aufbrechen der Ecke eine Revolution in der Grundrisstypologie ausgelöst hat, ist nur für Historiker interessant: Das Repertoire ist vorhanden, und es ermöglicht fast unendlich vielfältige Varianten jenseits des Schachtelraums.

Es geht hier nicht nur um eine Geschmacksfrage, sondern auch um das Potenzial, das eine Formensprache für eine bestimmte Aufgabe bietet. Für die in Österreich tausendfach vorkommende Situation der knappen Parzelle ist das Hofhaus mit gut geschnittenen Freiräumen eindeutig die überlegene Lösung. Dass sie nicht öfter gewählt wird, ist unverständlich. Vielleicht liegt das auch am trägen System der Bauindustrie, das die nötigen Systemkomponenten für eine massenweise Verbreitung des Typs nicht zur Verfügung stellt. Denn obwohl das Haus am Wolfersberg wie ein Industrieprodukt aussieht, ist hier vieles handwerkliche Einzelanfertigung, bis hin zu den Fenstertüren und ihren Beschlägen.

Wohnen im offenen Haus

Das Gebäude ist überdies konstruktiv eine Mischung aus Stahlbetonteilen, Decken aus Massivholzplatten und Stahlkonstruktionen für Sonderpunkte, die anders nicht zu lösen gewesen wären. Höhere Baukosten muss das nicht unbedingt bedeuten, der Planungsaufwand ist aber beträchtlich.

In einem Punkt schert das Haus aus einem aktuellen Trend aus: Es besitzt weder Sonnen- noch Erdwärmekollektor. Den Ehrgeiz, ein Passivhaus zu entwerfen, hatten die Architekten nicht. Sie leisten sich sogar eine große Verglasung an der ansonsten völlig geschlossenen Nordseite, die als Atelierfenster für die Bauherrin fungiert. Technisch sind große Fenster und komplexe Geometrien heute zwar kein Hindernis mehr, Passivhausstandard zu erreichen, die Kosten dafür sind jedoch beachtlich. Insofern ist das Haus auch eine Aufforderung an die Industrie, Elemente für energetisch verträgliche Lösungen jenseits der geschlossenen Box zu entwickeln. Dass es sich in einem offenen Haus schöner wohnt, haben Hubmann und Vass mit ihrem Projekt jedenfalls einmal mehr bewiesen.

18. May 2008 Spectrum

Wohnen mit und ohne Knick

Architektinnen und Architekten werden sich in Zukunft immer öfter mit der Frage konfrontiert sehen, ob es nicht billiger geht. Wenn sie darauf keine Antwort finden, werden sie in einer elitären Marktnische enden. Zur aktuellen Wohnbaudiskussion.

Out there: Architecture Beyond Building“ lautet der Titel der kommenden Architekturbiennale in Venedig. Ihr Direktor, Aaron Betsky, stellte sein Konzept kürzlich im Museum für angewandte Kunst zur Diskussion. Schön wird Betskys Biennale jedenfalls. Im Arsenal wird sie „Rauminstallationen“ zeigen, unter anderem von Diller und Scofidio, Asymptote, Greg Lynn, Massimiliano Fuksas, Zaha Hadid und Coop Himmelb(l)au; und im italienischen Pavillon herrschen die „Masters of Experiment“, zu denen neben Hadid und Himmelb(l)au, die hier einen weiteren Auftritt bekommen, Frank Gehry, Herzog & De Meuron sowie Rem Koolhaas zählen.

Bei aller Schönheit ist dieses Konzept ein Schritt zurück. Es bietet den Besuchern einen Architekturzoo voller wunderbarer Einzelexemplare, statt Architektur als Teil eines Ökosystems zu zeigen, das sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch geändert hat. Die von Richard Burdett 2006 kuratierte Biennale hatte in diese Richtung gewiesen, indem sie den ins Ungeheure wachsenden globalen Bedarf nach so banalen Dingen wie einem Dach über dem Kopf deutlich machte. Statt wieder die Welt jenseits des Bauens zu verklären, hätte man sich zur Abwechslung der Frage stellen können, ob und wo Architektur unter diesen Bedingungen noch eine Rolle spielt.

Dass diese Rolle nicht mehr allein in der Verschönerung der Welt bestehen kann, hat eine aktuelle Diskussion um den heimischen Wohnbau klar gemacht. Ausgelöst wurde sie durch die Äußerung des Obmanns der Vereinigung gemeinnütziger Bauträger Österreichs, Karl Wurm, dass die Wohnbauträger „mehr Spielraum bei der Umsetzung von Architektenplänen“ bräuchten, um weiterhin günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Diese Äußerung einfach als architekturfeindliches Banausentum abzuqualifizieren, geht am Problem vorbei. Denn angesichts steigender Bau- und Bodenpreise und immer höherer Anforderungen, die dem Wohnbau in Hinblick auf minimierten Energieverbrauch, Sicherheitsstandards und „Universal Design“ – also die barrierefreie Nutzbarkeit von Bauten – aufgebürdet werden, ist die Finanzierbarkeit des Wohnens für breitere Bevölkerungsschichten tatsächlich zum Problem geworden.

Architektinnen und Architekten werden sich in Zukunft immer öfter mit der Frage konfrontiert sehen, ob es nicht „anders“, sprich: billiger geht. Wenn sie darauf keine Antwort finden, werden sie in einer elitären Marktnische enden, die nur wenigen Platz bietet. Für die Kultur des Wohnens wäre das ein fataler Rückschritt: Denn die Architektur hat in den vergangenen 100 Jahren echte Alternativen zum Wohnbau als Addition von Schachteln entwickelt. So haltbar das Klischee vom Architekten, der nicht ans Praktische denkt, auch sein mag: Wer sich ein wenig umsieht, wird selbst im sozialen Wohnbau genug Beispiele für hervorragende Grundrisse finden, raffinierte Abstufungen zwischen öffentlichen und privaten Zonen, intensivere Verbindungen zwischen Innen- und Außenraum, gut belichtete Erschließungszonen, die soziale Kontakte fördern. Wenn man dazu noch eine hohe Qualität in räumlicher und formaler Durchbildung und in der Ausführung im Detail vorfindet, hat man das Niveau eingemessen, das Architektur im Wohnbau heute erreichen kann.

Dieses Niveau unter den geänderten Rahmenbedingungen zu halten ist schwierig, aber nicht unmöglich. Ein Weg besteht darin, günstigere Grundstücke für den Wohnbau zu erschließen. Der Wohnbau in Innsbruck in der Haller Straße, den Georg Pendl für die Immorent entworfen hat, ist ein Beispiel dafür. Das Grundstück ist vom Inn durch eine stark befahrene, vierspurige Straße getrennt. Das städtebauliche Konzept sieht einen zweigeschoßigen Riegel für Büro- und Geschäftsnutzungen zur Straße hin vor, auf dem vier Quertrakte mit Wohnungen auflagern.

Kommerzielle Nutzung und Wohnnutzung sind formal klar differenziert: Im Bürotrakt dominieren orthogonale Geometrien, die Wohntrakte sind beinahe verspielt ausgeformt, mit schrägen Konturen im Grundriss und einer über die Gebäudekontur bis zum Boden gezogenen Dachhülle, die einen organischen Charakter vermittelt. Die leicht geknickten Baukörper erzeugen in der vom Verkehrslärm geschützten Innenzone einen gut geschnittenen Hof mit Blick auf die Berge. Hierher orientieren sich auch die großen Balkone der Wohnungen. Dem Lärmschutz dienen speziell entwickelte, durchlüftete Schleusenräume, die den Wohnungen vorgelagert sind. Die Chance, so trotz „aggressiver“ Umgebung Transparenz herzustellen, blieb in der Ausführung leider ungenutzt: Im Rahmen seines „Spielraums bei der Umsetzung der Architektenpläne“ hat der Bauträger statt verglaster Brüstungen massive ausgeführt. Auch an anderen Stellen bleibt die Detailqualität hinter den Möglichkeiten zurück, was den Gesamteindruck aber nicht schmälert.

Einen systematischer auf Innovation angelegten Ansatz, auf die neuen Anforderungen im Wohnbau zu reagieren, kann man derzeit im steirischen Gleisberg verfolgen. Der internationale „Pilotwettbewerb für zeitgenössische Wohnarchitektur“, über den bereits berichtet wurde („Spectrum“ vom 8. September 2007), ist inzwischen entschieden. Das Siegerprojekt von Manfred Wolff-Plottegg ordnet die rund 70 geforderten Wohnungen in einem flexibel bespielbaren Raster auf drei Geschoßen an. Das Projekt überzeugt durch eine im besten Sinn pragmatische Herangehensweise, die auf visuelle Opulenz verzichtet und stattdessen Großzügigkeit auf anderer Ebene bietet, etwa mit umlaufenden Laubenzonen, deren Schatten spendende Begrünung die Baukörper einhüllen wird. Auch den Dachgärten – einem Element, das oft dem Sparzwang zum Opfer fällt – wünscht man hier ganz besonders eine Realisierung: Als schwebende Parklandschaft mit halböffentlicher Nutzung könnten sie den Bewohnern so manche Fahrt ins noch Grünere ersparen. Und jeder nicht gefahrene Kilometer ist ein positiver Beitrag zur Ökobilanz.

Projekte dieser Art könnten den Wohnbau davor bewahren, sich auf die Produktion gut gedämmter Schachteln zu reduzieren. Die aktuelle Debatte zu diesem Thema wird sich zumindest im österreichischen Pavillon auf der Biennale fortsetzen: „Wohnen als Anlass“ lautet der Titel des von Bettina Götz verantworteten Beitrags, der kritische Positionen zum Thema dokumentieren und mit einem international besetzten Symposium zur Diskussion stellen wird.

24. February 2008 Spectrum

Präsenz und Seifenblase

Eigentlich ein Vorzeigeprojekt mit sauberem Wettbewerb: der Skywalk an der Wiener Spittelau. Wie die Stadt Wien versäumt, aus dem gewonnenen Know-how zu lernen.

Im Grunde sollten wir uns ja freuen: Selbst Fußgängerbrücken und Bahnhöfe, so behaupten seit Kurzem Wiens Planungsstadtrat und seine Beamten, sind Kunstwerke. Dem wird man nicht widersprechen wollen, knüpft sich doch daran die Hoffnung, dass an die Planung und Ausführung solcher Werke dieselben Maßstäbe angelegt würden wie sonst auch in der Kunst. Und das hätte Folgen: Wer bestellt etwa bei einem Künstler eine Skizze, um dann von einem gewerblichen Maler auf dieser Grundlage ein Ölbild malen zu lassen, das nur noch grob der Idee des Künstlers ähnelt? Und verkündet dann stolz, so den Preis des Kunstwerks tüchtig gesenkt zu haben? In der Architektur sind solche Zustände nichts Ungewöhnliches, wenn etwa Ausführungs- und Detailplanungvon Ingenieurbüros für Honorare übernommen werden, zu denen niemand mehr Qualität liefern kann, oder gleich der gesamte Auftrag an den Billigstbieter geht. Die Ergebnisse sehen entsprechend aus.

Leider gibt es bei den Aussagen des Stadtrats eine Einschränkung. Kunst sind Brücken und Bahnhöfe nur, wenn sie von Santiago Calatrava stammen. Der spanische Bildhauer und Ingenieur hat in seinem Frühwerk, etwa dem Bahnhof Stadelhofen in Zürich aus den 1980er-Jahren, eine Formensprache entwickelt, die direkt auf Antoni Gaudí zurückgeht und dessen Ideen innovativ weiterentwickelte. Seit Mitte der 1990er-Jahre eroberte er sich mit filigran wirkenden Strukturen einen Platz unter den internationalen Markenarchitekten und ist spätestens seit dem Auftrag für die New Yorker U-Bahn-Station auf demGround Zero endgültig an der Spitze angekommen. Seine Sprache veränderte sich im Zuge dieser Entwicklung jedoch zunehmend ins Manierierte, sodass ermanchen Kollegen heute als Richard Clayderman der Architektur gilt, der mit den immer gleichen Akkorden blütenweißen und kommerziell höchst erfolgreichen Kitsch produziert.

Warum Calatrava ausgerechnet jetzt in Wien mit zwei Direktaufträgen zum Zug kommen soll, ist ein Rätsel. Brücken und Bahnhöfe aus seiner Werkstatt finden sich auf der ganzen Welt, und es ist kaum zu erwarten, dass er gerade in Wien zu neuer Form auflaufen wird. Um für das blutleere Stadterweiterungsprojekt auf dem Flugfeld Aspern ein architektonisches Wahrzeichen zufinden, hätte es andere Wege gegeben als das Hofieren eines Stararchitekten. Innsbruck darf sich beispielweise mit zwei wichtigen Bauten von Zaha Hadid schmücken, ohne in der Projektfindung auf das Mittel eines Architekturwettbewerbs verzichtet zu haben.

Dass der Wettbewerb gerade bei heiklen Bauaufgaben die Methode der Wahl ist, beweist paradoxerweise ein Projekt, das die Gemeinde Wien selbst 2004 als Vorzeigeprojekt für ein gutes Auswahlverfahren in die Wege geleitet hat: der Skywalk, der die U-Bahnstation Spittelau mit der Guneschgasse am Döblinger Gürtel verbindet und dabei ein denkmalgeschütztes Bauwerk Otto Wagners glatt durchquert. Als „coolste Brücke Wiens“ bezeichnet die Stadt das Bauwerk in ihrer Werbung, und das durchaus zu Recht. Zumindest auf Distanz löst das Resultat ein, was das Wettbewerbsergebnis vor vier Jahren erhoffen ließ, nämlich eine intelligente und formal überzeugende Antwort auf ein höchst komplexes Problem.

An einem der verzwicktesten Verkehrsknoten Wiens, an dem sich ein Autobahnzubringer und zwei ehemalige Stadtbahnlinien kreuzen, überhaupt an eine solche Fußgängerverbindung zu denken war eine mutige Entscheidung der Stadtplanung. Funktionell ist sie zwar naheliegend: Immerhin erspart sie den Bewohnern eines großenWohngebiets einen mühevollen Ab- und Wiederaufstieg auf dem täglichen Weg zur U-Bahn. Stadtgestalterisch bestand allerdings die Gefahr, das visuelle Chaos an dieser Stelle noch zu erhöhen und das Ensemble der beiden denkmalgeschützten Brücken der Wagnerschen Stadtbahn zu ruinieren.

Das Architektenteam Aneta Bulant und Klaus Wailzer, das bereits mit einer Fußgängerbrücke über dem Gürtel neben der Hauptbibliothek eine ähnliche Aufgabe bewältigt hatte, setzte sich in einem europaweiten, offenen Wettbewerb – in Kooperation mit dem Tragwerksplaner Karlheinz Wagner – gegen 46 Konkurrenten, darunter Zaha Hadid und Klaus Bollinger, durch. Ihr Entwurf sieht als Konstruktion einen wannenförmigen Durchlaufträger vor, dessen Seitenwände entsprechend den geforderten Duchfahrtshöhen und statischen Notwendigkeiten unterschiedlich hoch ausgeführt sind. Das Niveau des Bodens folgt im leichten Gefälle seiner eigenen Logik, wodurch sich unterschiedliche Parepethöhen ergeben, während die Dachebene über die gesamte Länge der Brücke von rund 120 Metern auf einer horizontalen Linie verläuft. Zusammen mit den leicht gegeneinander verschwenkten Seitenwänden erzeugt diese Anordnung perspektivische Effekte, die dem Durchgang eine besondere Spannung verleihen. Nach außen verzichtet die Brücke auf angestrengte konstruktive Hochseilakte, die in diesem Kontext völlig unangebracht wären. Trotzdem besitzt sie mit ihrer eleganten Linienführung, die von kleinen, aber präzisen Gesten lebt, eine starke Präsenz im Straßenraum.

Im Detail ist freilich vieles anders geworden als geplant. Statt der rahmenlosen Verglasung auf ovalen Tragprofilen findet sich eine vergleichsweise primitive Lösung mit kantigen Profilen und Gläsern in Aluminiumrahmen. Wo heute kleine Klappen für die Lüftung sorgen, hätten sich ursprünglich ganze Glaselemente leicht nach außen geklappt. Der Boden ist schlecht ausgeführt und kaum zu reinigen, und manche Details wie die Handläufe wirken überhaupt wie vom Schlosserlehrling erfunden. (Wer über den Sinn des dritten, obersten Handlaufs rätselt: Der wurde als Anprallschutz gegen Radfahrer vorgeschrieben, die im Sturzflug das Sicherheitsglas aus dem Rahmen sprengen könnten.)

Die Stadt Wien hätte also viel lernen können aus diesem Projekt: Was ein gut vorbereiteter und angemessen honorierter Wettbewerb leistet; wo die Kompetenzen der Beteiligten an ihre Grenzen stoßen und mehr Kooperation im Sinne des Projekts nötig wäre; und dass Weltstadtniveau bedeuten würde, Qualität bis zum Detail durchzuhalten.

Stattdessen lehnt sie sich zurück und nimmt eine große Dosis Calatrava. Vielleicht ist die Sehnsucht nach dessen Architektur tief in der Psyche des Wiener Magistrats zu suchen. Der gleicht – wie die meisten großen öffentlichen Institutionen Österreichs –, in Bauformen ausgedrückt, ja einer Mischung aus Potala und Gänsehäufel, ein barockes, in sich widersprüchliches Gebilde mit erstaunlichen Auswüchsen aller Art. Die Architektur Calatravas mit ihren lieblichen, quasi-natürlichen Formen ist dazu das absolute Gegenbild. Aber zwei Calatravas werden Wien nicht ändern, sondern als das herumstehen, was auch die anderen jüngeren Projekte des Meisters zu sein scheinen: erdfeste Seifenblasen, die nie platzen. Leider.

20. January 2008 Spectrum

Ein Stadtbild kommt ins Rollen

Die Niederflur-Straßenbahn in Wien: „ULF“ – die gelungenste Maßnahme zur Verbesserung des Stadtbildes in den vergangenen 20 Jahren.

Das Stadtbild liegt dem Wiener am Herzen. Kaum hört er von einem geplanten Neubau, keimt in ihm der Verdacht auf Bildstörung. Veränderungen bekannter Veduten steht er grundsätzlich skeptisch gegenüber, wie überhaupt der Zukunft, denn „es kommt ja nichtsBesseres nach“. Entgegen diesem Klischee hat Wien in den letzten Jahren eine erstaunlich radikale Veränderung des Stadtbilds erlebt, die als solche aber kaum bewusst wahrgenommen wird. Statt der alten rot-weiß-roten Straßenbahnen schieben sich vermehrtneue Straßenbahnzüge ins gewohnte Bild, die auf den Namen ULF hören, ein Akronym für das „Ultra-Low-Floor“-Konzept, nach dem diese Züge konstruiert sind.

Als die ersten von ihnen vor fast 15 Jahren noch als Prototypen durch die Stadt rollten, war der Schock groß. Mit der guten alten Straßenbahn hatten diese Bandwürmer, bei denen man Vorne und Hinten kaum unterscheiden konnte, wenig zu tun. Wenn schon modern, dann hätte man sich eher eine verkleinerte Kreuzung aus TGV, Shinkansen undICE gewünscht, wie sie in anderen Städten auf die Schiene kamen. Dass ausgerechnet Porsche-Design diesen Wurm gestaltet hätte, musste wohl ein böses Gerücht sein.

Komfort war den neuen Wagen aber von Anfang an nicht abzusprechen. Weltweit gibtes bis heute keine Straßenbahn mit einer niedrigeren Einstiegshöhe. Nur 19 Zentimeter liegt der Boden des ULF über Straßenniveau, eine Höhe, die sich bequem mit der üblichen Gehsteighöhe in Einklang bringen lässt. Die nächsten Niederflur-Konkurrentenkommen auf 28 bis 30 Zentimeter oder haben im Wageninneren zusätzliche Stufen, was den Komfort deutlich reduziert.

Die Idee für den ULF entstand Ende der 1980er-Jahre, als die Wiener Linien die Spezifikation für die nächste Generation ihrer Straßenbahnen entwickelten, wobei zwei Wege zur Debatte standen: einerseits eine Verbesserung des bisherigen Konzepts mit Niederflurelementen beim Einstieg, andererseits der Plan, die Straßenbahn überhaupt „neu zu erfinden“. Gegen alle Klischees, dass manden Wienern Neues nur in kleinen Schritten zumuten könne, entschied man sich für die radikale und damit riskantere Alternative.

Die Idee dafür stammte von einem Ingenieur der Simmering-Graz-Pauker-Verkehrstechnik, Leopold Lenk. Er entwickelte für den ULF ein Portalfahrwerk, das von außen als vertikales, geschlossenes Trennelement sichtbar wird und konstruktiv als umgekehrtes „U“ ausgeführt ist. Da die geringe Bodenhöhe keine Achsen erlaubt, werden die Räderdes ULF einzeln von senkrecht stehenden Elektromotoren angetrieben, die seitlich in diesen „U“s untergebracht sind. Um das Niveau unabhängig von der Anzahl der Fahrgäste halten zu können, verfügt der ULF über eine hydraulische Federung, wie man sieetwa von Citroën kennt. Völlig neu konzipiertwurde in Zusammenarbeit von SGP und Elindie Steuerung der Räder, so dass man heute im ULF weniger mit der „Elektrischen“ unterwegs ist als mit der „Elektronischen“.

Die ersten Versuchsversionen des ULF rollten 1992, angedockt an alte Straßenbahnzüge, durch die Stadt. 1995 gab es einen funktionsfähigen eigenständigen Prototyp, ab 1997 wurde mit der Serienlieferung begonnen. In der ersten Tranche erwarb die Stadt bis 2006 150 ULFs, die Auslieferung derzweiten, klimatisierten Tranche hat letztes Jahr begonnen und wird bis 2014 abgeschlossen sein. Dann werden 300 der rund 500 Wiener Straßenbahnzüge aus diesen Serien stammen. Seit einer Woche ist auch ein Exportvertrag für eine erste ULF-Serie ins rumänische Oradea fixiert. Produziert wird nachwie vor in Wien, allerdings unter der Flagge von Siemens, das Ende der 1990er-Jahre mit der SGP einen Konkurrenten ihrer eigenen, etwa gleichzeitig entwickelten Niederflurtram, des „Combino“, übernahm. Dass dessen Ruf nach massiven technischen Problemen angekratzt ist, dürfte dem ULF in nächster Zeit etwas Auftrieb geben.

Das Design des ULF stammt tatsächlich von Porsche-Salzburg, wobei der Verzicht auf ein „schnittiges“ Äußeres als Qualität zu werten ist. Besonders aerodynamisch muss ein Fahrzeug, das kaum je mit mehr als 50 Stundenkilometern unterwegs ist, nicht sein.Stattdessen stand für den verantwortlichen Designer bei Porsche, Bernd Mayerspeer, die Gelenkigkeit des Fahrzeugs im Mittelpunkt, die durch die vertikalen Schilde betont wird, hinter denen sich die Portalfahrwerke befinden. Das Ergebnis ist ein ungemein großstädtisches Objekt, das sich nicht anbiedert, aber auch in 30 Jahren noch einenästhetischen Eigenwert besitzen wird.

So erfreulich der Einstieg in den ULF ist – als würde man von einem statischen Gehsteigeinfach auf einen rollenden wechseln – so ernüchternd ist das Ambiente, das sich dem Fahrgast bietet. Bei einem Preis von 2,4 Millionen Euro pro Wagen hätten hochwertigereMaterialien möglich sein müssen. Alles wirktein wenig billig, von der Verkleidung über diegrau lackierten Griffstangen und die plüschigen Sitze bis zu den Handschlaufen aus gelbem Plastik. Das kantenlose Design reduziertvielleicht die Verletzungsgefahr, aber in einemderart kontur- und spannungslosen Raum hatman nirgends das Gefühl, einen Platz gefunden zu haben. Und anders als von außen, wo die Portalfahrwerke deutlich abgesetzt sind, zieht sich innen die beige Oberfläche über die gesamte Länge des Raums.

Trotzdem: Der ULF ist wohl die gelungenste Maßnahme zur Verbesserung des Stadtbildes, ja vielleicht der ganzen Stadtplanung, dieder Gemeinde Wien in den letzten 20 Jahren aktiv gelungen ist. Kein Stadtmöbel, keine Platzgestaltung, keine Beleuchtung – man denke nur an die absurde Diskussion über dieKulturerbe-konformen neu-alten Kandelaberam Ring – reicht annähernd an ihn heran, zumindest wenn man großstädtische Maßstäbe ansetzt. Er beweist, dass man den Wienerinnen und Wienern weit mehr Innovationzumuten kann, als sie angeblich vertragen. Man muss nur selbst den Mut dafür haben.

16. December 2007 Spectrum

Die Quadraturdes Kreises

Nach langer Pause haben PAUHOF sich wieder dem Thema des Wohnhauses in der Landschaft gewidmet. Das Ergebnis, nahe Brixen, Südtirol: ein Sprung aus der Moderne ins Ungewisse.

Im Film gehören die modernen Häuser immer den Bösewichtern. Dr. No ist nur der erste in einer ganzen Reihe von James-Bond-Gegenspielern, die sich am liebsten in hypermodernen, wenn auch manchmal mit Antiquitäten bestückten Räumen bewegen. Auch Philip Vandamm, der Bösewicht aus Hitchcocks „North by Northwest“, residiert in einer im Stil Frank Lloyd Wrights gehaltenen, dramatisch über dem Abgrund schwebenden Villa mit ungestörtem Panoramablick, Ausgangspunkt für die finale Verfolgungsjagd über die Felsskulpturen des Mount Rushmore.

Das Architektenduo Michael Hofstätter und Wolfgang Pauzenberger – kurz PAUHOF – hat sich mit dem ambivalenten Charakter des modernen Raums, dessen grenzenlose Freiheit ab einem gewissen Moment ins Heimatlose und Bedrohliche umschlagen kann, schon seit Langem beschäftigt. Das jüngste Ergebnis dieser Auseinandersetzung ist eine derzeit im deSingel Kunstcampus in Antwerpen gezeigte Ausstellung, die unter dem Titel „The Wrong House“ der Filmarchitektur Alfred Hitchcocks gewidmet ist. Von PAUHOF stammt dort nicht nur die Ausstellungsgestaltung, sie haben auch Modelle und Zeichnungen von eigenen Projekten in die Installation einbezogen. Die Kombination ist durchaus schlüssig: PAUHOF sind an den Angsträumen, die sich hinter der scheinbar rationalen Oberfläche des modernen Lebens verbergen, genauso interessiert, wie es Hitchcock in seinen Filmen gewesen ist, und sie setzen in ihren Projekten virtuos kinematografische Mittel der Inszenierung ein. Damit stehen sie in einer großen Tradition: Schon Le Corbusiers Villa Savoye, ein Schlüsselbau der klassischen Moderne, ist wie eine Abfolge von Filmsequenzen komponiert. Eine andere, regional nähere Referenz für PAUHOF ist Le Corbusiers Zeitgenosse Lois Welzenbacher, der in den Jahren um 1930 einige der besten modernen Häuser im Alpenraum geschaffen hat, etwa das Haus Heyrovski in Zell am See.

Der ungebrochene Glaube an die Segnungen der Moderne, der aus diesen Bauten aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg spricht, ist heute längst vergangen. Schon das Einfamilienhaus an sich ist angesichts von Zersiedelung und Ozonloch zu einem Bösewicht geworden, der auch in der Passivhausvariante nie so ökologisch korrekt sein kann wie die Wohnung im dicht verbauten Stadtgebiet. Auch die Frage, wie „schön“ man heute überhaupt noch wohnen darf, kann zum Problem werden, zumindest wenn man sich an den Hinweis Adornos hält, es gehöre heute „zur Moral, nicht bei sich selber zu Hause zu sein“.

Das jüngste Projekt von PAUHOF, ein Einfamilienhaus in der Nähe von Brixen, lässt sich in diesem Sinn als Versuch interpretieren, ein Haus zu entwerfen, das Distanz zu sich selbst hält. Kaum glaubt man es durchschaut zu haben, etwa als Paraphrase auf diehorizontal gelagerten Bauformen der klassischen Moderne, überrascht es den Besucher mit der surrealistisch verzogenen Geometrieeines die Terrasse überspannenden Baukörpers, den sich das Haus in einer großen Kurve gleichsam über die Schulter wirft wie einen Schal. Bergseitig geht dieser Baukörperin die Skelettkonstruktion einer Pergola über,die immer schmäler wird und schließlich in den Terrassen des angrenzenden Weinbergs ausläuft. Die mehrfach gekrümmte Holzkonstruktion dieses Elements ist eine Meisterleistung, ausgeführt vom Unternehmen des Bauherren, das sich auf computergesteuerte Holzzuschnitte spezialisiert hat.

Im Inneren des Hauses wird der Besucher von einem raffinierten System aus Bewegungs- und Blickachsen geleitet. Alle Blicke sind so komponiert, dass möglichst viel von der grandiosen Landschaft rundum sichtbar wird, ohne dass Nachbarbauten das Bild stören. Umgekehrt wirkt die Terrasse durch denschwebenden Baukörper beinahe wie ein Innenhof, der vor den Blicken der Nachbarn schützt. Die vier Geschoße des Hauses habenihren jeweils eigenen Charakter: Ganz oben schwebt die Holzbox eines „Herrenzimmers“mit Panoramablick, über eine schmale Treppe mit dem Terrassengeschoß verbunden. Dort befinden sich der Wohn- und Essraum, die Küche und das Schlafzimmer der Eltern. Küche und Essraum liegen auf einer 20 Meter langen Achse, die am einen Ende tief in den Hang hineinführt und am anderen Endein einem zweigeschoßigen Raum endet, der die Treppe nach unten ins Eingangsgeschoß aufnimmt. Auf diesem Niveau liegen auch die Kinder- und Gästezimmer, die einen weiteren über zwei Geschoße reichenden Raum begrenzen, der auf der untersten Ebene als Kunstgalerie der Bauherrin dient. Obwohl sonst strenge Orthogonalität herrscht, ist die Geste der großen Kurve überall im Haus präsent: Sie dominiert den Terrassenhof, taucht im Elternschlafzimmer als gekrümmte Rückwand auf und im untersten Geschoß als Begrenzung der Galerie.

So kompliziert diese Anordnung klingt, so entspannt wirkt sie in natura. PAUHOF ist es gelungen, eine Selbstkritik der Moderne zu inszenieren, die das Alltagsleben nicht beschwert, sondern bereichert. Dass diese Quadratur des Kreises aufgehen konnte, liegt nicht zuletzt an der Zusammenarbeit mit dem Künstler Manfred Alois Mayr aus Bozen, dem PAUHOF die Gestaltung einzelner Elemente des Hauses überlassen haben. Von Mayr stammen Farben und Oberflächen an strategischen Punkten, etwa die Idee, die dunkle Farbe der Holzleisten, mit denen die Außenwand und einige Decken des Gebäudes verkleidet sind, durch das Flämmen von Eichenholz herzustellen.

Die Kontrolle aufzugeben und kein Gesamt-, sondern ein offenes Kunstwerk zu schaffen: Darin besteht der entscheidende Sprung aus der Moderne ins Ungewisse, der mit diesem Meisterwerk gelungen ist.

11. November 2007 Spectrum

Die Baukunst meiner Freunde

Was haben Otto Wagner, Clemens Holzmeister und Hans Hollein gemeinsam? Ihre Mitgliedschaft in der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, die heuer ihren 100. Geburtstag feiert. Eine Gratulation.

Architekten geben nur ungern zu, dass sie Vereinsmeier sind. Lieber sehen sie sich als einsames Genie, das seine Projekte trotz Heimtücke der Behörde, Unverständnis der Ausführenden und Geiz der Bauherren realisiert. Diese Figur mag zwar heute einigermaßen indie Jahre gekommen sein. Sie ist aber nach wie vor Teil des Selbstbilds, mit dem Architekten ihre Sonderrolle im Bauwesen begründen.Ein Umstand bleibt dabei dezent im Hintergrund: Der Erfolg dieser Einzelgänger ist nicht zuletzt darin begründet, dass sie trotz allem hochgradig assoziationsfähig sind.

Vieles spielt sich dabei auf der Ebene informeller Netzwerke ab. Aldo Rossi, einer der Väter der postmodernen Architektur, dessen radikal aufs Archetypische reduzierte Formensprache jeder anderen Position das Lebensrecht abzusprechen scheint, antwortete auf die Frage, welche Architektur er denn schätze, schlicht: „I like the architecture of my friends.“ Und die befreundeten Baukünstler durften ruhig vom formal ganz anderen Ufer kommen, solange sie seinem Clan angehörten.

Zu diesen informellen Netzwerken kommt eine Vielzahl von offiziellen, die erstaunlich langlebig und wandlungsfähig sind, wie das Beispiel der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, kurz ZV genannt, beweist. Ihre Gründung geht auf eine Initiative Ludwig Baumanns zurück, eines der erfolgreichsten Großarchitekten der K&K-Monarchie. Baumann war ein Multifunktionär, Mitglied und Präsident des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, Mitglied der Genossenschaft der Bildenden Künstler und dessen Aquarellistenclubs. Entlastung von so viel ernsthafter Funktionärstätigkeit verschaffte er sich in der Schlaraffia Vindobona, deren Wahlspruch „In arte voluptas“ gut zu Baumanns neobarocker Architekturauffassung passt.

Mitglied nur auf Empfehlung

Über die Gründung der ZV berichtet die Zeitschrift „Der Architekt“ in ihrer Ausgabe vom Juli 1907: „Im Festsaal der Wiener Kaufmannschaft fand eine Versammlung der hervorragendsten Architekten – ohne Rücksicht auf Richtung und Betätigung – statt. Der Vorsitzende Proponent, Oberbaurat L. Baumann, hielt eine programmatische Rede, in der er darauf hinwies, dass der Gedanke der Bildung einer Zentralvereinigung, in der die Architekten selbst, und zwar die in der Front für ihre Existenz, für die Erhaltung ihrer Selbstständigkeit kämpfenden Architekten, die Wahrung ihrer Standesinteressen in die Hand nehmen, schon lange propagiert wurde. Als Aufgaben der ZV nannte er: Gerichtliche Belangung jener Personen, die sich unbefugt den Titel eines Architekten beilegen, Stellungnahme gegen die Verleihung des Titels ,Baurat‘ an Geschäftsleute, Baugewerbetreibende, Chemiker, usw., Erwirkung von Staatsaufträgen an selbstständige Architekten, Stellungnahme gegen die Invasion ausländischer Architekten, vorherrschend in Tirol und Nordböhmen, Vorarbeiten für die Schaffung von Architektenkammern auf legislatorischem Wege.“ Besondere Sensibilität mag man der militärisch durchwirkten Diktion dieses Programms nicht attestieren, es geht aber im Kern über die Wahrung von Geschäftsinteressen hinaus. Mit der Einrichtung der ZV deklarierten die besten Vertreter ihres Fachs einen autonomen Bereich, innerhalb dessen sie selbst verhandeln wollten, was Qualität ist. Die Mitgliedschaft in der ZV ist daher bis heute nur auf Empfehlung anderer Mitglieder möglich.

Neben Namen wie Leopold Bauer, Fellner und Hellmer, Karl Mayreder und Josef Hoffmann trat auch Otto Wagner der ZV bei und übernahm als weltweit bedeutendster österreichischer Architekt seiner Zeit den Vorsitz beim Internationalen Architekturkongress, den die ZV 1908 in Wien veranstaltete. Ein Jahr später führte ein interner Streit allerdings zum Austritt Wagners, der auch mit dem Wettbewerb für das Kriegsministerium im selben Jahr zusammenhängen dürfte, den Baumann für sich entscheiden konnte. Neben 60 anderen Architekten hatten auch Otto Wagner und Adolf Loos teilgenommen, die nicht zu Unrecht behaupteten, dass Baumann seinen Sieg nicht seinem schwachen Projekt, sondern der Protektion durch den Thronfolger Franz Ferdinand zu verdanken hatte. Weil die ZV ja gerade diese Art von Einflussnahme hätte verhindern sollen, musste das als Verrat an ihren Qualitätszielen empfunden werden.

Ihre einflussreichste Phase hatte die ZV in der Zwischenkriegszeit, während der auch die Teilnahmeberechtigung an Wettbewerben für öffentliche Gebäude an eine Mitgliedschaft gebunden war. Zugleich begann die ZV mit eigenen Publikationen auf die Qualitätsdiskussion Einfluss zu nehmen, zuerst mit der Zeitschrift „Bau- und Werkkunst“, ab 1931 mit dem „Profil“. Beide waren anspruchsvoll redigiert und international ausgerichtet. Präsidenten der ZV in dieser Zeit waren Hermann Helmer, Siegfried Theiß, Clemens Holzmeister und Hans Jaksch. 1938 wurde die ZV aufgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg konstituierte sie sich neu und schloss auch rasch an ihre publizistische Tätigkeit vor dem Krieg an, ab 1946 mit der Zeitschrift der „Der Bau“, die 1965 von einer jungen Redaktion um Hans Hollein neu konzipiert wurde und unter dem Titel „Bau“ bis 1971 erschien und wichtige Impulse für den architektonischen Diskurs dieser Zeit lieferte. Mit der Einrichtung der Architektenkammern im Jahr 1959 war eines der Gründungsziele der ZV erreicht, sie übertrug damit aber zugleich den Großteil ihrer faktischen Macht an die neuen Institutionen. Dass Eugen Wörle von 1961 bis zu seinem Tod 35 Jahre lang als Präsident der ZV wirken konnte, ist kaum ein Zeichen für institutionelle Dynamik. 1996 ist Hans Hollein in seine Fußstapfen getreten und hat erfolgreich die wesentlichste öffentliche Aktivität der ZV am Leben erhalten, nämlich den seit 1967 vergebenen Bauherrenpreis, der sich zum wichtigsten österreichischen Architekturpreis entwickelt hat.

Als Qualitätszirkel einzigartig

Auch die aktuellen Preisträger zeigen ein breites Spektrum formaler Ansätze auf einem durchgängig hohen Niveau. Zwischen den formalen Extrempunkten des Wolkenturms von The Next Enterprise (einerFreilichtbühne in Grafenegg) und dem Michelehof von Philip Lutz in Vorarlberg finden sich die Donauuniversität Krems von Dietmar Feichtinger, die Sonderschule in Schwechat von Fasch und Fuchs, die Polizeistation am Wiener Karlsplatz von Pretterhofer und Spath sowie die Sonderschule im Tiroler Kramsach von Marte.Marte.

Ihren Geburtstag feiert die ZV neben einem Fest mit einer Reihe von Führungen im Umkreis der Ringstraße, die heuer mit 150 Jahren ebenfalls ein Jubiläum begeht. Heute ist die ZV – die im Übrigen keine Bundesinstitution ist, sondern in jedem Bundesland eigene, teils sehr aktive Vereine betreibt – eine von vielen Institutionen, die sich bemühen, dem schwierigen Begriff der „architektonischen Qualität“ einen öffentlichen Diskussionsraum zu bieten. Sie ist personell stark mit den österreichischen Architekturhäusern vernetzt, die ihrerseits in der Architekturstiftung verbunden sind, zu deren Gründungsmitgliedern 1996 wiederum die ZV gehört. Als Qualitätszirkel der Architekturschaffenden ist die ZV aber nach wie vor einzigartig. Ihrem nächsten Jahrhundert kann sie gelassen entgegensehen.

14. October 2007 Spectrum

Das Auto und seine Plazenta

73.000 Quadratmeter Nutzfläche, 180 mal 120 Meter Dach, 14.000 Tonnen Stahl. Und das alles, um Autos auf die Welt und an den Mann zu bringen. Die „BMW-Welt“ in München von Coop Himmelb(l)au.

Von der Idee, dass die Form der Funktion folgt, haben sich Automobilhersteller schon seit Jahren entfernt. Das Produkt Auto ist heute eingebettet in eine emotional aufgeladene Fantasiewelt, die von den Herstellernebenso gezielt gestaltet wird wie das Produkt selbst. Deshalb spielen BMW-Fahrzeuge in James-Bond-Filmen mit, und deshalb hat BMW vor einigen Jahren bei namhaften Regisseuren wie Ang Lee oder Wong Kar Wai eine Reihe von Kurzfilmen in Auftrag gegeben, in denen es jeweils zwei Hauptdarsteller gab, einen BMW und den britischen Schauspieler Clive Owen. 75 Millionen Zuseher haben diese Filme, die über das Internet zum Download angeboten werden, inzwischen gefunden und damit ihren Teil zur Markenentwicklung von BMW beigetragen.

Bereits Anfang der 1990er-Jahre entstanden erste Ideen, der Marke BMW auch architektonisch ein Denkmal zu setzen. Architektur war zwar schon damals in den Markenauftritt des Unternehmens einbezogen, aber vor allem als neutraler, in Chrom und Weiß gehaltener Hintergrund, vor dem das eigentliche Produkt umso deutlicher zur Wirkung kommen sollte. Für die normalen BMW-Autohäuser gilt diese Doktrin nach wie vor. In der Nähe des Münchner Stammwerkes sollte jedoch ein einzigartiges Bauwerk entstehen, eine Kult- und Pilgerstätte, im Idealfall ein Pflichtbestandteil jedes München-Besuchs. Da jeder Kult einen Ritus braucht, wurde auch der erfunden: Hier kann der Besitzer sein ofenwarm vom Fließband kommendes Auto in Besitz nehmen und zum ersten Mal in die freie Wildbahn des Münchner Stadtverkehrs ausfahren. Übernommen hat BMW diese Idee von Ferrari, wo die optionale Übergabe am Ende des Fließbands schon immer zum Brauchtum gehörte.

Einen besseren Standort für dieses Vorhaben hätte BMW kaum finden können. Einerseits befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zwei architektonische Meilensteine der deutschen Nachkriegsmoderne, das Olympiagelände mit den weit gespannten Zeltdächern nach dem Entwurf von Frei Otto und Günther Behnisch aus dem Jahr 1972 und das BMW-Hochhaus von Karl Schwanzer, 1973 als Abschluss des Münchner BMW-Werks errichtet.

Ein Dach als künstliche Wolke

Andererseits lässt sich kaum ein anderer Stadtraum denken, für dessen Ausformung das Automobil so direkt verantwortlich ist: Hier kreuzen sich auf zwei Ebenen eine 14-spurige und eine sechsspurige Schnellstraße, was allein von der Frequenz her entsprechende Werbewirksamkeit garantiert.

BMW schrieb für diesen Standort einen internationalen, offenen Wettbewerb aus, den Coop Himmelb(l)au unter 275 Teilnehmern nach mehreren Phasen im August 2001 für sich entscheiden konnte. Obwohl es bereits im Wettbewerb ein genaues Raumprogramm gab, lässt sich die eigentliche Funktion des Gebäudes nur schwer bestimmen. Es ist jedenfalls vieles zugleich: Seine Hauptfunktion leistet es als Auslieferungszentrum für Neuwagen, das in der oben geschilderten Weise bis zu 250 Fahrzeuge pro Tag bewältigen kann. Zugleich ist es ein Veranstaltungszentrum mit einem voll ausgebauten Theater für bis zu 800 Zuseher mit einer Bühnenausstattung, um die es so manches Theater einer deutschen Mittelstadt beneiden würde. Dazu kommen weitere Veranstaltungsräume unterschiedlichen Zuschnitts sowie großzügige Ausstellungsflächen und Gastronomiebereiche auf mehreren Ebenen, die über eine Brücke mit dem Werksgelände und dem bestehenden BMW-Museum verbunden sind, einem runden, schüsselförmigen Gebäude, das ebenfalls von Karl Schwanzer stammt.

Coop Himmelb(l)au haben den Wettbewerb nicht zuletzt deshalb gewonnen, weil sie erkannt haben, dass dieses komplexe, genau ausgearbeitete Raumprogramm in Wirklichkeit nichts anderes war als ein Vorwand für ein möglichst spektakuläres Gebäude. IhrProjekt ist ein unbeirrtes Stück Coop Himmelb(l)au, in dem die gewünschten Funktionen zwar gut bedient sind. Seine Form gewinnt es aber aus ganz anderen Quellen, vor allem aus der Idee eines großen, das gesamte Areal überspannenden Daches in Form einer künstlichen Wolke, die an einer Ecke in die vertikale Figur eines Doppelkegels übergeht, ein bekanntes Element aus dem Repertoire von Coop Himmelb(l)au, das hierangesichts des meteorologischen Dachmotivs auch als Wirbelsturm gedeutet werden kann, der sich aus dem Boden hervorschraubt. Im Grundriss bildet dieser Doppelkegel ein exaktes Pendant zu Schwanzers Museum, wie überhaupt die Einpassung des Projekts in den Kontext mit großer Selbstverständlichkeit gelungen ist. Die im Westenangrenzende Parklandschaft des Olympiaparks wird über große Verglasungen in den Raum unter der Glaswolke einbezogen, während die Verbindung zum Produktionswerk durch einen Einschnitt im Baukörper akzentuiert ist, der die Achse einer gegenüberliegenden Werksstraße aufnimmt.

Die Leichtigkeit und Dynamik, die man von den computergenerierten Bildern des Projekts in Erinnerung hat, will sich in Natura allerdings nicht so recht einstellen. Das Gebäude wirkt deutlich schwerer und dichter, was angesichts der konstruktiven Anstrengungen, die hier unternommen wurden, auch nicht verwunderlich ist. Das Wolkendach ist eine beeindruckende, vielfach geschwungene Stahlkonstruktion, die nur auf dem Doppelkegel und wenigen schlanken Stahlbetonstützen auflastet. Im Tragwerksplaner Klaus Bollinger, der mit Wolf D. Prix auch an der Universität für Angewandte Kunst unterrichtet, haben die Architekten hier einen kongenialen Partner gefunden. Besonders hervorzuheben ist auch, dass Coop Himmelb(l)au nicht nur für den Entwurf, sondern auch als Generalplaner für das Gesamtprojekt verantwortlich waren.

Wer sich von der BMW-Welt eine Verherrlichung des Automobils als chromblitzende Maschine erwartet hat, etwa in der Tradition des italienischen Futurismus, wird jedenfalls nicht auf seine Kosten kommen. Viel näher liegt die Assoziation zum Surrealismus, der für Coop Himmelb(l)au schon immer eine Inspiration gewesen ist.

Neugeboren auf dem Drehteller

Hier, bei einer Aufgabe, bei der es kaum funktionelle Einschränkungen gab, konnte er sich fast ungebremst entfalten. Das gilt etwa für den Fußgängersteg, der die Halle durchzieht und den besten Blick auf den ovalen Präsentationsbereich im Zentrum der Anlage bietet, auf dem die über einen Glaslift angelieferten neugeborenen BMWs vor der Übergabe noch kurz auf Drehtellern rotieren, bevor sie in ihr selbstständiges Leben entlassen werden. Gleich an mehreren Stellen lässt dieser Steg seine Brüstung hängen wie Salvador Dalis geschmolzene Uhren, und wirkt insgesamt wie eine Nabelschnur in einer großen, dem automobilen Gebären gewidmeten Plazenta.

Ob die BMW-Marketingabteilung wirklich weiß, welche Art von Meisterwerk sie hier um einen kolportierten Betrag von über 250 Millionen Euro geschaffen hat, ist noch nicht abzuschätzen. Vorderhand sind die Freiflächen mit Objekten und einem Geflimmer von Präsentationen bespielt, die besser auf der IAA in Frankfurt oder im Museum gegenüber aufgehoben wären. Aber vielleicht geht dieser Anfall von Horror Vacui ja irgendwann vorbei, und BMW überlässt die Halle ganz dem Kunstbetrieb, der dann die Gebärmaschine in der Mitte in bester surrealistischer Tradition umspielt.

9. September 2007 Spectrum

Wie man das Neue organisiert

Visionen für die Zukunft hat man bald einmal. Die Schwierigkeit liegt in der Umsetzung. Über alltägliche Innovationen und die Wege dorthin. Am Beispiel Architekturwettbewerb.

Hochhäuser in Form von exotischem Gemüse, das aus einemFeuchtbiotop hervorwächst: Mussman sich so die Stadt des 21. Jahrhunderts vorstellen? Der südkoreanische Architekt Minsuk Cho hat diesen Vorschlag kürzlich bei einem Symposium an der Wiener Universität für Angewandte Kunst präsentiert. Wie ernst diese Provokation aller formalen Codes der „modernen Architektur“ gemeint ist, sei dahingestellt. Auch an ihrem Neuigkeitswert kann man Zweifel anmelden, lässt sich die Anlage doch als rund gedrechselte Version des Wohnparks Alt Erlaa mit seinen hängenden Gärten und der anämischen Parklandschaft rundum interpretieren. Vielleicht will Minsuk Cho, der brillanteste unter den jungen Architekten Südkoreas, in dessen tatsächlich ausgeführten Hochhäusern keinerlei Anleihen am Gemüsegarten vorkommen, hier aber eher einen Kommentar zu unserer gegenwärtigen Situation abgeben: Fortschreitender Naturverlust, der durch Ersatzgrün kompensiert wird; eine individualisierte Gesellschaft, deren ideale Wohnform die Einzelzelle ist, an die sich halböffentliche Zonen für die Aktivitäten der Patchworkfamilie andocken; und eine zunehmende Verdrängung ästhetischer Fragen durch ökologische Parameter, die sich formal in einem dumpfen Biologismus niederschlagen, sofern sie Form überhaupt noch als Thema gelten lassen.

Dass die Zukunft des Wohnens nicht genau so aussehen wird wie in Chos Vision, kann als sicher gelten. Aber welche Elementedavon werden wir in unseren Städten tatsächlich finden? Und wie können wir schon heute die Möglichkeiten ausloten, auf die genannten Entwicklungen zu reagieren? Die Entstehung von Neuem in der Architektur ist ein heikles Thema, bestehen doch 99 Prozentdes Bauens aus der Abwandlung bekannter Lösungen. Innovation steckt in der Organisation des restlichen Prozents. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Architekturwettbewerb zu. In seiner heutigen Form gibt es ihn seit der Renaissance, als Bauherren begannen, ihre Entscheidungsmacht an Gremien von Fachleuten zu delegieren. Verbunden damit, setzte sich die Trennung zwischen dem ausführenden Handwerk und dem architektonischen Entwurf als einer künstlerischen Tätigkeit durch. Das versprach sozialen Aufstieg, allerdings zum Preiseiner über weite Strecken prekären wirtschaftlichen Situation, von der bis heute alle Architekten, die ihre Karriere auf Wettbewerbe aufgebaut haben, berichten können.

Trotzdem ist der Architekturwettbewerb eine erstaunlich robuste Institution. Gab es vor einigen Jahren noch eine Diskussion darüber, ob man nicht überhaupt auf ihn verzichten könnte, nimmt die Zahl der Verfahren heute wieder zu. Über das Prinzip, dass es nicht um die billigste Planungsleistung, sondern um das beste Projekt geht, herrscht weitgehend Konsens. Nur so können derartige Verfahren tatsächlich zur Innovationsförderung im alltäglichen Baugeschehen beitragen. Ihr Erfolg hängt dabei wesentlich von der Qualität der Organisation ab, von der Formulierung der Aufgabenstellung über die Auswahlkriterien der Teilnehmer bis hin zur Höhe der Preisgelder.

Seit die Wettbewerbsordnung der Architektenkammer abgeschafft wurde, um dem EU-Druck zur Deregulierung nachzukommen, gibt es dafür allerdings eine beachtliche Bandbreite. Auf der einen Seite finden sich aufwendig gestaltete Wettbewerbe, begleitet von Forschungsprogrammen und Veranstaltungen, in denen die Anliegen des Wettbewerbs öffentlich diskutiert werden. Ein vorbildliches Beispiel dafür ist derzeit im Steirischen Gleisdorf zu beobachten. Unter dem Titel „Generationen Wohnen“ ist hier ein Wettbewerb für rund 80 Wohneinheiten in zentraler Lage ausgeschrieben. Das Projekt, initiiert vom Verein ARTIMAGE und der Wohnbauabteilung des Landes Steiermark, versteht sich als Prototyp für die Revitalisierung von Ortskernen, die durch die Verlagerung von Einkaufsmöglichkeiten an die Peripherie zunehmend ihre zentrale Funktion verlieren. Speziell für Wohnbedürfnisse außerhalb der klassischen Kleinfamilie wie Seniorengemeinschaften, Alleinerziehende und Singles, und für betreutes Wohnen sollen hier Angebote geschaffen werden. Der zweite Innovationsaspekt betrifft die Ökologie, für die ein integratives Konzept zu entwickeln ist, das vom Wohnklima bis zu langfristigen Betrachtungen der Energieeffizienz reicht. In diesem Aspekt wird das Projekt von Brian Cody von der Technischen Universität Graz in einem eigenständigen Forschungsprojekt begleitet, das am 11. September in Gleisdorf in einer Fachtagung über „Innovative Konzepte der Energieeffizienz“ vorgestellt wird, Im Dezember folgt eine weitere über „Innovative Wohnformen“. Die Ähnlichkeit dieses Prozederes mit dem EUROPAN-Wettbewerb, der alle zwei Jahre europaweit ausgeschrieben wird, ist kein Zufall: Bernd Vlay, Geschäftsführer von EUROPAN Österreich wirkt in Gleisdorf an Konzept und Organisation mit.

So viel Aufwand ist sicher nicht bei jedem Wettbewerb gerechtfertigt. Am anderen Ende des Spektrums finden sich allerdings – vor allem im öffentlichen Bereich, wo Konkurrenzverfahren vom Bundesvergabegesetz vorgeschrieben, von manchen Auftraggebern aber als lästige Pflicht gesehen werden – Verhandlungsverfahren, bei denen Planungen im Wesentlichen über den Preis vergeben werden. Das Hochbauamt Wiener Neustadt lädt gerade zu einem Verhandlungsverfahren für den Neubau einer Schule, bei dem aus Bewerbungen drei Teilnehmer ausgewählt werden, die in der zweiten Stufe ihrem finanziellen Anbot „Skizzen“ eines Entwurfs beilegen sollen. Ein Preisgeld oder eine Entschädigung für den Aufwand dieser Ausarbeitungen ist nicht vorgesehen. In Niederösterreich – das andererseits vor Kurzem sehr erfolgreich eine Wettbewerbspflicht für alle größeren Wohnbauten eingeführt hat, die Förderungen erhalten – ist das kein Einzelfall. Innovative Ergebnisse darf sich bei solchen Verfahren freilich niemand erwarten.

Der Trend geht aber in die andere Richtung. Die Architektenkammer hat in jüngster Zeit mit wichtigen öffentlichen Auftraggebern wie der Gemeinde Wien und der Bundesimmobiliengesellschaft Vereinbarungen getroffen, wie im Rahmen des Bundesvergabegesetzes faire und effektive Verfahren zu gestalten sind. Im Internet findet man seit Kurzem eine von der Kammer besorgte Dokumentation des gesamten österreichischen Wettbewerbsgeschehens. Verfahren, die außerhalb der Spielregeln durchgeführt wurden, sind dort speziell markiert. Die Ergebnisse sprechen für sich.

7. July 2007 Spectrum

Wursteln im Prater

Nächste Woche wird in Ohio mit dem Akron Art Museum von Coop Himmelb(l)au ein neues Wahrzeichen eröffnet. Und Wien rahmt eines seiner alten in eine Kitschkulisse.

Manche Städte träumen vom Bilbao-Effekt. Sie laden die Oberliga unter den Weltarchitekten zu Wettbewerben ein, um ihre Stadt mit einem Projekt im internationalen Städtewettbewerb zu positionieren, so wie es Bilbao mit Frank O. Gehrys Guggenheim-Museum geglückt ist. Aus Österreich spielt in dieser Liga nur Coop Himmelb(l)au mit: Nächste Woche wird ihr Akron Art Museum in Ohio eröffnet, 2009 das 100 Millionen Euro teure Musée des Confluences in Lyon. Die BMW-Welt in München, die im Oktober 2007 realisiert wird, ist auch ein Coop-Himmelb(l)au-Entwurf, ebenso der für 2011 geplante Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Es sind zwar keine kommunalen Projekte, aber sie werden zum Image ihrer Städte wesentlich beitragen. Durch direkte Vergabe haben die Architekten keinen dieser Aufträge erhalten: Jedem Projekt ging ein erster Platz in einem Wettbewerb voraus, teilweise hart über mehrere Stufen erkämpft.

Wien hatte bisher wenig Lust, sich an diesem architektonischen Städtewettlauf zu beteiligen. Hier begnügt man sich mit dem Ruhm vergangener Jahrhunderte, selbst dann, wenn es gilt, das offizielle Wahrzeichen der Stadt zu ergänzen. Der Riesenradplatz, der den neuen Eingang zum Wurstelprater bilden soll, geisterte als Projekt schon seit einiger Zeit durch die Medien, ein Konglomerat aus historischen Versatzstücken, das den Besucher mit der Storyline „Der Zauberer kehrt zurück“ ins „Wien um 1900“ versetzen soll.
Dass die Stadt bereit ist, Geld zu investieren – immerhin 16 Millionen Euro, zu denen weitere 16 Millionen aus zukünftigen Erträgen kommen sollen –, um den Wurstelprater durch diesen baulichen Auftakt zu erneuern, ist grundsätzlich klug. Die Aufwertung des Gebiets durch die verlängerte U-Bahn-Linie 2 hat eine neue Situation geschaffen, zu der eher ein hochwertiger Vergnügungspark wie der Kopenhagener Tivoli passen würde als der heutige Rummelplatz.
Das aktuelle Projekt, das bis zur EM 2008 fertiggestellt sein soll, könnte den Weg dorthin dauerhaft verbauen. Es stammt von der Firma Explore, vertreten durch den Architekten Martin Valtiner mit einem Büro in Lienz, Osttirol, das sich unter anderem mit Villenentwürfen zwischen Lederhosen- und französischem Landhausstil profiliert hat. Die letzten Mai bekannt gewordenen Pläne für den Riesenradplatz sind auf demselben Niveau, mit dem Unterschied, dass das Ausgangsmaterial aus Fassadenteilen von Schönbrunn und dem Belvedere besteht. Als Valtiner letzte Woche zusammen mit der Mentorin des Projekts, der Wiener Vizebürgermeisterin Grete Laska, den aktuellen Planungsstand vorstellte, gab es im Detail zwar erst ein Stück Wiener Kaffeehaus im selben Stil zu sehen: Die übrigen Teile würden analog dazu erst in Abstimmung mit den einzelnen Pächtern entwickelt. Das ganze Ausmaß des Grauens lässt sich jedoch erahnen, wenn man die Machart des Kaffeehauses auf die Baumassenstudie überträgt, die einen Komplex von immerhin 16.000 Quadratmeter Nutzfläche darstellt. Architekturkritik ist hier sicher fehl am Platz. Dass die Firma Explore in den vergangenen Jahren zwei spektakuläre Flops im Entertainment-Bereich geliefert hat, wird eher das Kontrollamt der Stadt Wien interessieren: Die „Anderswelt“ in Heidenreichstein musste nach wenigen Saisonen und 4,5 Millionen Euro Investment – ein Drittel davon Landesförderung – ihren Betrieb einstellen. Der 5,4 Millionen Euro teure „Blue-Dome“ am Wolfgangsee, im Mai 2005 eröffnet, hatte ein ähnliches Schicksal und wurde nach einer Sperre erst kürzlich, von einem deutschen Büro umgestaltet, neu eröffnet. Die Sorge, dass Wien sich mit einer womöglich auch noch dysfunktionalen Nostalgie-Inszenierung anlässlich der Fußball-EM zum Gespött machen wird, dürfte den verantwortlichen Unternehmen, allesamt 100-Prozent-Töchter der Gemeinde Wien, noch genug schlaflose Nächte bereiten.

Nicht unwidersprochen dürfen aber zwei Aussagen der Vizebürgermeisterin bei der erwähnten Pressekonferenz bleiben: Es handle sich erstens nicht um eine architektonische Aufgabe, sondern „um einen Industriebau mit vorgehängten Kulissen“, weshalb „der Fachbeirat für Stadtgestaltung nicht mit dem Projekt zu befassen sei“. Und zweitens habe die Firma Explore bei einem früheren Wettbewerb einen Preis erhalten, weshalb vom Vergaberecht her nichts gegen die Beauftragung spreche.

Zum Ersten: Wenn ein Projekt dieser Dimension vor dem Wahrzeichen der Stadt nicht vor den Fachbeirat muss, kann man ihn gleich auflösen. Dazu kommt, dass Erlebniswelten heute zu den zentralen Aufgaben der Architektur gehören. Frank Gehry hat für Disney gebaut, die BMW-Welt in München ist nichts anderes als ein automobiler Themenpark. Gut vorbereitet, könnte auf dem Riesenradplatz ein Projekt entstehen, das neue Raum-, Wahrnehmungs- und Erlebnisformen zum Inhalt hat und statt dem „Wien-um-1900“-Image eines entstehen lässt, das im 21. Jahrhundert angekommen ist.

Zum Zweiten: Wie schon ein Kontrollamtsbericht 2006 bestätigte, gab es für den Masterplan zur Entwicklung des Praters nie ein reguläres Verfahren. Zwar befasste sich der Bericht mit dem Auftrag an Emmanuel Mongon, der für sein Praterkonzept – von dem heute nicht viel mehr übrig ist als das Motto „Wien um 1900“ – schließlich 1,35 Millionen Euro plus Spesen kassierte. Dasselbe Erkenntnis gilt aber auch für die Firma Explore, die im damaligen „Ideenfindungsprozess“, in dem es weder Jury und noch klare Beurteilungskriterien gab, einen Geldpreis erhalten hat, auf den man sich jetzt beruft. Der Architekturwettbewerb – zu dem sich die Gemeinde Wien in einer vorbildlichen, im Gemeinderat einstimmig verabschiedeten Leitlinie bekannt hat – ist ein zu wertvolles Instrument, um ihn mit dem Pfusch in einen Topf zu werfen, den sich die Stadt hier geleistet hat.

Dem Vorplatz des Wurstelpraters hilft diese Erkenntnis wenig. Um den zu retten, bräuchte man heute wohl einen echten Zauberer.

20. May 2007 Spectrum

Karstadt in Buxtehude

Was heißt Ensembleschutz? Das neue „Kaufhaus Tyrol“ und wie es sich zur ehrwürdigen Maria-Theresien-Straße hin artikulieren soll: ein Beispiel aus Innsbruck.

Innsbruck steht vor einer Entscheidung über die Zukunft seiner Innenstadt. Im Jahr 2004 kaufte der Immobilienentwickler René Benko das heruntergewirtschaftete „Kaufhaus Tyrol“, das an der Maria-Theresien-Straße im Zentrum der Stadt liegt. Im angrenzenden Hof soll das Kaufhaus um 20.000 Quadratmeter zu einem Shoppingcenter erweitert werden. Der Investor wollte zwar keinen Wettbewerb ausschreiben, einigte sich mit der Stadt aber auf eine Projektbegleitung durch einen Gestaltungsbeirat, den sich Innsbruck – mangels eines eigenen – aus Salzburg „lieh“. Vorsitzende des Salzburger Beirats ist die aus Tirol stammende Architektin Marta Schreieck, die zusammen mit ihrem Partner Dieter Henke den Innsbrucker Qualitätsmaßstab für zeitgenössisches Bauen im historischen Umfeld gesetzt hat – die 1999 fertiggestellte sozialwissenschaftliche Fakultät.

Das Ergebnis der ersten Projektphase ist ein amöboides Gebilde, das den Hof weitgehend ausfüllen wird. Formal orientiert sich der von Johannes Obermoser entworfene „Blob“ an erfolgreichen Artgenossen wie dem Kunsthaus Graz und dem Selfridges Kaufhaus in Birmingham, die ihre weichen Rundungen ebenfalls in einer kantigen Nachbarschaft ausbreiten dürfen und beim Publikum enormen Zuspruch finden.

Dass die drei bestehenden Gebäude des Kaufhauses zur Maria-Theresien-Straße weder formal noch – aufgrund der Geschoßhöhen – funktionell ein geeigneter Abschluss für diesen Blob sein würden, war offensichtlich. Man einigte sich mit der Stadt darauf, zwei der drei Häuser abzureißen und für deren Ersatz samt Anschluss an den Blob einen Wettbewerb auszuschreiben. Noch während der Ausschreibung wurde bekannt, dass der Leiter der Tiroler Denkmalschutzbehörde, Landeskonservator Franz Caramelle, für die Maria-Theresien-Straße ein Ensembleschutzverfahren eingeleitet hatte und dieser Schutz im September 2006 ausgesprochen worden war.

Man entschied sich, den Wettbewerb trotzdem durchzuführen. Ziel des Ensembleschutzes ist ja der Schutz eines Gesamteindrucks und nicht der jedes einzelnen Elements, das zu diesem Eindruck beiträgt. Angesichts der wechselvollen Baugeschichte der Straße, in der vieles aus dem 20. Jahrhundert stammt, hoffte man auf ein zeitgemäßes Projekt, das den spezifischen Rhythmus der Straße aufnimmt, ohne etwas Bestehendes zu kopieren.

Das Ergebnis des Wettbewerbs war von Anfang an kontroversiell. Das Wiener Architektenteam BEHF hatten eine Art Gletscherwand entworfen, mit großformatigen, rechteckigen Öffnungen und vielen runden Bullaugen, die ein Motiv der Blob-Fassade wiederholen. Die Anbindung an einzelne Linien der Nachbarschaft ist zwar vorhanden, ebenso die Teilung der Fassade in drei durch Knickfalze voneinander abgesetzte Bereiche, insgesamt überwiegt aber der Eindruck einer liegenden Figur. Andere im Wettbewerb favorisierte Projekte wie etwa jenes von Rainer Pirker hatten zurückhaltender auf den Rhythmus des Ensembles reagiert, aber auch sie hätten den Betrachter spüren lassen, dass hinter ihnen etwas für den Ort bisher Unerhörtes liegt, nämlich eine Einkaufswelt von 20.000 Quadratmetern.

Der Aufschrei des Denkmalamts folgte prompt. Der Investor, René Benko, versprach eine Weiterentwicklung des BEHF- Projekts. Parallel dazu wandte sich die Berufungsbehörde an den Denkmalbeirat, ein vom zuständigen Ministerium bestelltes ehrenamtliches Expertengremium, das vor jedem Abbruchbescheid gehört werden muss. Dessen Vorsitzender, Friedmund Hueber, wurde per Schreiben vom 7. Februar 2007 ersucht, ein Gutachten über die „Ensembleverträglichkeit des geplanten Objektes und gegebenenfalls Skizzierung einer Lösungsvariante“ zu erstellen. Am 12. April lag das Gutachten vor, in dem Hueber bereits zu einem neuen Lösungsvorschlag Stellung nehmen konnte, den Benko beim Wiener Architekten Heinz Neumann in Kooperation mit Hueber selbst in Auftrag gegeben hatte. Dass Hueber damit gewissermaßen über sich selbst urteilen durfte, ist vom Denkmalschutzgesetz gedeckt, in dem sogar explizit darauf verwiesen wird, dass Mitglieder des Denkmalbeirats als Konsulenten herangezogen werden können.

Wenn es einen Anlass gebraucht hat, das Gesetz in diesem Punkt zu ändern, ist er jetzt gefunden. „Karstadt in Buxtehude“ gehörte noch zu den harmloseren Kommentaren, die unter Innsbrucker Architekten zirkulierten, als das Projekt vor zwei Wochen öffentlich wurde. Die ganze Lebendigkeit der umgebenden Fassaden ist hier zu einer Ansammlung von Phrasen erstarrt. Das sieht auf den ersten Blick harmlos aus, erzeugt aber bei längerem Hinsehen Depressionen. Die Vergangenheit, auf die Hueber sich hier beruft, war immer schon vergangen und tot, ohne Widersprüche und innere Spannungen. Dieses Phantom eignet sich bestenfalls als Dekor für eine Shoppingwelt, in der auch Atmosphäre, Rituale und räumliche Qualität zur Ware geworden sind.

Ob das Bundesdenkmalamt (BDA) dieser Fassade seinen Segen erteilt hätte, ist unklar: Der Bescheid ist direkt von der zuständigen Ministerin, Claudia Schmied, unterschrieben. Da sich die führenden Beamten des BDA stets gegen jede Art des „Fassadismus“ ausgesprochen haben, also gegen die Praxis, nur die Fassaden historischer Gebäude zu erhalten, sollte das Urteil in diesem Fall klar sein: Ein „Fassadismus“ zweiter Ordnung, der dem Bestand das eigene tiefe Niveau unterstellt und ihn damit herabwürdigt, ist noch weit weniger zu tolerieren.

Der Ball liegt derzeit beim Investor, der ein Danaergeschenk in Händen hält: einen Abbruchbescheid für die beiden Bestandsbauten, der allerdings zwingend an die Errichtung des Neumann/Hueberschen Projekts gebunden ist. Jüngste Ankündigungen lassen vermuten, dass er das den Innsbruckern nicht zumuten will. Von weiteren Verhandlungen mit dem Ministerium und seinen Beamten, von einer grundsätzlichen Diskussion über den Umgang mit dem Ensembleschutz und von einem neuerlichen Wettbewerb mit internationaler Starbesetzung ist die Rede.

Dass es möglich ist, sogar unter noch strikteren Bedingungen anspruchsvolle Projekte im geschützten Ensemble zu realisieren, hat sich vor kurzem in Graz gezeigt. Dort vergrößert das traditionsreiche Kaufhaus Kastner & Öhler seine Verkaufsflächen im Zentrum der Stadt von 30.000 Quadratmeter auf 40.000 Quadratmeter. In Abstimmung mit dem Denkmalamt wurde ein Wettbewerb durchgeführt, den das spanische Team Nieto/Sobejano für sich entscheiden konnte. Kritik gab es auch hier, aber nach einigen Veränderungen, die dem Projekt nicht geschadet haben, kann sich Graz auf eine spannende Bereicherung seiner Dachlandschaft freuen – und das alles mitten im Unesco-Weltkulturerbe der Grazer Altstadt.

6. May 2007 Spectrum

Barock für die Fische

Zwei Entwürfe für ein Flusskraftwerk in Salzburg: das Kraftwerk als schöne Maschine und ein ästhetischer Tribut an die Kraft des Wassers. Die Jury hat sich für den barocken Überschwang entschieden.

Wird heute von „Kunst“ gesprochen, so bezieht sich das so gut wie immer auf die Welt der Konzertsäle, Museen und Theater. Kaum jemand erinnert sich daran, dass es einmal durchaus üblich war, zwischen „schönen“ und „nützlichen“ Künsten zu unterscheiden. Im 18. und 19. Jahrhundert hat sich im Bereich des Bauens aus dieser Unterscheidung eine Demarkationslinie zwischen Architekten und Ingenieuren herausentwickelt, die bis heute nachwirkt. Fürs Schöne, so die geläufige Meinung, sind die Architekten zuständig, fürs Nützliche die Ingenieure. In Bereichen wie dem Straßenbau oder dem Wasserbau ist die ästhetische Komponente damit in der allgemeinen Wahrnehmung fast vollständig in den Hintergrund getreten. Wer wollte schon ernsthaft behaupten, dass eine Autobahn oder ein Kanal schön sein müssten?

Die geringen ästhetischen Ansprüche, die an sogenannte „Infrastrukturbauten“ gestellt werden, wären verschmerzbar, würde es sich dabei tatsächlich um unsichtbare Strukturen handeln. Das ist freilich nicht der Fall: Außerhalb der historischen Zentren von Städten und Dörfern sind es vor allem diese Bauten, die unserem Lebensraum Gestalt geben, und nur einer kollektiven Autosuggestion ist es zu verdanken, dass wir das oft gar nicht mehr wahrnehmen. Erst wenn diese Infrastruktur in kurzer Zeit zu wuchern beginnt und ins gewohnte Bild drängt, wie das derzeit an Österreichs Autobahnen durch den Einbau von Lärmschutzwänden geschieht, wird die Öffentlichkeit ein wenig unruhig.

Da sind die Fehler aber meist nicht mehr korrigierbar. Denn die ästhetische Qualität eines Infrastrukturbauwerks ist nichts, das sich im Nachhinein dazukaufen ließe. Sie wird bereits in Projektphasen geformt, in denen noch nichts zu sehen ist, vor allem in der raumplanerischen und städtebaulichen Konzeption, aber auch auf Nebenschauplätzen, die scheinbar nichts mit Ästhetik zu tun haben. So geht der aktuelle Bauboom bei Lärmschutzwänden auf eine unscheinbare Ziffer zurück, mit der der damalige Wirtschaftsminister Johannes Farnleitner 1999 den zulässigen Lärmpegel für die Anrainer von Autobahnen um fünf Dezibel und damit auf den strengsten Wert Europas herabsetzte: Sicher eine Entlastung für die Anrainer, vor allem aber eine Freude für die Bauwirtschaft, die heute im Auftrag der Asfinag Lärmschutzmaßnahmen von über 400 Millionen Euro pro Jahr ausführen darf, ein beträchtlicher Teil davon zur Sanierung von Mängeln in der Raumplanung und Flächenwidmung.

Die Lehre aus solchen Entwicklungen kann nur darin bestehen, die saubere Trennung zwischen Schönheit und Nützlichkeit aufzugeben und auch Infrastrukturbauten von Anfang an als sowohl technische wie gestalterische Problemstellungen zu behandeln. Wie produktiv die Diskussion sein kann, in die man dabei gerät, zeigt der soeben entschiedene Wettbewerb für das neue Flusskraftwerk im Salzburger Stadtteil Lehen. Ähnlich wie beim Beispiel der Lärmschutzwände geht es auch hier nicht nur um den primären Nutzen, nämlich die Energiegewinnung, sondern zugleich um die Sanierung von Umweltfolgen. Denn an sich liegt die erreichbare Fallhöhe des Wassers an dieser Stelle mit 6,5 Metern deutlich unter dem Wert von neun bis zehn Metern, ab dem üblicherweise ein solches Kraftwerk errichtet wird. Sein Zweck besteht allerdings nicht nur in der Energiegewinnung, sondern auch in der Erhaltung des Schotterbetts der Salzach, das inzwischen gefährlich dünn geworden ist. Würde die Strömung nicht durch eine neue Staustufe verlangsamt, wären umfangreiche und teure Sanierungsmaßnahmen an der Fluss-Sohle nötig gewesen, um die Gefahr eines Einbruchs der Uferböschungen zu verhindern.

Technisch besteht ein solches Kraftwerk aus einem Wehr, dessen Tore im Hochwasserfall geöffnet werden können, einem Krafthaus mit Kaplanturbinen, einer Wartungsbrücke, die für einen 90-Tonnen-Kran zum Austausch von Systemteilen befahrbar sein muss. Dazu kommt eine Fischtreppe, die eine Unterbrechung des Ökosystems verhindert. Städtebaulich liegt das Kraftwerk an einem spannenden Punkt: Auf der einen Seite befindet sich ein dicht besiedeltes Wohngebiet, auf der anderen ein Stück Auwald, das die bisherige Flussregulierung überlebt hat.

Im geladenen Wettbewerb, den die Salzburg AG ausgeschrieben hatte, blieben nach der ersten Phase noch zwei Projekte übrig, die völlig unterschiedlich an die Aufgabe herangingen. Dietmar Feichtinger, aus Graz stammender Architekt mit Büro in Paris, gestaltete das Kraftwerk als schöne Maschine: Die Wehrpfeiler stemmen sich gegen die Wasserwand, alle Energie fließt ins Krafthaus, dessen elegant abgerundeten Kanten eine eigenständige Figur am Ufer am Auwald bildet. Die Verbindungsbrücke ist eine leichte Stahlkonstruktion mit aufgelöstem Tragwerk, über dem mittig eine befahrbare Betonplatte mit beiderseitig begleitenden, begehbaren Holzrosten liegt.

