Artikel

Musik, Veltliner und Kaiserschmarrn to go
Der Standard

Vor kurzem wurde die Expo 2025 in Osaka eröffnet. Das Spektrum reicht von billigen Klischees bis zu großartigem Ingenieursholzbau, vom Handtaschen-Eldorado bis zum kostbaren Ölgemälde von Caravaggio.

3. Mai 2025 - Ulf Meyer
O-su-to-lia, so heißt Österreich auf Japanisch. So steht es auch in großen Zeichen am Österreich-Pavillon auf der gerade angelaufenen Expo in Osaka. Mit Australien (O-su-to-la-lia) können es gebildete Japaner trotz der ähnlichen Laute kaum verwechseln, denn Austria ist von jeher das Land der Musik und steht als solches in Japan hoch im Kurs. Andere Klischees wie Sachertorte, Grüner Veltliner, Swarovski-Kristalle oder ein Bösendorfer-Konzertflügel dürfen freilich ebenfalls nicht fehlen in der Länderpräsentation, die in einer tageslichtlosen Blechkiste untergebracht ist, vollgepfropft mit viel Medieneinsatz, gestrichen in einem irgendwie undefinierbaren Flieder-Farbton.

Das ist unsinnlich und schade und auch alles andere als modern. Angenehm aus diesem Rahmen fällt da die Präsentation der Künstlerin Felice Rix-Ueno. Die Wienerin entwarf einst Hunderte von Mustern für die Wiener Werkstätte, bevor sie in Kioto Professorin wurde, wo sie fortan mit den führenden westlichen (Bruno Taut) und östlichen Architekten (Togo Murano) ihrer Zeit zusammenarbeitete. Allein mit diesem Pfund zu wuchern wagt die Schau im österreichischen Expo-Pavillon nicht so recht.
91 Meter lange Schleife

Gerettet wird die Tristesse der omnipräsenten Bildschirme nur von der Architektur: Vor der Black Box des O-su-to-lia-Pavillons steht eine aufwendig geformte, riesige geodätische Schleife aus Holz. Das Wiener Büro BWM Designers & Architects hat sie entworfen, und Architekt Erich Bernard, das „B“ in BWM, zeigte sich beim Besuch vor Ort sichtlich stolz auf sein Werk. Das von ihm entworfene Notenschriftband zeigt die ersten Takte von Beethovens Ode an die Freude . „Die aufstrebende Spirale soll ein kraftvolles Zeichen für Lebensfreude und Optimismus setzen“, so Bernard. „Die Hymne der Europäischen Union steht für die transnationale Identität Österreichs.“

Ober- und Untergurt der gigantischen, 17 Meter hohen und insgesamt 91 Meter langen Schleife sind durch hunderte Diagonalstäbe miteinander verflochten. Die verschraubten Holzlamellen aus Fichte wurde von der Firma Graf Holztechnik im niederösterreichischen Horn gefertigt und nach Japan transportiert. Das Band zeigt eindrücklich Österreichs Kompetenz im modernen Ingenieurholzbau. Gleichzeitig aber ist es bedauerlich, dass die verschlungene Form von fünf unbeholfenen Stahlpylonen getragen werden muss, dass die Treppe zur Aussichtsplattform wie ein notwendiges Übel wirkt, dass das alles mit der eigentlichen Pavillonkiste dahinter keinerlei Bezug aufnimmt.

Musik als Thema der österreichischen Länderpräsentation in Japan ist zwar nicht originell, aber eine gute Brücke. Und ein guter Frequenzgarant. Allerdings lässt sich Musik bildlich nur schwer darstellen. Das beweisen die Architektur und die Szenografie des Pavillons eindrücklich. Nach dem Rundgang durch den Pavillon kommen die Besucher zu einem kleinen Kiosk am Ausgang, wo unter anderem „Kaiserschmarrn to go“ verkauft wird.

Eine nationale – oder gar „transnationale“ – Identität in Architektur zu übersetzen ist eine Aufgabe, der sich alle 150 teilnehmenden Nationen auf dieser Expo stellen mussten. Mit unterschiedlichem Erfolg: Während Frankreich seinen Pavillon ungeniert in eine Werbebude für Lederhandtaschen verwandelt hat, überraschen Länder, die bisher nicht als Architekturgroßmächte galten, mit zum Teil pfiffigen und im besten Sinne ambitionierten Darstellungen: Bahrain und Usbekistan beispielsweise sind Bijous der Baukunst gelungen!

Reizvoller Stützenwald

Der vom Stuttgarter Atelier Brückner gestaltete Pavillon für Usbekistan hat einen Sockel aus Ziegel und Lehm, eine aufsteigende Plattform fährt Besucher von dort hinauf zu einer Terrasse, wo man durch einen reizvollen Stützenwald aus Zypressenholz wandeln kann. Das Königreich Bahrain hingegen hat Lina Ghotmeh, eine vielfach ausgezeichnete libanesische Architektin aus Paris, zur Gestalterin des nationalen Beitrags gekürt. Die Form ihres Pavillons erinnert an die Masten der sogenannten Dhaus, die einst die Küsten der Arabischen Halbinsel bis weit hinunter nach Ostafrika befuhren.

Während europäische Länder wie Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und die nordischen Länder bloß matte Hütten aufgebaut haben, zeigt Italien, wie es geht: Die große Holzhalle mit viel Tageslicht, eleganten Stahldetails und einem schönen Dachgarten darauf bietet sinnliche Erfahrungen und Raumerlebnis aus Bella Italia. Dem Architekten Mario Cucinella aus Bologna ist für den darin integrierten Beitrag des Vatikans ein schöner Rahmen gelungen: Der Kirchenstaat hat ein kostbares Ölgemälde von Caravaggio nach Osaka liefern lassen, das die Besucher sichtlich berührt. Zwar ist eine Expo keine Kunstschau, aber die Emotion, die echte Objekte auszulösen imstande sind, bezeugt, wie fad die hunderten Videos sind, die in den dunklen Pavillonkisten überall flackern.

Arkadenring aus Holz

Zusammengehalten wird das disparate Feld der nationalen Selbstrepräsentationen von einem gigantischen Arkadenring aus Holz. Das Holzfachwerk mit 650 Meter Durchmesser, geplant vom Tokioter Architekten Sou Fujimoto, gibt der Expo Kontur und Halt. Ein Jammer, dass die größte Holzkonstruktion der Menschheitsgeschichte am Ende der Weltausstellung wieder abgebaut werden soll. Von der Expo 2025 wird also einst ebenso wenig erhalten bleiben wie von der Expo 1970 in Osaka.

Stattdessen soll das 150 Hektar große Expo-Gelände, das auf einer künstlichen Insel in der Bucht von Osaka liegt, zu einer Entertainmentstadt ausgebaut werden. Der Bauherr will auf dem dann aufgewerteten Stück Land, wenn der Kaiserschmarrnduft schon lange verzogen ist, teure Hotels und eine Formel-1-Rennstrecke errichten – mit Motorengeheul statt Ode an die Freude.

Am 23. Mai findet auf dem Expo-Gelände der österreichische Nationentag statt. Der STANDARD wird berichten.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: