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Kampf der Herzerln
Der Standard

Vor drei Jahren hat Spittal an der Drau einen neuen Rathausplatz bekommen. Der neue Bürgermeister findet ihn „schiach“ und hat nun begonnen, ihn verbal und materiell zu demontieren. Im Sommer soll er mit Palmen und Pavillons aufgemotzt werden. Hilfe!

15. April 2023 - Wojciech Czaja
Szene 1, 2017: Vor dem Rathaus von Spittal an der Drau steht ein romantisch anmutender Eisenpavillon mit einer weiß lackierten Parkbank. Frisch vermählte Hochzeitspaare, hört man, lassen sich hier gerne fotografieren. Der restliche Rathausplatz ist als Platz kaum existent, eine Mischung aus Parkplatz und Rathausrückseite, überall Asphalt, vollgepfercht mit schräg parkenden Autos, keine Menschenseele weit und breit, in der Mitte ein leerstehendes Haus.

Szene 2, 2020: Es wird ein Wettbewerb zur Umgestaltung ausgeschrieben. Der Sieg geht an das Kärntner Architekturbüro Gasparin & Meier, das den Platz 2020 in eine Begegnungszone umbaut – mit Brunnen, Basketballplatz und gemütlichen Sitzecken, die in ihrer Gestaltung mit Lounge-Möbeln, Omama-Stehlampen und stilisierten Teppichen einem Wohnzimmer nachempfunden sind. Der gesamte Platz ist gepflastert, keine Versiegelung, das Kopfsteinpflaster wie in Italien im Schotterbett verlegt. Im Sinne der Schwammstadt soll das Regenwasser versickern. Es fließt in mehrere Retentionsbecken unter dem Platz und wird zur Bewässerung der 22 neu gepflanzten Bäume verwendet. Auf diese Weise wird die Kanalisation entlastet.

Szene 3, letzte Woche: Auf einem der zehn Quadratmeter großen Teppiche wurden die Lounge-Möbel, da sie „im Weg gestanden“ seien, vom neuen Bürgermeister Gerhard Köfer (Team Kärnten, zuvor Team Stronach, zuvor SPÖ, seit 2021 im Amt) bereits abgebaut. Stattdessen gibt es nun einen immergrünen Kunstrasen, zwölf Quadratmeter in der Fläche, mit weißer Rosamunde-Pilcher-Parkbank, Eisenherzerl und bunten Plastikblumen zum Fotografieren. Laut Köfer solle im Sommer nun auch der restliche Platz umgebaut werden, mit einem Pavillon als „Fotopoint“ in der Platzmitte.

Wir fragen den Bürgermeister:Am Gründonnerstag, Karwoche, wird Der ΔTANDARD von Bürgermeister Köfer in Empfang genommen. „Viel Zeit habe ich nicht. Sie schreiben ja sowieso, was Sie wollen.“ Zum einen kritisiert Köfer im Interview die Gestaltung des Platzes: „Wenn ich da runterschaue, dann sehe ich: Das ist einfach schiach. Das schaut ja lächerlich aus! Wir müssen den Rathausplatz neu beleben. Wir arbeiten nun daran, dass der Platz zeitgemäß wird.“

Noch eine Kritik: „Und zum anderen wurde der Platz so gebaut, dass er nahezu unbegehbar ist.“ Die Kritik richtet sich an den Bodenbelag, also an die Verlegung mit nicht geschnittenen, sondern gebrochenen Pflastersteinen. Es sei schwierig, den Platz mit Rollstuhl zu befahren und mit Stöckelschuhen zu begehen. „Da fällt dir das Gebiss raus, wenn du jemanden im Rollstuhl rüberschiebst.“ Der Landesrechnungshof empfiehlt in einer schriftlichen Stellungnahme, zu prüfen, ob ein Zusatz zum Fugensand mit erhöhtem Feinanteil die Fugenoberfläche besser verfestigen würde. Das könne die Unebenheiten reduzieren.