Erich Wagner und Max Rieder geht es dagegen vor allem darum, die Kraft des Flusses zu zeigen, als würde er über die Schwelle stürzen und sprudeln. Ihre Wehrpfeiler sind weit flussabwärts gezogen, wie von der Strömung mitgerissen, und bäumen sich über dem Wehr zu mächtigen, zur Stadt blickenden und von dort sichtbaren Skulpturen auf. Im Projekt der ersten Stufe bestanden diese Skulpturen noch aus zwei Teilen, 70 Meter langen, schmalen Metallsegeln, die auf dynamisch geformten Wehrpfeilern aus Beton auflagerten. Im endgültigen Projekt sind die Wehrpfeiler deutlich verkürzt, die Skulpturen vereinfacht und aus den Metallsegeln ist eine spiegelnde Verblechung der Schnittflächen geworden. Rüdiger Lainer, der Vorsitzende der Jury, hatte Max Rieder in Anspielung an zwei Barockarchitekten unterschiedlichen Temperaments ersucht, sein Projekt in der Überarbeitung „von Borromini in Richtung Bernini zu domestizieren“.

Am Ende hat sich die Jury gegen die schöne Technik und für den barocken Überschwang entschieden. Das Projekt von Wagner und Rieder ist jedenfalls die signifikantere Lösung: Nachts beleuchtet, wird es weithin sichtbar sein, und die kleinen, über Treppen erreichbaren „Strandkörbe“, die Rieder in die Pfeiler integriert hat, bieten den Spaziergängern umgekehrt einen Blick übers Wasser. Auch die Anknüpfung an den Auwald ist geschickt gelöst, das Kraftwerk wirkt als hartes technisches Implantat, in dem die Fischtreppe pulsiert und den Fischen ein wenig Ausblick auf den Barock bietet.

Jetzt muss die Salzburg AG nur noch beweisen, dass sie auch die Kosten für ihren Ausflug ins Skulpturale zu tragen bereit ist. In einer Stadt, die mit der „schönen Wasserbaukunst“ schon seit dem frühen 17. Jahrhundert vertraut ist, als der Fürsterzbischof Markus Sittikus im Schlosspark von Hellbrunn die berühmten Wasserspiele anlegen ließ, sollte das kein Problem sein.

30. March 2007 Spectrum

Die Guten, die Bösen und die Dummen

Projekte, Proteste und weit und breit kein Konzept: Der Augartenspitz soll bebaut werden, nur wie? Die jüngsten Pläne lassen nichts Gutes erwarten.

An Unfälle solcher Art hat man sich inzwischen gewöhnt: Architektur, die aussieht, als wäre sie aus einem Zusammenprall entstanden, voller schräger Durchblicke und dramatischer Zuspitzungen. Das Projekt, mit dem die Wiener Sängerknaben sich im Augarten endlich eine eigene Spielstätte schaffen wollen, fällt in diese Kategorie. Johannes Kraus vom Atelier archipel, von dem der Entwurf für den kleinen, zur Hälfte unter die Erde abgesenkten Konzertsaal für 430 Plätze stammt, hat bei Coop Himmelb(l)au gearbeitet, unter anderem am Dresdner UFA-Palast. Dass er auch bei Hans Hollein studiert und assistiert hat, merkt man seinem Entwurf dort an, wo er die Zackigkeit mit ein wenig Zuckerguss garniert, etwa an der Eingangslösung mit dem kleinen versenkten Wasserbecken, das den äußersten Augartenspitz markiert.

Für die Wiener Sängerknaben wäre dieses Projekt eine Revolution, wenn es denn tatsächlich ihren Aufbruch zu einem neuen Selbstbild jenseits des klassischen Repertoires bedeuten würde. Das scheint zwar so wahrscheinlich wie Lipizzaner, die nach einer Choreografie von Pina Bausch tanzen, aber umso mehr würde man diesem Denkmal der österreichischen Identität einen innovativen Schub wünschen.

Wirklich froh kann man mit dem Projekt trotzdem nicht werden. Es zwängt sich zu sehr auf sein Eckgrundstück und hat kein angemessenes Vorfeld. Dazu kommt ein städtebauliches Problem. In Kürze wird in unmittelbarer Nähe eine Station der verlängerten U-Bahn-Linie U2 eröffnet. Das ist optimal für die Erreichbarkeit, zugleich würde sich aber an dieser Stelle ein logischer neuer Zugang in den Augarten ergeben. Eine Baumasse genau hier ist ein falsches Signal, auch wenn das Projekt einen seitlichen Zugang am Saaleingang vorbei vorsieht. Die städtebaulich sinnvollere Lösung liegt auf der Hand: Der Spitz bleibt frei, somit auch der Blick in den Park und auf ein gründerzeitliches Gebäude, das mit seinem Turm und schrägem Baukörperzuschnitt genau auf diese Situation reagiert. Und der Saal wird in den Augarten zurückversetzt, immer noch nahe genug zur U-Bahn, aber dann mit einem angemessenen Vorfeld und eingebettet in die Gartenlandschaft.

Dass diese Lösung nicht gewählt wurde, kann man allerdings nicht den Architekten vorwerfen. Denn die Geschichte des Projekts ist eine Schleuderfahrt, die seit dem Jahr 2000 andauert und bei der schon so viele Akteure ins Lenkrad gegriffen haben, dass es schwerfällt, die Übersicht zu behalten. Im Zeitraffer: Eine von den Gartenarchitekten Maria Auböck und Janos Kárász im Jahr 2000 für den Bereich des Augartenspitzes verfasste Studie schlägt vor, anstelle der bestehenden Flächenwidmung, die hier die Errichtung eines viergeschoßigen Schulbaus gestattet hätte, eine Bebauung von 30 Prozent der Fläche zuzulassen, allerdings mit einer deutlichen Beschränkung der Bauhöhe. Das ist vom historischen Bestand her durchaus legitim, befanden sich hier doch bis in die 1970er-Jahre die ehemaligen Gesindehöfe des Augartenpalais. Eine entsprechende Widmung wird 2002 im Gemeinderat beschlossen.

Als voraussichtlicher Nutzer sieht sich das Filmarchiv Austria, das in den straßenseitigen Gesindetrakten untergebracht ist und einen eigenen Kinosaal und Ausstellungsflächen zu errichten plant. Sein Direktor, Ernst Kieninger, beginnt mit dem ArchitektenteamFasch und Fuchs ein entsprechendes Projektzu entwickeln. Dafür gibt es aber nach dem Regierungswechsel im Jahr 2000 kein Geld mehr vom Bund, und die Stadt Wien möchte nicht als Alleinfinanzier auftreten. Vier Jahre später tritt ein anderer Interessent auf den Plan. Die Wiener Sängerknaben haben in Peter Pühringers POK Privatstiftung einen Sponsor gefunden, der zuerst die Sanierung des Augartenpalais unterstützt und dann einen kompletten neuen Konzertsaal zu finanzieren bereit ist. Ein erstes Projekt, den Saal direkt vor dem Palais unter die Erde zu verlegen, scheitert an zu hohen Kosten. Die Idee, die bestehende Widmung am Spitz zu nutzen, ist nahe liegend. Denn der Eigentümer ist auch dort der Bund, der den Park über die Burghauptmannschaft und über das Bundesgartenamt verwaltet.

Die POK beauftragt die Architekten von archipel, Vorstudien für zwei Standorte zu entwickeln, einerseits auf den Flächen der ehemaligen Gesindetrakte, andererseits am Augartenspitz. Die Gesprächsbasis mit dem Filmarchiv ist anfangs gut, beide Partner lassen von ihren Architektenteams Studien ausarbeiten, wie eine gemeinsame Realisierung ihrer Vorhaben aussehen könnte. Fasch und Fuchs erweitern im Auftrag Kieningers ihr Projekt um einen Saal für die Sängerknaben, wobei allerdings die vorgeschriebene 30-Prozent-Grenze überschritten wird. Archipel schlagen 2005 ein durchaus attraktives Landschaftsrelief mit aufgefalteten Ebenen im Garten vor, das beide Nutzungen parallel zum derzeitigen Filmarchiv unterbringt.

Dass in diesen Projekten die Erwartungen der jeweils anderen Seite auf dem knappen Grundstück nicht ohne Abstriche befriedigt werden, ist nicht weiter verwunderlich und hätte eine vermittelnde Moderation gebraucht. Grund für den bald erfolgten Abbruch der gemeinsamen Projektentwicklung ist letztlich die Tatsache, dass das Filmarchiv kein Budget für einen Zubau hat und die POK nicht daran interessiert ist, zusätzlich zum Saal für die Sängerknaben eine Erweiterung des Filmarchivs zu finanzieren. Am 16. Februar 2002 findet eine Sitzung mit Vertretern des Bundes, der Stadt, des Denkmalamts und der Bundesgärten statt, bei der sich Gregor Rizzi und Brigitte Mang, die Vertreter von Denkmalamt und Bundesgärten, strikt gegen eine Verbauung im Park aussprechen und nur den Standort am Spitz akzeptieren. Auf dieser Basis verfolgt die POK das Projekt weiter.

Mit der Konkretisierung des Projekts wächst auch der Unmut der Bürgerinitiativen in der Umgebung, die schon lange vergeblich ein Augartenkonzept gefordert haben, in dem Bund, Stadt und Bezirk deklarieren, wie eine verstärkte Öffnung des Augartens für die Anrainer aussehen könnte. Dem „bösen“ Investor Pühringer, der die Halle, die nach 67 Jahren ins Eigentum des Bundes übergehen wird, mit elf Millionen Euro finanziert, wird unterstellt, privatwirtschaftliche Interessen mit dem Projekt zu verfolgen. Er wolle hier einen Konzertbetrieb aufziehen und damit massiven zusätzlichen Verkehr in den Bezirk bringen. Die Initiative Baustopp will daher jede Verbauung des Areals verhindern. – Parallel dazu erwacht allerdings das Projekt des Filmarchivs in einer Allianz mit der Viennale und dem Stadtkino zu neuem Leben. Ernst Kieninger erhält zuerst in Gesprächen mit den Stadträten Mailath und Schicker und im Juni 2006 mit Bürgermeister Häupl Signale, dass die Stadt das Projekt unterstützt, und lässt von zwei weiteren Architektenteams, Delugan-Meissl und Oskar Leo Kaufmann, Vorschläge ausarbeiten. Den spektakulären, 25 Meter hohen Gerüstturm mit minimalem Parkverbrauch, den Kaufmann vorschlägt, wagt Kieninger der Öffentlichkeit gar nicht vorzustellen. Für das Projekt von Delugan-Meissl, eine sanfte Faltung, die dem Landschaftsrelief von archipel nicht unähnlich ist, gelingt es ihm aber sogar, die Unterschriften der Bürgerinitiativen in der Umgebung zu bekommen.

Womit die Situation einigermaßen verfahren scheint. Der Bürgermeister hat in der „Kronen Zeitung“ inzwischen erklärt, dass „der Platz für die Sängerknaben“ ist. Einen Plan, steuernd einzugreifen, hatte die Stadt in der Sache offenbar nie. Einen städtebaulichen Plan auch nicht, sonst hätte sie ihre Beamten, die eine Bebauung des Spitzes für eine schlechte Lösung halten, nicht aus Angst vor Bürgerprotesten daran gehindert, klar für eine ebenfalls widmungskonforme Bebauung im Park zu plädieren, statt der starren Haltung von Denkmalamt und Bundesgärten kampflos das Feld zu überlassen.

Die jüngst erfolgte Erklärung der Sängerknaben, ihr Projekt mit Rücksicht auf das Denkmalamt noch einmal überarbeiten und damit verharmlosen zu lassen, lässt nichts Gutes erwarten, genauso wenig wie die angelaufene Kampagne, das „gute“ Filmarchiv gegen die „bösen“ Sängerknaben und ihren reichen Sponsor auszuspielen. Die Projektbetreiber sollten sich nicht in eine Konfrontation jagen lassen, sondern von der öffentlichen Hand, also von Bund und Stadt gemeinsam, verlangen, was schon seit Jahren deren Aufgabe wäre: die öffentliche Sache zu vertreten und sich dabei weder von der lautesten Bürgerinitiative noch von der großzügigsten privaten Spende die Verantwortung abnehmen zu lassen.

Das verlangt professionelle Verfahren, auch einen nach den von der Fachwelt anerkannten Regeln durchgeführten Architekturwettbewerb, den es trotz der vielen Projekte hier bisher nicht gab. Die Gefahr, dass die Möglichkeiten, die dieser Ort für die Stadt und den Bezirk bietet, überhaupt nicht genutzt werden, ist groß. Die Dummen, das wären am Ende wir alle.

24. February 2007 Spectrum

Operation gelungen, Patient tot

Das Hanuschkrankenhaus hat endlich eine Garage und einen behindertengerechten Zugang bekommen. Wie das Gebäude nun aussieht? Egal, scheint's. Wie man einen historischen Ort ruiniert - mit dem Segen des Denkmalamts und der Wiener Stadtplanung.

Der Patient war schon einigermaßen in die Jahre gekommen: Geboren 1914, als geistiges Kind zweier Otto-Wagner-Schüler, der Architekten Hermann Aichinger und Heinrich Schmid, hatte er als Truppenspital der k.u.k. Armee gedient, bevor er 1918 in zivile Dienste übertrat. Nach einem militärischen Zwischenspiel während des 2. Weltkriegs steht er seit 1945 im Dienst der Wiener Gebietskrankenkasse. Aus dem Erzherzog-Rainer-Spital der Monarchie wurde das Hanuschkrankenhaus der 2. Republik.

Die Anatomie dieses Gebäudes ist außergewöhnlich. Es besteht aus vier, ursprünglich nur durch Loggien verbundenen Pavillons mit jeweils eigenem Eingang. Drei Pavillons bilden eine geschwungene Fassadenflucht nach Südosten, während der vierte als mächtiger Block hinter dieser Front aufragt. Die Architektursprache des Gebäudes ist weit konservativer als jene, die die beiden jungen, zur Errichtungszeit knapp 30-jährigen Architekten bei Otto Wagner gelernt hatten. Sockelzone und Portale geben sich noch ganz klassizistisch, obwohl die Risalite darüber bereits eine höchst eigenwillige Formensprache entwickeln, die ursprünglich durch die dunkle Putzfarbe der Obergeschosse akzentuiert wurde.

Auf dem hangabwärts angrenzenden Grundstück errichteten Aichinger und Schmid 1927 – 29 eines ihrer Hauptwerke, den Somogyihof, mit dem sie sich als eines der wichtigsten Architektenteams des „Roten Wien“ ausweisen. Die großzügige, geschickt ins Gelände gesetzte Abfolge von Wohnhöfen ist maßstäblich äußerst sensibel und wirkt trotz ihrer weitgehenden Symmetrie weniger monumental als andere Anlagen der Zeit. Mit dem Krankenhaus und dem Somogyihof stehen sich zwei herausragende Projekte derselben Architekten aus unterschiedlichen Epochen gegenüber. Dass die Hauptachse des Wohnhofs genau auf den Mittelrisalit des Krankenhauses ausgerichtet ist, versteht sich beinahe von selbst. Beide Objekte stehen unter Denkmalschutz. Der Somogyihof wurde kürzlich inklusive der Gartenanlagen minutiös restauriert.

Für ein Krankenhaus ist der Denkmalschutz naturgemäß eine größere Herausforderung als für den Wohnbau. Das Hanuschkrankenhaus ist zwar kompakt und äußerst effizient organisiert. So gibt es etwa keine repräsentativen Treppenhäuser, sondern – typisch für den Nutzbau der späten Monarchie – ein rein funktionell bestimmtes Erschließungssystem. Die Anpassung an neue Anforderungen der Logistik und Behindertengerechtigkeit ist aber naturgemäß schwierig. Dazu kam das Problem der Zugänglichkeit des Krankenhausesareals insgesamt. Aichinger und Schmid hatten dem Baukörper eine Art breites „Glacis“ nach Südosten vorgelagert, das über eine ansteigende Zufahrtsstraße durchquert werden musste, bevor man einen der Pavillons betreten konnte.

Die Anforderungen des PKW-Verkehrs hatten die Architekten dabei nicht voraussehen können. Die Freiflächen vor dem Gebäude entwickelten sich zusehends zu einem Parkplatz für das Personal, während in den umgebenden Straßen jener Teil der täglich insgesamt 1500 Ambulanzbesucher auf Parkplatzsuche kreiste, der unbedingt mit dem PKW anreisen wollte. Für eine Garage, die dieses Problem lösen könnte, kam aufgrund des beengten Grundstücks nur die Fläche des „Glacis“ in Frage. Und wenn man hier schon eine Tiefgarage plant, so dachte sich die Krankenhausleitung, dann sollte man sich doch gleich um einen neuen Eingang ins Gebäude kümmern, mit behindertengerechtem Zugang und einer Cafeteria für die Patienten.

Weil für die Gebietskrankenkasse die Finanzierung einer Garage aus eigenen Mitteln nicht in Frage kam, entschied man sich dafür, einem privaten Immobilienentwickler, der MID-Gruppe des Kärntner Investors Walter Moser ein Baurecht für 99 Jahre zur Errichtung einer Garage zu übertragen. Das neue Eingangsgebäude auf diesem Garagensockel steht wieder im Eigentum der Krankenkasse. Beide wurden von Walter Bachner, Hauptgesellschafter der Kordon-Roth Ziviltechniker-Ges.m.b.H. geplant. Die Garage mit 400 Stellplätzen erhielt eine Genehmigung durch die Planungsbehörden, ohne dass eine umfassende Machbarkeitsstudie oder einen Ideenwettbewerb für stadträumlich und denkmalpflegerisch verträglichere Alternativen verlangt worden wäre. (Dass eine Garage im Hang auch anders aussehen kann, wird etwa jeder Besucher des Landeskrankenhauses Feldkirch bestätigen können).

Seit kurzem kann das Ergebnis besichtigt werden. Am glücklichsten dürfen sich Besucher schätzen, die von der Heinrich-Collin-Straße aus direkt in die Garage und mit dem Lift weiter ins Gebäude fahren. Ihnen bleibt der Anblick erspart, der sich Fußgängern bietet, die das Areal durch das alte Torgebäude betreten. Anstelle der von Bäumen gesäumten Auffahrt findet sich eine steile Treppe mit begleitendem Rampen-Zick-Zack. Wer dieses Beton- und Edelstahlgewitter – an dem die angekündigte Begrünung nicht viel verbessern wird –überwunden hat, steht vor dem neuen Eingangsgebäude, einer jämmerlich konzeptlosen Kollage von Versatzstücken aus Architekturjournalen der letzten 15 Jahre.

Wo – so fragt sich der Besucher – waren hier das Denkmalamt und die Magistratsabteilung 19, im Wiener Magistrat zuständig für Architektur und Stadtgestaltung? Das Denkmalamt erklärt sich für die Veränderung des Zugangs für unzuständig: Geschützt sei die Bausubstanz und nicht das Ensemble. Daher hätte man darauf gedrängt, den Anschluss an den Altbau mit einer leichten, demontabel wirkenden Glasbrücke zu bewerkstelligen. Alles andere, Garage und Eingangspavillon, sogar der durch die Hebung des Geländes entstandene Burggraben vor dem Altbau, gehe das Denkmalamt nichts an, so die zuständige Landeskonservatorin Barbara Neubauer. Die MA 19 beruft sich auf Anfrage darauf, dass sie eh das schlimmste verhindert hätte: Die Garage hätte noch um eineinhalb Meter höher werden sollen. Die jetzige Lösung sei ein Kompromiss, da aufgrund von bestehenden Einbauten eine weitere Absenkung nicht möglich gewesen wäre. Und das Eingangsgebäude sei, so die beteiligten Beamten, ja eh ganz ordentlich geraten.