Bloß bitte nicht Basketball spielen! Auch am ehemaligen Basketballplatz – die bereits montierten Basketballkörbe mussten nach wenigen Tagen, nachdem sich Anrainer wegen des Lärms beschwert hatten, wieder abgebaut werden – lässt Köfer kein gutes Haar: „Übriggeblieben ist dieser weiße Schmutz. Wenn’s regnet, ist das eklig.“ Damit hätten auch die Marktbetreiber, die jeden Donnerstagvormittag hier unten ihren Bauernmarkt aufbauen, keine Freude, meint er. Sie freuten sich auf eine Pavillonüberdachung, versichert er. „Fragen S’ die Leute!“ Das tun wir. Wir hören uns mal um. „Der Platz ist schon okay, ein cooles Ding eigentlich, ganz anders, als man das sonst kennt“, sagt Ivo Burušić, 30 Jahre alt, er betreibt mit seinen Eltern jeden Donnerstag einen Obst-und-Gemüse-Stand. „Aber bitte keinen Pavillon! Wir fahren hier mit unseren Kombis und Lieferwagen auf den Platz, es ist jetzt schon eng!“ Corinna Ebner und Vanessa Goller, zwei befreundete Mütter, die mit ihren Kindern hier sind, meinen: „Früher war das nur eine Durchfahrtsstraße mit Parkplatz. Etwas mehr Grün wäre schön, und vielleicht noch mehr Spielgeräte für die Kinder, aber der Platz mit den Wohnzimmer-Lounges ist sehr nett, endlich mal was anderes!“

Die Sache mit dem Kopfsteinpflaster: Mario Rindlisbacher, Ofensetzer von Beruf, freut sich über den Bodenbelag: „Meist bemüht man sich, ein südliches, historisches Flair in eine Stadt zu bringen. Mit dem Kopfsteinpflaster ist das hier absolut gelungen. Ich würde an diesem Platz absolut nix ändern wollen!“ Etwas anders sieht das Svetlana Thaler, Betreiberin des angrenzenden Stadtcafés: „Schön ist der Platz ja, und auch gemütlich. Nur die Pflasterung finde ich nicht so geeignet. Wenn ein Wind kommt, ist der Sand überall.“

Barrierefreiheit? Am stärksten bekrittelt Bürgermeister Gerhard Köfer die Barrierefreiheit. Wir fragen Lukas Hofer, 34 Jahre alt, er ist in der Tageswerkstätte der Stiftung Liebenau beschäftigt und sitzt im Rollstuhl. Er macht gerade Pause im Eissalon. „Ein ganz glatter Boden wäre natürlich einfacher zu befahren, keine Frage. Aber es geht schon, ich würde sagen, dieser Platz ist sehr wohl barrierefrei. Das viel größere Problem sind die ganzen Randsteine in der Stadt. Die sind ein Kas. Das habe ich dem Bürgermeister schon öfter geschrieben, aber der meldet sich nie zurück.“

Und jetzt? Im Sommer soll der Rathausplatz, der vor erst drei Jahren aus stadtklimatischen Gründen bewusst als Versickerungsfläche angelegt wurde, zum Teil verfugt, versiegelt und umgebaut werden. Dazu hat Köfer im Rahmen des Leader-Förderprogramms der EU bereits einen Förderantrag unter dem etwas befremdlichen Titel „Makeover einer Dame“ gestellt. Mit 20 Palmen solle ein südliches Flair in die Stadt gebracht werden, der Rathausplatz erhalte zudem einen „mediterranen Pavillon mit Bepflanzung“. Auch so kann man der Erderwärmung begegnen.

Das Problem: Gerhard Köfer, der bereits kurz nach Amtsantritt den unabhängigen Gestaltungsbeirat von Spittal an der Drau aufgelöst hat, weigert sich, zur Umgestaltung des Platzes das Büro Gasparin & Meier – oder auch irgendwelche anderen Architekten – heranzuziehen. Das könne er selbst am besten. „Ich habe keine Ausbildung, aber ich mache das schon seit 30 Jahren. Ich habe eine starke Vorstellungskraft für alles, was mit Bauen zu tun hat.“ Oder auch seine Frau Evelyn Köfer. Die leitet den Ausschuss Stadtmarketing. Und ist für Herzerln und Blumenpavillons zuständig. „Wir haben so viel Kreativität im Haus. Und auch viel Gefühl für etwas.“

Fazit: Der Bürgermeister ist in Österreich immer noch die oberste Bauinstanz. Wie g’scheit das ist, wird man im nächsten Sommer in Spittal an der Drau sehen können. Oder aber die Geschichte nimmt doch noch ein gutes Ende.

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