Sind also am Ende gleichgültige Eigentümer und Investoren und ihre gestalterisch unfähigen Architekten schuld an diesem Desaster? Sicher zum Teil. Zerstört wurde die Qualität des Orts aber letztlich durch ein Multiorganversagen, bei dem Stadtplanung, Denkmalamt und MA 19 zwar formal korrekt, aber vorbei an ihrem eigentlichen Auftrag gehandelt haben.

28. January 2007 Spectrum

Schaufeln für die Baukultur

Zum Thema Baukultur hat die neue Regierungserklärung nicht viel Konkretes zu bieten. Das Bekenntnis zur Förderung einer „qualitativen Baukultur in allen Bereichen des öffentlichen Lebens“ macht zumindest Hoffnung.

Nun wird alles anders: Ein neu geschaffenes Ministerium ist zuständig für „Umwelt, Innovation und Baukultur“. Ein unabhängiges „Kuratorium für Baukultur“ wird als Koordinationsstelle die ganzheitliche Bewältigung der Querschnittsaufgabe Baukultur unterstützen. Und schließlich gibt es ein „Impuls-Paket für Baukultur“, das mit immerhin 73 Millionen Euro pro Jahr dotiert ist und von der Innovations- und Forschungsförderung bis zu einer Bildungsoffensive und zur Förderung des Planungsexports für die rasche Umsetzung baukultureller Strategien sorgt.

Ganz so, wie es sich die „Plattform für Architekturpolitik und Baukultur“, eine gemeinsame Initiative von Berufsvertretungen, Bildungseinrichtungen und Architekturzentren, im Herbst 2006 vor den jüngsten Nationalratswahlen gewünscht hat, ist es bekanntlich nicht gekommen. Im aktuellen Regierungsprogramm ist Baukultur nur mit einem Satz erwähnt. Im Kapitel über „Medien, Kunst, Kultur und Sport“ findet sich unter dem Stichwort „Architektur“ die lapidare Aussage: „Ausgehend vom Baukulturreport wird die Bundesregierung Maßnahmen zur Verankerung qualitativer Baukultur in allen Bereichen des öffentlichen Lebens setzen und die Vermittlungstätigkeit für Baukultur und zeitgenössische Architektur forcieren.“ Das ist immerhin umfassend, wenn auch wenig konkret.

Wer das Programm genauer liest, findet aber an unerwarteten Stellen Aussagen mit Architekturbezug: Die beabsichtigte Förderung von „Vielfalt im Wohnbau“, „umweltschonendem Wohnen“ und „erschwinglichen Wohnungen für junge Menschen“ hat im Justizkapitel Platz gefunden; die „thermische Sanierung sämtlicher Nachkriegsbauten bis 2020“ und die Ankündigung, dass ab 2015 nur noch Wohnungen gefördert würden, die dem „Klima-Aktiv-Passivhaus-Standard“ entsprechen, im Kapitel „Ländlicher Raum, Energie und Umwelt“; die Umsetzung harmonisierter Bauordnungen - beschränkt auf den Bereich „barrierefreies Bauen“ - im Kapitel „Soziales“; und die „Optimierung der Raumplanungspolitik zwischen Gemeinden, Land und Bund“ im Kapitel „Forschung, Technologie und Infrastruktur“.

Es bleibt also alles beim Alten: Die Querschnittsmaterie Baukultur ist - ohne als solche genannt zu werden - aufgeteilt auf eine Vielzahl von Ressorts, und wenn das Wort Baukultur explizit ins Spiel kommt, wird es reflexartig dem Kunstbereich zugeordnet. Dort hat es aber nur wenig zu suchen. Baukultur muss ähnlich verstanden werden wie die Esskultur eines Landes. Esskultur beginnt dort, wo man nicht mehr allein deshalb isst, um satt zu werden. Sie drückt sich im persönlichen Geschmack aus, in der Lieblingsspeise, aber auch im Sozialen, in der Inszenierung eines gemeinsamen Essens oder eines Fests. Esskultur ermöglicht regionale kulturelle Unterscheidungen und stärkt damit lokale Identitäten. Weiter gefasst, bezieht sie heute auch globale Fragen mit ein, etwa ob die Zutaten unter ökologisch und sozial akzeptablen Bedingungen hergestellt und fair gehandelt wurden.

Eines ist dabei wichtig: Schnitzel, Sushi und Spaghetti stehen für unterschiedliche Esskulturen, über deren jeweilige Vor- und Nachteile man diskutieren kann. Eine Tiefkühlpizza in der Mikrowelle zu wärmen und beim Fernsehen zu verschlingen, ist dagegen keine andere Esskultur, sondern gar keine. Wer nur isst, um satt zu werden, hat keine Kultur. Dasselbe gilt fürs Bauen: Wer nicht mehr will als ein Dach über dem Kopf und ein warmes, sauberes Zimmer, hat keine Baukultur. Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit sind wichtig, aber wenn sie zu den zentralen, alles andere bestimmenden Faktoren werden, bleibt die kulturelle Qualität auf der Strecke. Zu Recht bedauern wir jeden, der sein Essen nur nach ihnen ausrichten muss. Beim Bauen sollte es nicht anders sein: Ohne ein Überschreiten des rein Zweckmäßigen gibt es keine Kultur.

Das gilt auch für Bereiche des Bauens, die scheinbar wenig mit Baukultur zu tun haben. Eine Straße dient nicht nur dem Zweck, möglichst schnell von A nach B zu kommen. Sie ist zugleich ein wichtiges Element der Kulturlandschaft und muss entsprechend sorgfältig trassiert und gestaltet werden. In der Landwirtschaft - aus deren Domäne der Begriff der „Kultur“ ja ursprünglich stammt - hat man dieses Prinzip längst begriffen. Österreichs Bauern sehen ihre Leistung nicht mehr allein im Ertrag ihrer Felder, sondern auch in ihrem immateriellen Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaft, für den sie durchaus selbstbewusst öffentliche Förderungen beanspruchen.

Die Forderung der Plattform für Architekturpolitik und Baukultur nach einer direkten, massiven Förderung der Baukultur war, so betrachtet, weniger überzogen, als sie auf den ersten Blick erscheint. Schon heute fließen ins Bauen enorme öffentliche Mittel, freilich ohne klare Qualitätsbindung. Im Jahr 2005 betrugen die Bruttoinvestitionen der öffentlichen Hand inklusive der immer zahlreicheren ausgegliederten Gesellschaften 5,5 Milliarden Euro, also rund zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts, dazu kommt die Wohnbauförderung. Die Verantwortung der öffentlichen Hand, diese Beträge nicht nur zweckdienlich, sondern auch im Sinn der Baukultur einzusetzen, ist entsprechend groß. Um sie wahrzunehmen, müsste das klassische Spiel, Wirtschaftsförderung mit gut im Wahlkampf verkaufbarer Klientelpolitik zu kombinieren, um den Faktor Baukultur erweitert werden. Dann ginge es freilich nicht mehr so sehr um Quantität, sondern vor allem um Qualität, also nicht nur darum, wie viele Altenheime, Ortsumfahrungen und Volksschulen errichtet oder saniert wurden, sondern auch um die Frage, wie gut diese konzipiert, entworfen und ausgeführt sind. Das ist politisch freilich riskant, weil Qualitätsdiskussionen gerne emotional und kontroversiell geführt werden.

Die Absicht in der aktuellen Regierungserklärung, „qualitative Baukultur in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu verankern und die Vermittlungstätigkeit für Baukultur und zeitgenössische Architektur zu forcieren“, ist, aus dieser Perspektive betrachtet, ein wesentlicher und sogar mutiger Schritt. Es wird darauf ankommen, wie er umgesetzt wird. Der Baukulturreport, von dem laut Regierungsprogramm dabei ausgegangen werden soll, liegt seit November 2006 vor. Seine breite Veröffentlichung als Buch und im Internet hängt - so die Gerüchteküche - nur noch von Budgetfragen ab, die in den nächsten Wochen geklärt sein sollten. Die Empfehlung, die Querschnittsmaterie Baukultur besser zu koordinieren und ein Impulsprogramm zu ihrer Förderung in die Wege zu leiten, wird sich wohl auch dort finden. Damit wären die nächsten Schritte vorgegeben. Es geht vor allem um die Bereitschaft, sich der ebenso mühsamen wie spannenden Qualitätsdiskussion zu stellen und Investitionen der öffentlichen Hand so zu koordinieren, dass sie an Qualitätskriterien gebunden sind. Auf die erste gemeinsame Erklärung der Minister Schmied, Bartenstein, Pröll und Faymann zum Thema Baukultur darf man jedenfalls gespannt sein.

19. November 2006 Spectrum

Schön schiach

Nach Architektur sieht es nicht aus, aber was ist es dann? Das „Fluc“ am Wiener Praterstern: über den fast gelungenen Versuch, ein Haus zu bauen, ohne es zu gestalten.

Auch wenn es kaum mehr wahrnehmbar ist: Der Praterstern, einer der großen Verkehrsknotenpunkte Wiens, hatte einmal eine Form. Unter Josef II. 1786 als Sternplatz angelegt, folgte sein Grundriss einem Dreiviertelkreis, aus dessen Zentrum strahlenförmige Alleen in die Aulandschaft führten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Form ausradiert, um die Funktion des Platzes zu verbessern. Die Bahn, die bis dahin der Kreisform gefolgt war, führt seit der Umgestaltung 1956 bis 1959 in Hochlage quer über den Platz, die sternförmigen Straßen sind in einen Verteilerkreis umgelenkt. Wer dessen Kontur genauer ansieht, entdeckt in der scheinbar rein funktionellen Verkehrsführung eine formale Präferenz, nämlich für die weich abgerundeten Geometrien der 1950er-Jahre. Man darf vermuten, dass im Radio gerade „Roll over Beethoven“ von Chuck Berry lief, als diese Nierentischkurve schwungvoll aufs Papier gebracht wurde.

Seine ursprüngliche Konnotation als Grenze zur Wildnis ist der Praterstern nie ganz losgeworden, auch wenn die Stadt längst über diese Grenze hinausgewachsen ist. Hier haust das Unheimliche, „Entrische“, dessen ausgelassenes Gesicht im Wurstelprater zum Vorschein kommt. Erst in der jüngeren Vergangenheit hat sich die Stadtplanung im Zuge des U-Bahn-Baus wieder des „verkommenen“ Platzes angenommen: Der Gleisbrücke wird gerade ein neues Bahnhofsgebäude nach einem Entwurf von Albert Wimmer übergestülpt, und Boris Podrecca darf sich um die Platzgestaltung zur „schönen“, zur Stadtseite hin kümmern, Glasbaldachin, Grünpergolen und lasierte Bodenplatten inklusive. Man kann diese Geschichte als eine Abfolge von Versuchen lesen, das Wilde, Andere in den Griff zu bekommen, zuerst mit formalen, dann mit funktionellen Mitteln und schließlich - im jüngsten Verschönerungsversuch durch Podrecca - wieder mit formalen.

Zwischendurch hat dieser lange vernachlässigte Platz an der Grenze eine Szene angezogen, die auf der Suche nach Raum für ihre Kunst- und Musikprojekte war. Die Künstlergruppe [ dy'na:mo ], die sich mit Klangarchitekturen und Soundinstallationen befasst und dafür den Begriff „fluctuatedrooms“ prägte, gründete 2002 das „Fluc“, einen Eventraum, der sich bald zu einem Brennpunkt der neuen Wiener Musikszene entwickelte. Als das „Fluc“ im Zuge des Bahnhofumbaus aus seinem Provisorium ausziehen musste, entstand die Idee, eine Straßenunterführung in Richtung Wurstelprater für die eigenen Zwecke zu adaptieren und den Architekten Klaus Stattmann mit einem Konzept dafür zu beauftragen.

Stattmann ist ein Schüler des Coop-Himmelb(l)au-Gründers Wolf Prix, der zum entschiedenen Formalismus seines Meisters auf Distanz zu gehen versucht. „Performativer Materialismus“ statt Form lautet die Devise, mit der er 2003 bei der Architekturbiennale in São Paulo zusammen mit „the next ENTERprise“ und Wolfgang Tschapeller ausstellte. Das neue „Fluc“ sollte möglichst so roh und ungestaltet aussehen wie das Vorgängerlokal. Diese formale Absichtslosigkeit musste aber schon allein aus baurechtlichen Gründen exakt geplant werden. Als Architekt gerät man hier in ein prinzipielles Dilemma: Ist eine absichtslose Ästhetik überhaupt möglich? Und gibt es am Ende einen Unterschied zur konventionellen Architektur, außer dass es sich eben um eine andere Konvention handelt, statt „schön“ eben „schön schiach“?

Mit ähnlichen Fragen hat sich ein Wiener Architekt befasst, den Stattmann als Referenz nennt: Hermann Czech. In einem Text über „Manierismus und Partizipation“ erklärte Czech schon 1977, dass es ihm nicht um eine Ästhetik des Hässlichen gehe. Architektur müsse aber offen sein fürs Zufällige, für Störungen, für den Einbruch des Fremden ins eigene Projekt. Diese Haltung fordert einerseits die Bescheidenheit zuzugeben, dass Architektur unsere Umwelt- und Lebensprobleme „nicht lösen wird, so wenig wie Musik unsere Lärmprobleme löst“. Und andererseits den Mut, trotzdem formale Entscheidungen zu treffen, die das Zufällige und Irreguläre enthalten. Der Manierismus - im Wortsinn die Auflösung eines Stils durch die persönliche Handschrift eines Künstlers - wird bei Czech zu einer Methode, sich den Zugang zur Wirklichkeit nicht durch Stile und Konventionen zu verstellen und auch dem Benutzer Raum für Interpretationen zu lassen. Architektur müsse robust genug sein, um sich anzulehnen, ansonsten aber im Hintergrund bleiben und nur sprechen, wenn sie gefragt wird.

In diesem Sinn kann man das neue „Fluc“ als fast geglückt bezeichnen. Es besteht aus Stahlcontainern, die teilweise modifiziert sind, um einen stützenfreien größeren Raum zu ergeben. Ein schräger Gitterträger überspannt den Wurzelbereich des angrenzenden Baumes, der besonders zu schützen war, und trägt zusätzlich einen Schanigarten über der Treppe, die hinunter in die Passage führt. Die Passage selbst bleibt unter der Straße unverändert. Am anderen Ausgang wurden allerdings einige Tonnen Beton herausgeschnitten, um über der Bühne einen überhöhten Aufbau mit großem Fenster zum Riesenrad zu schaffen, und der frühere Ausgang wurde in eine Tribüne mit Sitzstufen verwandelt.

Im Vergleich zu den Computervisualisierungen, mit denen die Stadt überzeugt werden konnte, das „Fluc“ de facto zum Auftakt des Wurstelpraters zu machen, ist die Realität weder schick noch dynamisch, was zu so viel Unmut bei der zuständigen Vizebürgermeisterin, Grete Laska, führte, dass die Containeransammlung mit einem Eins-zu-eins-Modell eines roten Riesenradwaggons garniert werden musste. Das fügt sich allerdings gut zu den blauen Sperrholzaufbauten, mit denen Stattmann selbst sein Projekt überzogen und damit die unabhängigen Teile, aus denen es besteht, ohne Grund wieder in ein Ganzes zusammengebunden hat. Könnten diese Formen - die aus einem früheren Projekt von Stattmann, einer „Riffstruktur“ für den Donaukanal, abgeleitet sind - sprechen, hätten sie wohl nicht mehr zu sagen als: Wir sind himmelb(l)au. Ganz ohne Stil scheint der „Performative Materialismus“ halt doch nicht auszukommen.

23. October 2006 André Krammer
dérive

Der erratische Zustand der Realität

Yona Friedman, geb. 1923, ist französischer Architekt, Architekturtheoretiker und Stadtplaner ungarischer Herkunft, wohnhaft in Paris. In den 1960er Jahren veröffentlichte er die Manifeste „Architecture Mobile“ und „La ville spatiale“. Diese visionären Megastrukturen über bestehenden Städten, in denen die BewohnerInnen ihre räumliche und soziale Welt flexibel gestalten sollten, sind bis heute viel diskutierte Klassiker der städtebaulichen Avantgarde. Friedman sprach in seinem Vortrag in Wien über das Prinzip der Unberechenbarkeit und Unkontrollierbarkeit in der Mathematik, Physik, aber auch von räumlichen und sozialen Entwicklungen. Er plädiert angesichts einer erratischen Realität für das Operieren mit offenen Systemen, für eine in die Praxis umgesetzte direkte Demokratie, nicht zuletzt in der Produktion von Raum.

dérive: Sie haben Systeme konzipiert, die kontinuierlich verändert werden können – auf Grund sich verändernder Bedürfnisse und Wünsche. Heute dienen Architektur und Stadtplanung oft der Etablierung von Marken – das impliziert ein fixiertes, wieder erkennbares Bild. ArchitektInnen entwickeln ihre eigene Marke, um als „Stars“ wahrgenommen zu werden. Gibt es noch Raum für Konzepte und Strategien?

Yona Friedman: Ich möchte nicht ungerecht sein. Aber das System der Stars ist eine lächerliche Angelegenheit. Ich denke, dass Kultur von Gewohnheiten und Stilen geprägt ist. Es gibt natürlich individuelle Positionen, die aber in eine Gesamtheit eingebettet sein sollten. Auch das „Star-System“ der Vergangenheit brachte negative Resultate. Gotische und mittelalterliche Architektur war großartig, gleichzeitig individuell und doch ein gemeinsamer Stil. Wenn man gewisse Tendenzen in der Renaissance betrachtet, findet man hingegen Schwächen. Ein Stil da, ein anderer dort und keine Kohärenz. Die Kohärenz beginnt auf einer unteren Ebene, nicht auf der „Star“-Ebene. Und es gibt wunderbare Barock-Architektur, aber nicht unbedingt als Folge eines „Star“-Systems.

dérive: Hat Le Corbusier Ihre ville spatiale kommentiert?

YF: Ja – positiv. 1957 war ich sehr unsicher. Ich dachte, ich entwickle mich weg von der Architektur-Gemeinschaft. Ich habe während des CIAM-Kongresses in Dubrovnik bemerkt, dass die ville spatiale etwas Neues für die Architekten war. Ich wusste erst nicht, ob ich hingehen sollte. Ich traf Le Corbusier, und wir sprachen zwei Stunden. Er sagte mir: „Ich würde so etwas nicht machen, aber Sie müssen es machen. Alle Architekten werden gegen Sie sein. Aber das macht nichts.“ Es war eine sehr starke Unterstützung und ich hatte keine Bedenken mehr, mich mit diesem Rückhalt an Alison und Peter Smithson zu wenden. Aber ich komme noch einmal auf Ihre allererste Frage zurück. Le Corbusier hatte eine sehr seltsame Einstellung. Sein Erfolg war ja, dass er kopiert wurde, und er wurde oft kopiert. Aber er war zornig auf die Leute, die ihn kopierten. Das ist sehr seltsam. Weil ja genau diese Kopien sein Erfolg waren.

dérive: In der ville spatiale erbauen die BewohnerInnen die Stadt nach ihren individuellen Präferenzen - der/die ArchitektIn ist nicht SchöpferIn einer finalen Form, sondern stellt ein Rahmenwerk zur Verfügung. Aber individuelle Wünsche werden oft manipuliert – etwa durch Werbung und Kommerz. Sind freundliche, aufgeklärte NutzerInnen nicht eine Illusion?

YF: Ja, freundliche, aufgeklärte NutzerInnen sind eine Illusion, aber das kümmert mich nicht. Es können dumme NutzerInnen sein. Wenn man Leute auf der Straße anschaut, sind diese nicht notwendigerweise geschmackvoll angezogen, aber der generelle Eindruck ist vielfältig. Viele dumme NutzerInnen würden eine facettenreiche Landschaft erzeugen. Einfach auf Grund ihrer Anzahl und auf Grund von Regeln. Ein anderes Beispiel: Auf der Straße schaut man als ArchitektIn auf die Gebäude, aber das tut sonst niemand. Die Straße wird von den Auslagen der Geschäfte gebildet. Die sind banal, und doch geben sie der Straße ihre Lebensqualität.

dérive: Aber etwas anzuschauen und etwas zu erfahren sind zwei unterschiedliche Dinge. Sind Ihre Konzepte in Bezug auf Partizipation und Wahlmöglichkeit der NutzerInnen und Offenheit der Struktur universelle Prinzipien oder sind diese vom Kontext abhängig?

YF: Für mich ist das ein universelles Prinzip. Nicht nur in der Architektur. In meinen letzten Büchern habe ich Unberechenbarkeit thematisiert, in der Physik, in der Mathematik. Die Mathematik wird oft auf Arithmetik reduziert, auf ein regu-läres System, aber das ist sie nicht, sie ist voll von unberechenbaren Elementen. Ich könnte mich auf Gödel beziehen, aber auch, auf einer einfacheren Ebene, auf Leibniz. Man nimmt eine Zahl, addiert eine weitere. Und so weiter. Erhält eine Primzahl, dann eine perfekte Zahl, auf einmal eine Quadratzahl. Das bedeutet, dass man nie weiß, was als nächstes kommt. Das ist die Definition von Unberechenbarkeit/Unkontrollierbarkeit. Von einer bestimmten Stufe aus weiß man nicht, was die nächste bringen wird. Auch im sozialen Verhalten ist es ein Prinzip. Man weiß nicht, wie sich Leute verhalten werden. Alles ist möglich, zu jedem Zeitpunkt. Das ist die erratische Struktur der Realität.

dérive: Gestern in Ihrem Vortrag nannten Sie Architektur ein Hindernis. Als solches steht sie gewissermaßen diesen erratischen Prozessen im Weg. Deshalb möchten Sie sie zur Seite schieben. Hannah Arendt hat über öffentlichen Raum geschrieben, dass er etwas ist wie ein Tisch, ein Objekt zwischen Menschen, das diese gleichzeitig trennt und verbindet. Aber ein Objekt wird benötigt. Das Objekt hat hier nicht nur die Rolle eines Hindernisses, sondern auch die eines Gegenstandes der Verhandlung.

YF: Sie kennen die Raumdefinition von Leibniz. Raum existiert nicht, außer es gibt mindestens ein Objekt. Das ist evident. Das zeigt eine gewisse Komplementarität. Hindernisse sind notwendig, aber ich mag die Idee nicht, dass sie vorherbestimmt sind.

dérive: Es gibt zu viele Hindernisse in der Architektur?

YF: Das hängt vom Kontext ab, deshalb betone ich immer, dass soziales Verhalten erratisch ist. Leute brauchen manchmal Hindernisse, und sie schaffen welche. Manchmal wollen sie sie loswerden. Aber ich denke nicht, dass die Architekten das alleine definieren.

dérive: Welche Form von Machtstruktur wäre Ihrer Meinung nach fähig, ein derart aufwändiges System wie die ville spatiale zu implementieren?

YF: Ich denke, die Machtstruktur wäre nicht geplant und wäre mehr und mehr reduziert. Es würde sehr stark von natürlichen Führungstalenten abhängen. Leute haben eine Idee und könnten eine Gruppe bilden. Das ist noch nicht sehr gefährlich.

dérive: Wie sehen Sie das Verhältnis von Privatheit, Öffentlichkeit und Politik? Was denken Sie über die Beziehung von Politik, Architektur und Urbanismus? Glauben Sie an große Politik, große Projekte?

YF: Ich denke, darin liegt meine Kritik an der Mainstream-Architektur. Sie ist unweigerlich ein politisches Werkzeug. Das Star-System ist typischerweise die Kreation einer bestimmten politischen Einstellung. Mein Denken ist nicht unpolitisch, aber auf andere Weise politisch. Sie könnten es direkte Demokratie nennen, wenn Sie wollen. Aber es geht nicht um große Worte. Sie entsteht im Handeln. Leute laufen über die Kärntnerstraße, das ist ursprüngliche, direkte Demokratie. Niemand stößt an den anderen an. Niemand tötet den anderen. Es funktioniert. Es hat seine eigene Regelhaftigkeit. Das ist für mich Gesellschaft: Individuen, die von Gepflogenheiten zusammengehalten werden. Die Routine ist das stärkste Element. Das ist niemals abstrakt, es passiert affektiv.

dérive: Sehen Sie Ihre Arbeit für die UNESCO als politisch an?

YF: Ja und Nein. Ich habe das nicht als politisch betrachtet, aber es hat Menschen beeinflusst. Sie hatten ein Problem und suchten nach Rat. Und Rat kann nicht nur gelehrt sein, man kann Anstöße geben. Sie machten es dann auch auf Ihre Weise. Ich weiß nicht, ob Sie Paolo Frere kennen. (Anm. d. Red.: Der Initiator einer Pädagogik der Unterdrückten) Er meinte, es wäre das Wichtigste, AnalphabetInnen zu unterrichten. Das war der Grund dafür, dass wir befreundet waren, weil ich das auf visuellem Gebiet versuchte. Als ich Zeichnungen und Poster mit Leuten im öffentlichen Raum in Indien machte, fingen die Leute an, es selbst zu tun, es wurde zu einer Form des Ausdrucks. So wie Rap politisch wurde. Ich denke, es geht immer um die Idee der eigenen Verantwortung in seinen Belangen. Du solltest maximale Information bekommen. Die Information mag parteiisch sein, das ist ihr Charakter. Aber du musst sie schälen und herausnehmen, was du brauchst. Mit der Architektur und der Gesellschaft oder auch der Mathematik ist es das gleiche. Es gibt dieses unausgesprochene Prinzip dahinter. Unausgesprochen, weil ich es nicht kenne.

dérive: Können wir in der Betrachtung des Phänomens von Zersiedelung und Suburbanisierung – trotz aller Kritik – etwas von diesen ungeplanten Territorien lernen? Und: Die Hierarchien zwischen Zentrum und Peripherie werden unscharf. Wird die Polarität verschwinden?

YF: Ich glaube nicht. Ich gebe ein Beispiel: Von Paris nach Tours braucht man 55 Minuten. Von einem Vorort ins Pariser Zentrum ist es mehr als eine Stunde. Aber Tours ist nicht eine Vorstadt von Paris, sondern ein eigenes Zentrum. Paris oder London zu besuchen, ist ein routinierter Akt. Die Peripherie wird nicht besichtigt.
Die Vorstädte wurden mit gutem Willen gebaut. Aber es existiert keine Routine. Sie haben ihre Rolle nicht gefunden.
Es ist nicht nur eine Frage der Ökonomie. Eine ärmliche Gegend innerhalb einer großen Stadt ist etwas wie eine unabhängige Einheit.
Einmal habe ich gesagt, dass das Land unsere letzte Kolonie ist. Aber es ist noch schlimmer. Die Vorstädte sind unsere letzten Kolonien. Und Kolonien explodieren. Denke Sie an die letzte Revolte in Paris. Es war eine sehr interessante Angelegenheit. Es war keine politische Revolte, und sie war nicht zentriert. Es hat angefangen, als die Leute wirklich verärgert waren. Ich glaube, soziale Entwicklungen können nicht gelenkt werden. Aber man kann Werkzeuge bereitstellen, und die Menschen machen etwas damit.

dérive: Gibt es für Sie eine kritische Größe einer Stadt?

YF: Sehen Sie – das ist interessant in Indien. Es ist ein überbevölkertes Land, aber die Städte sind nicht überbevölkert. Ich kannte Bombay in den siebziger Jahren. Heute sind 36 Jahre vergangen. Bombay ist gewachsen, aber nicht explodiert, wie man angenommen hatte.
Auch andere indische Städte sind gewachsen, ohne zu explodieren. Indien hat eine Kleinstadt-Struktur behalten. Ich denke, China auch, obwohl das Land so weitläufig ist – und obwohl Shanghai zu groß geworden ist.
Anders ist die Sache bei Istanbul: Als ich Istanbul kennen lernte, gab es 800.000 EinwohnerInnen. Istanbul für etwa zwei Millionen EinwohnerInnen wäre auch noch ok. Aber heute hat Istanbul 17 Millionen Einwohner. Die Großstadt ist zwar sehr attraktiv, aber dann gibt es auch ziemlich große Enttäuschungen und Probleme.

dérive: Implizieren Sie damit auch, dass – wenn neue Städte geschaffen werden sollten – ab einer gewissen Größe neue Zentren geplant werden sollten? In Asien planen Sie ja gegenwärtig neue Städte. Und auch andere europäische PlanerInnen bauen dort neue Städte.

YF: Ich weiß nicht, wo neue Städte hinführen. Unter Alexander dem Großen wurden 200 Alexandrias gegründet. Heute gibt es eines. Oder wenn Sie nach Amerika schauen: Die Zahl bedeutender Städte des 19. Jahrhunderts, die verschwunden sind, ist überraschend – es ist keine verschwunden. Es ist seltsam, aber so ist es, an vielen Orten. Und die Situation in Europa ist auch weit weniger dramatisch als überall anderswo. In Europa hat sich nie eine Konzentration im Sinne einer Mega--city ausgebildet. Brüssel ist die Hauptstadt Europas und scheint in der Größe beinahe konstant zu bleiben.

dérive: Wir haben eine andere Demografie. Sie nimmt ab.

YF: Außerdem haben wir eine andere ökonomische Realität. In Indien ist ein Grund dafür, dass es keine überbevölkerten Städte gibt, dass es viele Sprachen gibt. Es gibt keine indische Sprache. Es wird Marathi gesprochen, dann gehen Sie in ein Dorf zweihundert Kilometer entfernt, und da ist es komplett anders. Nicht völlig anders, aber anders genug.

dérive: Was denken Sie über den Boom der so genannten minimalistischen Architektur heute? Sie haben ja in den fünfziger und sechziger Jahren ein spezielles Konzept des Minimalen erarbeitet. Wir denken, dass Ihr Konzept des Minimalen eine sehr soziale Idee war und nicht eine rein ästhetische. Minimalismus heute ist dagegen sehr teuer geworden.

YF: Ich weiß. Das hat kommerzielle Gründe. Das ist eben das Star-System. Etwa vor zehn Jahren hat die Stadt nach Unterkünften für Obdachlose in Paris gesucht. Ich machte einen Vorschlag, den ich „2 Wände und 1 Dach“ nannte. Die Leute sollten diese einfachen Strukturen besetzen. Es war als eine Form organisiertes Besetzens gedacht. Das wurde abgelehnt.

dérive: Vielleicht mochte der Wohlfahrtsstaat ihr Modell nicht. „2 Wände und 1 Dach“ ist nicht genug für den Wohlfahrtsstaat, weil er einen minimalen Standard definiert und man nicht darunter gehen kann.

YF: Sicher. Und es gibt noch zwei Schwier-igkeiten: Die Firmen, die der Staat fragte, waren nicht interessiert, weil es nicht perfekt aussah. Und zweitens stellte der Staat Land zur Verfügung, was ja das teuerste Gut ist, und deshalb wollte er etwas Spek-takuläreres machen. Mein Ansatz war, dass nicht Land zur Verfügung gestellt werden sollte, sondern Luftraum genützt werden sollte wie etwa über den Rangierbahnhöfen.

dérive: Denken Sie, dass Ihre Ansätze auch in der Mainstream-Praxis Anwendung finden könnten?

YF: Wissen Sie, es ist in meinem Interesse, gewisse Prozesse in Gang zu bringen. Ich hatte nie die Illusion, dass der Prozess mir gehört oder dass ich ihn kontrollieren könne. Ich kann nicht sagen, was das Resultat sein wird, weil ich auch nicht an finale Resultate glaube. Ich kann nur Prozesse in Gang bringen und dann … ok ...

dérive: Architektur ist eine Einladung zu einem Spiel?

YF: Ich glaube, dass ArchitektInnen nicht verstehen, dass sie nur den Ausgangspunkt eines Prozesses gestalten. In den Siebzigern war ich in Hongkong. Die Regierung hatte einige Gebäude errichtet. Ein Jahr später sahen sie anders aus, weil die Leute Balkone anbauten und Vogelkäfige und Gott weiß was. Ich habe Fotografien von Häusern gemacht, wo man die ursprüngliche von Architekten entworfene Form nicht mehr ausmachen konnte. Als ich 1949 Le Corbusier kennenlernte, sagte er mir: „Schauen Sie sich nicht die Gebäude von mir an, die Leute haben sie verändert. Es ist eine Katastrophe, Sie können sich die cité universitaire anschauen gehen, aber alles andere wurde verändert.“ Aber das war genau das Schöne, dass die Gebäude verändert wurden.

1. October 2006 Spectrum

Kein Geruch nach Gummi

Eine Mischung aus Autohaus und Museum, KFZ-Werkstätte und Entertainmentcenter: Ein Salzburger Autohändler leistet sich eine neue Konzernzentrale.

Kaufhausmusik, das ist unter Komponisten ein Schimpfwort, mit dem verkaufsfördernder Hinter grundklang ohne künstlerischen Wert abqualifiziert wird. Analog dazu sollte auch Architektur, die primär dem Verkauf dient, keinen allzu hohen Status genießen. Hier ist die Sachlage aber etwas komplizierter. Die Inszenierung von Konsumerlebnissen ist in den letzten Jahren zu einer immer wichtigeren und unter Architekten zugleich hoch angesehenen und begehrten Bauaufgabe geworden. Luxusmarken wie Prada lassen ihre Flagshipstores bei Rem Koolhaas und Herzog & de Meuron arbeiten. Coop Himmeb(l)au planen für BMW ein Gebäude, das funktional zwar nicht mehr als ein theatralisch aufgezwirbeltes Auslieferungslager ist, formal aber genauso gut ein Kunstmuseum sein könnte. Ben van Berkel durfte kürzlich in Stuttgart für die Konkurrenz sogar ein echtes Museum errichten, das als das schönste Schaufenster im ganzen Daimler-Chrysler-Konzern gelten darf.

Eine ernst zu nehmende Architekturgeschichte des späten 20. Jahrhunderts wird solchen Bauaufgaben deutlich mehr Raum geben müssen als etwa dem Sakralbau, sofern sie zu Letzterem überhaupt noch nennenswerte Beispiele findet. Sich von Abgrenzungen frei zu machen, wie sie Nikolaus Pevsner im Jahr 1976 formuliert hat („Ein Fahrradschuppen ist ein Gebäude, die Kathedrale von Lincoln ist ein Stück Architektur“), empfiehlt sich für Architekturhistoriker also schon aus Selbsterhaltungstrieb.

Pevsners Verdikt war damals selbst Reaktion auf eine funktionalistische Moderne, die die Gleichheit aller Bauaufgaben vor den Gesetzen der Baukunst postuliert hatte. Auch hier könnte man auf Seiten des Historikers Selbsterhaltungstrieb vermuten: Wenn Kirchen wie Fahrradschuppen aussehen, gibt es für den Historiker nicht mehr viel zu tun, außer vielleicht die eine oder andere Verwechslung aufzuspüren. Charles Jencks hat das in seinem epochemachenden Buch über die „Sprache der postmodernen Architektur“ anhand von Mies van der Rohe vorexerziert, dessen Kapellen aussehen wie Heizhäuser und vice versa.

Mit dem umgekehrten Problem, dass Auto- und Modehäuser heute aussehen wie Kathedralen und Museen, kann die Disziplin jedenfalls besser leben. Die Verwechslungen sind zwar nach wie vor das eigentlich Interessante. Zusätzlich gibt es aber auch für eine Architekturgeschichte, die sich primär als Formengeschichte versteht, wieder reichlich Stoff.

Dass ein Auto- oder Modehaus mit großen formalen Ambitionen geplant wird, ist heute also keine Besonderheit mehr. Spannender ist die Frage, wie weit ein solches Projekt zu einem künstlerischen Eigenwert findet. Bei den Extrembeispielen der architektonischen Kaufhausmusik ist das Teil der Aufgabe. Sie werden dafür von Gucci und Prada mit märchenhaften Budgets und Freiheiten ausgestattet, um Eingang in die Architekturgeschichte zu finden und damit die Marke zu stärken. Das wirkt bis zu einem gewissen Grad ansteckend und hebt in vielen Branchen die Nachfrage nach Architektur, wobei die Ansprüche an Repräsentation und Effekt freilich um einiges schneller wachsen als die Budgets und die Freiheiten.

Die neue Konzernzentrale der Pappas-Gruppe am Salzburger Flughafen ist ein bemerkenswertes Beispiel für diesen Trend. Das durchaus konservative „Familienunternehmen mit 2000 Beschäftigten“ hat sich hier ein Gebäude geleistet, in dem unterschiedliche Funktionen auf insgesamt 36.000 Quadratmeter Nutzfläche übereinander gestapelt sind. Auf der untersten Ebene befindet sich eine KFZ-Werkstätte, darüber eine Verkaufszone für die verschiedenen Marken des Daimler-Chrysler-Konzerns. Über diesem breit gelagerten Baukörper liegt ein schmälerer, zweigeschoßiger Verwaltungstrakt. Wie immer, wenn bei einem Verkaufsgebäude mehrere Geschoße übereinander liegen, stellte sich auch hier die Aufgabe, die Kunden nach oben zu locken. Erschwerend war in diesem Fall die erforderliche Geschoßhöhe der KFZ-Werkstätte, die bis zur Verkaufsebene einen Höhensprung von sechs Metern zu überwinden vorgab.

Der Entwurf für das Gebäude stammt von KadaWittfeldArchitektur, dem Aachener Büro, das Klaus Kada, langjähriger Professor an der Technischen Hochschule Aachen, zusammen mit Gerd Wittfeld betreibt. 2001 hatten sie einen Wettbewerb gewonnen, den Pappas für ein anderes Grundstück ausgeschrieben hatte. Zwei Jahre später folgte der Auftrag, für ein leicht reduziertes Raumprogramm auf dem neuen Grundstück ein Projekt zu entwickeln. Dessen Grundidee besteht darin, die Straße aufs Verkaufsniveau hinauf- und rund um das Gebäude herumzuführen. Damit diese Zufahrt nicht zu banal und vor allem - als offener Schauraum - auch von den umgebenden Straßen aus gut einsehbar ist, neigt sie sich in einer leichten Schleuderbewegung nach außen und dann nach unten, bevor sie artig in die Horizontale übergeht. Dass Kada, dessen Affinität zu schnellen Autos legendär ist, Spaß an dieser Idee hatte, darf angenommen werden.

Interessenten flanieren außen auf dieser Rampe und können über mehrere, den verschiedenen Marken des Konzerns zugeordnete Eingänge die Verkaufshalle betreten, die mit dem Servicefoyer auf der unteren Ebene über Rolltreppen verbunden ist. Die Halle wird von einem ausladenden Dach überspannt, das im mittleren Bereich verglast ist. Die Raumhöhe erlaubt einen zweigeschoßigen Bereich, in dem Büros untergebracht sind, die sich über Glaswände zum Servicefoyer öffnen und auch von dort belichtet werden. In den Verkaufsraum eingebaut ist ein aufwendiger Cafébereich, der nicht von KadaWittfeld, sondern von einem Schauraumspezialisten geplant wurde und den großzügigen Raumeindruck mit seinem halbhohen, dunkel furnierten Wall nicht gerade bereichert.

Eine Erklärung brauchen auch die diagonalen Elemente, die wie Flügel zwischen die Fahrebene der Rampe und die Dachkante gespannt sind. Ursprünglich als Teil des Tragwerks geplant, um das Dach zu stützen, haben sie in der ausgeführten Version keine statische Funktion mehr. Dekor sind sie trotzdem nicht: Ihre raumbildende Wirkung ist wesentlich, um die Aufmerksamkeit der Besucher nach innen zu lenken und dem Baukörper nach außen jene Mehrdeutigkeit zu geben, die ihn erst interessant macht.

Und wie ist das jetzt mit dem künstlerischen Eigenwert, der den Rahmen der Bauaufgabe sprengt? Vielleicht wäre ein bisschen weniger Glanz näher bei der Kunst gewesen, ein bisschen mehr Gummigeruch, asphaltierte Ruppigkeit und verzinktes Blech statt Edelstahl. Vielleicht führt der Weg zur Baukunst ja überhaupt in die andere Richtung und beginnt dort, wo ein Autohaus als Autohaus geplant wird und nicht als Mischung aus Museum und Entertainmentcenter.

5. August 2006 Spectrum

Hier tanzt der Beton

Technisch komplex, formal ambitioniert: ein Schwimmbecken als schwebende Betonskulptur. Das Freibad im Südtiroler Kaltern - von den Wiener Architekten Marie-Therese Harnoncourt und Ernst Fuchs.

Die kleine Gemeinde Kaltern in Südtirol ist bekannt für guten Wein und landschaftliche Schön heit. Wer vom Norden über den Brenner hierher kommt, spürt, dass er die Alpen hinter sich hat und dass es endlich nach Süden zu riechen beginnt. Die Berge, weniger beherrschend als im Norden, aber immer noch imposant, bilden den Hintergrund einer abwechslungsreichen Kulturlandschaft, die ihre Qualität jahrhundertlanger liebevoller Pflege verdankt. Der Kalterer See, nach dem die bekannteste Weinsorte der Region benannt ist, liegt ein wenig außerhalb des Gemeindezentrums inmitten von sanften Hängen, auf denen Weinstöcke und Obstbäume wachsen.

Am schönsten Badestrand des kleinen Sees - er lässt sich zu Fuß leicht in zwei Stunden umrunden - hat die Gemeinde als Erweiterung des bestehenden Lidos ein neues Freibad errichtet, mit Sport- und Kinderbecken, einer Bar und einer Tribüne für Veranstaltungen. Ursprünglich hätte hier ein Hallenbad entstehen sollen, für das im Jahr 2002 ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde, aus dem die Wiener Architekten Marie-Therese Harnoncourt und Ernst Fuchs - die zusammen unter dem Namen „the next ENTERprise“ firmieren - als Sieger hervorgingen. Ein wenig hatte die Gemeinde bei diesem Projekt ins Schweizerische Vals geschielt, das sein internationales Renommee und seine touristische Attraktivität durch die von Peter Zumthor geplante Therme beträchtlich steigern konnte. Aus dieser Perspektive war die Wahl des Entwurfs von next ENTERprise eine kluge Entscheidung. Das Projekt war so außergewöhnlich, dass es bereits 2003 in Graz in der an Spektakulärem nicht gerade armen, von Zaha Hadid und Patrik Schumacher kuratierten Ausstellung über „Latente Utopien“ auffiel. Während die Mehrzahl der Beispiele dort eher nebulos als Vorahnungen neuer Technologien und einer neuen Formensprache der Architektur posierten, zeigten next ENTERprise eine reifes Projekt, das technisch komplex, formal ambitioniert und vor allem konkret war.

Auch bei der Architekturbiennale in Venedig 2004 konnte man einem Modell des Projekts begegnen, das sich inzwischen allerdings vom Hallenbad zum Freibad verwandelt hatte. Verantwortlich dafür waren lokalpolitische Auseinandersetzungen, die in dem Kompromiss geendet hatten, das Projekt nur in reduzierter Form zu verwirklichen. Das Grundkonzept des Entwurfs blieb trotz dieser Reduktion erhalten. Um das Grundstück möglichst wenig zu verbauen, ist das Bad auf mehreren Ebenen organisiert. Auf Seeniveau liegen die Umkleidekabinen und kleine, in der tragenden Konstruktion verborgene Räume mit Wasserspielen und Erlebnisbecken. Darüber liegt das „Sonnendeck“, eine weit ausladende Plattform mit den großen Schwimmbecken, auf der ein leichter, transparent wirkender Holzkiosk Bar und Shop aufnimmt. Der freie Blick auf den See bleibt damit von der Seepromenade fast vollständig erhalten.

So einfach dieses Konzept klingt, hat es doch eine Konsequenz, aus der next ENTERprise die Qualität ihres Entwurfs entwickelt haben. Da die Oberkante der Schwimmbecken rund fünf Meter über dem Boden liegt und dieser eigentlich nicht bebaut werden soll, stellt sich die Frage, wie man das Wasser in Schwebe halten kann, ohne den Raum darunter mit einer Stützkonstruktion zu verstellen. Die Architekten haben das gelöst, indem sie diese Konstruktion in eine Betonskulptur verwandelt haben, die nur an wenigen Stellen aus dem Boden herauswächst, das Gewicht des Wassers aber mit weit ausladenden Gesten auffängt. Besonders beeindruckend sind die Räume unter den Schwimmbecken mit ihren präzise gefalteten Decken. Zwei verglaste, kreisrunde Öffnungen im Boden des Sportbeckens erlauben einen Blick auf die Schwimmer und bringen zusätzliches Licht nach unten. Weitere Verbindungen zur Oberwelt öffnen sich aus den kleinen Räumen, in denen der Whirlpool und ein „Regenraum“ mit Wasserspielen untergebracht sind. Sie verengen sich trichterförmig nach oben und durchdringen die Wasseroberfläche, wo sie wie Inseln aus dem Wasser aufragen. Mit Edelstahl verkleidet, wirken sie wie kleine Modelle der Bergspitzen in der Umgebung.

Beton derart zum Tanzen bringen, wie es hier mit der Beckenkonstruktion vorgeführt wird, ist konstruktiv keine geringe Leistung. Das statische Konzept für das Tragwerk stammt vom Wiener Büro der Ingenieure Bollinger und Grohmann, die Tragwerksplanung von Bergmeister und Partnern aus Vahrn. Die Herstellung von Stahlbeton für Formen dieser Komplexität gleicht dem Gießen einer Skulptur, bei dem genau geplant werden muss, wie beim Einbringen des Betons die Luft aus den spitzen Winkeln der Gussform entweichen kann und welche Betonmischung für welchen Abschnitt die richtige ist. Die Ingenieure haben das Anliegen der Architekten, das Erscheinungsbild eines homogenen Gusskörpers zu erzeugen, bis ins Detail mitgetragen. Die Schalung ist perfekt, die Kanten scharf, und kein Spannanker hat Spuren des Herstellungsprozesses in der Oberfläche hinterlassen. Die Betonkörper enthalten Hohlräume, in denen die aufwendige Technik für die Versorgung der Becken untergebracht werden konnte.

Von solchen Anstrengungen merken die Besucher nichts. Sie genießen den Blick vom Sonnendeck, finden es praktisch, dass Bar und Shop nicht nur vom Bad, sondern auch von der Promenade aus benutzt werden können, und wenn sie nach Betriebsschluss vorbeiflanieren, wird ihnen vielleicht auffallen, mit wie viel Raffinesse die Architekten das leidige Thema der Abzäunung des Areals gelöst haben. Einige Elemente müssen noch Patina ansetzen, etwa die breiten hölzernen Handläufe der Reling auf dem Sonnendeck, die zu den Betonflächen passen werden, sobald sie ihre Farbe von gelb auf grau gewechselt haben. Und manches wird man vielleicht noch verbessern, etwa die Garderobekästchen, die nicht ganz an die einzigartige Atmosphäre des Raums herankommen, in dem sie aufgestellt sind.

Sicherlich hätte man das alles auch viel einfacher haben können, wie unzählige Freibäder beweisen, die aus nichts anderem bestehen als aus einem im Boden eingelassenen Becken und einer Baracke für die Umkleidekabinen. Aber es hängt wohl mit dem liebevollen Umgang mit der Landschaft zusammen, mit der über Jahrhunderte gewachsenen Kultivierung des Raums, dass man sich hier nicht mit einer solchen Lösung zufrieden geben wollte. Das Freibad ist in Kaltern nicht das einzige Beispiel dafür, dass diese Kultivierung nicht in der guten alten Zeit abgeschlossen wurde. Schräg gegenüber findet sich das grandiose Seehotel Ambach von Othmar Barth aus dem Jahr 1973, und in den letzten Jahren hat sich Kaltern mit dem Manincor-Weingut von Walter Angonese, Rainer Köberl und Silvia Boday, dem Weinhaus Punkt von Hermann Czech und dem Weincenter der Kellerei Kaltern von feld72 zu einer ersten Adresse für Architekturinteressierte entwickelt.

9. July 2006 Spectrum

Alle auf einen Blick

Hier das T-Center in Wien, ein Raumgedicht, übersetzt in die harte Prosa des Büroalltags. Dort ein Bürogebäude im Tiroler Stans, mit einem Innenraum, der einer Landschaft gleicht. Was sie gemeinsam haben: Sie teilen sich den Staatspreis für Architektur.

Unterschiedlicher könnten die bei den Projekte kaum sein, die sich heuer den Staatspreis für Architektur teilen: Das T-Center in Wien St. Marx, Sitz der Großunternehmen T-Mobile und T-Systems, geplant vom Architektenteam Domenig/Eisenköck/Peyker, und das Verwaltungsgebäude des Reiseveranstalters Travel Europe in der kleinen Tiroler Gemeinde Stans, geplant von den Vorarlberger Architekten Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf. Auf der einen Seite eines der größten Bürogebäude Österreichs mit einer Länge von über 250 Metern und einer Nutzfläche von rund 120.000 Quadratmetern, eine monumentale Skulptur, die eine Höhe von 60 Metern erreicht. Auf der anderen Seite ein eingeschoßiges, ruhiges Gebäude für 120 Mitarbeiter, das auf schlanken Stahlstützen ganz selbstverständlich über dem Gelände zu schweben scheint.

Das T-Center muss an dieser Stelle nicht lange vorgestellt werden: Es ist das Produkt einer höchst individuellen Architektursprache, eine Übertragung von Günther Domenigs Steinhaus vom Ossiacher See nach Simmering, vom empfindsamen Raumgedicht in die harte Prosa des Büroalltags. Die Ausnüchterung hat dieser Sprache durchaus nicht geschadet. Was an Poesie verloren geht, macht das Projekt durch Dimension und Dramatik mehr als wett. Sicher: Es gibt gemütlichere Bürohäuser, in denen sich besser Sonntagsreden darüber halten lassen, dass der Mensch im Mittelpunkt stünde. Hier ist es das System. Menschen sind in dieser Umgebung auf der Durchreise, vielleicht in die Chefetage, vielleicht zum nächsten Job. Den Architekten ist es geglückt, diesen Bedingungen nicht mit einem neutralen, im besten Fall adrett eingekleideten Hochhaus zu begegnen, sondern mit einem einzigartigen Baukörper, einigen der stärksten Innenräume Wiens und mit einer trotz aller Monumentalität sensiblen Anbindung ans lokale Umfeld mit seinen denkmalgeschützten Markthallen.

Ganz andere Bedingungen haben das Gebäude von Travel Europe in Stans geformt. Es symbolisiert einen Wendepunkt in der Geschichte eines mittelständischen Unternehmens. Noch unter dem Namen „Tirol Hotels“ hatte Travel Europe vor 20 Jahren mit der Vermittlung von Reisen nach Tirol begonnen. Innerhalb weniger Jahre gelang es den Firmeneignern, den Brüdern Anton und Helmut Gschwentner, die Aktivitäten des Unternehmens auf ganz Österreich und in der Folge auch auf die Nachbarländer, allen voran Tschechien und Ungarn, auszudehnen. Inzwischen bietet Travel Europe Reisepakete in ganz Mittel- und Osteuropa sowie in Südosteuropa an und verfügt außer der Zentrale in Stans über acht weitere Büros in verschiedenen europäischen Ländern. Die neue Firmenzentrale sollte diesen Aufbruch auch räumlich vermitteln, nicht zuletzt an die Mitarbeiter. Deren Geschäftspartner - zum überwiegenden Teil andere Reiseveranstalter, denen Travel Europe komplette Pakete von Fernreisen zum Weiterverkauf anbietet - sind in europäischen Großstädten angesiedelt. Um mit diesen Kunden auf einer Augenhöhe verhandeln zu können, sollte die Atmosphäre der neuen Firmenzentrale den neuesten Bürostandards in Paris oder Hamburg entsprechen, eingebettet allerdings in eine Erholungslandschaft, von der man in der Großstadt nur träumen kann.

Die Brüder Gschwendtner entschieden sich für einen Architekturwettbewerb mit einer kleinen Zahl von geladenen Büros. Bei der Auswahl der Büros und der Fachpreisrichter in der Jury ließen sie sich vom Architekten Andreas Orgler beraten, besichtigten aber auch selbst Referenzprojekte, unter anderem das Gebäude der „Montfort Werbung“ in Klaus in Vorarlberg von Oskar Leo Kaufmann. Im Wettbewerb, zu dem sechs Architekten geladen waren, setzte sich Kaufmann mit einem Entwurf durch, der die Ideen dieses Referenzprojekts weiterführt. Alle Büroräume liegen auf einer Ebene, darunter ein offenes Parkgeschoß für die PKWs der Mitarbeiter, darüber ein Dachgarten als Erholungszone. Der annähernd quadratische Grundriss von rund 50 mal 40 Metern ist von drei Lichthöfen durchbrochen,

Was auf den ersten Blick wie ein neutraler Großraum aussieht, ist in Wirklichkeit eine fein abgestufte, aber dennoch flexibel nutzbare Raumfolge. Das Dach folgt mit einem leichten Knick dem Gefälle des Hangs, wodurch sich im Inneren größere Raumhöhen im Eingangsbereich und eine zusätzliche Belichtungsmöglichkeit durch ein Lichtband ergeben. Weil auch die Niveaus im Inneren leicht differenziert sind, kommt nirgendwo das Gefühl auf, in einer einfachen Glaskiste zu sitzen. Der Raum gleicht eher einer Landschaft, ein Eindruck, der durch die Innenwände und Fassaden aus Glas verstärkt wird. „Wenn ich morgens das Büro betrete“, berichtet ein Mitarbeiter, „sehe ich sofort die ganze Firma, alle Kollegen auf einen Blick.“ Die Glaswände schließen wenige Einzel- und viele Gruppenbüros ab und bieten dazwischen noch genug Freiräume für informelle Besprechungen.

Kaufmann und Rüf, 1969 beziehungsweise 1968 geboren, haben mit diesem Projekt nicht zuletzt ihre Meisterschaft als Konstrukteure unter Beweis gestellt. Nach seinem Studium an der Technischen Universität Wien ist Kaufmann mit innovativen, präfabrizierten Holzbauten bekannt geworden. Seine jüngeren Projekte sind nicht mehr auf ein Material fixiert und haben auch die strengen Raster der konventionellen Vorfertigung elegant hinter sich gelassen. Im Travel-Europe-Gebäude finden sich mehrere präzise getaktete Achsmaße. Konstruktiv handelt es sich um eine Mischung aus einem Stahlbau mit einer neuartigen Betondecke, in die große Kunststoffbälle als verlorene Schalung eingelegt sind, um die Konstruktion leichter zu machen und die Wärmedämmung zu erhöhen. Man darf gespannt sein, ob es Kaufmann und Rüf bei ihrem ersten Wiener Projekt, einem „Boarding House“ für die Lenikus Bauträger Ges.m.b.H. in prominenter Lage am Hohen Markt, für das sie 2005 den Wettbewerb gewannen, gelingen wird, dieses Niveau zu halten.

Sicher hätte in Stans auch ein weniger anspruchsvolles Gebäude ausgereicht, um Büroraum für Travel Europe zu schaffen. In einer Branche, deren wichtigstes Kapital kompetente und motivierte Mitarbeiter sind, dürften die vergleichsweise geringen Mehrkosten aber gut angelegt sein. In diesem Gebäude signalisiert jedes Detail, dass die Menschen, die hier arbeiten, ihr Bestes geben, um ganz vorne mitzuspielen. Weniger kann man sich im globalen Wettbewerb wahrscheinlich gar nicht mehr leisten.

Publikationen

2025

Neue Lernwelten
Impulsgebende Schulen und Kindergärten in Österreich

In den letzten 15 Jahren sind in Österreich zahlreiche Bildungsbauten entstanden, die Impulse für neue Lernwelten jenseits der traditionellen Gangschule geben. Hinter dieser Entwicklung stehen gemeinsame Bemühungen von Akteur*innen aus Pädagogik, Architektur und öffentlicher Verwaltung, Bildungsräume
Hrsg: Christian Kühn, ÖISS — Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau
Verlag: JOVIS

2018

Operation Goldesel
Texte über Architektur und Stadt 2008–2018

Christian Kühns Texte sprechen auch Leser an, die mit Architektur nicht beruflich befasst sind. Sie schätzen daran, dass er Architektur nicht als zweckmäßigen Hintergrund oder als Bühne sieht, sondern als Idee, als Traum oder als verschlungenen Weg einer Projektgeschichte: vom ersten Entwurf über den
Autor: Christian Kühn
Verlag: Birkhäuser Verlag

2008

Ringstraße ist überall
Texte über Architektur und Stadt 1992-2007

Warum vergolden die Österreicher ihre Baudenkmäler selbst dann, wenn sie zu Staub zerfallen? Wieso bauen die Deutschen ihren Automobilen Tempel? Und was passiert, wenn Ernst Neufert in Graz auf Buster Keaton trifft? Seit 1992 bereichern die Texte Christian Kühns im Feuilleton der Tageszeitung „Die Presse“,
Autor: Christian Kühn
Verlag: SpringerWienNewYork

2007

Türme & Kristalle
Wettbewerb ehemalige Sternbrauerei Salzburg

Die Diskussion über die Möglichkeiten, an einer Stadt kreativ weiterzubauen, wird, wenn überhaupt, nur punktuell geführt. Als die Stadt noch von Planungsbehörden verordnet wurde, gab es dafür auch keinen Bedarf. Das ändert sich im Zeitalter, in dem private Investoren ganze Stadtteile entwickeln. Auf
Hrsg: Christian Kühn
Verlag: Verlag Anton Pustet